Unterschied kleiner schadensersatz und schadensersatz neben der leistung

Die Rechtsprechung rund um den „Dieselskandal“ wird immer stärker vom BGH konkretisiert

Die Rechtsprechung rund um den „Dieselskandal“ nimmt weiter Fahrt auf: Jüngst hat der BGH entschieden, dass den betroffenen Verbraucher:innen auch ein Anspruch auf den kleinen Schadensersatz zustehe. Was genau ist damit gemeint?

Worum geht es?

Die Rechtsprechung rund um den „Dieselskandal“ wird immer stärker vom BGH konkretisiert. In einer aktuellen Entscheidung haben die Karlsruher Richter:innen nun klargestellt, dass den betroffenen Kund:innen neben dem großen Schadensersatz auch der sogenannte kleine Schadensersatzanspruch zustehen kann. Wie dieser Anspruch auf Ersatz des „Minderwerts“ genau berechnet werden soll, müsse in einem Betragsverfahren geklärt werden.

Klägerin will Fahrzeug behalten

Ausgangspunkt für die Entscheidung war ein Rechtsstreit, der bereits vor dem LG Rottweil und OLG Stuttgart verhandelt wurde. Die Klägerin hatte im Juli 2015 von einem Autohaus einen gebrauchten VW Passat Variant gekauft, der mit einem vom Abgasskandal betroffenen Motor ausgestattet war. Dieser war mit einer Software versehen, die erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet oder nicht und dementsprechend schaltet. Dadurch konnten die Stickoxidgrenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten werden – das Prozedere ist mittlerweile sicherlich bekannt: Aktuelle Entscheidungen des BGH in den „Diesel-Fällen“

Neu ist allerdings die Art des Schadensersatzes. Die Klägerin möchte ihr Auto, in dem inzwischen ein Software-Update erfolgte, nicht zurückgeben. Stattdessen beantragte sie mit ihrer Klage, die beklagte Herstellerin zum Ersatz des Minderwerts des Fahrzeugs zu verurteilen. Mit Erfolg?

BGH: Kleiner Schadensersatz möglich

In seiner Entscheidung stellte der VI. Zivilsenat am BGH zunächst fest, dass die Beklagte der Klägerin dem Grunde nach zum Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB verpflichtet sei. Die relevanten Ausführungen des BGH zur Prüfung des Anspruchs findest Du in diesem Beitrag: Aktuelle Entscheidungen des BGH in den „Diesel-Fällen“-Teil 2. Da ein Anspruch nach § 826 BGB gegeben sei, könnte die Klägerin daher die Erstattung des Kaufpreises abzüglich der Nutzungsvorteile verlangen. Mit dem Abzug der Nutzungsvorteile sind die bereits gefahrenen Kilometer gemeint.

Diese Art des Schadensersatzes wird als großer Schadensersatz bezeichnet: Der Gläubiger gibt die Sache zurück und bekommt einen Schadensersatz in Höhe des tatsächlichen Wertes. Davon zu unterscheiden ist der sogenannte kleine Schadensersatz, den die Klägerin in diesem Fall verlangte. Von diesem ist die Rede, wenn der Gläubiger den mit Mängeln behafteten Gegenstand behält und nur die Differenz zwischen dem Wert der Sache im mangelfreien Zustand und dem Wert der Sache im tatsächlichen Zustand erhält.

Der BGH bestätigte nun, dass der kleine Schadensersatz auch im Rahmen der Dieselfälle möglich sei. Die Klägerin könne das Fahrzeug behalten und von der Beklagten den Betrag ersetzt verlangen, den sie für das Fahrzeug sozusagen zu viel bezahlte. Für die Bemessung des kleinen Schadensersatzes sei der Vergleich zwischen Leistung (das Fahrzeug) und der Gegenleistung (der Kaufpreis) im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich. Allerdings müsse in der Bemessung auch das durchgeführte Software-Update berücksichtigt werden, so der BGH:

Sollte allerdings das Software-Update der Beklagten, das gerade der Beseitigung der unzulässigen Prüfstanderkennungssoftware diente, das Fahrzeug aufgewertet haben, ist dies im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen.

Ob und in welchem Umfang eine Differenz zwischen dem objektiven Wert des VW Passat Variant und dem Kaufpreis im Zeitpunkt des Kaufs bestand und ob und inwieweit sich durch das Software-Update die Differenz reduziert haben könnte, müsse in einem folgenden Betragsverfahren festgestellt werden, so der BGH.

Schaue Dir hier die (prüfungs-) relevanten Lerninhalte oder weiterführenden Beiträge zu diesem Thema an:

Schadenersatz ist nicht gleich Schadenersatz. Es gibt hier teilweise sehr unterschiedliche Ausprägungen des Schadenersatzes. Zudem kann man diese sehr leicht verwechseln. Daher hier eine Übersicht über die verschiedenen Fallgruppen:

positives/negatives Interesse

Das positive Interesse erfasst alle Vorteile, die der Vertragspartner gehabt hätte, wenn der Vertrag ordnungsgemäß durchgeführt worden wäre. Demgegenüber stellt ihn das negative Interesse nur so als hätte er niemals etwas von diesem Geschäft gehört. Das negative Interesse kann insbesondere von dem, der eine Willenserklärung anfechtet, verlangt werden (§ 122 Abs. 1).

Schadenersatz statt/neben der Leistung

Ob ein verlangter Schadensposten als Schadenersatz statt (§ 281, § 283 oder § 311a Abs. 2)oder neben der Leistung (§ 280 Abs. 1 oder § 286) ersatzfähig ist, ist ein erheblicher Unterschied hinsichtlich der Voraussetzungen. Die wohl beste Abgrenzung zwischen beiden Varianten bietet die sog. Lorenz’sche Formel, benannt nach dem Münchner Zivilrechtsprofessor Dr. Stephan Lorenz:

  • Schadenersatz neben der Leistung ist derjenige Schaden, der bereits endgültig eingetreten ist, also auch durch eine spätere Nacherfüllung nicht behoben werden kann.
  • Schadenersatz statt der Leistung ist dagegen der Schaden, der durch das endgültige Ausbleiben der vertragsgemäßen, mangelfreien Leistung entstanden ist.

Dabei kann aber bspw. der Mangelfolgeschaden beiden Kategorien zuzuordnen sein: Ist ein Auto unbehebbar mangelhaft und verursacht es dadurch einen Unfallschaden an einem anderen Auto, so ist dieser Unfall auf das endgültige Ausbleiben des geschuldeten mangelfreien Autos zurückzuführen, er ist also – neben dem Wert des Autos selbst – Teil des Schadensersatzes statt der Leistung. Kann der unfallbegründende Mangel dagegen ohne Weiteres repariert werden, so bleibt der Schaden am fremden Auto daneben bestehen, er wird also auch durch die Nacherfüllung nicht behoben – das ist Schadenersatz neben der Leistung.

kleiner/großer Schadenersatz

Kleiner und großer Schadenersatz sind Unterfälle des Schadenersatzes statt der Leistung.

Beim kleinen Schadenersatz behält der Gläubiger die mangelhafte Leistung. Sein ersatzfähiger Schaden besteht somit im Wertunterschied zwischen mangelhafter und vertragsgemäßer Leistung.

Beim großen Schadenersatz (in § 281 als Schadenersatz statt der ganzen Leistung bezeichnet) gibt der Gläubiger die Leistung dagegen zurück und erhält deren Wert als Schadenersatz. Dieser Weg ist dem Gläubiger aber gemäß § 281 Abs. 1 Satz 3 BGB verschlossen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist. § 281 Abs. 5 verweist für die Rückgewähr des geleisteten Gegenstands auf die Rücktrittsvorschriften (§§ 346 bis 348).

Differenzmethode/Surrogatsmethode

Differenz- und Surrogatsmethode sind zwei Varianten des Schadenersatzes statt der Leistung.

Bei der Differenzmethode wird lediglich der Unterschied zwischen Leistung und Gegenleistung berechnet. Der Schadenersatzberechtigte kann also den Gewinn, den er aus der ordnungsgemäßen Abwicklung bekommen hätte, liquidieren. Seine eigene geschuldete Leistung erbringt er nicht.

Bei der Surrogatsmethode stellt der Schadenersatzberechtigte dagegen seine Leistung zur Verfügung und verlangt dann den Wert der Gegenleistung heraus.

Beide Methoden ergeben nur einen Unterschied, wenn keine Geldleistung involviert ist, sondern z.B. ein Tausch vorliegt.

Anmerkung: Teilweise werden diese Möglichkeiten auch als Differenztheorie und Surrogatstheorie bezeichnet. Dies ist aber insofern irreführend, als juristische Theorien normalerweise unterschiedliche Ansichten zu einem Problem sind, die sich widersprechen und bei denen man die eine gegenüber der anderen vorziehen muss. Die Differenz- und die Surrogatsmethode stehen aber nebeneinander, sind beide anerkannt und stellen lediglich verschiedene Rechenarten dar.

Was ist der Unterschied zwischen Schadensersatz statt der Leistung und Schadensersatz neben der Leistung?

Bei einem Schadensersatzanspruch statt der Leistung erlischt die Pflicht zur Erfüllung (§ 281 IV) und an ihre Stelle tritt der Anspruch auf Schadensersatz. Schadensersatz neben der Leistung hingegen kann der Schuldner verlangen, auch wenn er daneben weiterhin die Leistung verlangt oder schon erfüllt wurde.

Was ist der kleine Schadensersatz?

Kleiner Schadensersatz bedeutet demgegenüber, dass der Käufer den mangelhaften Kaufgegenstand behält und nur Schadensersatz in Höhe der Wertdifferenz zwischen dem Wert des Kaufgegenstandes im mangelfreien Zustand und seinem tatsächlichen Wert (nebst etwaigen Vermögensfolgeschäden) bekommt.

Welche Arten von Schadensersatz gibt es?

Es sind 3 Arten von Ansprüchen zu unterscheiden: Schadensersatz wegen Pflichtverletzung des Schuldners (280 Abs..
BGB, Details), Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung (280 Abs..
BGB, Details), Schadensersatz statt der Leistung (280 Abs..
BGB, Details) z.B. bei Nichtleistung..

Was ist ein einfacher Schadensersatz?

Formen: a) (Einfacher) Schadensersatz, z.B. Ersatz der Heilungskosten und des Verdienstausfalls, wenn der Besucher eines Restaurants eine Lebensmittelvergiftung infolge der Fahrlässigkeit des Restaurantbesitzers erleidet.