Welche bedeutung hat diebiologische revolution für die entwicklung der hygiene

Keime wie Bakterien, Viren oder Pilze finden sich überall in der Umwelt. Viele besiedeln auch unseren Körper – die meisten sind für uns harmlos. Manche können jedoch auch krank machen. Krankheitserreger können von Mensch zu Mensch, über die Hände oder gemeinsam benutzte Gegenstände weiterverbreitet werden. Einfache Hygienemaßnahmen tragen im Alltag dazu bei, sich und andere vor ansteckenden Infektionskrankheiten zu schützen.

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2.1. Händehygiene

Günter Kampf und Axel Kramer

Die Hände des Personals gelten als wichtigster Überträger von Krankheitserregern. Deshalb gehört die Händehygiene zu den wichtigsten Maßnahmen zur Verhütung von NI. Keine andere Maßnahme der Krankenhaushygiene hat eine so starke epidemiologische Evidenz für den präventiven Nutzen für den Patienten.

Die Maßnahmen der HändehygieneHändehygiene dienen dem Schutz vor der Verbreitung nosokomialer Erreger (transienter Mikroorganismen), der Reduktion der residenten Flora und der Entfernung von Verschmutzungen (Kramer et al. 2000b). Durch Verbesserung der Compliance der Händehygiene kann die Rate von NI insbesondere durch Anwendung alkoholischer Händedesinfektionsmittel signifikant gesenkt werden (Kampf und Kramer 2004; Kampf, Löffler und Gastmeier 2009; Pittet et al. 2000; WHO 2009).

Kolonisation der Hände und Überleben von Krankheitserregern auf Händen: Grundsätzlich HändeKolonisationunterscheidet man bei der Besiedlung der Hände zwischen residenter und transienter Hautflora sowie Infektionsflora (Kampf und Kramer 2004).

  • Die residente Hautflora wird auf der HautFloraresidenteOberfläche der Haut, unter den oberflächlichen Zellen des Stratum corneum und in den Haarfollikeln gefunden (Kap. 5.20).

  • Die transiente Hautflora besteht HautFloratransienteaus nur zeitweise auf der Haut vorkommenden Bakterien, Pilzen oder Viren einschließlich nosokomialer Infektionserreger. Bakterien und Hefepilze überleben meist eine Stunde oder länger. Bei Viren reicht die Dauer der Persistenz von 10 min bis zu mehreren Stunden (Tab. 2.1 ).

    Tab. 2.1

    Persistenz nosokomialer Infektionserreger auf Händen

    Gramnegative StäbchenbakterienAcinetobacter spp.≥ 150 minEscherichia coli6–90 minKlebsiella spp.bis zu 2 hProteus vulgaris≥ 30 minPseudomonas spp.30–180 minSalmonella spp.≤ 3 hSerratia marcescens≥ 30 minGrampositive KokkenbakterienS. aureus> 150 minVREbis zu 1 hVirenInfluenzavirus, Parainfluenzavirus10–15 minHAVMehrere StundenRotavirusBis zu 260 minHefepilze1 h

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    (nach Kampf und Kramer 2004)

  • Die Infektionsflora beinhaltetHautInfektionsflora das Vorkommen von ätiologisch an aktuellen Infektionen der Hand (wie Abszessen, Panaritium, Paronychie, infiziertem Ekzem) beteiligten Erreger.

Übertragung nosokomialer Infektionen durch Hände: Verschiedene NI werden über die Hände von Mitarbeitern übertragen, vor allem SSI, Septikämien und Pneumonien (Kampf, Löffler und Gastmeier 2009). Gleiches gilt für die Ausbreitung von MRE. Durch Händedesinfektion wird daher die Anzahl kolonisierter bzw. infizierter Patienten reduziert (Brown et al. 2003; Gagné, Bédard und Maziade 2010; Girou et al. 2006; Gordin et al. 2005; Johnson et al. 2005; Kaier et al. 2009; Simor et al. 2002; Trick et al. 2003). Ebenso ist die Effizienz bei der Unterbrechung von Ausbrüchen nachgewiesen (Armbrust et al. 2009; Cheng et al. 2007; Fung und Cairncross 2007; Simor et al. 2002).

2.1.1. Schutz vor Kontamination durch Schutzhandschuhe

Indikationen: SchutzhandschuheSchutzhandschuhe dienen sowohl dem Eigenschutz als auch der Unterbrechung von Infektionsketten (Johnson et al. 1990; Tenorio et al. 2001). Sie müssen immer dann angelegt werden, wenn der Kontakt mit Erregern vorhersehbar oder wahrscheinlich bzw. wenn eine massive Verunreinigung mit Körperausscheidungen, Sekreten und Exkreten möglich ist (TRBA 531, 1996). Beispiele sind Blutentnahmen, die Pflege inkontinenter Patienten, Waschen von MRSA-Patienten, Umgang mit Beatmungsschläuchen, Entleerung Schutzhandschuhevon Wasserfallen, endotracheales Absaugen, Tracheostomapflege, Entsorgung von Sekreten, Exkreten und Erbrochenem sowie die Entfernung von Drainagen, Verbänden oder kontaminierten Materialien.

Da die Perforationsrate mit zunehmender Tragedauer im Pflegeprozess steigt, sollte sie auf etwa 15 min beschränkt werden. Dabei sind Nitrilhandschuhe den Latexhandschuhen überlegen. Da die Perforationsrate nach Patientenwaschung und Verbandswechsel signifikant erhöht war, sollte hiernach in jedem Fall ein Handschuhwechsel durchgeführt werden (Hübner et al. 2013). Der Einsatz textiler aufbereitbarer Unterziehhandschuhe hat durch Absorption der Feuchtigkeit einen günstigen Einfluss auf den Hautzustand und wurde für den Routineeinsatz in der Patientenpflege überwiegend bejaht (Hübner et al 2014).

Nach Beendigung der Tätigkeit, ggf. auch zwischen der Verrichtung verschiedener Tätigkeiten an einem Patienten, sind die Handschuhe im Allgemeinen abzulegen. Anschließend ist eine Händedesinfektion durchzuführen, da Handschuhe durch unbemerkte Perforation oder Kontamination der Hände beim fehlerhaften Ausziehen keinen sicheren Schutz vor einer Kontamination der Hände gewähren (Doebbeling et al. 1988; Korniewicz et al. 1989; Tenorio et al. 2001).

Desinfektion: Behandschuhte Hände sollten nur in Ausnahmefällen desinfiziert werden, z. B. in Situationen, in denen ein häufiger Handschuhwechsel erforderlich ist, aber erfahrungsgemäß häufig nicht durchgeführt wird, oder wenn eine Notfallsituation zwischen dem Kontakt von kontaminierten Bedienelementen und dem Patienten keinen Handschuhwechsel zulässt. Dabei sind drei Voraussetzungen zu berücksichtigen (Kramer et al. 2000b):

  • Der Handschuh muss nachweislich desinfizierbar sein (Häufigkeit, Materialverträglichkeit, Handschuhfabrikat, Desinfektionsmittel müssen bekannt sein).

  • Der Handschuh weist keine bemerkten Perforationen auf und ist nicht mit Blut, Sekreten oder Exkreten kontaminiert.

  • Es besteht keine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Kontamination mit chemoresistenten Viren oder MRE.

Schutzhandschuhe sind wegen des Risikos der Hautschädigung und erhöhter Perforationsgefahr (Pitten, Herdemann und Kramer 2000) nur auf trockenen Händen anzulegen.

2.1.2. Möglichkeiten zur Elimination von Kontaminationen

Einfache Händewaschung

Die einfache Händewaschung beinhaltet die Anwendung einer Waschlotion ohne antimikrobielle Wirkung mit dem Ziel, die Hände zu reinigen.

Die einfache Händewaschung ist einmalig zu Arbeitsbeginn indiziert, um Schmutz und Bakteriensporen zu entfernen. Risikoabhängig kann sie auch vor Essenzubereitung und -Händewaschungeinfacheverteilung, nach Toilettenbenutzung außer bei Durchfall und nach dem Naseputzen außer bei Atemweginfektionen durchgeführt werden.

WaschlotionenHändewaschungWaschlotionen Waschlotionen müssen frei von Pathogenen sein. Wegen der Hautverträglichkeit sollte der pH-Wert neutral oder schwach sauer sein. Nach dem Waschen muss die Haut abgetrocknet werden, um Hautschäden vorzubeugen. Anstelle fester Seifen ist der Einsatz flüssiger Seifen zu empfehlen, da erstere häufig kontaminiert waren und nach Einführung flüssiger Seife die Rate von NI abfiel (Şenol, Çakan und Özacar 2011). Die Verwendung von Einmalflaschen ist zu empfehlen, weil Aufbereitung und Nachfüllen mit Kontaminationsrisiken verbunden sind. Im Fall eines Ausbruchgeschehens sollten auch flüssige Seifen in Umgebungsuntersuchungen einbezogen werden, da diese vereinzelt Quelle für gramnegative Bakterien waren (Archibald et al. 1997; Grohskopf et al. 2001; Sartor et al. 2000).

Die Hautverträglichkeit von Seifen ist in allen Merkmalen (transepidermaler Wasserverlust, Entfettung, Hautrauhigkeit, Schuppung, Austrocknung) signifikant schlechter als die Anwendung alkoholischer Händedesinfektionsmittel (Kramer et al. 2003).

Hygienische Händewaschung

Die hygienische Händewaschung beinhaltet Händewaschunghygienischedie Anwendung einer antimikrobiellen Waschlotion mit dem Ziel, die Hände zu reinigen und gleichzeitig eine gewisse bakterizide Wirkung zu erzielen.

Die hygienische Händewaschung ist im Krankenhaus keine Alternative zur Händedesinfektion (Kramer et al. 2000b).

Hygienische Händedesinfektion

Die hygienische HändedesinfektionHändedesinfektionhygienische beinhaltet die Anwendung eines alkoholischen Händedesinfektionsmittels nach tatsächlicher oder fraglicher Kontamination der Hände bzw. vor bestimmten Tätigkeiten.

Indikationen: Vor folgenden Situationen wird die hygienische Händedesinfektion, angelehnt an die 5 Momente der Händedesinfektion der WHO, empfohlen (Abb. 2.1 ):

Welche bedeutung hat diebiologische revolution für die entwicklung der hygiene

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Abb. 2.1

Die fünf Momente der Händedesinfektion, angelehnt an die Empfehlung der WHO

[L106]

  • Betreten der reinen Seite der Personalschleuse von OP-, Sterilisationsabteilungen und anderen Reinraumbereichen

  • Invasive Maßnahmen, z. B. Legen eines Katheters, Angiografie, Bronchoskopie, Endoskopie, Injektion oder Punktion, auch wenn dabei Handschuhe getragen werden

  • Kontakt mit in besonderem Maß infektionsgefährdeten Patienten, z. B. Patienten mit Leukämie, Polytrauma, Bestrahlung oder Verbrennung

  • Tätigkeiten mit Kontaminationsgefahr, z. B. Bereitstellung von Infusionen, Herstellung von Mischinfusionen, Aufziehen von Medikamenten

Die hygienische Händedesinfektion wird zudem nach folgenden Situationen empfohlen:

  • Kontakt mit potenziell/definitiv infektiösem Material oder infizierten Körperregionen

  • Kontakt mit potenziell kontaminierten Gegenständen, Flüssigkeiten oder Flächen, z. B. Urinsammelsysteme, Beatmungsgeräte, Trachealtuben, Drainagen, Schmutzwäsche, Abfall

  • Kontakt mit Patienten, von denen Infektionen ausgehen können oder die mit Erregern von besonderer krankenhaushygienischer Bedeutung besiedelt bzw. infiziert sind, z. B. MRE, Durchfallerkrankungen

  • Ablegen von Schutzhandschuhen, da ein Erregerkontakt oder eine Verunreinigung stattgefunden haben kann

Ebenso ist vor und nach jedem Kontakt mit Wunden bzw. mit dem Bereich der Einstichstellen von Kathetern und Drainagen eine hygienische Händedesinfektion zu empfehlen.

Durchführung: Die hygienische Händedesinfektion ist so durchzuführen, dass die transiente Flora noch auf den Händen weitestgehend abgetötet wird. Das alkoholische Händedesinfektionsmittel ist über sämtliche Bereiche der trockenen Hände mit besonderer Berücksichtigung der Fingerspitzen, Daumen, Innen- und Außenflächen, Handgelenke, Interdigitalräume und Nagelfalze einzureiben. Die Hautareale sollen für die Dauer der deklarierten Einwirkzeit feucht benetzt sein. Es ist eine Einreibetechnik zu wählen, die sicherstellt, dass beide Hände möglichst vollständig benetzt sind. Für eine akzeptable Benetzung der Hände ist das Verreiben des Präparats für 22–28 s erforderlich (Kampf et al. 2008).

Bei mutmaßlicher/wahrscheinlicher Viruskontamination muss ein gegen die entsprechenden Viren wirksames Präparat verwendet werden (valide Prüfergebnisse).

Alkoholische Händedesinfektionsmittel sind Händedesinfektionsmittel, alkoholischeinnerhalb von 30 s hoch wirksam gegenüber Bakterien einschließlich MRE, Hefepilzen und behüllte Viren (Kampf und Kramer 2004). Dagegen benötigen alkoholische Gele mit niedrigem Alkoholgehalt 1 min (Kramer et al. 2002) und waren wegen der geringeren Wirksamkeit trotz verbesserter Compliance ohne Einfluss auf die NI-Rate (Rupp et al. 2008). Gegenüber unbehüllten Viren sind nur wenige alkoholische Desinfektionsmittel innerhalb klinisch vertretbarer Einwirkzeit wirksam (Kramer et al. 2006). Diese Präparate weisen eine unterschiedliche Einwirkzeit (1 bzw. 2 min) auf und sind aufgrund der Zusammensetzung unterschiedlich gut hautverträglich (Kampf und Reichel 2010). Die Effektivität der Händedesinfektion ist sowohl anhand der Senkung der NI-Rate insgesamt (Capretti et al. 2008; Pitten et al. 2000) als auch für spezielle Merkmale nachgewiesen wie Senkung von ZVK-assoziierten Blutstrominfektionen (Capretti et al. 2008; Larson, Quiros und Lin 2007), HWI und SSI (Hilburn et al. 2003), Herabsetzung von MRSA-Infektionen und der Nachweisrate klinischer MRE-Isolate (Gagné, Bédard und Maziade 2010; Harbarth et al. 1999; Harrington et al. 2007; Johnson et al. 2005; Kaier et al. 2009; Ling und How 2012; MacDonald et al. 2004). Selbst in kommunalen Settings war eine präventive Wirkung in Bezug auf gastrointestinale und respiratorische Infektionen nachweisbar (Guinan, McGuckin und Ali 1997; Hammond et al. 2000; Hübner et al. 2010; Lee et al. 2005; Sandora et al. 2005; White et al. 2001).

Die Compliance der HändehygieneHändehygieneCompliance liegt im Gesundheitswesen bei durchschnittlich etwa 50 %. Somit wird die Händedesinfektion nur bei etwa der Hälfte der Situationen mit erforderlicher Händedesinfektion durchgeführt. Durch die Verbesserung der Compliance von 48 % auf 66 % konnte gezeigt werden, dass die NI-Rate um 41 % sank (Pittet et al. 2000). Keine andere Einzelmaßnahme der Krankenhaushygiene hat einen so großen nachweislichen präventiven Nutzen. Die Compliance kann z. B. durch Verwendung besonders hautverträglicher Händedesinfektionsmittel, einfachen Zugang zum Desinfektionsmittel, Verbrauchsanalysen, Surveillance von NI, Schulung und Förderung der Händehygiene, Appell an die Vorbildfunktion der Vorgesetzten, Vermeidung von Personalengpässen in der Patientenversorgung, automatische Spender und standardisierte Arbeitsabläufe (z. B. beim Legen eines peripheren Venenkatheters) verbessert werden (Kampf et al. 2013; Kampf, Löffler und Gastmeier 2009; Sahud und Bhanot 2009).

Chirurgische Händedesinfektion

Die chirurgische Händedesinfektion wird präoperativ mit dem Ziel durchgeführt, die transiente Flora der Hände zu eliminieren und die residente Flora der Hände für die Dauer der OP größtmöglich zu reduzieren.

Durch die chirurgische HändedesinfektionHändedesinfektionchirurgische soll das SSI-Risiko gesenkt werden, da OP-Handschuhe in bis zu 40 % bemerkt oder unbemerkt perforieren (Harnoss et al., 2009, Harnoss et al., 2010) und perforierte OP-Handschuhe mit einem höheren SSI-Risiko verbunden sind (Cruse und Foord 1973; Misteli et al. 2009). Die Verwendung einer nichtmedizinischen Seife hatte einen SSI-Ausbruch zur Folge (Grinbaum, de Mendonç und Cado 1995).

Indikationen: Die chirurgische Händedesinfektion ist vor allen operativen Eingriffen durchzuführen (KRINKO 2007) sowie vor sonstigen Eingriffen mit gleichen Anforderungen an die Asepsis. Es wird empfohlen, die Hände zu Dienstbeginn zu waschen, spätestens aber vor Anlegen der OP-Bereichskleidung in der OP-Schleuse (Kramer et al. 2008b). Die Hände und Fingernägel der Mitarbeiter müssen sauber sein, wenn sie den OP-Trakt betreten. Vor dem Anlegen der OP-Bereichskleidung wird eine hygienische Händedesinfektion durchgeführt.

Durchführung: Bei optisch sauberen Händen ist routinemäßig keine Waschung vor der Desinfektionsphase erforderlich. Die Fingernägel sind nur bei Verschmutzung mit weicher, thermisch desinfizierter (oder steriler) Kunststoffbürste, ggf. zusätzlich mit Holzstäbchen oder Metallnagelreiniger zu säubern. Hände und Unterarme sind wegen der Wegbereitung von Hautirritationen nicht mit der Bürste zu behandeln. Anschließend werden die Hände mit frischem Einmaltextil- oder Papierhandtuch getrocknet. Zur Desinfektion werden Hände und Unterarme nach der vom Hersteller angegebenen Einwirkzeit vollständig mit dem Desinfektionsmittel benetzt. Anschließend werden die Hände an der Luft getrocknet, bevor die OP-Handschuhe angelegt werden (KRINKO 2007).

Alkoholische Händedesinfektionsmittel: Da Alkohole, insbesondere Propan-1-ol, gegen die residente Hautflora hochwirksam sind, wurde die Anwendung von Propan-1-ol (60 %) über 3 min zum Referenzverfahren für die chirurgische Händedesinfektion ausgewählt. Durch die Referenzdesinfektion lässt sich die Koloniezahl der Hände um 2,7 log10-Stufen reduzieren (Sofortwirkung). Nach 3 h unter dem OP-Handschuh ist die Koloniezahl der Hände noch immer um 2,2 log10-Stufen niedriger (Kampf und Ostermeyer 2004). Ein Präparat zur chirurgischen Händedesinfektion darf der Referenzdesinfektion weder in der Sofort- noch in der Langzeitwirkung unterlegen sein. Abhängig vom Präparat sind auch innerhalb von 1,5 min gleichwertige Wirksamkeitsergebnisse erzielbar wie nach einer Anwendung über 3 min (Kampf, Ostmeyer und Heeg 2005). Jedoch haben kleine Volumina wie 6 ml abhängig von der Größe der Hände eine schlechtere Wirksamkeit, auch wenn die Hände über die Dauer der Einwirkungszeit mit dem Präparat benetzt gehalten werden (Kampf und Ostermeyer 2014).

OP-Handschuh

Bei bemerkter intraoperativer Handschuhbeschädigung müssen neue sterile OP-Handschuhe angelegt werden.

Vor dem Anlegen der neuen OP-Handschuhe ist eine alkoholische Händedesinfektion für mindestens 30 s durchzuführen (Kampf, Ostermeyer und Kohlmann 2008). Ist die Hand SchutzhandschuheOP-Handschuh OP-Handschuhdurch Blut verschmutzt bzw. hat sich Handschuhsaft angesammelt, ist sie vor der Desinfektion mit einem sterilen Tuch zu reinigen. Hat sich die Perforation kurz vor OP-Ende ereignet, kann es ausreichen, einen neuen sterilen Handschuh über den perforierten Handschuh zu ziehen (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2008).

Für das operativ tätige Team wird bei Eingriffen mit erhöhtem Perforationsrisiko das Tragen von zwei Paar übereinander gezogener OP-Handschuhe (Double GlovingDouble Gloving) empfohlen (Thomas, Agarwal und Mehta 2001), da Indikatorhandschuhe die Perforation nicht mit ausreichender Sicherheit anzeigen (Partecke et al. 2009). Für die Viszeralchirurgie wird aufgrund des Anstiegs der Perforationsrate und des ab 90 min nachweisbaren Bakterientransfers durch die Perforationen ein Wechsel der OP-Handschuhe für Operateur und ersten Assistenten nach spätestens 90 min, für weitere Assistenten und OP-Pflegepersonal nach 150 min empfohlen (Harnoss et al. 2010; Partecke et al. 2009), sofern kein Double Gloving bevorzugt wird.

2.1.3. Hautschutz und Hautpflege

Handschutz und Handpflege sind als berufliche Pflicht aufzufassen, weil eine geschädigte Haut nicht mehr so gut desinfizierbar ist und in ein irritativ-toxisches Kontaktekzem mit Berufsunfähigkeit münden kann. Eine gesunde Haut ist Voraussetzung für eine effektive HändedesinfektionHändedesinfektionHautschutz (Mäkela 1993). Um der Hautirritation vorzubeugen, müssen Hautschutz und Hautpflege systematisch und konsequent erfolgen (Kap. 5.20):

  • Hautschutzpräparate werden bereits vor dem Kontakt mit Wasser und Desinfektionsmitteln aufgetragen.

  • Hautpflegeprodukte werden nach Dienstschluss und in der Freizeit angewandt.

Der protektive Effekt von Hautschutzpräparaten wurde in Hautirritationsmodellen (Fluhr et al. 1999; Frosch und Korte 1994; Gehring 2004) und im OP-Arbeitsbereich (Berndt et al. 2001) nachgewiesen. Für die Wirksamkeit war die regelmäßige, häufige und korrekte Anwendung rückfettender Externa entscheidend, weniger der zeitliche Bezug zur Wasser- und Desinfektionsmittelexposition.

Hautpflegemittel sollen wegen der Kontaminationsgefahr bei der Entnahme in Spendern oder Tuben bereitgestellt werden.

Bei Gefährdung der Haut durch Arbeiten im feuchten Milieu – dazu gehört auch das Tragen flüssigkeitsdichter Handschuhe > 2 h – muss der Arbeitgeber PSA bereitstellen, eine Betriebsanweisung und einen Hautschutzplan erstellen, die Möglichkeit zur Reduzierung der Feuchtigkeitsexposition einschließlich Ersatzstoffprüfung überprüfen und die arbeitsmedizinische Vorsorge und Überwachung gewährleisten (TRBA 531 von 1996). Im Hautschutzplan sind die Präparate für Reinigung, Schutz und Pflege der Haut festzulegen. Bei beginnenden Hautschäden ist unverzüglich der betriebsärztliche Dienst zu konsultieren.

Bei der Auswahl von Hautschutz- und Hautpflegepräparaten ist der Hauttyp (seborrhoisch oder sebostatisch) zu beachten. Wegen des Risikos der Sensibilisierung und der Penetrationsförderung durch Harnstoff sind Produkte ohne Duft- und ohne Konservierungszusatz mit einem Harnstoffgehalt < 3 % zur bevorzugen. Wegen der besseren Hautverträglichkeit sind natürliche Fettsäuren Mineralölderivaten überlegen.

2.1.4. Umgang mit Desinfektionsmittelspendern

Überall dort, wo eine Händedesinfektion durchgeführt werden muss, sind Desinfektionsmittelspender vorzuhalten, z. B. bettseitig im Patientenzimmer, am Eingang und Ausgang des Patientenzimmers, am Visiten- oder Verbandwagen, in der Sanitärzelle, in Schleusen und am Zugang zu bestimmten Stationen wie KMT. Spender müssen so gewartet werden, dass ihre mikrobielle Besiedelung verhindert wird.

Kittelflaschen können ergänzend verwendet werden, wenn keine Wandspender möglich sind.

Üblicherweise werden Händedesinfektionsmittelspender mit Einmalflaschen Desinfektionsmittelspenderbestückt und sollen folgende Anforderungen erfüllen (Assadian 2012):

  • Bestückung ausschließlich mit nicht wiederbefüllbarem Desinfektionsmittelgebinde; bei Wiederbefüllen durch „top-up“ sind die hygienischen Rahmenbedingungen in Form einer SOP festzuschreiben, deren Einhaltung zu dokumentieren ist.

  • Die Spender sollen die Verwendung von Händedesinfektionsmittelgebinden verschiedener Hersteller erlauben.

  • Die Spender müssen so betrieben und gewartet werden können, dass eine mikrobielle Kontamination des Pumpkopfs vermieden wird.

  • Das Händedesinfektionsmittel muss leicht identifizierbar und der Füllstand im Spender erkennbar sein.

  • Die Außen- und Innenteile des Spenders müssen wischdesinfizierbar sein.

  • Die Spender sowie alle permanenten Teile müssen maschinell thermisch bei einem Ao-Wert von mindestens 60 °C (z. B. 80 °C/1 min) aufbereitbar sein.

  • Spender mit Einwegpumpköpfen, die mit dem leeren Desinfektionsmittelgebinde zu entsorgen sind, bzw. berührungslos arbeitende Spender sind zu bevorzugen. Werden die Pumpköpfe für nachfolgende Gebinde verwendet, muss eine detaillierte Aufbereitungsanweisung benannt werden.

  • Aus juristischen Gründen ist eine dauerhaft lesbare Etikettierung der Spender mit einem Warnhinweis zu empfehlen, z. B. „Händedesinfektionsmittel ausschließlich zum Gebrauch auf der Hand! Kein Trinken, Verspritzen in die Augen oder Auftragen auf Schleimhäute“

  • Es ist als ideal anzusehen, wenn der Spender mechanisch oder elektronisch Daten zum Desinfektionsmittelverbrauch liefert.

RechtlichDesinfektionsmittelspenderUmfüllen ist ein Umfüllen möglich, sofern das unter der unmittelbaren fachlichen Verantwortung des anwendenden Arztes oder Apothekers erfolgt. Der Umfüllende haftet für sein hergestelltes Produkt. Ein umgefülltes Desinfektionsmittel darf nicht an andere abgegeben werden. Aus medizinischer Sicht und aus haftungsrechtlichen Gründen müssen hygienische Mindeststandards beachtet werden. Diese umfassen die Reinigung und Sterilisation der Desinfektionsmittelbehälter vor Neubefüllung, das Umfüllen unter aseptischen Behältnissen (sterile Werkbank), Dokumentation der Chargennummer bzw. Umfülldatum und Durchführung durch geschultes Personal (Hengesbach und Schneider 2006). Die Notwendigkeit für dieses Vorgehen kann daraus abgeleitet werden, dass Bakteriensporen in alkoholbasierten Desinfektionsmitteln überleben können und auf diesem Weg z. B. in eine Wunde gelangen könnten (theoretisches Risiko von Gasbrand und Tetanus; Danchaivijitr et al. 2005; Weuffen, Berling und Hetmanek 1998). Das tatsächliche Risiko ist jedoch minimal. So konnten im Händedesinfektionsmittel nach längerem Stehenlassen der geöffneten Flasche in 18 % der Proben Bakteriensporen gefunden werden, jedoch weniger als eine Spore pro 10 ml Händedesinfektionsmittel. In keinem Fall wurden Sporen pathogener Bakterienspezies identifiziert (Kampf et al. 2005).

2.2. Antiseptik

Axel Kramer und Ojan Assadian

2.2.1. Begriffsbestimmung

Sir John Pringle prägte 1772 den Begriff „Antisepsis“. Mit der Einführung des Karbolwundverbands durch Lister wurde die Antiseptik zur Prävention von SSI etabliert.

Unter Antisepsis (Antisepsisgriech. anti = gegen, sepsis = Fäulnis) werden alle lokal angewandten Maßnahmen zur Abtötung oder Inaktivierung von Mikroorganismen am oder im lebenden Gewebe verstanden, die aus prophylaktischer Indikation (prophylaktische Antiseptik) einer unerwünschten Kolonisation oder Infektion vorbeugen oder aus therapeutischer Indikation (therapeutische Antiseptik) diese behandeln.

Die Antiseptik wird Antiseptikin erster Linie durch einmalige oder wiederholte topische Anwendung von Antiseptika realisiert. Zur Wundantiseptik werden jedoch auch biologische (z. B. Madentherapie; Daeschlein et al. 2007b) und physikalische Verfahren (z. B. pulsierender Gleichstrom und Niedertemperatur-Plasma; Daeschlein et al. 2007a, Kramer et al. 2013c) eingesetzt. Zielsetzung der prophylaktischen AntiseptikAntiseptikprophylaktische ist die Infektionsverhütung durch Unterbindung des Erregertransfers von kontaminierten bzw. kolonisierten in mikrobiell nicht besiedelte Körperbereiche, die Sanierung unerwünschter Kolonisation, die Normalisierung einer Dysbiose bzw. die Abtötung potenzieller Pathogene nach akzidenteller Kontamination.

2.2.2. Anforderungen an Antiseptika

  • Zur prophylaktischen Antiseptik, die im AntiseptikprophylaktischeAllgemeinen einmalig oder kurzfristig wiederholt stattfindet, werden rasch wirksame mikrobiozide (in speziellen Fällen auch viruzide) Wirkstoffe benötigt.

  • Zur therapeutischen Antiseptik sind Antiseptiktherapeutischeaufgrund der wiederholten Applikation und langfristigen Einwirkung ggf. auch mikrobiostatische (bzw. virustatische) Wirkstoffe ausreichend. Aus therapeutischer Indikation eingesetzte Antiseptika werden auch als lokale Antiinfektiva bezeichnet.

Die Wirkungsanforderungen an AntiseptikaAntiseptikaWirkungsanforderungen sind in der Testhierarchie der europäischen Prüfnormen definiert. Bei praxisrelevanter Belastung sollen in vitro ≥ 103 KbE der für die Testung festgelegten Mikroorganismenspezies abgetötet werden (Kramer 2000).

Für die Verträglichkeitsprüfung ist bisher kein einheitlicher Prüfablauf festgelegt. Die Irritationspotenz kann zunächst an der Chorioallantoismembran des Hühnereis geprüft werden (Kramer und Behrens-Baumann 1997). Die Gewebeverträglichkeit wird in Zell- und Gewebekulturen einschließlich dreidimensionaler In-vitro-Modelle ermittelt, ggf. danach, falls zwingend erforderlich, tierexperimentell (Geerling et al. 2002) oder, wenn der Wirkstoff toxikologisch und präklinisch als ausreichend untersucht gilt, für Wundantiseptika ohne Zwischenstufe direkt an Mesh-graft-Entnahmestellen (Eisenbeiß et al. 2012).

Antiseptika müssen zusätzlich folgende Anforderungen erfüllen:

  • Gewährleistung wirksamer lokaler Konzentration

  • Fehlende Resistenzentwicklung, insbesondere keine Kreuzresistenz zu Antibiotika

  • Fehlendes Risiko toxischer, allergischer und anaphylaktischer Nebenwirkungen einschließlich Langzeitnebenwirkungen (Mutagenese, Karzinogenese, Teratogenese)

  • Akzeptanz bezüglich Schmerzempfindung, Geruch und ggf. Geschmack

  • Ausreichende Stabilität im oder am Gewebe

  • Ggf. Sterilität (für Wunde, Auge, Körperhöhlen).

Sofern der Wirkmechanismus auf einer unspezifischen Zerstörung der Mikroorganismen beruht (z. B. bei Alkoholen, PVP-Iod, Natriumhypochlorit, OCT, Polihexanid), ist keine Resistenzentwicklung zu befürchtenAntiseptikaResistenzentwicklung. Richtet sich die Wirkung gegen mikrobielle Enzyme oder Transporter, ist eine Resistenzentwicklung möglich. So werden zunehmend Staphylokokkenisolate mit verminderter In-vitro-Empfindlichkeit gegen CHX beschrieben, beruhend auf Plasmid-kodierten Effluxpumpen in der Zellmembran (Fritz et al. 2013; Ho et al. 2012; Horner, Mawer und Wilcox 2012; Lee et al. 2011; McGann et al. 2011; McNeil et al. 2013; Otter et al. 2013; Tattawasart et al. 1999). Aufgrund des spezifischen Angriffspunkts in der Bakterienzelle und der mit der Resistenzentwicklung gegen Antibiotika vergleichbaren Mechanismen bei der Resistenzentwicklung gegen TriclosanTriclosanResistenzentwicklung (Targetmutation, erhöhte Targetexpression, aktiver Efflux aus der Zelle, enzymatische Inaktivierung/Abbau) sind Laborbefunde zu Kreuzresistenzen zwischen Triclosan und Antibiotika nicht überraschend. Die in vitro durch Triclosan induzierbare Resistenzentwicklung kann mit einer gleichzeitigen Resistenzentwicklung gegen Antibiotika einhergehen (Braoudaki und. Hilton 2005, Russel, Maillard und Fuur 1998, Sanchez, Moreno und Martinez 2005). Inzwischen wurden auch resistente Stämme in der Umwelt isoliert (Drury et al. 2013).

Vor jeder antiinfektiven Prophylaxe oder Therapie muss anhand folgender Kriterien die Entscheidung zwischen Antiseptik oder antimikrobieller Chemotherapie getroffen werden:

  • Erreicht oder übertrifft die lokale Anwendung die Effektivität einer antimikrobiellen Chemoprophylaxe bzw. -therapie?

  • Ist die lokale Anwendung ohne Risiko von Nebenwirkungen?

2.2.3. Hautantiseptik

Die HautantiseptikHautantiseptik AntiseptikHaut ist vor allen durchtrennenden Eingriffen der Haut notwendig, d. h. vor Injektion, Punktion, dem Legen von Gefäßkathetern und zur laufenden Antiseptik bei liegendem Gefäßkatheter (sog. Katheterpflege) sowie präoperativ. Als antiseptische Körperwaschung dient sie bei einer Kolonisation mit MRSA der Dekolonisation z. B. vor elektiven operativen Eingriffen sowie bei Kolonisation/Infektion mit anderen MRE zur Herabsetzung des Risikos ihrer Weiterverbreitung, z. B. bei ITS-Patienten.

Injektion und Punktion

Mittel der Wahl HautantiseptikInjektion AntiseptikInjektion InjektionenHautantiseptiksind Alkohole ohne remanenten Zusatz. Da sich die Einwirkungszeit zwischen talgdrüsenarmen und -reichen Hautarealen unterscheidet, ist die vom Hersteller deklarierte verlängerte Einwirkungszeit auf talgdrüsenreicher Haut z. B. vor einer Lumbalpunktion einzuhalten.

Präoperative Hautantiseptik

  • Mittel der Wahl sind Alkohole Hautantiseptikpräoperative Antiseptikpräoperativemit remanentem Zusatz (Octenidin, OCT, oder Chlorhexidin, CHX). Anstelle einer Sprühapplikation ist das Antiseptikum z. B. mittels Tupfer und Kornzange etwa 30 s unter leichtem Druck auf dem Hautareal zu verteilen (Kap. 5.5).

  • An Haut-Schleimhaut-Übergängen sowie bei unreifen Neugeborenen kann die Anwendung wässriger Präparate auf OCT-Basis notwendig sein.

Da der Talgdrüsenanteil der Haut regional unterschiedlich ist und der Fettgehalt individuellen Schwankungen unterliegt, ist man bei der präoperativen Hautantiseptik auf der sicheren Seite, wenn auch auf talgdrüsenarmen Arealen die präoperative Hautantiseptik mit der Einwirkungszeit für talgdrüsenreiche Haut zugrunde gelegt wird. Mit alkoholhaltigen Präparaten wird beim Auftragen ohne anschließendes mechanisches Einreiben für 30 s eine Reduktion auf der Hautoberfläche nur um etwa 1,2 log10 erreicht (Ulmer et al. 2014). Außerdem dringt der Alkohol nicht in die Haarfollikel ein (Ulmer et al., 2012, Ulmer et al., 2013).

Wirkstoffauswahl: Da in den USA und vielen europäischen Staaten bisher überwiegend CHX-haltige Antiseptika eingesetzt werden, wurden fast alle Studien mit diesem Wirkstoff durchgeführt. OCT übertrifft in vitro HautantiseptikChlorhexidinCHX an Wirksamkeit (Koburger et al. 2010), ist in Kombination mit Alkoholen vergleichbar effektiv in Bezug auf die Reduktion der Hautflora um die Insertionsstelle des ZVK, induziert im Gegensatz zu CHX keine Resistenzentwicklung (Al-Doori, Goroncy-Bermes und Gemmell 2007), nur selten allergische Kontaktekzeme (Stingeni, Lapomarda und Lisi 1995) und keine IgE-vermittelten anaphylaktischen Reaktionen (Hübner und Kramer 2010, Pham et al. 2000). Aus diesen Gründen und wegen der Freisetzung der im Chlorhexidinmolekül vorhandenen 4-Chloranilingruppen, die als Karzinogen eingestuft sind, was bisher nur in der Mundhöhle nachgewiesen wurde (Below et al. in Vorb.), spricht die Nutzen-Risiko-Analyse zugunsten von HautantiseptikOctenidinOCT. Die bei Anwendung von CHX aufgetretenen schweren anaphylaktischen Ereignisse betrafen Patienten, bei denen ein CHX-imprägnierter Gefäßkatheter angelegt wurde (Faber et al. 2012; Guleri et al. 2012; Khoo und Oziemski 2011).

Dem BfArM lagen bis 2013 insgesamt 147 Berichte aus Deutschland über anaphylaktische Reaktionen im Zusammenhang mit der Anwendung von CHX vor. Es ist zu hoffen, dass durch aussagekräftige Endpunktstudien mit OCT-haltigen Präparaten Klarheit über den Stellenwert dieses Wirkstoffs als ggf. günstigere Alternative zu CHX geschaffen wird.

Gefäßkatheter

Die bakterielleHautantiseptikGefäßkatheter GefäßkatheterHautantiseptik Kolonisation der Kathetereintrittsstelle ist ein unabhängiger Risikofaktor für Catheter-related Bloodstream Infections (CRBSI; Ho und Litton 2006; Mermel 2011; Mermel et al. 1991).

Vor Anlage eines ZVK ist mit einem alkoholbasierten Hautantiseptikums mit Zusatz eines remanent wirkenden Antiseptikums in ausreichendem Abstand um die Katheterinsertionsstelle die Antiseptik durchzuführen. Dadurch wird nicht nur die Rekolonisation der Haut (Reichel et al. 2009, Ulmer et al. 2014) und der Katheterspitze signifikant verzögert (Dettenkofer et al., 2002, Dettenkofer et al., 2010; Mimoz et al. 1996; O'Grady et al. 2002), sondern auch die Inzidenz ZVK-assoziierter Blutstrominfektionen (CAPSI) reduziert (Huang et al. 2011).

Wirkstoffauswahl: In internationalen Empfehlungen gibt es einen breiten Konsens zum Einsatz CHX-haltiger ChlorhexidinHautantiseptik GefäßkatheterChlorhexidin AntiseptikChlorhexidin HautantiseptikChlorhexidinAntiseptika zur Hautantiseptik vor Anlage eines ZVK (Burrell et al. 2011) oder zur Behandlung der Eintrittsstelle beim Verbandswechsel (Marschall et al. 2014; O'Grady et al. 2011; Tietz, Frei und Dangel 2005). Die ausschließliche Empfehlung von CHX beruht darauf, dass in den USA und vielen europäischen Staaten entweder CHX oder PVP-Iod eingesetzt wird und letzteres CHX unterlegen ist. Durch 2-prozentige wässrige Lösung von CHX und 0,5-prozentige alkoholische CHX-Lösung wurde die Rate von CAPSI im Vergleich zu 10 % wässriger PVP-Iod Lösung und 70 % Ethanol signifikant reduziert (Maki, Ringer und Alvarado 1991, Valles et al. 2008). In einer multizentrischen, prospektiven, randomisierten, kontrollierten Studie war dagegen zwischen 0,5 % CHX-Tinktur vs. 10 % wässriger PVP-Iod Lösung kein signifikanter Unterschied in der Kolonisation der Katheterspitze und bezüglich der CAPSI-Rate nachweisbar (Humar et al. 2000). Im Ergebnis eines Cochrane Review (Huang et al. 2011) und einer nachfolgenden Metaanalyse (Maiwald und Chan 2012) kann sowohl die Katheterkolonisation als auch die CABSI-Rate durch alkoholhaltige Formulierungen mit CHX-Zusatz im Vergleich zu 10 % wässriger PVP-Iod Lösung signifikant reduziert werden. Als Fazit wird in der CDC Guideline (O'Grady et al. 2011) die Hautantiseptik mit alkoholischen Formulierungen mit Zusatz von > 0,5 % CHX bzw. in der aktuellen EPIC Guideline (Loveday et al. 2014) von 2 % CHX in Kombination mit 70-prozentigem Propan-2-ol empfohlen. Bei Kontraindikationen gegen CHX können alternativ Iodtinktur, Iodophore oder 70 % Ethanol verwendet werden. Es findet sich kein Hinweis auf OCT, da dieser Wirkstoff in den angloamerikanischen Ländern nahezu unbekannt ist.

OCT kommt OctenidinGefäßkatheter GefäßkatheterOctenidin HautantiseptikOctenidinaus folgenden Gründen als aussichtsreicher remanenter Zusatz zu Alkoholen in Betracht. Es ist in vitro mikrobiozid signifikant wirksamer als CHX (Koburger et al. 2010). Auch in der remanenten Wirkung war OCT in einem 3D-Modell der Haut beim Vergleich äquimolarer Wirkstoffkonzentrationen CHX überlegen. Für epidermal gebundenes CHX war keine oder eine nur sehr geringe remanente mikrobiozide Wirksamkeit gegenüber P. aeruginosa nachweisbar, während beim gebundenen OCT Reduktionsfaktoren zwischen 0,6–1,2 log10 entstehen (Müller et al. 2014). Daher ist davon auszugehen, dass OCT-haltige alkoholische Formulierungen auch bei Anwendung auf der Haut die Wirksamkeit von CHX erreichen bzw. übertreffen (Hübner, Siebert und Kramer 2010). Auch bezüglich der Biokompatibilität war OCT überlegen (Müller und Kramer 2008). In zwei bisher durchgeführten klinischen Studien bei nicht getunnelten ZVK wurde die höhere Wirksamkeit des OCT-Zusatzes im Vergleich zur analogen alkoholischen Formulierung ohne OCT-Zusatz anhand der Reduktion der Kolonisation an der Insertion sowohl im Sofortwert als auch nach 24 h (Dettenkofer et al. 2002) sowie anhand der Anzahl positiver Kulturen an der Katheterspitze (Dettenkofer et al. 2010) nachgewiesen. Die Inzidenz von CAPSI wurde nur tendenziell reduziert, offensichtlich war die Stichprobengröße nicht ausreichend.

Auf die InsertionsstelleAntiseptikSalben HautantiseptikSalben aufgebrachte antibiotikahaltige Salben besitzen Salbe, antibiotikahaltigeeine unsichere Wirksamkeit (Zhang et al. 2014) und sind wegen des Risikos der Resistenzentwicklung sowie der Schaffung eines feuchten Milieus abzulehnen. Letzteres trifft auch für Mupirocin zu, da bereits High-level-Resistenzen beschrieben sind (Zhang et al. 2013). Daher wird analog wie vor der Katheterinsertion bei jedem Verbandswechsel eine Hautantiseptik mit Alkohol basierten Formulierungen mit Zusatz von > 0,5 % CHX (Maki et al. 2006) bzw. mit 2 % CHX in 70 % Propan-2-ol (Loveday et al. 2014) empfohlen.

Zur kontinuierlichen Applikation antiseptischer Antiseptikkontinuierliche HautantiseptikkontinuierlicheSubstanzen direkt am Kathetereintritt stehen ein CHX-getränkter Schwamm (z. B. Biopatch™; Roberts und Cheung 1998) in Verbindung mit einem semipermeablen Folienverband sowie die direkte Integration eines durchsichtigen, CHX-haltigen Gelkissens in einen semipermeablen Folienverband (z. B. Tegaderm™ 3M CHG) (Pfaff, Heithaus und Emanuelsen 2012; Scheithauer et al. 2014) zur Verfügung. Einige Präventionsbündel haben antiseptisch wirksame Verbände eingeschlossen (Hatler et al. 2009; Guerin et al. 2010; Miller und Maragakis 2012; Shapey et al. 2009). Eine Metaanalyse (Ho und Litton 2006) zum Einsatz des Biopatch™ am ZVK und an epiduralen Kathetern zeigte eine signifikante Reduktion der Kolonisationsdichte im Bereich der Eintrittsstelle und als Trend eine verminderte Device-assoziierte Infektionsrate. In weiteren Studien konnte der infektionspräventive Nutzen CHX-haltiger Verbände am ZVK bestätigt werden (Camins et al. 2010; Levy, Katz und Solter 2005; Ruschulte et al. 2009; Timsit et al., 2009, Timsit et al., 2012). Da im Michigan-Keystone-Projekt (Berenholtz et al., 2004, Berenholtz et al., 2014; Pronovost, Berenholtz und Needham 2008; Pronovost et al., 2006, Pronovost et al., 2010; Safdar, Fine und Maki 2005) und in anderen Initiativen zur Senkung der Infektionsraten (Krein et al. 2010; Saint et al. 2010; Zingg et al., 2009, Zingg et al., 2014) auch ohne den Einsatz dieser kostenintensiven Hilfsmittel nachhaltige Effekte erreicht wurden, empfehlen die aktuellen britischen und U. S.-amerikanischen Empfehlungen mit Ausnahme der American Pediatric Surgical Association (Huang et a. 2011) den Einsatz CHX-haltiger Verbände nur bei Hochrisikopatienten oder zur Reduktion anhaltend hoher Infektionsraten erst nach stringenter Implementierung konventioneller Präventionsmaßnahmen.

  • Der Stellenwert CHX-haltiger Verbände bei Patienten mit gleichzeitiger CHX-Ganzkörperwaschung ist ungeklärt.

  • Für arterielle Katheter liegen bisher nur Ergebnisse einer tendenziellen Reduktion der Infektionsrate vor (Timsit et al. 2012).

  • Während beim ZVK die höhere Wirksamkeit von Hautantiseptika mit remanentem Zusatz im Vergleich zu rein alkoholischen Formulierungen anhand der CAPSI-Rate gesichert ist, ist beim peripheren Venenkatheter bisher nur nachgewiesen, dass durch Verwendung von Hautantiseptika mit remanentem Zusatz die Anzahl kolonisierter bzw. kontaminierter Katheter reduziert wird (Small et al. 2008).

Antiseptische Körperwaschung

Zielsetzung ist die Herabsetzung der Erregerlast auf der Haut (Popovich et al. 2012), Ganzkörperwaschungantiseptische AntiseptikKörperwaschung, antiseptische HautantiseptikKörperwaschung, antiseptischeum abhängig vom endemischen Niveau sowohl das Risiko der Erregertransmission (Climo et al. 2009) als auch einer NI (Climo et al. 2013, Huang et al. 2013) durch vormals die Haut des Patienten besiedelnde Erreger zu senken. Darüber hinaus ist die antiseptische Ganzkörperwaschung eine additive Maßnahme zur Prävention von CRBSI vor allem dann, wenn die Implementierung anderer Präventionsstrategien die CRBSI Raten nicht adäquat senken können.

Im Ergebnis einer 2-jährigen retrospektiven Studie mit täglicher Ganzkörperwäsche mit OCT-haltiger Seife auf einer ITS wurde die Besiedlung mit MRSA um 76 % reduziert, allerdings traf das nicht gleichermaßen auch für die Rate von CAPSI zu (Spencer et al. 2013). Zum Teil erwies sich eine CHX-haltige Ganzkörperwäsche in unterschiedlichen ITS-Settings auch effektiv zur Prävention von Trägertum und CAPSI durch MRSA und VRE sowie zur Reduktion der Körperbesiedlung durch A. baumanii auf ITS mit endemischer Situation dieses Erregers bei CAPSI (Borer et al. 2007). In einer multizentrischen europäischen Studie auf 13 ITS konnte durch verbesserte Händehygiene in Verbindung mit CHX-Körperwaschung die Akquisition von MRE, speziell von MRSA, signifikant reduziert werden, während Aufnahmescreening und Isolierung keinen signifikanten Einfluss hatten (Derde et al. 2014). Als Risiko bei einer zunehmenden Anwendung von CHX ist zu berücksichtigen, dass MRSA-Stämme, die das qacA/B Gen tragen, nicht beeinflusst bzw. sogar rascher verbreitet werden (Batra et al. 2010; Otter et al. 2013).

Da Intensivpatienten in jedem Fall gewaschen werden müssen, kann der Einsatz antiseptischer Körperwaschlotionen als sinnvolle additive Maßnahme der Infektionsprävention bei dieser Patientengruppe insbesondere zur Risikominimierung der Weiterverbreitung von MRSA, VRE und Actinetobacter spp. angesehen werden.

Außerdem wurde durch tägliches Bad mit CHX basierter Ganzkörperwäsche eine signifikante Senkung der Rate von CRBSI von 5,3 auf 0,7 pro 1 000 Kathetertage bzw. kontaminierter Blutkulturen von 6.99 auf 4.1 pro 1 000 Patiententage erzielt, was sich in mehreren Studien (Bleasdale et al. 2007; Climo et al. 2013; Evans und Dodge 2010; Karki und Cheng 2012; Munoz-Price et al. 2009; O'Horo et al. 2012; Popovich et al. 2009) und im Ergebnis eines systematischen Reviews (Afonso, Llauradó und Gallart 2013) bestätigt. Zugleich wurde die Kontamination von Personal und Umgebung reduziert (Afonso, Llauradó und Gallart 2013). Sogar die Sepsisrate konnte reduziert werden (Huang et al. 2013). In einer Metaanalyse von 12 Studien (O'Horo et al. 2012) auf internistischen Intensivstationen mit Anwendung CHX-haltiger Waschtücher (2 %) oder Ganzkörperwaschung (4 %) wurde für beide Anwendungen eine signifikante Herabsetzung von CRBSI gesichert. Milstone et al. (2013) untersuchten den Einfluss der täglichen Ganzkörperwaschung mit CHX-haltigen Waschtüchern bei pädiatrischen Intensivpatienten jenseits des zweiten Lebensmonats in einer multizentrischen nicht verblindeten Studie mit cluster-randomisiertem Crossover-Design mit dem Ergebnis einer signifikante Reduktion der Inzidenz von CRBSI. 1 % der Kinder mussten aufgrund einer Unverträglichkeit aus der Studie genommen werden. Da entgegen der Definition der CDC alle, meist über ZVK abgenommenen, positiven Blutkulturen bei Patienten mit Infektionszeichen als CRBSI gezählt wurden und die Inzidenzraten über denen von Präventionsbündelstudien ohne CHX-Ganzköperwaschung lagen, relativiert das nach Aussage der Autoren die Aussagekraft.

Dagegen wurde die Rate von sekundären BSI, C.-difficile-Infektionen, VAP und katheter-assoziierten HWI nicht beeinflusst (Popovich et al. 2009).

2.2.4. Antiseptik am Ohr

Präoperativ AntiseptikOhrsind für die Ohrmuschel alkoholhaltige Hautantiseptika mit remanentem Zusatz zu bevorzugen. Da eine SSI der Ohrmuschel der OP-Erfolg infrage stellt, hat es sich bewährt, die Einwirkzeit auf mindestens 10 min zu verlängern, z. B. durch Auflage die Ohrmuschel bedeckender getränkter Tupfer. Im Mittelohr ist CHX wegen der Neurotoxizität kontraindiziert. Infrage kommen wässrig basierte Zubereitungen mit Gehalt von 0,1 % Polihexanid oder 1,25 % PVP-Iod. Allerdings liegen hierzu keine Studien vor.

2.2.5. Antiseptik auf Schleimhaut und Auge

Da die Details in den jeweiligen AntiseptikSchleimhäute AntiseptikAuge AugeAntiseptikklinischen Kapiteln behandelt werden, soll ein tabellarischer Überblick über wichtige Indikationen und infrage kommende Wirkstoffe genügen (Tab. 2.2 ). Für die Schleimhautantiseptik ist OCT vom Grundsatz her wegen der höheren und rascher einsetzenden Wirksamkeit Polihexanid und CHX überlegen.

Tab. 2.2

Antiseptische Indikationen und Hinweise zur Wirkstoffauswahl

BiotopIndikation


ObligatSinnvollBegrenzte Hinweise auf EffektivitätMundhöhle
(Kap. 5.18, Kap. 5.24)Gingivitis- und Parodontitisprophylaxe bei Unfähigkeit zur mechanischen Zahnreinigung (CHX)
Sofortmaßnahme bei akzidenteller Kontamination (alkoholisches PVP-Iod)
Sanierung von MRE-Carriern (OCT)
Wurzelkanalantiseptik (Natriumhypochlorit)Mukositisprophylaxe (Zinn- und Aminfluorid, Natriumhypochlorit)Kariesprophylaxe in Risikogruppen (CHX + Fluorid)
Vor Injektionen, z. B. bei Leitungsanästhesie (OCT + Phenoxyethanol)
Bei Beatmungspatienten (OCT, CHX, Polihexanid)Endokarditisrisiko in Kombination mit Antibiotikaprophylaxe
Prä- und postoperativ bei oralchirurgischen Eingriffen (OCT)Genital
(Kap. 5.11, Kap. 5.12)Vor Katheterisierung der Harnblase
Vor transurethralen und transvaginalen Eingriffen (OCT) (Kramer et al. 1999)Perineal vor transurethraler Katheterisierung
Präpartale Vaginal-antiseptik (OCT) (Bakr und Karkour 2005; Burman et al. 1992; Mullany, Daemstadt und Tielsch 2006)Auge
(Kap. 5.15)Präoperativ (PVP-Iod 1,25 %, Polihexanid)
Bei akzidenteller Kontamination (PVP-Iod 2,5 %)Prophylaxe der Ophthalmia neonatorum (PVP-Iod 1,25 %)Peri-, postoperative Prophylaxe okulärer Infektionen bei epidemiologischer Risikosituation (PVP-Iod)Cavum nasiVor operativen Eingriffen einschließlich Endoskopie im Bereich der Nasenhöhle und Nasennebenhöhlen (Polihexanid)
Bei MRE-Kolonisation (OCT 0,05 %)Bei S.-aureus-Kolonisation vor chirurgischen Eingriffen (OCT 0,05 %)

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2.2.6. Wundantiseptik

Obwohl Wundantiseptik AntiseptikWundendie Wundbehandlung eine Herausforderung für die Menschheit seit der Menschwerdung ist, fehlt bis heute die Evidenz für ein allgemein akzeptiertes Behandlungskonzept auf naturwissenschaftlicher/molekularbiologischer Grundlage, dass durch RCTs und Metaanalysen verifiziert ist. Deshalb müssen die zur Verfügung stehenden Befunde zur Wirksamkeit und Verträglichkeit antiseptischer Präparate von der In-vitro-Testung bis zur vereinzelt existierenden RCT-Studie einschließlich limitierter Metaanalysen zu einer plausiblen Synopse zusammengeführt werden (Kramer et al. 2013c).

Indikationen

Wundantiseptika sind nur nach sorgfältiger Indikationsstellung und vorausgehender Wundkonditionierung anzuwenden. Andernfalls können Wundheilungsstörungen verursacht werden bzw. können die Antiseptika ihre Wirkung nicht entfalten.

Grundsätzlich WundantiseptikIndikationenmüssen alle Wunden als kontaminiert angesehen werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle kontaminierten Wunden eine Infektion entwickeln. Da die physiologische Kolonisation von Wunden für den Wundheilungsverlauf irrelevant ist (Eisenbeiß et al. 2012), wurde als Hilfestellung für die Abschätzung des Infektionsrisikos Wounds at Risk Scoreder Wounds at Risk Score entwickelt (Tab. 2.3 ). Bei der Entwicklung dieses Risikoscores werden sowohl die Wunde exogen belastende Faktoren als auch die Infektionsanfälligkeit des Patienten berücksichtigt. Die Indikation für den Einsatz von Antiseptika ergibt sich aus der Addition unterschiedlich zu gewichtender Gefährdungsursachen, für die Punkte vergeben werden. Bei ≥ 3 Punkten ist eine antiseptische Behandlung zu rechtfertigen (Dissemond et al. 2011). Unabhängig von der sich aus dem Score ergebenden Indikation ist eine Dekolonisation von Wunden bei Nachweis von MRE indiziert.

Tab. 2.3

Risikoeinteilung infektionsgefährdeter Wunden

RisikoklasseRisikodefinitionScorepunkte∗1

  • Erworbene immunsuppressive Erkrankung (z. B. Diabetes mellitus)

  • Erworbener Immundefekt durch eine medikamentöse Therapie z. B. mit Ciclosporin, Methotrexat, Kortikosteroiden, Antikörpern

  • Erkrankung mit soliden Tumoren

  • Hämatologische Systemerkrankung

  • Postchirurgische Wundheilungsstörung, die zu (ungeplanter) Sekundärheilung führt

  • Durch die Lokalisation mikrobiell besonders belasteter Wunden (z. B. Perineum, Genitale)

  • Problematische, hygienische Bedingungen durch soziales oder berufliches Umfeld (z. B. Landwirt, Lkw-Fahrer)

  • Lebensalter des Patienten > 80 Jahre

  • Geringes Lebensalter des Patienten (Frühgeborenes, Säugling, Kleinkind)

  • Bestandsdauer der Wunde > 1 Jahr

  • Wundgröße > 10 cm2

  • Chronische Wunden aller Kausalitäten mit > 1,5 cm Tiefe

  • Stationärer Langzeitaufenthalt des Patienten > 3 Wochen

Je Risiko
1 Risikopunkt2
  • Schwerer erworbener Immundefekt (z. B. HIV-Infektion im fortgeschrittenen Stadium)

  • Stark verschmutzte Akutwunde

  • Biss-, Stich- und Schusswunde mit einer Tiefe von 1,5–3,5 cm

Je Risiko
2 Risikopunkte3
  • Traumatische verschmutzte Wunde nach chirurgischem Débridement

  • Verbrennungswunde mit Beteiligung von > 15 % Körperoberfläche

  • Wunde mit

    • direkter Verbindung zu Organen

    • direkter Verbindung zu Funktionsstrukturen (z. B. Gelenke)

    • körperfremdem Material

  • Schwerste angeborene Immundefekte wie Agammaglobulinämie, schwere kombinierte Immundefekte (SCID) usw.

  • Biss-, Stich- und Schusswunde > 3,5 cm Tiefe

Je Risiko
3 Risikopunkte

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∗Für die Risiken sind Mehrfachnennungen möglich. Die Punkte werden summiert und ergeben den Risikoscore.

(nach Dissemond et al. 2011) [F810-001]

Verletzungen sind abhängig von der Kontamination und dem Ausmaß der Gewebeschädigung mehr oder stark infektionsgefährdet. Aus diesem Grund ist die antiseptische Primärversorgung verschmutzter Wunden einschließlich Verätzungen und Verbrennungen notwendig. Bei Biss- und Stichverletzungen steht die erforderliche Tiefenwirkung des Antiseptikums im Vordergrund.

In Bisswunden, Management WundantiseptikBisswunden AntiseptikBisswundenAuswertung des Schrifttums zum mikrobiellen Spektrum und zu den Risikofaktoren bei Bissverletzungen wurden folgende Empfehlungen zum Management bei Bisswunden abgeleitet (Kramer et al. 2010):

  • Bei der frischen offenen Verletzung ggf. chirurgisches Débridement, danach antiseptische Spülung der Wunde mit einem Kombinationsprodukt aus PVP-Iod und Ethanol (z. B. Betaseptic®), keine Antibiotikaprophylaxe, Primärverschluss

  • Bei der nahezu geschlossenen frischen Verletzung (z. B. Katzenbiss) ggf. chirurgisches Débridement, Auflage antiseptisch getränkter Kompressen für etwa 60 min mit zwischenzeitlicher Tränkung (z. B. Betaseptic®), keine Antibiotikaprophylaxe

  • Bei der älteren Verletzung nach etwa 4 h ggf. chirurgisches Débridement, Auflage antiseptisch getränkter Kompressen oder Verbände für etwa 60 min mit zwischenzeitlicher Tränkung (z. B. Betaseptic®), parallel einmalige iv. oder dosisadaptiert orale Gabe von Antibiotika (Amoxicillin/Clavulansäure)

  • Bei der älteren Verletzung nach etwa 24 h chirurgisches Débridement, danach antiseptische Spülung der Wunde (z. B. Betaseptic®). Bei klinisch ersichtlicher Infektion/Entzündung chirurgische Revision mit Eröffnung und Antiseptik sowie Antibiotikatherapie gemäß Antibiogramm (empirischer Beginn mit Ampicillin oder Amoxicillin/Clavulansäure).

Bei jeder Bissverletzung müssen der Tetanusimpfstatus und das Risiko der Tollwutexposition abgeklärt werden. Gleiches gilt bei seltenen, doch gelegentlich stattfindenden humanen Bissen für die Risikoabschätzung für Lues, HBV, HCV und HIV.

Kurzcharakteristik ausgewählter antiseptischer Wirkstoffe

Octenidin (Tab. 2.4)

Tab. 2.4

Wichtige Merkmale ausgewählter antiseptischer WirkstoffePolihexanidEigenschaftenOctenidinEigenschaftenPovidon-IodEigenschaftenSilberEigenschaftenChlorhexidinEigenschaftenNatriumhypochloritEigenschaften

WirkstoffWirkbeginnBiokompatibilitätsindexWundheilungAuf Knorpel
anwendbarResistenzentwicklungSensibilisierungSystemische
RisikenPolihexanidLangsam> 1Förderung≤ 0,005 %NeinNeinNeinOCTRaschWie RingerNeinPVP-IodLangsam< 1z. T. HemmungJaJaJaNaOClRasch> 1??NeinNeinSilberionenSehr langsam<< 1Starke HemmungNeinJaNeinJaCHXLangsam~ 1Keine HemmungJa?

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OCT und PVP-Iod erreichenOctenidin OctenidinWundantiseptik WundantiseptikOctenidin im Keimträgertest die antiseptische Effektivität rascher (≥ 30 s) als CHX (≥ 30 min) und Polihexanid (> 30 min) (Schedler et al. in Vorb). Durch Bindung von OCT an die Zellmatrix wird ein signifikanter postantiseptischer Effekt erzielt (Müller et al. 2007).

Befunde zur höheren OctenidinZytotoxizitätZytotoxizität von OCT in der Monolayer-Zellkultur im Vergleich zu Iodophoren und Polihexanid bedürfen der kritischen Interpretation, weil sich OCT im Wundgewebe an die Zellen bindet, wobei die Wirksamkeit durch Wirkstofffreisetzung in geringen Mengen erhalten bleibt, während die Zytotoxizität drastisch reduziert wird. Durch diese Art der „Wundversiegelung“ dürfte eine nachfolgende Wundkolonisation unterbunden werden. OCT wird nicht resorbiert, und es sind keine Langzeitrisiken einschließlich Allergien bekannt. Durch OCT wird die Phagozytose humaner neutrophiler Granulozyten gesteigert (Steinhauer und Goroncy-Bermes 2007), während der Tumornekrosefaktor nicht stimuliert wird (Menke et al. 2001). In Konzentrationen von 0,05 % wird sowohl OCT als auch PVP-Iod von Erythrozyten toleriert (Wagner et al. 2004).

OCT-haltige Präparate dürfen wegen der Gefahr einer mechanisch bedingten aseptischen Nekrose infolge der fast fehlenden Gewebsresorption nicht unter Druck in Gewebe, z. B. bei Stichverletzung, eingebracht werden (Hübner, Siebert und Kramer 2010).

Polihexanid (Tab. 2.4)

Die Wirkung Polihexanid PolihexanidWundantiseptik WundantiseptikPolihexanidtritt erreger- und konzentrationsabhängig deutlich langsamer ein als bei OCT, wobei ebenfalls eine remanente Wirksamkeit gegeben ist. Nur für Polihexanid ist die Förderung der Wundheilung nachgewiesen. Es sind keine resorptiv-toxischen Wirkungen bekannt. Zur Peritonealspülung ist es wegen Unverträglichkeit kontraindiziert (Hübner und Kramer 2010).

Polihexanid darf nicht in Kombination mit anionischen Tensiden und anderen wundreinigenden Seifen, Salben, Ölen, Enzymen u. Ä. angewandt werden (Kramer und Roth 2008).

Die Relevanz von Befunden zur möglichen Karzinogenität ist umstritten, weil für den Wirkstoff keine PolihexanidKarzinogenitätGenotoxizität nachgewiesen ist. Daher bliebe für eine karzinogene Wirkung nur die Erklärung einer epigenetischen nicht genotoxischen Veränderung der DNA übrig. Im Ergebnis der Überprüfung wurde weder oxidativer Stress induziert, noch waren eine Hydroxylierung oder Hypermethylierung der DNA oder eine signifikante Produktion mitogener Zytokine und des Transkriptionsfaktors NF-κB nachweisbar. Auch der Status der GAP-Junctions (GJIC) wurde nicht signifikant beeinflusst. Damit waren keine eindeutigen epigenetischen Einflüsse nachweisbar (Creppy et al. 2014) und es werden die Einschätzungen der Environmental Protection Agency,, Environmental Protection Agency (EPA), 2005a, Environmental Protection Agency (EPA), und später der australischen Behörde OCSEH (2011) untermauert. Diese leiten aus den tierexperimentellen Daten von Horner (1996) und Milborne (1996) ab, dass kein relevantes Gesundheitsrisiko für den Menschen erkennbar ist. Trotzdem erfolgte 2013 die gefahrstoffrechtliche Einstufung des Rohstoffs Polihexanid im Rahmen der Europäischen Chemikaliengesetzgebung in Kategorie 2 „kann vermutlich Krebs erzeugen“. Produkte, die > 1 % Polihexanid enthalten, müssen danach als Karzinogen Klasse 2 gekennzeichnet werden. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) kam auf Basis der zwei zitierten Nagetierstudien zu dem Schluss, dass nicht jegliches Gesundheitsrisiko für den Menschen mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden könnte. Zu dieser Feststellung muss jedoch die Einschränkung getroffen werden, dass das Design der beiden Studien nicht den aktuellen Anforderungen entspricht und die Effekte nur bei hoher Dosierung (ca. 4 000 ppm/0,4 %), die wahrscheinlich die maximale tolerierbare Dosis überschreitet, auftraten.

Da Arzneimittel oder Medizinprodukte in der Regel 0,02–0,1 % Polihexanid enthalten und der Wirkstoff nicht resorbiert wird, ist eine Gesundheitsgefährdung bei antiseptischer Anwendung des Wirkstoffs auszuschließen.

Povidon-Iod (Tab. 2.4)

PVP-Iod bindet Povidon-Iod Povidon-IodWundantiseptik WundantiseptikPovidon-Iodelementares Iod ohne feste chemische Bindung. Die Eigenschaften des Iods bleiben erhalten. Abhängig von der umgebenden Iodkonzentration wird lediglich die Lösungsfähigkeit verändert, wodurch über längere Zeit freies Iod zur Verfügung steht. Es wirkt nicht remanent; die Wirkung hält nur so lange an, wie die Anwesenheit von Iod im PVP-Trägermolekül gegeben ist. PVP-Iod wirkt nicht nur mikrobiozid, sondern bei längerer Einwirkzeit sporozid und zusätzlich gegen eine Reihe von Viren.

Wegen der allergenen Potenz, der Resorptionstoxizität für die Schilddrüse und der fehlenden Remanenz hat PVP-Iod zur Wundantiseptik in Deutschland an Bedeutung eingebüßt (Kramer et al., 2008c, Kramer et al., 2013c).

In einem Povidon-IodWirksamkeitsystematischen Review war PVP-Iod nicht antiseptisch wirksamen Wundauflagen und Silbersulfadiazin überlegen, aber in Kombination medizinischem Honig bezüglich der Bakterienelimination und Wundheilung unterlegen. Im Vergleich von 84 Studien hält sich die Überlegenheit bzw. Unterlegenheit im Vergleich zur Kontrolle etwa die Waage (Vermeulen, Westerbos und Ubbink 2010). Iodophore sind besser gewebeverträglich als CHX-haltige Präparate. In vitro setzt bei scheinbar abgetöteten Zellen nach Abspülen des Wirkstoffs wieder die Proliferation ein, sog. revitalisierender Effekt (Müller und Kramer 2006). Povidon-IodNebenwirkungenIn vitro und tierexperimentell ist 0,5 -prozentiges PVP-Iod im Unterschied zu OCT knorpelverträglich. Genotoxische, karzinogene und teratogene Gefährdungen sind nicht bekannt (Kramer et al. 2008c). Als liposomale Zubereitung (Repithel®) ist die Gewebeverträglichkeit von PVP-Iod bei erhaltener Wirksamkeit deutlich verbessert, sodass die liposomale PVP-I-Zubereitung einer CHX-imprägnierten Auflage bei Anwendung auf Mesh Graft an Wirksamkeit und Verträglichkeit überlegen war (Reimer et al. 2000).

Bei Povidon-IodKontraindikationender Anwendung von Iodophoren gelten folgende Kontraindikationen: Hyperthyreose, Dermatitis herpetiformis Duhring, Überempfindlichkeit gegen Iod, Radioiodtherapie, Peritoneallavage. Die Anwendung ist sorgfältig abzuwägen und die Schilddrüsenfunktion ist zu kontrollieren bei blander Knotenstruma, Gravidität, Stillzeit, großflächiger Anwendung bei Früh- und Neugeborenen sowie bei Säuglingen bis zum 6. Lebensmonat. Da bei Anwendung am Auge (präoperativ und zur Prävention der Ophthalmia neonatorum) die resorbierte Iodmenge unterhalb schilddrüsenkritischer Werte bleibt (Kramer et al. 2008c), ist bei dieser Anwendung keine Schilddrüsenfunktionsbeeinflussung zu erwarten.

Chlorhexidin (Tab. 2.4)

CHX Chlorhexidin ChlorhexidinWundantiseptik WundantiseptikChlorhexidinund Polihexanid unterscheiden sich in der Molekülstruktur nur dadurch, dass CHX zusätzliche p-Chloranilin-Reste enthältChlorhexidinNebenwirkungen. Daher ist vermutlich die nachgewiesenen Abspaltung des p-Chloranilins (Below et al. in Vorb.) für die im Unterschied zu Polihexanid hohe Zytotoxizität, die mutagene Potenz (Arabaci et al. 2013; FDA 2013; Grassi et al. 2007; Paldy et al. 1984; Souza-Junior und Castro-Prado 2005), die Induktion von Keratosen und Dysplasien (Sonis, Clark und Shklar 1972) sowie die Neurotoxizität (Aursnes, 1981a, Aursnes, 1981b; Bicknell 1971; Kramer et al., 2003, Kramer et al., 2008c; Perez et al. 2000) verantwortlich. Das Wachstum von Peritonealexplantaten wurde in vitro gehemmt (Kramer et al. 1998); dementsprechend wurde bei tierexperimentellen Wunden z. T. eine verzögerte Heilung beobachtet (Kramer et al. 1993). Beim Menschen fiel bei kontaminierten chirurgischen Wunden allerdings keine Heilungsverzögerung auf (Crossfill, Hall und London 1969). In vitro war CHX gegenüber humanen alveolaren Knochenzellen zytotoxischer als PVP-lod (Cabral und Fernandes 2007). 0,1-prozentig kommt es am Auge zum Verlust der oberflächlichen Schichten des Korneaepithels und der Mikrovilli der zweiten Schicht (Dormans und Logten 1982). Bei irrtümlicher intraoperativer Spülung bei Kataraktchirurgie mit CHX 1 : 666 bzw. 1 : 1 000 verdünnt kam es zu einer schweren toxischer Keratopathie (Rij et al. 1995). Nach 8-wöchiger Anwendung von Augentropfen mit CHX 0,02 % + Propamidin 0,1 % wurde eine progressive ulzeröse Keratitis verursacht, wofür die Autoren CHX als Ursache ansahen (Murthy, Hawksworth und Cree 2002). Daher wird CHX > 0,05 % nicht zur ophthalmologischen Anwendung empfohlen. Nach einer Irrigation mit CHX 0,02 % bei arthroskopischen Eingriffen entwickelte sich als Frühantwort eine schwere aggressive destruktive Arthritis (van Huyssten u. Bracey 1999, van Huyssten 2000).

Als Konsequenz hat CHX seine Bedeutung zur Wundantiseptik verloren und seit 2006 ist in der Roten Liste kein CHX basiertes Wundantiseptikum enthalten. In Japan ist CHX seit 1986 zur Schleimhautantiseptik untersagt. 2012 veröffentlichte die Medicines & Healthcare products Regulatory Agency (MHRA), UK, einen Warnhinweis für Medizinprodukte und Arzneimittel mit Gehalt an CHX wegen des Risikos anaphylaktischer Reaktionen mit folgendem Hinweis: If a patient experiences an unexplained reaction, check whether chlorhexidine was used or was impregnated in a medical device that was used. Ein Jahr später warnte Swissmedic (Swiss Agency for Therapeutic Products) generell von anaphylaktischen Reaktion durch Anwendung CHX haltiger Produkte.

Bei gramnegativen klinischen Isolaten wurde eine Wirkschwäche nachgewiesen (Kramer et al. 2013c). In vitro ist eine Resistenzentwicklung induzierbar (s. o.).

Natriumhypochlorit (Tab. 2.4)

Die weltweiteNatriumhypochlorit NatriumhypochloritWundantiseptik WundantiseptikNatriumhypochlorit Verwendung von NaOCl begann im Ersten Weltkrieg nach der Wiederentdeckung dieses Wirkstoffs durch Henry Drysdale Dakin. Wegen der pH-abhängigen Instabilität der wässrigen Lösung verlor die Dakin-Lösung ihre Bedeutung in der Wundantiseptik und erlebt erst jetzt ihre Renaissance, nachdem mit der Entwicklung einer stabilisierten Kombination von NaOCl und hypochloriger Säure (HOCl) in wässriger Lösung eine Stabilität von 1 Jahr bzw. eine Anbruchstabilität von 2 Wochen erreicht wurde. Diese Wirkstoffkombination (NaOCl/HOCl) erfüllt die In-vitro-Anforderungen an Wundantiseptika nicht nur gegen vegetative Bakterien und Sprosspilze (Aggarwal et al. 2010), sondern ist selbst gegen Bakteriensporen hoch effektiv (Landa-Solis et al. 2005; Tanaka et al. 1996). In vitro und bei der Behandlung chronischer Wunden war die Wirkstoffkombination NaOCl/HOCl effektiver und besser verträglich als PVP-Iod (Abhyankar et al. 2009; Dalla Paola et al. 2005; Kapur und Marwaha 2011). Bei der Behandlung diabetischer Wunden (verblindete RCT) wurden die Krankenhausverweildauer und die Wundheilungsdauer signifikant verkürzt und die Wundkategorie signifikant verbessert (Hadi et al. 2007).

Die NatriumhypochloritWirksamkeitBesonderheit von NaOCl/HOCl besteht darin, dass es sich um einen physiologischen Wirkstoff handelt, der von Phagozyten nach Auslösung des Respiratory Burst durch O2-Metaboliten mittels Myeloperoxidase, eosinophiler Peroxidase und Superoxiddismutase gebildet und rasch durch Taurin zu Cl– und Wasser entgiftet wird (Kramer et al. 2008e). Daher sind für Hypochlorit keine Langzeitnebenwirkungen zu befürchten und nicht nachgewiesen (Gutiérrez 2006; Hasegawa et al. 1986; Kurokawa et al. 2010; Morita, Nishida und Ito 2011). In Übereinstimmung dazu wird die Proliferation von Fibroblasten im Unterschied zum zytotoxischen Wasserstoffperoxid (Wilson et al. 2004) in vitro nicht durch die noch mikrobiozid wirksame Konzentration von Hypochlorit gehemmt (Crabtree, Pelletier und Pruett 2001). Daraus ergibt sich eine hohe therapeutische Breite. Zusätzlich wundheilungsbegünstigend ist die antiinflammatorische Wirkung durch Hemmung der Zytokinfreisetzung aus Mastzellen ohne Beeinträchtigung anderer Zellfunktionen (Medina-Tamayo et al. 2007). Bei der Behandlung chronischer Wunden konnten keine Unverträglichkeiten festgestellt werden (Allie 2006). Gleiches gilt für Brandwunden (Altamirano 2006). Selbst die Anwendung zur Peritoneal- und Mediastinalspülung (Inouc et al. 1997, Ohno, Higashidate und Yokosuka 2000) war erfolgreich, sodass auch die Anwendung zur Mukositisprophylaxe aussichtsreich erscheint.

Wirkstoffauswahl

Ohne AntiseptikWirkstoffauswahl HautantiseptikWirkstoffauswahlchirurgische Wundversorgung, d. h. ohne Entfernung von Verunreinigungen bzw. Schadstoffen, ggf. in Verbindung mit chirurgischem Débridement abgestorbenen bzw. zerstörten Gewebes, und bei chronischen Wunden ohne Behandlung der zugrunde liegenden Begleitkrankheit einschließlich Wundnachsorge versagt das beste Wundantiseptikum. Deshalb ist vor der Auswahl des Antiseptikums die Ätiopathogenese der Wunde abzuklären, um ggf. die Wundheilung beeinträchtigende lokale und systemische Faktoren zu eliminieren. Die Wundbehandlung selbst soll der Wundheilungsphase angepasst erfolgen, was insbesondere für die Auswahl der Wundauflage entscheidend ist.

In Verbindung mit chirurgischem Débridement können selbst große Weichteilverletzungen mit Antiseptika (z. B. feuchte Abdeckung bzw. Spül-Saug-Drainage und reguliertes Vakuum) behandelt werden.

Für den orientierenden Vergleich von Wundantiseptika eignet sich der Biokompatibilitätsindex, der Quotient von IC50 im Zytotoxtest und der Konzentration, die im quantitativen Suspensionstest gegenüber Bakterien mindestens 3 lg-Stufen Reduktion ergibt. Bei einem Wert > 1 überwiegt die Wirksamkeit im Vergleich zur Zytotoxizität und umgekehrt (Tab. 2.5 ).

Tab. 2.5

Biokompatibilitätsindex ausgewählter antiseptischer Wirkstoffe

WirkstoffBiokompatibilitätsindex


E. coliS. aureusOctenidindihydrochlorid1,732,11Polihexanid1,511,36Chlorhexidindigluconat0,830,98PVP-Iod (auf I2 bezogen)0,680,68Triclosan0,230,11Silberprotein (auf Ag bezogen)0,220,46Silbersulfadiazin< 0,0002< 0,0002AgNO3< 0,0002< 0,0002

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(Müller und Kramer 2008) [F806-001]

Für die Auswahl der Wundantiseptika ist zwischen der Anwendung auf akuten und chronischen Wunden zu unterscheiden:

  • Bei akuten Wunden steht die rasch einsetzende Wirksamkeit u. U. in Verbindung mit einer erforderlichen Tiefenwirkung im Vordergrund.

  • Bei chronischen Wunden besteht die Strategie darin, den Circulus vitiosus aus Minderdurchblutung – Nekrose – Infektion – Nekrose durch Wundbehandlung (Débridement, Stimulation der Entzündung, ggf. Antiseptik) und gleichzeitige Behandlung der Grundkrankheit zu durchbrechen. Die Anforderungen an die Wundverträglichkeit sind wegen der wiederholten Applikation und der höheren Vulnerabilität chronischer Wunden höher als für die üblicherweise einmalige Anwendung auf akuten Wunden.

Als Fazit des Kenntnisstands lässt sich folgender chirurgischer Aphorismus ableiten: Es soll nichts auf Wunden angewandt werden, was nicht auch am Auge anwendbar ist.

Octenidin ist der Wirkstoff der Wahl für akute kontaminierte traumatische einschließlich mit MRE kolonisierte WundenWundantiseptikOctenidin OctenidinWundantiseptik (Hübner, Siebert und Kramer 2010). In Kombination mit Phenoxyethanol (z. B. Octenisept®) wird die Wirkstoffpenetration in die Wunde gefördert. Für chronische Wunden ist die Gelzubereitung mit auf 0,05 % halbiertem Octenidingehalt (z. B. Octenilin®) zu bevorzugen; sie unterscheidet sich in der Wundverträglichkeit nicht von Ringer-Lösung (Eisenbeiß et al. 2012).

Polihexanid ist der WundantiseptikPolihexanid PolihexanidWundantiseptikWirkstoff der Wahl für chronische Wunden, reduziert aber auch bei akuten Traumata die SSI-Rate signifikant (Roth et al. in rev.). Polihexanid erreicht nicht die Wirksamkeit von OCT, fördert aber als einziges Wundantiseptikum die Wundheilung (Hübner und Kramer 2010).

Natriumhypochlorit: Sofern das Risiko WundantiseptikNatriumhypochlorit NatriumhypochloritWundantiseptikeines Kontakts mit ZNS-Strukturen bzw. einer Wirkstoffretention nach Einbringen in umschlossene Hohlräume besteht, erscheint der Einsatz von OCT, CHX und Polihexanid wegen ihrer hohen Bindungsfähigkeit an Zellmembranen und des nicht untersuchten bzw. für CHX bekannten, allerdings reversiblen Risikos der Neurotoxizität kritisch. In diesen Fällen ist die Kombination von Natriumhypochlorit und hypochloriger Säure (z. B. Mikrodacyn®) als Mittel der Wahl anzusehen.

Für die Wirkstoffauswahl gilt die goldene Regel der Antiseptik: Nicht das wirksamste Antiseptikum ist am geeignetsten, sondern das geeignetste Antiseptikum ist am besten.

Weitere Wirkstoffe: Neben den vorgenannten Antiseptika stehen weitere wirksame antimikrobielle Wirkstoffe zur Verfügung, die angesichts der zunehmenden bakteriellen Resistenz gegenüber Antibiotika in Zukunft an Bedeutung gewinnen könnten. Dazu gehören:

  • Chitosan: Dieses Chitosan AntiseptikChitosan WundantiseptikChitosanhydrophile polykationische Polymer wird durch partielle chemische Desacetylierung im alkalischen Milieu aus Chitin, dem Hauptbestandteil von Crustaceen-Schalen, gewonnen. Im Gegensatz zu synthetischen Polymeren weist dieser Naturstoff praktisch keine Toxizität und eine hohe Biodegradibilität auf und besitzt gleichzeitig die antimikrobielle Wirkung von herkömmlichen antimikrobiellen Wirkstoffen (Heisig, Claußen und Mayer 2007; Chitosan, 2008, Kramer and Roth, 2008.

  • Medizinischer Honig: Er wurde Medizinischer Honig AntiseptikMedizinischer Honig Wundantiseptikmedizinischer Honigerfolgreich zur Behandlung akuter und chronischer Wunden, die eine Applikation zulassen, eingesetzt, auch dann, wenn diese mit resistenten bakteriellen Krankheitserregern kolonisiert oder infiziert waren oder teilweise nekrotische Areale aufwiesen (Igelbrink et al. 2007; Simon et al., 2006, Medihoney, 2008).

Entbehrliche, ungeeignete bzw. obsolete Wirkstoffe

Für AntiseptikSilberionen WundantiseptikSilberionen SilberWundantiseptikWundauflagen, die Silberionen (Tab. 2.4) freisetzen, kommen zwei Metaanalysen und ein Review zu dem Schluss der unzureichenden Evidenz bezüglich der Prävention von Wundinfektionen und der damit verbundenen Wundheilungsförderung bei chronischen Wunden. Einige Studien mit schlechter Evidenz sprechen vielmehr für das Gegenteil (Beam 2009; Storm-Versloot et al. 2010; Vermeulen et al. 2007). In einer RCT war bei venösen Ulzera weder für den primären noch für den sekundären Endpunkt ein positiver Einfluss der Silberwundauflage nachweisbar (Michaels et al. 2009). Dagegen wird von Leaper, Ayello und Carville (2012) folgende Relativierung vorgenommen: In some cases silver dressings were used for extended periods and sometimes on wounds that were not infected or did not show evidence of heavy bioburden. Ohne neue aussagekräftige Studien kann keine evidenzbasierte Empfehlung für den Einsatz derartiger Wundauflagen gegeben werden.

Die Anwendung von Farbstoffen, quecksilberorganischem Verbindungen und Wasserstoffperoxid gilt als obsolet (Kramer et al. 2004).

Lokalantibiotika wie Neomycin, Kanamycin oder Mupirocin sind aufgrund fehlender Resorption und/oder systemischer Toxizität nur lokal anwendbar. Ihr Einsatz zur Wundantiseptik ist aufgrund des engen Wirkspektrums, der überwiegend mikrobiostatischen Wirkung, des Risikos der Resistenzentwicklung und wirkstoffabhängig wegen der sich durch Resorption aus Wunden ergebenden toxischen Risiken (Oto-, Nephro-, Neurotoxizität) sowie der allergenen Potenz zur Wundantiseptik abzulehnen (Kramer et al. 2004).

Tab. 2.6

Merkmale von zur Wundantiseptik kritischen Wirkstoffen (Kramer et al. 2004, Kramer und Assadian 2014) AntiseptikChinolinolWundantiseptikChinolinolChinolinolAntiseptikPhenolderivateWundantiseptikPhenolderivatePhenoleWundantiseptikAntiseptikQuatsWundantiseptikQuatsQuatsWundantiseptikAntiseptikSilberionenWundantiseptikSilberionenSilberionenWundantiseptikAntiseptikTriclosanWundantiseptikTriclosanTriclosanWundantiseptikAntiseptikWasserstoffperoxidWundantiseptikWasserstoffperoxidWasserstoffperoxidWundantiseptik

WirkstoffNachteileEignung zur Wundantiseptik8-ChinolinolUnzureichend wirksam, mutagen, neurotoxisch, allergen, tierexperimentell karzinogenEntbehrlichNitrofuralUnzureichend wirksam, mutagen, allergen, induzierte benigne Tumoren, Resorption aus Wunden, Resistenzentwicklung möglichEntbehrlichPhenolderivateZytotoxisch, resorptive Risiken, z. T. mutagenEntbehrlichQAVUnzureichend wirksam, hoher Eiweißfehler, zytotoxisch, resorptive Risiken, Resistenzentwicklung möglichEntbehrlichSilberverbindungenHoher Eiweißfehler, Resistenzentwicklung, zytotoxisch, systemische RisikenEntbehrlichTriclosanEinseitiges Wirkspektrum gegen grampositive Bakterien, Resistenzentwicklung in vitro, Resorption, allergene PotenzEntbehrlichWasserstoffperoxid 3 %Unzureichend wirksam, Inaktivierung durch Blut, zytotoxischReinigung intakter HautZur Wundantiseptik obsoletFarbstoffeUnzureichend wirksam, zytotoxisch, allergen, z. T. systemische RisikenObsoletOrganische QuecksilberverbindungenErregerabhängig z. T. unwirksam, systemische NebenwirkungenObsolet

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2.3. Vorbedingungen für und Anforderungen an die Reinigung und Desinfektion

Jürgen Gebel und Anke Carter

Vor der Entscheidung zu einer Reinigungs-, Desinfektions- oder Sterilisationsmaßnahme steht zunächst eine Risikoanalyse, also die Frage nach dem vorherigen Einsatz des Gegenstands/Medizinprodukts sowie nach den Anforderungen, die der Gegenstand/das Medizinprodukt nach der Aufbereitung erfüllen muss. Vorbedingungen und Anforderungen stehen demgemäß in einem untrennbaren Zusammenhang. Entsprechend der Biozidgesetzgebung ist jeder Anwender verpflichtet, vor dem Einsatz von Bioziden eine Gefährdungsabschätzung durchzuführen. Das bedeutet, dass er feststellen muss, ob von dem Gegenstand oder der Fläche für Patienten und/oder Mitarbeiter eine mikrobielle Gefährdung ausgeht (Bundesministerium für Umwelt 2002). Kann die Gefährdung allein durch eine Reinigung abgestellt werden, ist diese ausreichend. Ansonsten muss als striktere Maßnahme z. B. die Desinfektion, evtl. mit anschließender Sterilisation, in Erwägung gezogen werden.

2.3.1. Reinigung

Hände, Haut, Gegenstände und Flächen verschmutzen abhängig von den Umgebungsbedingungen und dem Einsatz mit organischen und anorganischen Materialien. Damit ist in abhängig von der weiteren Anwendung besonders im Krankenhaus ein Infektionsrisiko verbunden.

Für die Reinigung stehen für die verschiedenen Einsatzzwecke die unterschiedlichsten Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen zur Verfügung. Im Folgenden wird ein Überblick über die jeweiligen Reinigungsverfahren gegeben.

Händehygiene

Hauptvektoren Händehygienesind bei allen personengebundenen Tätigkeiten die Hände. Sie gilt es regelmäßig und bei bestimmten Prozessen so zu behandeln, dass von ihnen keine Gefahr für eine Weiterverbreitung von Krankheitserregern ausgeht. Im Allgemeinen reicht eine Händewaschung. Für die Reinigung HändehygieneReinigung ReinigungHändewird meist unter Zugabe von Wasser eine tensidische Seifenlösung in den Händen aufgeschäumt und mittels mechanischer Scherkräfte durch Aneinanderreiben der beiden Handflächen und einzelnen Finger eine Reinigung erzielt. Nach dem Einreibeprozess werden die Seifenlösung gründlich abgespült und die Hände sorgfältig getrocknet. Grundbedingungen an die Hände sind: kein Schmuck, keine Verletzungen, saubere kurze Fingernägel, gute Pflege.

Im medizinischen Bereich ist die hygienische Händedesinfektion in Bezug auf das damit verbundene Risiko die Regel. Bei operativen Eingriffen wird eine chirurgische Händedesinfektion verlangt. Um den Schutz für das Personal und den Patienten zu erhöhen, sind in vielen Anwendungsszenarien Handschuhe (steril oder unsteril) angeordnet. Abhängig vom vorliegenden Erregerspektrum leitet sich die Auswahl des Produkts mit dem dazugehörigen Wirkspektrum ab. So wird die Maßnahme an die gegebenen Umstände angepasst.

Hauthygiene

Vor PatientenhygieneHautreinigung HautReinigung ReinigungHautInjektion und Punktion, aber auch vor operativen Eingriffen muss das Hautareal gereinigt und von Körperfett befreit werden, damit keine Partikel durch den invasiven Eingriff in die Haut eingetragen werden und die präoperative Antiseptik mit alkoholhaltigen Wirkstoffen ihre volle Wirksamkeit entfalten kann. Die Reinigung kann sowohl mit tensidhaltigen Produkten als auch mit alkoholhaltigen Lösungen erfolgen. In der Regel werden zur Unterstützung der Mechanik saubere flusenfreie Tücher eingesetzt.

Umgebungshygiene

Für UmgebungshygieneGegenstände und Flächen gilt das Gleiche wie für die Händehygiene. Das Erregerspektrum der Umgebung und der mögliche Transmissionsgrad bedingen den Grad der Maßnahme. In Empfehlung der KRINKO und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) werden die Anforderungen an die Aufbereitung von Medizinprodukten detailliert festgelegt (RKI 2012).

Flächen: Im Flächenreinigung ReinigungFlächenAllgemeinen werden alle Oberflächen vom Fußboden bis zum OP-Tisch als Flächen bezeichnet. Für den Krankenhausbereich hat sich die Unterteilung in „patientennah“ und „patientenfern“ als praktikabel im Hinblick auf die Ableitung des Risikos für den Patienten erwiesen. Flächen im medizinischen Bereich mit häufigem Hand- und Hautkontakt sollen leicht zu reinigen und zu desinfizieren sein. Das bedeutet gleichzeitig, dass die Materialien gegenüber Reinigungs- und Desinfektionsverfahren ausreichend beständig sein müssen. Das ist durch geeignete Tests zu bestätigen. Hierfür wird u. a. die DIN prEN ISO 4628–1 (2014) herangezogen, bei der es im Wesentlichen um die Beständigkeit von Lacken und Anstrichen geht. Dabei werden die Lacke in dünner Schicht auf Anstrichträger (z. B. Glasflächen) aufgetragen und 24 Stunden bei Raumtemperatur und 14 Tage bei Normalklima (23 C, 50 % Luftfeuchte) getrocknet. Anschließend werden unterschiedliche Reiniger oder Desinfektionsmittel aufgebracht und für die wirksamen Konzentrationen und Einwirkzeiten auf der Fläche belassen. Mittels Spektralphotometer, Reflektometer und Schichtstärkenmessgerät werden evtl. Farb- und Glanzveränderungen, Blasen- und Rissbildung, Quell- und Schrumpfverhalten sowie die Haftfestigkeit bestimmt. Ähnliche Verfahren gibt es auch für die Versiegelungen von Bodenbelägen. Doch schon bei der Auswahl zu testender Reinigungs- und Desinfektionsmittel stellt sich das Problem, welche Wirkstoffe oder Wirkstoffkombinationen eingesetzt und welche Einsatzkonzentration und Kontaktzeit zugrunde gelegt werden sollen. Hier sollten dringend harmonisierte Testprozedere erarbeitet werden.

Medizinprodukte (MP): In Deutschland MedizinprodukteaufbereitungReinigung ReinigungMedizinproduktebesteht Konsens, dass die maschinelle Reinigung aufgrund ihrer besseren Standardisierbarkeit und Validierbarkeit gegenüber manuellen Reinigungsverfahren zu bevorzugen ist. Dennoch werden noch manuelle Verfahren eingesetzt. 2013 wurde von Vertretern der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), der Deutschen Gesellschaft für Sterilgutversorgung (DGSV), des Arbeitskreises für Instrumentenaufbereitung (AKI) in Kooperation mit dem Verbundes für Angewandte Hygiene (VAH) eine Leitlinie zur Validierung der manuellen Reinigung und manuellen chemischen Desinfektion von Medizinprodukten verabschiedet (DGKH, DGSV, AKI, VAH Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) et al., 2013, Verbund für angewandte Hygiene (VAH). Desinfektionsmittel-Liste des VAH. Wiesbaden: mhp Verlag, 2009. S. 1–168. (Online-Version v. 31. August 2010, www.vah-online.de).

Wie entstand die Hygiene?

Dabei reicht die Historie der Hygiene zurück bis in die griechische Mythologie: Namengeberin ist Hygieia, die Göttin der Gesundheit und Tochter von Asklepios, dem Gott der Medizin. Einer ihrer bekanntesten Verehrer: Hippokrates, der eine gewissenhafte Körperpflege zur Vermeidung von Krankheiten empfiehlt.

Wann entstand Hygiene?

1867 setzt erstmals ein schottischer Chirurg (Sir Joseph Lister) Karbol zur Wunddesinfektion vor Operationen ein. In Deutschland gilt Max von Pettenhofer, der ab 1865 einen Lehrstuhl für Hygiene innehatte, als Vater der Hygiene.

Was ist das Ziel der Hygiene?

Hygiene ist entscheidend, um die Verbreitung von Krankheitserregern zu vermeiden und Infektionsrisiken zu senken. Erreger wie Viren, Bakterien oder Pilze werden über verschiedene Wege übertragen: etwa beim Husten und Niesen, über Hände, Gegenstände, Körpersekrete und Lebensmittel.

Wie war die Hygiene im Mittelalter?

Wenig Reinlichkeit im Mittelalter Das Mittelalter, gut eintausend Jahre später, ist als hygienisch wenig reizvoll verpönt – mit städtische Kloaken als Brutstätten von Krankheiten. Nachttöpfe wurden auf den Straßen ausgeleert, Marktabfälle blieben einfach liegen, Schweine und Hühner liefen überall frei herum.