Funkstille wenn menschen den kontakt abbrechen

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* Inkl. Mwst.

Autor/in:
Titel:

Funkstille - Wenn Menschen den Kontakt abbrechen

ISBN:

9783608945621

(ISBN-10: 3608945628)
Zustand: wie neu
Verlag:

Klett-Cotta

Seiten: 196
Gewicht: 321 g
Erschienen: 2011
Einband: Hardcover
Sprache: Deutsch
Verlagstext: Nahe Verwandte oder Partner brechen plötzlich, ohne Vorwarnung, jeglichen Kontakt ab, sie reagieren nicht und sind unerreichbar. Was den Zurückgelassenen bleibt, ist nur die nicht enden wollende Hilf- und Ratlosigkeit und die quälende Frage nach dem Warum.

Der Sohn von Lisa-Maria W. lebt und ist gesund. Doch für sie ist er nur noch ein Phantom. Das älteste ihrer drei Kinder will keinen Kontakt mehr zu ihr. Es gab keinen Abschied, keine erklärenden Worte – und bis heute kein Wiedersehen … Kann das Band zwischen zwei Menschen so brutal gekappt werden? Was geht in Menschen vor, die sich plötzlich abwenden? Wie gehen die Angehörigen mit ihrem Schmerz und ihren Fragen um? Und vor allem: Gibt es Möglichkeiten, solche abrupten Kontaktabbrüche zu verhindern? Mit viel Einfühlungsvermögen spürt Tina Soliman die Hintergründe auf, vor denen sich das Phänomen der Funkstille abspielt. Sie begleitet Verlassene auf der Suche nach Antworten und spricht auch mit den Menschen, die wortlos gegangen sind.

Stichwörter: Psychologie, Kontaktabbruch, Verletzungen, Familie
Bestell-Nr.: BN25149
Sparte:

Bücher: Psychologie / Pädagogik: Allgemeine Psychologie

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22.11.2010, 11.17 Uhr: "Liebe Moni*. Bitte ruf mich an. Ich kann doch nur was ändern, was Dich ärgert, wenn Du mir sagst, was es ist. Ich muss heute Abend nach München fahren, und vielleicht rufst Du ja an. Ich warte sehnsüchtig darauf. Hab Dich lieb. Deine Dodo."

Moni war immer speziell gewesen, die Frechste in der Berufsschule, die Lustigste sowieso. Eine Seelenverwandte, lebhaft, klug, freigiebig, zuverlässig, ein Organisationstalent, ein Alphatier. Jetzt schwieg sie.

Monika war immer da gewesen, wenn Doris sie brauchte, Doris war da, wenn Monika sie brauchte, und sie brauchten sich oft. Monika war Doris' Trauzeugin und Doris war Monikas. Doris ist die Patentante von Monikas Tochter und Monika die von Doris' Tochter. Mit zweitem Namen hat Doris ihre Tochter Monika genannt.

Sie haben gemeinsam Feste gefeiert, vor Lachen geweint und vor Glück und aus Verzweiflung auch. Als Doris' Bruder bei einem Autounfall ums Leben kam, war es Monika, die sie tröstete. Als es gut lief mit ihren Geschäften, haben sie angestoßen, als es schlecht lief auch.

"Es ist nichts Aktuelles"

Sie waren gemeinsam jung in den Achtzigern, freuten sich gemeinsam über die Wende, bekamen beide Töchter. Mehr als drei Jahrzehnte lang verliefen ihre Leben in parallelen Bahnen, kreisten um dieselben Themen. Die eine war ohne die andere nicht denkbar. Und nicht ohne deren Mann, deren Kinder, deren Eltern, deren Freunde. Doris glaubte, ihre Freundin zu kennen. Am 11. Oktober 2010 aber wurde Monika zu einer Fremden. Inzwischen ist sie eine Unbekannte.

Doris war an jenem Montag auf dem Weg ins Büro, als ihr klar wurde, dass Monika nicht nur nicht sprach, sondern schwieg. Dass es kein Zufall war, dass sie die Freundin seit deren Silberhochzeit nicht erreichen konnte, dass sie auf keine Nachricht geantwortet hatte, nicht einmal am Wochenende.

Am Abend des Festes war noch alles in Ordnung gewesen, sofern es im Rückblick überhaupt so etwas wie Ordnung geben kann, nun, da alles anders ist. Monika feierte mit Freunden, Doris konnte nicht dabei sein, sie lag im Krankenhaus, aber sie telefonierten, es war nett, vertraut, so wie immer. Es war das Letzte, was Doris von der Freundin hörte.

Dutzende Male wählte sie Monikas Nummern, erst aus Gewohnheit, dann aus Sorge, manches Mal aus Wut. Festnetz, Handy, Festnetz, nichts. Panik, Hilflosigkeit, Ohnmacht. Irgendwann probierte sie es mit unterdrückter Nummer.

"Na, hast du es geschafft?" war das erste, was Monika sagte.

Kein Wort zu den vielen SMS. Kein Wort zu den Nachrichten auf dem Anrufbeantworter. Kein Wort dazu, was vorgefallen war seit dem Telefonat am Abend ihrer Silberhochzeit. "Warum rufst du mich nicht zurück?" - "Darüber möchte ich jetzt nicht reden", sagte die Freundin, die 34 Jahre lang über alles geredet hatte. "Es ist nichts Aktuelles."

Doris spulte in ihrem Kopf 34 Jahre vor und zurück, auf einmal war alles von Bedeutung. Sie suchte in ihrer Erinnerung nach unüberlegten Halbsätzen, falsch verstandenen Scherzen, zu ernst genommenen Diskussionen, nie aufgeklärten Missverständnissen, verborgenen Vorwürfen, überhörten Signalen. Sie fand nichts.

"Ich wurde das Problem nicht los"

Sie besuchte Monikas Mann während einer Messe, bat um eine Erklärung, bekam keine. Sie kontaktierte Monikas' Tochter bei Facebook, hoffte auf einen Hinweis, erhielt ihn nie. Doris, Geschäftsfrau, Mutter, Freundin, 54 Jahre alt, machte sich immer kleiner auf der Suche nach einer Antwort. Sie bettelte, sie flehte.

Schweigen ist Macht, und Schweigen ist auch Kommunikation. Wer den Kontakt plötzlich abbricht, bleibt beim anderen erst recht präsent. Ohne Erklärung war Doris dazu verdammt, um Monika zu kreisen. Zu rätseln, zu mutmaßen, zu hoffen. Dass Monika die Anruferin mit unterdrückter Nummer ist. Dass sie sich unverhofft meldet, am Geburtstag vielleicht, oder an Weihnachten. Dass sie irgendwann plötzlich vor der Tür steht.

"Ich habe all meine Kraft gebraucht, um das Thema im Alltag runterzudrücken", sagt Doris. Sobald sie zur Ruhe kam, wurde Monika größer in ihrem Kopf. "Ich wurde das Problem nicht los." Monika hatte die Kontrolle übernommen, obwohl sie gar nicht da war.

Doris kam mit der Freundin die Zuversicht abhanden, die Fröhlichkeit. "Ich hatte Angst, daran zu zerbrechen", sagt sie. "Ich war nicht mehr ich selbst."

Den Tod ihres Bruders hatte sie irgendwann verwunden, obwohl ihre Beziehung sehr eng war. Obwohl der Unfall so plötzlich kam und so sinnlos erschien, "totgefahren auf der Autobahn". Er und sie, sie hatten eine gemeinsame Realität, auch im Tod. "Was Monika mir antut, ist schlimmer als das." Monikas Schweigen machte es ihr unmöglich, Abschied zu nehmen.

Vier Monate nach Beginn der Funkstille setzte Doris sich im Februar 2011 an den Computer und schrieb einen Brief an Monika. "Wenn man mich fragen würde, wer die wichtigsten Menschen in meinem Leben sind, dann würde ich Deinen Namen in einem Atemzug mit Laura nennen." Laura ist ihre Tochter.

Doris schämte sich. Das Schweigen der Freundin wurde zu ihrem Makel. Sie fand ihre eigene Geschichte unglaubwürdig. Sie traute sich nicht, darüber zu sprechen. Es dauerte mehr als ein Jahr, bis sie verstand: Der Abschied von Monika ist für immer. Sie lebt, wohnt in ihrem Haus, wenige Kilometer entfernt. Für Doris aber ist sie unerreichbar.

"Ich habe damit abgeschlossen", den Satz sagt Doris inzwischen oft. So, als müsse sie sich die Trennung selbst glaubhaft machen. Wenn Monika morgen vor der Tür stehen würde, sie würde sie abweisen. Ihre einzige Möglichkeit, mit der Situation umzugehen, ist selber den Kontakt abzubrechen. Auch zu handeln, statt nur zu warten.

"Ich trage eine Kette um den Hals mit einem kleinen Herzen dran. So bist Du trotzdem bei mir, auch wenn Du es nicht willst", schrieb Doris im Februar 2011 in ihrem Brief. Monika hatte ihr die Kette geschenkt. 15 Jahre lang hatte sie sie getragen, vor vier Wochen hat Doris sie abgenommen.

Sie liegt jetzt zusammen mit anderen Geschenken der Freundin im Schrank. Von 34 Jahren ist ein Kästchen geblieben, halb so groß wie ein Schuhkarton.

* Name der Freundin von der Redaktion geändert.


Über Doris' Geschichte hat Tina Soliman eine TV-Dokumentation gedreht. Sie ist zu sehen in der Reihe "37 Grad": Abgetaucht - Wenn Menschen den Kontakt abbrechen, Dienstag, 22.15 Uhr, ZDF