Neuwagen verbrauchen weit mehr als angegeben

Praktisch alle Hersteller werben mit niedrigen Verbrauchswerten – und praktisch alle tricksen dabei. Man kann klagen, wenn der Neuwagen zu durstig ist. Die Hürden dafür sind allerdings hoch.

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Wenig Gewicht, ein kleiner Motor und in Sachen Komfort nur das Notwendigste: In Zeiten von Diesel-Affären und Fahrverboten in Innenstädten gehören Kleinstwagen wie der Smart Fortwo zu den Autos für das gute Gewissen.

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Doch auch ein scheinbar genügsamer Stadtflitzer kann sich bei näherem Hinsehen als wahre Drecksschleuder erweisen: Vor Kurzem testete die Deutsche Umwelthilfe (DUH) einen Smart Fortwo 0,9 turbo des Daimler-Autovermieters car2go auf seinen Schadstoffausstoß. Das frappierende Ergebnis: Der Rußpartikel-Ausstoß des nicht einmal ein Liter großen Benziners mit Euro-6-Norm lag bei 440.000 Partikeln pro cm³ – ein Rekordwert.

Dabei preist die Daimler AG seine Marke smart seit jeher als besonders innovativ. „Für mehr Spaß in der Stadt“, lautet der Werbeslogan. Doch auch der Spritverbrauch ist alles andere als spaßig. Mit 4,2 Litern gibt der Hersteller den Durchschnittsverbrauch eines Smart Fortwo 0,9 turbo an. Doch der ADAC kam in seinem wesentlich realitätsnäheren EcoTest auf völlig andere Werte: Danach verbraucht der Kleinstwagen 6,6 Liter – also 50 Prozent mehr als vom Hersteller angegeben.

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Aber nicht nur Daimler, sondern praktisch alle Hersteller tricksen bei den Kraftstoffverbrauchsangaben. Deren Messungen auf den Abgasprüfständen im sogenannten Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) erfolgen unter optimalen Laborbedingungen und sind im normalen Straßenverkehr so gut wie nicht erreichbar. Der EcoTest des ADAC sieht dagegen einen praxisnäheren Fahrstil vor und enthält auch eine Autobahnfahrt.

Immerhin: Der Durchschnittsverbrauch ist gesunken

Positiv festzustellen ist laut ADAC, dass der Kraftstoffkonsum der Testflotte im EcoTest seit 2007 um über 28 Prozent gesunken ist. Aber: Die Überschreitung der Herstellerverbrauchsangaben nahm im gleichen Zeitraum auf über 35 Prozent zu. „Die Hersteller reizen die technischen Möglichkeiten bei den Verbrauchsmessungen immer mehr aus, um möglichst niedrige EU-Verbrauchswerte zu erzielen“, kritisiert der Club.

Wie aber können sich Verbraucher gegen den Schummel wehren? Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es, um gegen offensichtlich falsch angegebene Kraftstoffverbrauchswerte zu klagen?

Neuwagen verbrauchen weit mehr als angegeben

Wer den wirklichen Verbrauch seines Wagens bestimmen will, muss beim Tanken Buch führen

Quelle: picture alliance / JOKER

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„Grundsätzlich kann man als Neuwagenkäufer schon wegen stark abweichender Verbrauchswerte klagen“, erklärt eine ADAC-Sprecherin. Doch wenn der Käufer Ansprüche gegenüber dem Verkäufer geltend machen möchte, setzt dies eine Verbrauchsmessung unter Laborbedingungen auf einem akkreditierten Abgasprüfstand voraus – solche Messungen kosten mehrere Tausend Euro, die der Autobesitzer erst einmal auslegen muss. Sammelklagen sind nach dem deutschen Prozessrecht nicht vorgesehen, der Gesetzgeber zielt auf die individuelle Geltendmachung von Ansprüchen ab.

Außerdem führt zu hoher Benzin- oder Dieselverbrauch nicht automatisch dazu, dass man dem Händler den Wagen wieder auf den Hof stellen kann. Liegt der Mehrverbrauch, gemessen auf dem Prüfstand, unterhalb von zehn Prozent gegenüber den Herstellerangaben, kann man im Allgemeinen nur den Kaufpreis mindern. Diese Zehn-Prozent-Schwelle hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil definiert.

Verklagt wird immer der Händler

Und: Nicht der Hersteller ist Adressat der Klage, sondern stets der Händler. Mit ihm hat der Autokäufer den Vertrag geschlossen, also muss er mit ihm auch die zivilrechtliche Auseinandersetzung führen – mit dem Hersteller haben Neuwagenkäufer dagegen in der Regel keinen Vertrag. „Man bräuchte folglich ein schuldhaftes Handeln – etwa wie bei Volkswagen mit der Schummelsoftware und einen Schutzgesetzverstoß oder eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung“, so die Sprecherin des ADAC. Und die sei nicht ersichtlich, wenn der Wagen „nur“ zu viel verbrauche.

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Der Automobilclub fordert schon seit Langem strengere Verbrauchstests. Der NEFZ sei nur dazu geeignet, Fahrzeuge untereinander zu vergleichen, liefere aber keine realitätsnahen Verbrauchswerte, lautet die Begründung. Praxisnähere Messverfahren und Testzyklen sind sogar schon als weltweite Standards definiert worden, nun sollten sie auch so schnell wie möglich eingeführt werden, so der ADAC.

Neuwagen verbrauchen weit mehr als angegeben

Vertragspartner beim Autokauf ist der Händler. Deshalb muss man juristische Schritte gegen ihn einleiten

Quelle: picture alliance / Daniel Naupol

Dazu fordert der ADAC, Anzeigen in Neuwagen als technische Unterstützung gesetzlich vorzuschreiben, die dem Fahrer signalisieren, wie er möglichst effizient und spritsparend fahren kann. Solche Anzeigen sind bereits heute im Bordcomputer vieler Modelle integriert und zeigen den Momentan- sowie den Durchschnittsverbrauch an. Einige Modelle geben sogar den zusätzlichen Verbrauch elektrischer Komfortausstattungen wie durch Klimaanlage oder Sitzheizung an.

Aber auch auf die Verbrauchsanzeigen kann man sich offenbar nur bedingt verlassen. Bei einem Test fand der ADAC vor einigen Jahren Modelle, bei denen die angezeigten Werte relativ nah am tatsächlichen Verbrauch lagen, aber auch welche, die um mehr als zehn Prozent falsch anzeigten. Interessanterweise wurde in aller Regel ein zu niedriger Durchschnittsverbrauch signalisiert.

Portale wie spritmonitor.de schaffen Überblick

„In der Tat ist es heute für den Verbraucher sehr schwierig, gegen Mehrverbrauch bei Pkw vorzugehen“, erklärt Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung bei der Deutschen Umwelthilfe. Daher fordert die Organisation unabhängige Anlaufstellen, an die Verbraucher sich bei Verdacht auf Betrug wenden können. Zudem seien unabhängige Kontrollen der Emissionen im realen Betrieb notwendig – plus Strafen für die Hersteller, wenn Abgasgrenzwerte oder versprochene Verbräuche nicht eingehalten werden. Dass auch neue Euro-6-Dieselautos zum Teil drastisch erhöhte Schadstoffemissionen aufweisen, hätten DUH-Messungen sowie entsprechende Veröffentlichungen des Umweltbundesamtes gezeigt.

Bis sich die Politik zu schärferen Maßnahmen durchgerungen hat, raten Verbraucherschützer Autofahrern zur Eigeninitiative. So gibt es Portale wie spritmonitor.de, auf denen Besitzer von Autos die realen Verbräuche ihrer Wagen eintragen. Für Neuwagenkäufer liefern sie wertvolle Informationen – gerade bei verbreiteteren Modellen bekommt man dort ein recht gutes Gefühl dafür, was das ins Auge gefasste Auto in der Realität schluckt.

Die unabhängige Forschungsorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT) hat die Daten verschiedener solcher Portale zusammengefasst. Sie kommt zu dem Schluss, dass auch bei Abweichungen zwischen den Modellen einzelner Hersteller doch Tendenzen auszumachen seien, die Unterschiede zwischen den Herstellern beim Kraftstoffverbrauch zeigen.

Neuwagen verbrauchen weit mehr als angegeben

4,2 Liter Verbrauch gibt der Hersteller an, auf 6,6 Liter kam der ADAC. Damit ist der Smart Fortwo ein Musterbeispiel für die Unterschiede zwischen angegebenem und tatsächlichem Ve

Warum verbraucht mein Auto mehr als angegeben?

Diese könnte folgende Ursachen finden: Bremskolben defekt: Dadurch sitzt die Bremse fest, was durch den erhöhten Widerstand naturgemäß den Verbrauch stark erhöht. Lager defekt: Alle Lager, auf denen Räder sowie Motor- und Getriebewellen laufen, führen bei einem Defekt zu einem höheren Verbrauch.

Ist der Verbrauch bei Neuwagen höher?

Neuwagen verbrauchen 42 Prozent mehr Sprit Gerade für Autokäufer ist es ein großes Ärgernis, wenn der Neuwagen im Alltagsbetrieb schließlich fast die Hälfte mehr Kraftstoff benötigt, als vom Hersteller angegeben und sich schlimmstenfalls als Spritschlucker entpuppt.

Woher kommt hoher Spritverbrauch?

Standheizung, Klimaanlage, Allradantrieb, Wandlerautomatik, ein niedriger Reifendruck, schwere Beladung und der Luftwiderstand durch Dachboxen erhöhen den Kraftstoffverbrauch beim Auto. Außerdem können zahlreiche Defekte einen erhöhten Kraftstoffverbrauch mit sich bringen.

Was tun gegen zu hohen Spritverbrauch?

Kann beim Spritsparen helfen: Leichtlauföl. Vollsynthetische Leichtlauföle können doppelt so teuer sein wie herkömmliche Motoröle auf Mineralölbasis. Jedoch kann sich der höhere Preis rentieren. Speziell bei Autos mit hohem Verbrauch amortisieren sich die Kosten, auch wenn die Verbrauchsreduzierung minimal ist.