Warum gehört der Werther zu Sturm und Drang?

Albert, dessen „Ordnung und Emsigkeit in Geschäften“ stadtbekannt ist, stellt für Werther „einen braven, lieben Kerl“ dar, „dem man gut sein muß“.

Aus welchen Gründen verkörpert Albert das Prinzip bürgerlicher Lebensrationalität?

Nach dem 30-jährigen Krieg entstand in den Residenzstädten ein neues Bürgertum. Diesem Stand war es von nun an möglich, durch Leistung und Ausbildung zu Wohlstand und Ansehen zu gelangen. Als überzeugte Anhänger des Rationalismus richteten sie ihr Handeln nur nach gesundem Menschenverstand, wobei ihre Grundüberzeugung der Glaube an die Kraft der menschlichen Vernunft war. Das Wesen des Menschen sollte durch Erziehung und Bildung verbessert werden. Dieses starre Menschenbild widersprach den Vorstellungen mancher junger Menschen, die ihre Gefühle und die persönliche Freiheit als wichtigstes Element des Lebens verstanden. Die rigiden Regeln des Bürgertums schränkten sie ein, und sie rebellierten dagegen, so entwickelte sich das Menschenbild des Sturm und Drang. Der junge Goethe schrieb in dieser Zeit den BriefromanDie Leiden des jungen Werther, dessen Hauptfigur Werther er als einen leidenschaftlicher Stürmer und Dränger darstellt. Die Figur des Albert spiegelt im Roman die bürgerliche Gesellschaft mit all ihren rationalen Verhaltensweisen wider.

Lottes Ehemann Albert ist in der bürgerlichen Gesellschaft integriert und lebt nach ihren Bräuchen und Förmlichkeiten. Von vielen Leuten, auch von Aussenstehenden, wird Albert als „brav“ (z.B. S.21,28) bezeichnet. Zur Entstehungszeit des Romans bedeutete dies im bürgerlichen Sinne rechtschaffend und redlich. Am Hofe ist er „sehr beliebt“ (S.52) und erfolgreich und im Gegensatz zu Werther arbeitet Albert, wie es sich für einen Bürgerlichen gehört. Seine „Ordnung und Emsigkeit“ (S.52) sei kaum zu übertreffen. All dies zeichnet ihn als einen rational denkenden und pflichtbewussten Menschen aus. Alberts fester Überzeugung nach müssen bestehende Regeln und Gesetze eingehalten werden, um ein geregeltes Miteinanderleben und „alle Sicherheit des Staats“ (S.117) zu gewährleisten. Dies wird z.B. in der Szene deutlich, in der Werther eine Rettung des Knechts anstrebt (S.117). Hier spielt Albert zum wiederholten Male den vernünftig denkenden bürgerlichen Menschen, der sich nicht von seinen Gefühlen leiten lässt. Mit dieser deutlichen Einstellung zeigt er sich in aller Öffentlichkeit, sein Ansehen nimmt bei ihm einen hohen Stellenwert ein. Beispielsweise hat er zwei Pistolen nur „pro forma“ (S.52) an der Wand hängen, obwohl er Waffen abneigend gegenübersteht. Gleichzeitig vermeidet er peinlichst, dass über ihn im Negativen geredet wird, zum Beispiel bittet er Lotte sich nicht mehr mit Werther zu treffen, da die „Leute aufmerksam“ werden und man „hier und da drüber gesprochen hat“ (S.118)

Alberts Verhalten in der Öffentlichkeit spiegelt sich auch in seiner Beziehung zu Lotte. Er führt mit Lotte im bürgerlichen Sinne eine glückliche Ehe, er „weiß was er an Lotten hat“ (S.48). Die soziale Sicherheit, seine Ruhe und Zuverlässigkeit (S.129), die er ihr bieten kann, schätzt Lotte und sie spricht von ihrem Verlobten mit viel „Wärme“ und „Liebe“ (S.44). Werther sieht seine Angebetete als gleichberechtigten Menschen an, während Albert in seinen bürgerlichen Konventionen lebt. Danach genießt er das „Besitz“-recht (S.48) über Lotte, und dementsprechend ordnet sich Lotte ihrem Mann unter. Albert gegenüber ist sie eher unterwürfig und widerspricht ihm selten, auch wenn sie eine andere Ansicht besitzt. Dies beweist u.a. die Szene (S.146), in der Lotte auf Alberts Anweisung die Pistole dem Bedienten aushändigt, obwohl es „auf sie wie ein Donnerschlag fiel“ und sie kein gutes Gefühl dabei hat. Auch zeigt Albert Lotte gegenüber kaum Emotionen: er „hat Lotte in meiner Gegenwart noch nicht ein einziges Mal geküsst“ (S.48) sagt Werther im Brief vom 30.Juli. Die einzige Ausnahme bringt der Tag des Abschieds am 10.September, an dem „Albert ihr um den Hals fiel“. Hier zeigt er erstmals, dass er sie „von ganzer Seele“ liebt (S.90), dennoch beklagt Werther in ihm einen „Mangel an Fühlbarkeit“ (S.90), die Fähigkeit sich emotional

hinzugeben ist ihm fremd, da er ein solches Verhalten als irrational ansieht. Im Brief von 29.Juli sagt Werther von Albert, „daß sein Herz nicht sympathisch schlägt“ (S.90). Damit will Werther ausdrücken, dass Albert trotz seiner Liebe zu Lotte nie den verbindenden inneren Gleichklang mit ihr erreichen wird wie er. Dagegen treffen Werthers „Herz und Lottens in einem zusammen“ (S.90).

Alberts Beziehung zu Lotte wirkt sich natürlich auch auf seine Beziehung zu Werther aus, der der Konkurrent um Lottes Gunst darstellt. Durch den Gesellschaftsstand Alberts besteht kein Zweifel an seiner Hochzeit mit Lotte. Werther muss also die Regeln Alberts einhalten. Zunächst einmal betrachtet er das Verhältnis zwischen Lotte und Werther ohne jegliche „launische Unart“, die Werthers „Glück“ (S.51) zerstören könnte, zu fest gefügt ist Alberts Weltbild, als dass er die Gefährdung seiner Verlobung bzw. Ehe ernsthaft in Betracht ziehen würde. Er scheint nicht eifersüchtig zu sein und zeigt sich Werther gegenüber freundlich. Sein Verhalten kennzeichnet sich durch eine gewisse Großzügigkeit und Freundlichkeit aus. Werther betont dies ausdrücklich im Brief vom 28.August (S.63), nebenbei dem Geburtstag von Werther und Goethe. Im 2. Buch des Romans kühlt sich allerdings das Verhältnis der beiden merklich ab. Bei Albert führt das dazu, dass er sich immer mehr von Werther zurückzieht und es nur noch ungern zu sehen scheint, dass Lotte sich mit Werther trifft. Dieser geht Alberts Meinung nach zu weit, seine häufige Anwesenheit stört ihn und er „wünschte, daß es möglich sein möchte, ihn zu entfernen“ (S.118. Es kommt sogar soweit, dass er Werther nicht zu ihrem Hochzeitstag einlädt (S.80). Da sich Albert nun seine Meinung über den in seinen Augen zu emotionalem Anbeter seiner Frau gebildet hat, lässt er davon nicht mehr los. Ihre Beziehung zueinander ist nun mehr „frostig“ (S.125), dennoch überwiegt stets sein bürgerliches Verhalten. Am 20.Dezember z.B., lädt er Werther nur aus Höflichkeitsgründen zum Essen ein (S.125).

Werthers Beziehung zu seiner Frau stellt aber nicht den alleinigen Grund für die nachlassende Freundschaft der beiden dar. Größtenteils beruht die schwindende Beziehung auf Werthers Verhalten als Stürmer und Dränger, Eifersucht kommt kaum ins Gewicht. Als aufgeklärter Bürger versteht Albert die stark emotional geprägten Einstellungen Werthers nicht. Während dieser von Stimmungen abhängig ist, bleibt Albert immer er selber, seine Freunde sagen von ihm „er habe sich in so kurzer Zeit nicht verändert“ (S.113). Leidenschaftlich verteidigt Werther einmal einen Verbrecher (S.116) und Albert, stets auf der Seite der Vernunft kann seine Einstellung gar nicht nachvollziehen und lässt dies auch durchklingen. Werther glaubt, einige „Empfindlichkeit“ (S.117) gegen sich zu hören, als Albert „über die Sache des Gefangenen“ spricht (S.117). Eine der Schlüsselszenen des Romans stellt jedoch die Auseinandersetzung Alberts mit Werther über den Selbstmord dar. Es sticht als klarstes Beispiel für Alberts Unverständnis gegenüber dem Sturm und Drang hervor. Der Verlauf des Gespräches zeigt Albert als den aufgeklärten Bürger, der die Vorstellungen der Gesellschaft vertritt. Er begründet seine Position, indem er den Selbstmord als töricht und lasterhaft bezeichnet. Werther widerspricht ihm und verlangt, dass die menschliche Natur zum einzigen Maßstab der Bewertung gemacht werden soll. Man muss die Ursachen einer solchen Handlung erforschen und für die Beurteilung heranziehen. Er verlangt Mitleid, nicht Strafe für die Handlungen, die aus äusserster Not erfolgen, zum Beispiel Angst vor dem Hungertod, Liebe und Leidenschaft. Doch Albert antwortet, dass für ihn „ein Mensch, den seine Leidenschaften hinreissen, alle Besinnungen verliert und als ein Trunkener, als ein Wahnsinniger angesehen wird“ (S.54). Für ihn sind diese Menschen unzurechnungsfähig, ihr Handeln kann nicht entschuldigt werden. Werther läuft Sturm gegen diese Ansicht, er sieht in den Trunkenen und Wahnsinnigen gerade jene ausserordentlichen Menschen, „die etwas Großes, etwas Unmöglichscheinendes (be)wirkten“ (S.54), und wirft Albert vor, dass die sittlichen Menschen, die „Pharisäer“, die „Nüchternen“, die „Weisen“ (S.54), solche Menschen als Trunkene und Wahnsinnige abgestempelt haben. Albert lehnt Werthers Auffassung weiter ab und stärkt seine Position, indem er den Selbstmord als „Schwäche“ (S.55) ansieht. „Denn freilich ist es leichter zu sterben, als ein qualvolles Leben standhaft zu ertragen“ (S.55). Er bleibt ruhig, begreift aber die leidenschaftliche Argumentation Werthers nicht, und er beruft sich weiterhin auf den Verstand. Dadurch, dass Werther auf die Natur des Menschen verweist, ist der Gegensatz unüberbrückbar.

Das Erscheinen des BriefromansDie Leiden des jungen Wertherim Herbst 1774 war eine Sensation. Es gehörte zu den erfolgreichsten Büchern des 18.Jahrhunderts, und kam besonders bei den jungen Menschen gut an, da sie in den Regeln des Bürgertums noch nicht so verankert waren wie älteren Generationen. Aber die eigentliche literarische Epoche des Sturm und Drang dauerte nur von 1767 - 1785 an, ein recht kurzer Zeitraum also. An dieser Tatsache lässt sich erkennen, dass das Bürgertum schließlich überlebte und die reinen Stürmer und Dränger wieder im Nichts verschwanden. Der Grund lag wahrscheinlich an ihrem Welt- und Menschenbild, das einfach nicht in der reellen Welt langfristig praktikabel und umsetzbar war. Schließlich muss irgendwoher das Geld kommen, und pure Schwärmerei bringt davon wenig ins Haus. Auch Goethe blieb nicht sein ganzes Leben lang ein Stürmer und Dränger, er wurde im Alter schon „vernünftiger“. Das Buch ist eigentlich ein Beweis an sich, dass ein Leben des Sturm und Drang kaum möglich ist: Werther bringt sich um, weil er sich im Leben nicht mehr zurecht findet und an seiner Unfähigkeit zugrunde geht. Albert, der Bürgerliche,

Ist Werther ein Stürmer und Dränger?

Also: Werther ist ein klarer Vertreter des Sturm und Drang. Aber: Der Sturm und Drang war auch eine Rebellion einer jungen Generation gegen die gesellschaftlichen Zustände im damaligen (feudalistischen) Deutschland, gegen die Ständegesellschaft.

Wie erkenne ich Sturm und Drang?

Sturm und Drang (1765–1790): Die vier wichtigsten Merkmale.
Merkmale..
Geniekult..
Ausdrucksstarke Sprache..
Tragisches Heldentum..
Kritik am Feudalismus..
Zeitgeschichtliche Einordnung..
Literatur..

Was macht den Sturm und Drang aus?

Was macht Sturm und Drang aus? Der Sturm und Drang ist eine Protestbewegung gegen die Aufklärung. Ihrem höchsten Ideal, der Vernunft, setzen die Stürmer und Dränger Gefühl, Ich-Bezug und Geniekult entgegen.

Warum heißt es Sturm und Drang?

Die Epoche erstreckt sich über den Zeitraum von 1765 bis 1785. Die Strömung entstand, weil sich die damalige Jugend mit den alten Werten der Aufklärung auseinandersetzte. Der Name der Epoche entstammt dem Titel von Friedrich Maximilian Klingers Drama ,,Sturm und Drang”.