Bandscheibenvorfall statistiken berichte wer ist betroffen handwerker

1 Aus dem Institut und der Poliklinik für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Sozialhygiene der Universität zu Köln Direktor: Privatdozent Dr. med. T. C. Erren M.P.H. Analyse von Wirbelsäulenbelastungen am Arbeitsplatz: Aufbau und Evaluierung eines Messverfahrens zur Ermittlung tätigkeitsbezogener Haltungs- und Bewegungsprofile Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Würde eines doctor rerum medicinalium der Hohen Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln vorgelegt von Max Wunderlich aus Hannover Promoviert am 30. September 2009

2 2 Dekan: Universitätsprofessor Dr. med. J. Klosterkötter 1. Berichterstatter: Universitätsprofessor Dr. med. C. Piekarski 2. Berichterstatter: Universitätsprofessor Dr. med. Dr. Sportwiss. D. Leyk Erklärung Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Dissertationsschrift ohne unzulässige Hilfe Dritter und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe; die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht. Bei der Auswahl und Auswertung des Materials sowie bei der Herstellung des Manuskriptes habe ich keine Unterstützungsleistungen erhalten. Weitere Personen waren an der geistigen Herstellung der vorliegenden Arbeit nicht beteiligt. Insbesondere habe ich nicht die Hilfe einer Promotionsberaterin/ eines Promotionsberaters in Anspruch genommen. Dritte haben von mir weder unmittelbar noch mittelbar geldwerte Leistungen für Arbeiten erhalten, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertation stehen. Die Dissertationsschrift wurde von mir bisher weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt. Köln,

3 3 Die dieser Dissertation zugrunde liegenden Arbeiten (Konzeption, methodische Entwicklung, Datenaufzeichnung und Datenauswertung) sind von mir selbst durchgeführt worden.

4 4 Danksagung Mein besonderer Dank gilt meinen Doktorvätern Herrn Universitätsprofessor Dr. med. Dr. Sportwiss. D. Leyk und Herrn Universitätsprofessor. Dr. med. C. Piekarski für die Überlassung des Dissertationsthemas, die Freiheit zur eigenen Gestaltung der Arbeit sowie die immerwährende Bereitschaft zur Diskussion. Des Weiteren gilt mein Dank Herrn Dr. Sportwiss. T. Rüther für die begleitende Diskussion. Ebenso möchte ich meiner Frau Julia Wunderlich für die abschließende Durchsicht der Arbeit ganz herzlich danken.

5 Inhaltsverzeichnis 5 Inhaltsverzeichnis INHALTSVERZEICHNIS... 5 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS EINLEITUNG RÜCKENSCHMERZEN INDIVIDUELLE EINSCHRÄNKUNGEN UND KOSTENFAKTOR WESTLICHER INDUSTRIEGESELLSCHAFTEN Risikofaktoren von Rückenschmerzen Prävalenz von Rückenbeschwerden in unterschiedlichen Berufsgruppen WIRBELSÄULENBELASTUNG AM ARBEITSPLATZ EINE HERAUSFORDERUNG FÜR DIE ARBEITSMEDIZIN Rechtlichte Pflichten des Arbeitgebers und Aufgaben arbeitsmedizinischer Dienste Bestehende Verfahren zur Quantifizierung von Wirbelsäulenbelastungen AUSWAHL EINES ANALYSEVERFAHRENS ZIELSETZUNG UND METHODISCHER ANSATZ MESSGERÄTE UND VERFAHREN HARD- UND SOFTWARETECHNISCHE ENTWICKLUNGEN AUFBAU EINES NEUARTIGEN BIOMECHANISCHEN MESSVERFAHRENS Der sonosens Monitor Integration eines eindimensionalen Lagesensors Die Software JSpinal DATENVERARBEITUNG UND DATENAUSWERTUNG STUDIE 1 EVALUIERUNGSSTUDIE EINLEITUNG METHODIK Untersuchungsablauf Datenverarbeitung und Statistik ERGEBNISSE Finger-Boden-Abstand Bauchlage und Stehen Test 70 -Flexion DISKUSSION STUDIE 2 ERMITTLUNG VON BELASTUNGSPROFILEN BEI BÜRO- UND BAUHANDWERKLICHEN TÄTIGKEITEN EINLEITUNG METHODIK Fragebogen zum aktuellen Arbeitstag Untersuchungsablauf Datenverarbeitung und Datenauswertung... 66

6 Inhaltsverzeichnis ERGEBNISSE Sitzende Tätigkeit Büroarbeit Bauhandwerk (I) Maurertätigkeit Bauhandwerk (II) Stahlbetonbautätigkeit ERGEBNISDISKUSSION UND BEWERTUNGSSCHEMA Sitzende Tätigkeit Bürotätigkeit Bauhandwerk (I) Maurertätigkeit Bauhandwerk (II) Stahlbetonbautätigkeit STUDIE 3 EINFLUSS EINER VERÄNDERTEN ARBEITSPOSITION AM BEISPIEL ZAHNMEDIZINISCHER BEHANDLUNGSTÄTIGKEITEN EINLEITUNG METHODIK Untersuchungsablauf Datenverarbeitung und Datenauswertung ERGEBNISSE ERGEBNISDISKUSSION GESAMTDISKUSSION METHODENKRITIK QUANTIFIZIERUNG UND BEWERTUNG VON WIRBELSÄULENBELASTUNGEN AM ARBEITSPLATZ FAZIT UND AUSBLICK ZUSAMMENFASSUNG LITERATURVERZEICHNIS ANHANG A: FRAGEBOGEN ANHANG B: TABELLEN U. ABBILDUNGEN KAPITEL ANHANG C: TABELLEN U. ABBILDUNGEN KAPITEL LEBENSLAUF

7 Abkürzungsverzeichnis 7 Abkürzungsverzeichnis Abkürzung ArbSchG ArbStättV ASiG AU BildScharbV BK BKK BMAS BWS DIN EN FLI HLI HWS ICC ICD ISO LasthandhabV LMM LWS MANOVA max. Mbit Bedeutung Arbeitsschutzgesetz Arbeitsstättenverordnung Arbeitssicherheitsgesetz Arbeitsunfähig Bildschirmarbeitsverordnung Berufskrankheit Betriebskrankenkasse Bundesministerium für Arbeit und Soziales Brustwirbelsäule Deutsches Institut für Normung/ Europäische Norm Frontaler-Längen-Index Horizontaler-Längen-Index Halswirbelsäule Korrelationskoeffizient in Klassen International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems International Organization of Standardization Lastenhandhabungsverordnung Leitmerkmal-Methode Lendenwirbelsäule Mehrfaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung Maximal Megabit

8 Abkürzungsverzeichnis 8 MW p bzw. p-wert R SE SD SLI VDI X Mittelwert Irrtumswahrscheinlichkeit Korrelationskoeffizient Standardfehler Standardabweichung Sagittaler-Längen-Index Verein Deutscher Ingenieure Arithmetischer Mittelwert

9 1. Einleitung 9 1. Einleitung Erkrankungen des Muskel-Skelettsystems und des Bindegewebes, zu denen auch Rückenschmerzen zählen, sind in Deutschland (26,5 %) und anderen westlichen Industrienationen seit Jahren die häufigste Ursache für krankheitsbedingte Fehlzeiten [18]. Allein auf das Beschwerdebild Rückenschmerzen lassen sich etwa 20 % aller Arbeitsunfähigkeitstage in Deutschland zurückführen [20, 153]. Wirbelsäulenbeschwerden sind somit die häufigste Ursache krankheitsbedingter Arbeitsausfallzeiten. Die enormen Folgekosten von bis zu 30 Mrd. [148] resultieren nicht nur aus der genannten Beschwerdeprävalenz. Rückenschmerzen sind zudem mit langen Ausfallzeiten und einer hohen Rezidivrate verbunden [153]. Neben den genannten erheblichen sozioökonomischen Folgen sehen sich die Betroffenen mit teilweise berufsgefährdenen Einschränkungen konfrontiert. Arbeitsbedingte Muskel-Skeletterkrankungen, insbesondere sonstige Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens (ICD-10: M50-M54, [46]), werden überwiegend mit körperlich belastenden Berufstätigkeiten in Verbindung gebracht. Somit verwundert es nicht, dass Erkrankungsschwerpunkte im verarbeitenden Gewerbe sowie in den Dienstleistungsbranchen zu finden sind [18]. Bei Betrachtung der maßgeblich betroffenen Berufsgruppen fällt jedoch auf, dass nicht nur Tätigkeiten mit körperlicher Schwerarbeit (u. a. Lastenhandhabung) hohe Erkrankungsraten aufweisen, sondern auch Berufe, die mit monotonen bzw. ungünstigen Körperhaltungen in Verbindung gebracht werden (Abb. 1-1, s. S. 19). Niedrige Prävalenzen ergeben sich hingegen in Berufsfeldern mit weniger ausgeprägten körperlichen Anforderungen, geringer Arbeitskontrolle, freier Arbeitsgestaltung und hoch qualifizierten Beschäftigten [68, 149]. Seit den 1990er Jahren sind, nicht zuletzt durch zahlreiche Gesetzgebungen (s ), die Bemühungen intensiviert worden, berufsbedingte Erkrankungen und Schädigungen durch körperliche Überlastung am Arbeitsplatz zu vermeiden. Voraussetzung für die Dokumentation einer arbeitsplatzbezogenen Leistungsanforderung sind stets verlässliche und effiziente Messverfahren, die eine begründete und nachvollziehbare dokumentierte Belastungsbeurteilung einerseits sowie die Quantifizierung individueller Leistungsvoraussetzung anderseits sicherstellen.

10 1. Einleitung 10 Allerdings fehlen trotz der weitreichenden individuellen und sozioökonomischen Folgen arbeitsplatzbezogener Rückenbeschwerden bislang Messverfahren, die an Arbeitsplätzen mit unterschiedlichen Anforderungen valide Parameter zur Belastungsbeurteilung erheben. Dies hat letztlich zur Folge, dass in Anlehnung an bestehende Belastungs-Beanspruchungs-Konzepte der Arbeitsmedizin und Ergonomie [106, 141, 145] weder die Belastung durch entsprechende Tätigkeiten ausreichend quantifiziert noch begründete Maßnahmen zur Belastungsreduzierung empfohlen werden können. 1.1 Rückenschmerzen individuelle Einschränkungen und Kostenfaktor westlicher Industriegesellschaften Im Folgenden sollen einige Aspekte zum Thema Rückenschmerzen besprochen werden, die sowohl die Besonderheiten des Beschwerdebildes charakterisieren als auch die Notwendigkeiten einer spezifischen Belastungsbewertung unterstreichen. Die älteste bekannte schriftliche Überlieferung, die mit dem heutigen Begriff Rückenschmerzen assoziiert wird, ist das Edwin Smith Papyrus (ca v. Chr. [25]). Allerdings können diesem historischen Dokument, neben einer Symptombeschreibung von provozierbaren Schmerzen im Bereich des Rückens, keine Informationen über die medizinischen Kenntnisse und Therapiemethoden der alten Ägypter entnommen werden. Es vergingen ca Jahre bis ein mit unserem heutigen Verständnis vergleichbarer Zusammenhang für Rückenschmerzen veröffentlicht wurde. Ein schottischer Arzt publizierte 1828 den Artikel spinal irritation, in dem er über die Strukturen der Wirbelsäule und das Nervensystem als Auslöser von Rückenschmerzen berichtete [177]. Wenngleich die umfangreichen Fortschritte der modernen Medizin in vielen Bereichen belegt sind, muss jedoch für das Symptom Rückenschmerzen eine ernüchternde Bilanz gezogen werden: In der überwiegenden Anzahl der Beschwerdefälle kann keine eindeutige Diagnose gestellt werden [71, 151]. In Folge dessen verringern sich die Möglichkeiten begründbare Maßnahmen zielgerichtet umzusetzen (medizinische Therapie, Arbeitsplatzgestaltung, Verhaltensmodifikationen etc.). Mit den verfügbaren Diagnosemethoden gelingt es nur in etwa 10 % bis 15 % aller Beschwerdefälle (direkte Rückenschmerzen) eine ursächliche Pathologie zu ermitteln [43, 56]. Überwiegend fehlt ein den

11 1. Einleitung 11 Symptomen entsprechendes pathophysiologisches Korrelat (indirekte Rückenschmerzen). Bekannt ist jedoch, dass die Schmerzausbreitung durch mechanische und/oder chemische Irritationen von primären Nervenendigungen hervorgerufen wird [71]. Entgegen des rasanten medizinischen Fortschritts stieg die Rückenschmerzprävalenz seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts deutlich an [151, 177]. Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich die Rückenschmerzhäufigkeit auf konstantem Niveau konsolidiert. In diesem Zusammenhang werden für zahlreiche Berufsgruppen u. a. die Veränderungen der Tätigkeitsanforderungen als Faktoren (s ) diskutiert [38, 53, 108]. Während technologische Neuerungen u. a. im Hinblick auf Lastenhandhabung zur Erleichterung zahlreicher Arbeitsabläufe führten, wurden vielfältige Arbeits- und Fertigungsprozesse standardisiert. Infolge dessen entstanden bezogen auf die Körperhaltung und Bewegung monotone und häufig auch körperlich einseitig fordernde Tätigkeiten, bei denen sich Prozessabläufe in kurzen Abständen wiederholen (Repetivität). Auf Seiten der Beschäftigten konnte zusätzlich seit den 1970er Jahren eine kontinuierliche Zunahme frühzeitig leistungsgewandelter und übergewichtiger Personen dokumentiert werden [76, 103, 165]. Des Weiteren kann nicht ausgeschlossen werden, dass es durch die zunehmende soziale Absicherung von Arbeitsunfähigkeitstagen (AU-Tagen) zu einem Anstieg der rückenschmerzassoziierten Krankheitsstatistik kam. Zur sogenannten Volkskrankheit Nr. 1 wurden Rückenschmerzen einerseits durch die weite Verbreitung in der Bevölkerung. Anderseits führen rückenschmerzbezogene AU-Tage zu erheblichen finanziellen Belastungen im Wirtschafts- und Sozialsystem. Neben starken gesundheitlichen Einschränkungen des Einzelnen mit möglichen Folgen für die Arbeitsfähigkeit und Lebensqualität, entstehen in den Gesundheits- und Sozialsystemen sowie auf Seiten der Wirtschaftsunternehmen hohe direkte und indirekte Kosten. Direkte Kosten beziffern Aufwendungen, die für die unmittelbare medizinische Versorgung einer Krankheit aufgebracht werden müssen. Indirekte Kosten werden für Zahlungen veranschlagt, die durch längere Krankheitsphasen (> 42 AU-Tage) oder Frühberentungen aus den sozialen Sicherungssystemen transferiert werden. Aktuelle Schätzungen gehen für Deutschland von einer jährlichen Belastung von 25 bis 35 Milliarden Euro aus [43, 148, 149]. Der zusätzliche

12 1. Einleitung 12 volkswirtschaftliche Schaden, verursacht durch Fehlzeiten der Mitarbeiter in den Unternehmen, wird in verlorenen Arbeitsjahren oder auch in Produktivitäts- bzw. Arbeitskraftverlusten quantifiziert. Angaben für Deutschland beziffern den Arbeitskraftverlust auf etwa 4 % (ca. 1,6 Mio. verlorene Arbeitsjahre bei 40 Mio. Beschäftigten) innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten [63, 161]. Diese finanziellen Auswirkungen, die insbesondere aus den unspezifischen Rückenschmerzen resultieren, ergeben sich sowohl durch die weite Verbreitung in der Bevölkerung als auch durch das erhebliche Chronifizierungspotenzial: 60 % bis 80 % der Bevölkerung sind im Laufe des Lebens, wenn auch nur zeitweise, von Rückenschmerzen betroffen (sog. Lebenszeitprävalenz) [65, 132]. Wenngleich ca. 60 % der Leittragenden medizinische Leistungen in Anspruch nehmen [98], verursachen die 10 % bis 15 % der chronisch Betroffenen rund 80 % der Gesamtkosten [125, 151]. Präventive Ansätze zielen drauf ab, die Fallzahl chronisch betroffener Rückenschmerzpatienten zu reduzieren, und die möglichst frühzeitige Rückkehr an den Arbeitsplatz zu ermöglichen. Da häufig auch arbeitsplatzbezogene bzw. tätigkeitsspezifische Faktoren an der Ätiologie von Rückenschmerzen beteiligt zu seien scheinen oder zu Rezidiven führen können [153], gilt es Risiko- und Belastungsprofile von Arbeitsplätzen bzw. einzelnen Tätigkeiten zu quantifizieren, um gezielt und effizient erkenntnisbasierte Maßnahmen ergreifen zu können.

13 1. Einleitung Risikofaktoren von Rückenschmerzen In den vergangenen 20 Jahren ist die jährliche Anzahl wissenschaftlicher Beiträge zur Ursache, Prävalenz und Behandlung von Rückenschmerzen deutlich angestiegen. Trotz einer nahezu unüberschaubaren Vielzahl an fachlichen Aufsätzen und Monographien, ist das komplexe Beziehungsgefüge ursächlicher Faktoren von unspezifischen Rückenschmerzen weiterhin unklar [120, 151]. Die Vielschichtigkeit arbeitsplatzbezogener Rückenbeschwerden ist auch an der berufsgruppenübergreifenden Verbreitung zu erkennen: Ob die körperliche Belastung im Beruf hoch (z. B. Handwerk, Krankenpflege und Logistik) oder niedrig (z. B. Büro- und Fahrtätigkeiten) ist, scheint auf die AU-Tage durch Rückenschmerzen kaum Einfluss zu haben ([67], s. a ). Solange keine valide Erhebung und Bewertung von potenziellen arbeitsplatzbezogenen Risikofaktoren für Rückenschmerzen erfolgt, können keine gezielten Interventionen durchgeführt werden. Dies gilt für Prävention und Rehabilitation genauso wie für Maßnahmen der Ergonomie. Derzeit werden sowohl biomechanische als auch psychosoziale Faktoren besonders häufig mit Rückenschmerzereignissen am Arbeitsplatz in Zusammenhang gebracht [82, 83, 102]. Individuelle Kenngrößen, wie beispielsweise Alter und Geschlecht, werden ebenfalls diskutiert. Trotz teilweise widersprüchlicher Studienbefunde, gelten die folgenden Faktoren derzeit als Risikoattribute für arbeitsplatzbezogene Rückenschmerzen: Biomechanische Faktoren (1) Psychosoziale Faktoren (2) Individuelle Faktoren (3)

14 1. Einleitung 14 Ad 1) Biomechanische Faktoren Die Risikozuschreibungen zu den nachfolgend aufgezählten biomechanischen Faktoren beruhen auf der Annahme, dass eine Verletzung des Halte- und Bewegungsapparates an bzw. im Bereich der Wirbelsäule auftritt. Darüber hinaus können unabhängig von Verletzungen, je nach Dauer und Intensität der Einwirkung exogener biomechanischer Faktoren, langfristig Überlastungssymptome der passiven und/oder aktiven Strukturen des Halte- und Bewegungsapparates resultieren [30, 177]. In beiden Fällen können Rückenschmerzen ein Symptom sein, dessen Ursache in bildgebenden Diagnoseverfahren (Computertomographie CT, Magnetresonanztomographie MRT) nur selten zu sehen sind. Im Einzelnen werden die folgenden biomechanischen Faktoren benannt: - gebeugte und verdrehte Oberkörperhaltungen unterschiedlicher Ausprägungen - Hantieren mit hohen Lastgewichten - monotone bzw. statische Oberkörperhaltungen (auch Zwangshaltungen) - dynamische, repetitive Oberkörperaktionen - Ganzkörpervibrationen Dabei scheint die Oberkörperhaltung von herausragender Bedeutung zu sein: Das häufige Einnehmen von vorgeneigten (Flexion), verdrehten (Rotation) und seitgeneigten (Lateralflexion) Arbeitspositionen und deren Kombination, bedingen eine verstärkte Kompression der intervertebralen Bandscheiben [55, 37]. Dies führt zur Nährstoffmangelversorgung und letztlich zur Degeneration des Bandscheibengewebes. Häufigkeit, Dauer und Amplitude der Wirbelsäulenbewegungen sowie der Ausprägung der Oberkörperhaltungen (Flexion, Rotation und Lateralflexion) haben maßgeblichen Einfluss auf das Ausmaß der Bandscheibenkompression [31, 71]. Darüber hinaus können derartige Belastungen des Bandscheibengewebes zu Einrissen des Faserings (Anulus fibrosus) führen, und in der Folge ebenfalls degenerative Prozesse beschleunigen. Als zusätzlicher einzelner bzw. kumulativ wirkender Belastungsfaktor wird neben den genannten Körperhaltungen das Hantieren mit Lastgewichten angegeben [73, 107, 116, 167]. Neben einer möglichen Schädigung der passiven Wirbelsäulenelemente, ist auch die wirbelsäulennahe Muskulatur zu beachten. Beanspruchungsreaktionen in diesen aktiven Strukturen können zu weitaus schnelleren Reaktionspro-

15 1. Einleitung 15 zessen führen. Insbesondere die isometrische Muskelarbeit kann bei monotonen Körperhaltungen und Zwangshaltungen schnell zur Ermüdung mit lokaler Schmerzsymptomatik führen, ohne tatsächlich eine strukturelle Schädigung hervorgerufen zu haben [51, 12]. Einseitige Körperhaltungen bzw. Dauerzwangshaltungen werden darüber hinaus auch als Ursache des myofaszialen Schmerzsyndroms diskutiert [185]. Eine Vielzahl chronischer Rückenbeschwerden werden auf dieses Krankheitsbild zurückgeführt [111, 155, 186]. Des Weiteren wird in zahlreichen Studien auch die wiederholte, hoch frequente und ggf. groß amplitudige Oberkörperaktivität als Belastungskenngröße betrachtet [44, 45, 55, 66, 154]. Lokale Überlastungen der passiven und aktiven Wirbelsäulenstrukturen gelten als eine mögliche Folge repetitiver Arbeitsaktionen. Diese werden überwiegend mit kurzzeitigen Belastungsspitzen (Kraftaufwendung, Extrembewegungen etc.) assoziiert [104]. Mit Blick auf eine kumulative Belastungseinwirkung ist auch die Entstehung von Mikrotraumata durch wiederholte Belastungsereignisse (dynamische, repetitive Arbeitsaktionen) als Ursache von Wirbelsäulenbeschwerden möglich [14, 50, 114]. Ganzkörpervibrationen sind insbesondere in Berufsgruppen mit sitzender Arbeitsposition (Kraftfahrer und Hubschrauberpiloten) als Risikofaktor bekannt. Schwingungsfrequenzen von 4 bis 8 Hz, welche der Resonanzfrequenz der Wirbelsäule entsprechen [84, 170], sind bei häufiger und lang andauernder Exposition mitverantwortlich für die Degenerationen von Wirbelsäulenstrukturen, und können das Auftreten einer Bandscheibenprotrusion bzw. -prolaps begünstigen [22, 28]. Berufsgruppen, die häufig Ganzkörpervibrationen ausgesetzt sind, können einen nachweislich erlittenen Schaden als Berufskrankheit (BK 2110) anerkennen lassen [31, 67]. Eine aufrecht sitzende Körperposition allein wird in der Regel jedoch ohne zusätzlichen Belastungsfaktor, wie z. B. der Ganzkörpervibration, nicht als Risikofaktor für Rückenschmerzen betrachtet [75, 119].

16 1. Einleitung 16 Ad 2) Psychosoziale Faktoren Wenngleich zahlreiche psychosoziale Faktoren in der Literatur diskutiert werden, sind deren Bedeutung und Einfluss auf die Pathogenese von Rückenschmerzen umstritten [107, 134, 167]. Zu den am häufigsten kontrovers besprochenen Kenngrößen gehören: - geringe Qualifikation/Überforderung - geringe Arbeitsplatzzufriedenheit - geringe Unterstützung durch Vorgesetzte - monotone Arbeitsabläufe - u. a. Anknüpfungspunkt für die variierende Gewichtung dieser Faktoren ist die unterschiedliche Interpretation der Studienresultate: Umfangreiche Stichproben weisen in Bezug auf die zuvor genannten arbeitsplatzbezogenen Faktoren häufig statistisch signifikante Effekte auf. Allerdings belegen multivariate Datenanalysen ein überwiegend geringes Erklärungspotenzial. Vorhandene Korrelationen psychosozialer Kenngrößen werden durch andere, stärkere Faktoren (biomechanische) überlagert [17]. Im Zusammenhang mit wiederholt auftretenden Rückenschmerzen ist der Einfluss vielfältiger psychologisch bedingter Stressoren belegt. Studienergebnisse deuten allerdings darauf hin, dass der ursprünglich biomechanisch bedingte Schmerz durch Konditionierungsprozesse auch aufgrund eines psychologisch getriggerten Stressereignisses provoziert werden kann [70].

17 1. Einleitung 17 Ad 3) Individuelle Faktoren Die sog. individuellen Faktoren wurden bislang weniger häufig untersucht. Die vorliegenden Studienergebnisse können meistens nur geringe Gruppenunterschiede innerhalb der Faktorenkategorie nachweisen [115, 134, 150]. Berücksichtigt werden hierbei insbesondere folgende Parameter: - Geschlecht - Alter - Rauchgewohnheiten - Körperbau - körperliche Leistungsfähigkeit - sozialer Status - u. a. Die Faktoren Geschlecht, Alter, Rauchgewohnheiten und Körperbau scheinen in Bezug auf Rückenschmerzhäufigkeiten von nachrangiger Bedeutung zu sein [64, 109, 140]. Vorhandene Korrelationen werden häufig im Rahmen multivariater Analysen durch biomechanische oder psychosoziale Faktoren überlagert [177]. Deutlich abgrenzen lässt sich jedoch der Faktor körperliche Leistungsfähigkeit. Wenngleich körperliche Leistungsfähigkeit mit unterschiedlichen Kriterien definiert wurde, belegen zahlreiche Studien, dass bei gleichen Tätigkeitsanforderungen eine geringere Rückenschmerzproblematik von körperlich leistungsfähigeren Personen vorliegt [79, 115, 118, 168, 176]. Ein weiterer Faktor, der in zahlreichen Studien mit verstärkter Rückenschmerzhäufigkeit assoziiert wurde, ist ein niedriger sozialer Status. Diese überwiegend durch das Bildungs- und Ausbildungsniveau sowie das Erwerbs- und Einkommensverhältnis definierte Einflussgröße wird vornehmlich mit einer hohen Prävalenz von Rückenschmerzen und daraus resultierenden AU-Tagen sowie einer erhöhten Erwerbsunfähigkeitsquote verbunden [68, 149]. Unklar ist jedoch, ob und welchen Einfluss hierbei im Einzelnen körperlich belastende Tätigkeiten, soziale Benachteiligungen und/oder besondere Lebensgewohnheiten haben [177]. Zusammenfassend konnten für biomechanische Belastungskenngrößen die deutlichsten Zusammenhänge mit arbeitsplatzbezogenen Rückenschmerzen ermittelt werden. Dennoch fehlen aufgrund methodisch limitierter Erhebungs-

18 1. Einleitung 18 möglichkeiten präzisere Angaben und Daten zur Ausprägung dieser Faktoren bei unterschiedlichen Tätigkeiten. Das Auftreten eines zukünftigen Rückenschmerzereignisses lässt sich derzeit am besten durch eine bereits erlebte Schmerzepisode prognostizieren [56, 77, 178] Prävalenz von Rückenbeschwerden in unterschiedlichen Berufsgruppen Zahlreiche arbeitsmedizinische Verfahren zur Bewertung der arbeitsplatzbezogenen Wirbelsäulenbelastung stellen die Lastenhandhabung in den Vordergrund ([20], s ). Da jedoch auch Arbeitsplätze mit geringer körperlicher Belastung zu hohen Arbeitsunfähigkeitsquoten durch Rückenschmerzen führen können, müssen weitere wichtige Einflussfaktoren existieren (s ). Aktuelle Zahlen zur berufsgruppenspezifischen AU-Häufigkeit können Abbildung 1-1 entnommen werden. Hierbei wird ersichtlich, in welchem Ausmaß die Arbeitsunfähigkeit durch Muskel-Skelett-Erkrankungen, die insbesondere auf Rückenbeschwerden zurückzuführen sind, in unterschiedlichen Berufsgruppen ausgeprägt ist. Darüber hinaus erfolgte eine Klassifizierung der Tätigkeiten nach den in der Literatur genannten Anforderungsmerkmalen Lastenhandhabung, ungünstige Körperhaltung und ohne Belastungsfaktoren [5, 33, 44, 66, 73, 87, 115].

19 1. Einleitung 19 Bundesdurchschnitt (3,2)!"! "# #$" $%& '( ') * + " +,#,# Abb. 1-1: Anzahl von AU-Tagen aufgrund von Muskel-Skelett-Erkrankungen je sozialversicherungspflichtig Beschäftigtem. Markierung der Tätigkeiten nach häufigen und bekannten, berufsspezifischen biomechanischen Faktoren für Wirbelsäulenbelastungen (Lasten = Lastenhandhabung, Körperhaltung = ungünstige Arbeitshaltung und ohne spezifische Belastungen). (nach BKK Gesundheitsreport 2006 [18]) Überdurchschnittlich häufige Arbeitsausfalltage finden sich insbesondere in Berufsfeldern mit Lastenhandhabungen und ungünstigen Körperhaltungen (Last u. Körperhaltung) [66, 73, 87, 115]. Des Weiteren sind zahlreiche Berufsgruppen von einer erhöhten, krankheitsbedingten Ausfallquote betroffen, obwohl die Lastenhandhabung kein grundlegender Bestandteil der Tätigkeit ist. Diese Tätigkeitsgebiete sind eher durch eine ungünstige arbeitsspezifische Körperhaltungscharakteristik geprägt [5, 33, 44]. Geringe Erkrankungshäufigkeiten am Bewegungsapparat finden sich hingegen insbesondere in Berufszweigen, in denen die besprochenen, dominierenden biomechanischen Belastungsfaktoren Lastenhandhabung und ungünstige Körperhaltung nicht oder nicht gehäuft vorzukommen scheinen.

20 1. Einleitung 20 Wenngleich die Zahlen der Krankheitsstatistik ein Hinweis für Gesundheitsgefahren einzelner Berufsgruppen oder Branchen sein können, so lassen sich aus ihnen keine verlässlichen Belastungsparameter ableiten oder Präventionsempfehlungen formulieren. 1.2 Wirbelsäulenbelastung am Arbeitsplatz eine Herausforderung für die Arbeitsmedizin Zentrale Aufgabe arbeitsmedizinischer Dienste ist, neben der kurzfristigen Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen, die Gesunderhaltung oder Verbesserung der gesundheitlichen Situation der Mitarbeiter in allen Belangen, die mit dem langfristigen Erhalt der Arbeitsfähigkeit zusammenhängen [139]. Seit den 1970er Jahren rückten zunehmend Beschwerden im Bereich des Bewegungsapparates und insbesondere der Wirbelsäule bzw. des Rückens in den Fokus der Arbeitsmedizin. Trotz unterschiedlichster Bemühungen gelang es in den darauf folgenden Jahren jedoch nicht, Methoden zu entwickeln, die zu verlässlichen, tätigkeitsbezogenen Belastungsparametern von Haltung und Bewegung der Wirbelsäule bzw. des Rückens führen [175]. Mit Einführung der Berufskrankheiten (BK) 2108, 2109 und 2110 und den erforderlichen Belastungsnachweisen (Dosis-Wirkungs-Beziehungen) im Anerkennungsverfahren hat die Bedeutung von Verfahren zur Erfassung der Wirbelsäulenbelastung zugenommen (s ). Auf Grundlage der Berufskrankheitsverordnung [31] kann beispielsweise ein über den altersentsprechenden Befund hinausgehender Bandscheibenschaden sowie ein mit dem Schaden korrelierendes Krankheitsbild als Berufskrankheit anerkannt werden. Sowohl durch bildgebende Verfahren als auch durch eine entsprechende Symptomanamnese wird die Anerkennung begründet. Allerdings erfolgt die Anerkennung nur in Berufsgruppen, für die ein erhöhtes Gefährdungspotenzial definiert wurde. Die Einstufung orientiert sich hierbei an biomechanischen Dosis-Wirkungs-Modellen, auf deren Grundlage die Wahrscheinlichkeit eines Bandscheibenschadens, ohne Berücksichtigung individueller konstitutioneller Voraussetzungen, kalkuliert wird [79]. Wenngleich die Anerkennung von Berufskrankheiten nicht originäre Aufgabe der betrieblichen Arbeitsmediziner ist, so kommen dennoch Messmethoden zur Belastungsquantifizierung zunehmend häufiger auch in ihrem Aufgabenbereich

21 1. Einleitung 21 zum Einsatz. Dies hat nicht zuletzt auch damit zu tun, dass seit Einführung des Arbeitsschutzgesetzes [62] in Deutschland Arbeitgeber explizit zur Vermeidung überlastungsbedingter Schädigungen ihrer Mitarbeiter verpflichtet sind (s ). Auch im Rahmen des Anerkennungsverfahrens zur BK 2108 fehlt es an geeigneten Methoden zur Beurteilung langjähriger Arbeitsplatzbelastungen. Die Anerkennung setzt voraus, dass Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung... vorliegen [31]. Zu den bekannten Schwierigkeiten einer eindeutigen medizinischen Diagnose von unspezifischen Rückenschmerzen kommt ein weiteres Problem. Derzeit kann auf kein messtechnisches Standardverfahren zurückgegriffen werden, das an nahezu jedem Arbeitsplatz eine valide Belastungsanalyse von wichtigen Faktoren, wie z. B. Oberkörperhaltungen und Wirbelsäulenbewegungen, ermöglicht Rechtlichte Pflichten des Arbeitgebers und Aufgaben arbeitsmedizinischer Dienste Die moderne Arbeitsmedizin versteht sich insbesondere als gesundheitlich präventiv orientierte Fachdisziplin zur Optimierung von Arbeitsplatzanforderungen und individuellen Leistungsvoraussetzungen. Spätestens seit Einführung des ArbSchG [62] gehört die Ermittlung von körperlichen Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz zu den gesetzlich verordneten Aufgaben der Arbeitgeber ( 3 u. 7 ArbSchG). In der Praxis erfolgt die Umsetzung durch eine Fachkraft für Arbeitssicherheit sowie durch arbeitsmedizinische Dienste. Die Aufgaben dieser Facheinrichtungen sind durch das Arbeitssicherheitsgesetz [61] definiert. In thematischer Ergänzung verpflichtet die Lastenhandhabungsverordnung (LasthandhabV, [173]) den Arbeitgeber und somit indirekt die Arbeitsmedizin zur Reduktion von Belastungsfaktoren durch Lasten sowie zur Vermeidung von individuellen Überforderungen. Diese Vorgaben setzten voraus, dass sowohl das Ausmaß der Arbeitsbelastung bekannt ist als auch die relevanten individuellen Leistungsprädiktoren bestimmt werden können. Dies ist nur durch geeignete Messmethoden objektivierbar, die nach möglichst hochwertigen wissenschaftlichen Gütekriterien belastungsrelevante Parameter einerseits und aus-

22 1. Einleitung 22 sagekräftige Anforderungskenngrößen andererseits individuell quantifizieren können. Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter sowie Fachkräfte der Unfallversicherungsträger und des staatlichen Arbeitsschutzes haben im Konsens zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen gemäß 5 ArbSchG und 2 LastenhandhabV das Belastungsbeurteilungsverfahren Leitmerkmalmethode (LMM) als Quantifizierungsmethode empfohlen [104]. Das Verfahren beruht auf subjektiven, katalogisierbaren Expertenbeobachtungen (sog. Papier-Bleistift-Methode) und gilt als langjähriges Standardverfahren in der deutschen Arbeitsmedizin [36]. Neben staatlichen Rechtsvorgaben (Gesetze, Verordnungen usw.) besteht auch auf Seiten der Unfallversicherungsträger ein besonderes Interesse an der Reduktion von gesundheitsgefährdenden Tätigkeiten. Daher gilt für die autonomen Vorschriften der Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften und Unfallkassen) eine parallele Verbindlichkeit im Arbeitschutz [128]. Durch Inkrafttreten der aktuellen Gesetzgebungen und Verordnungen sind die Arbeitgeber und damit letztlich die betrieblichen Fachkräfte u. a. dazu verpflichtet, den Schutz der Gesundheit aller Mitarbeiter zu gewährleisten bzw. Gefährdungen zu minimieren [127]. In Umsetzung der gemäß ArbSchG [62] auferlegten Pflichten sind 1.) die Quantifizierung der körperlichen Anforderungen der Arbeitsplätze und 2.) die Ermittlung der individuellen Leistungsvoraussetzungen obligat. Beides dient dem Ziel körperliche Überlastungsschäden zu vermeiden, und Arbeitsplatzoptimierungen auch unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes voranzutreiben und evaluieren zu können. Hinweise zur gesundheitsorientierten Arbeitsplatzgestaltung sind insbesondere der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV, [171]) sowie den vielfältigen Arbeitsstättenrichtlinien zu entnehmen. Detaillierte Angaben zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz liefert darüber hinaus die Bildschirmarbeitsverordnung (BildScharbV, [172]). Diese spezifiziert nicht nur die Maßnahmen zur Kontrolle des Sehvermögens sondern weist besonders auf die Gestaltung der Arbeitsplätze hin. Zielsetzung ist hierbei u. a. die Vorgabe einer optimalen Sitzhaltung zur Vermeidung von Einschränkungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates.

23 1. Einleitung Bestehende Verfahren zur Quantifizierung von Wirbelsäulenbelastungen Grundsätzlich lassen sich zwei unterschiedliche Verfahren zur Quantifizierung der Wirbelsäulenbelastung unterscheiden: 1) Messtechnische Verfahren: Die Datenerhebung erfolgt mithilfe von Sensoren am Probanden. 2) Beobachtungsverfahren und sog. Papier-Bleistift-Methoden: Die Datenerhebung erfolgt durch Beobachtung (Echtzeit, Video oder Foto) des Probanden sowie durch subjektive Expertenbeurteilungen. Da die Datenerhebung mittels Beobachtungsverfahren nur für eine Grobklassifizierung geeignet ist [88, 166], soll im Folgenden auf die messtechnischen Verfahren eingegangen werden. Messtechnische Verfahren ermitteln durch direkt am Probanden applizierte Sensoren (Goniometer, Inclinometer, Beschleunigungssensoren, Ultraschallsysteme, Hautmarker etc.) Daten zur Körperhaltung und Bewegung. Derzeit bieten diese Systeme die besten Möglichkeiten zur validen Belastungsanalyse. In-vivo-Messungen (Sensoren werden im Körper verankert) könnten zwar durch eine direkte Messwertaufnahme (z. B. in der Bandscheibe) noch präzisere Daten liefern, sind jedoch aus ethischen Gründen nicht zu rechtfertigenden. Des Weiteren sind neben einer messtechnischen Datenaufnahme weitere Faktoren für ein valides und praktikables System zu beachten: Sollen über isolierte, laborgebundene Fragestellungen hinaus Belastungsanalysen am Arbeitsplatz durchgeführt werden, ist neben einer mobilen Verfügbarkeit auch eine uneingeschränkte Bewegungsfreiheit und Bekleidung des Probanden zu gewährleisten [174]. Des Weiteren wäre es im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Analysen hilfreich, wenn ein System für möglichst vielfältige Anwendungsmöglichkeiten (stehende, sitzende oder dynamische Arbeitsplätze) verwendbar ist [5, 174]. In Ergänzung zu diesen Anforderungen bestehen auf Seiten der methodisch messtechnischen Voraussetzungen zwei weitere Hauptanforderungen, um spezifische Aussagen zur Oberkörperhaltung und Wirbelsäulenbewegung als zentrale biomechanische Kenngrößen der Wirbelsäulenbelastung treffen zu können [174]:

24 1. Einleitung 24 Das Messsystem sollte segmentbezogene Formveränderungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule sowie in den drei Körperebenen (Sagittal-, Frontal- und Horizontalebene) erfassen, und Das System sollte unabhängig von Wirbelsäulenbewegungen Lageveränderungen des gesamten Oberkörpers synchron aufnehmen. Tabelle 1-1 fasst eine Auswahl derzeit verfügbarer Systeme sowie deren Anwendungsgebiete zusammen. Tab. 1-1: Auflistung messtechnischer Analyseverfahren zur Quantifizierung von Parametern der Wirbelsäulenbelastung. Messsystem/ Anbieter VICON/Fa. Oxford Metrics Lumbar Motion Monitor (LMM) Messtechnik Optoelektronisch, 3D- Videometrie Elektrogniometrie Anwendung Labor Labor Fa. ZEBRIS Ultraschall Labor CUELA/BG Bau Elektrogoniometrie Feld Portabe Posture Regitration Set (PPRS) SonoSens Monitor/Fa. Friendly Sensors Neigungssensor, Potentiometer Ultraschall Feld Feld Umfang der Sensoren Marker auf der Haut, Proband nahezu unbekleidet umfangreiche Sensorik Sensoren müssen sichtbar sein umfangreiche Sensorik nicht für sitzende Tätigkeiten geeignet sehr kleine Sensoren, für nahezu jede Tätigkeit anwendbar Literatur 26, , , 59 Die am stärksten verbreiteten und kommerziell verfügbaren Messsysteme sind Laborverfahren. Neben einer räumlich gebundenen Geräteinstallation (stationär) ist es häufig erforderlich, dass die auf den Rücken applizierten Marker oder Sensoren während der Datenaufzeichnung sichtbar sind. Daher müssen die Probanden nicht nur in ungewohnter Umgebung, sondern in der Regel auch ohne adäquate Oberkörperbekleidung ihre Tätigkeit verrichten. Laborgebundene Messverfahren zeichnen sich häufig durch eine hohe Präzision aus, und ermöglichen durch ihre stationäre Lokalisation überwiegend die Betrachtung isolierter Fragestellungen.

25 1. Einleitung 25 Zur Durchführung von Felduntersuchungen (nicht laborgebundene Analysen) wurden bislang nur wenige experimentelle Messsysteme entwickelt (z. B. PPRS, CUELA und SonoSens Monitor). Mit Blick auf die genannten Anforderungskriterien Analyse segmentbezogener Wirbelsäulenbewegungen und sagittaler Oberkörperneigungen konnte derzeit kein feldtaugliches System ausfindig gemacht werden. Lediglich der ultraschallbasierte SonoSens Monitor erlaubt eine segmentbezogene Wirbelsäulenbewegungsanalyse. Neben den gerätetechnischen Spezifikationen ergibt sich im Bereich der softwarebezogenen Datenauswertung und Bewertungen ein weit gefächertes Sammelsurium unterschiedlichster Parameter. Am häufigsten zu finden sind Verfahren, die auf ein biomechanisch begründetes Bewertungsmodell abzielen, und insbesondere die Gesetze der Mechanik, der Hebelverhältnisse und/oder der Massenträgheit des menschlichen Körpers berücksichtigen [8, 12, 89, 106]. Zielsetzung dieser Verfahren ist es, die Kompressionsfestigkeit der Bandscheibe zwischen L5/S1 zu ermitteln [29, 72]: Hierbei werden die Gesetzmäßigkeiten der Mechanik den Strukturbelastungen der Wirbelsäule zugrunde gelegt, und aus dem Produkt von Last x Hebelarm das Moment im Zwischenwirbelbereich errechnet [92]. Mithilfe von vordefinierten Grenzwerten werden anschließend alters- und geschlechtsspezifische Belastungsschwerpunkte ermittelt. Die hieraus resultierenden Grenzwertdefinitionen, wie beispielsweise die Druckfestigkeit einer Bandscheibe (kn), wurden u. a. aus Analysen an isolierten LWS-Autopsiepräparaten abgeleitet [71, 79, 90]. Inwiefern die tatsächlichen Belastungen mit den experimentellen Untersuchungen korrelieren, ist derzeit weitgehend unbekannt. Individuelle Faktoren, wie z. B. die erheblich divergierende strukturelle Belastungstoleranz oder muskuläre Differenzen, bleiben hierbei von vornherein unbeachtet. Unklar bleibt auch, weshalb immer zahlreichere Verfahren auf Beschwerdefälle mit nachweisbaren strukturellen Schädigungen abzielen und damit lediglich eine Minderheit von 10 % bis 15 % aller Beschwerdefälle berücksichtigen. Darüber hinaus ist die Anwendung solcher Verfahren ohnehin nur an Arbeitsplätzen zielführend möglich, die mit Lastenhandhabungen einhergehen.

26 1. Einleitung Auswahl eines Analyseverfahrens Derzeit ist kein Messsystem erhältlich, das eine valide, messtechnische Analyse wesentlicher Haltungs- und Bewegungsmerkmale zur Bewertung tätigkeitsspezifischer Wirbelsäulenbelastungen ermöglicht. Daher zielte die Auswahl eines vorhandenen Analyseverfahrens zunächst auf ein weiterzuentwickelndes Basissystems ab. Hierbei war maßgeblich, dass das System die Erfassung von Haltungs- und Bewegungsmustern der Wirbelsäule zulässt [13, 38, 119]. Des Weiteren war mit Blick auf die heterogenen Anforderungen der Berufe eine nahezu ubiquitäre Anwendbarkeit der Methode erforderlich. Zielsetzung der Tätigkeitsanalysen war es, unterschiedliche Tätigkeiten und Belastungsmuster sowie Maßnahmen der Ergonomie durch gleiche Parametergrundlagen unmittelbar vergleichen bzw. evaluieren zu können. Die günstigsten Voraussetzungen für den erfolgreichen Aufbau eines solchen Messsystems liefert der ultraschallbasierte SonoSens Monitor (s ). Das Verfahren verfügt insbesondere im Zusammenhang mit der Analyse von Formveränderungen der Wirbelsäule über zahlreiche Referenzen in wissenschaftlichen Studien. Ursprünglich zielte die Entwicklung auf die Quantifizierung von Längenänderungen der Wirbelsäule unter Schwerelosigkeit (Weltraumforschung) bzw. körperlicher Inaktivität (Bettliegestudien) [10, 11] ab. Die Weiterentwicklungen der Fa. Friendly Sensors AG (Jena, Deutschland) ermöglichte zunehmend auch den Einsatz des Systems an Arbeitsplätzen mit intensiveren Bewegungsanforderungen (Kanalarbeiten) [59, 100]. Allerdings fehlt dem kommerziell vertriebenen System die erforderliche Möglichkeit zur Quantifizierung von Oberkörperneigungen, ohne die eine möglichst umfassende Beurteilung von Wirbelsäulenbelastungen nicht möglich ist. Neben diesem hardwarebezogenen Manko mangelt es auch an einer Auswertesoftware, die auf die biomechanischen Parameter Haltung (z. B. Dauer und Häufigkeit von Isometriephasen) und Bewegung (z. B. Amplitude und Häufigkeit) ausgerichtet ist [175].

27 1. Einleitung Zielsetzung und methodischer Ansatz Eine Vielzahl an Studien hat gezeigt, dass arbeitsplatzbezogene Wirbelsäulenbeschwerden häufig durch ungünstige Körperhaltungen (s ) begünstigt werden [37, 54, 181]. Dennoch fehlt es derzeit an messtechnischen Verfahren, die eine valide Quantifizierung und Bewertung solcher Faktoren ermöglichen. Sowohl aus medizinischer als auch aus sport- und bewegungswissenschaftlicher Sicht ist dies unverständlich, da einerseits davon ausgegangen wird, dass einseitige oder monotone Belastungen sowie zu hohe Anforderungen Schädigungen am Muskel-Skelett-System verursachen können [3, 7, 16, 104]. Andererseits ist jedoch ebenfalls bekannt, dass sowohl bei statischen wie auch dynamischen Tätigkeitsanforderungen in Abhängigkeit des Verhältnisses von Belastung und Pause physiologische Ermüdungserscheinungen auftreten [142, 143]. Zielsetzung ist es daher, unter Berücksichtigung bestehender Forschungsansätze, ein mobiles, neuartiges hard- und softwarebezogenes Messverfahren zu entwickeln (Kap. 2), zu evaluieren (Kap. 3), in exemplarischen Tätigkeitsanalysen praktisch zu erproben (Kap. 4 u. 5) und die messtechnisch erfassbaren Belastungskenngrößen vorzustellen (Kap. 4, 5 u. 6). Das methodische Vorgehen gliedert sich wie folgt auf (Details s. 2.): Vervollständigung der hardwaretechnischen Systemanforderungen Entwicklung von neuartigen Datenanalysen Evaluierung des Messverfahrens Durchführung exemplarischer Tätigkeitsanalysen an körperlich unterschiedlich anforderungsreichen Arbeitsplätzen Diskussion der ermittelten Ergebnisse

28 2. Messgeräte und Verfahren Messgeräte und Verfahren In diesem Kapitel werden die konzeptionellen, technischen und methodischen Entwicklungsarbeiten vorgestellt. Im Anschluss erfolgt eine Erläuterung der grundlegenden Arbeitsschritte der Datenverarbeitung sowie der angewendeten Statistik. Die studienspezifische Untersuchungsmethodik ist in den jeweiligen Kapiteln (3., 4., u. 5.) enthalten. 2.1 Hard- und softwaretechnische Entwicklungen Aufbau eines neuartigen biomechanischen Messverfahrens Das entwickelte Messverfahren setzt sich im Wesentlichen aus drei Systemkomponenten zusammen: Messverfahren zur Quantifizierung von Wirbelsäulenbewegungen bestehendes Verfahren der Firma Friendly Sensor AG, Jena (s Der sonssens Monitor) Messverfahren zur Quantifizierung von Oberkörperneigungen in der Sagittalebene anwendungsbezogene Neuentwicklung (s Der Neigungssensor) Zusammenführung und Analyse der Messdaten vollständige Neuentwicklung (s Die Software JSpinal) Der sonosens Monitor Mithilfe des sonosens Monitors (Friendly Sensors AG, Jena) werden auf Ultraschallbasis Längenänderungen definierter Wirbelsäulensegmente an der Hautoberfläche erfasst. Hierzu wird das Ultraschallsignal durch kreisförmige, Sensoren mit einem Durchmesser von 20 mm in das Gewebe übertragen. Die Sensoren werden paarweise auf Höhe definierter Wirbelsäulenabschnitte auf die Haut geklebt (Abb. 2-1). Zielsetzung der standardisierten Instrumentierung ist es, Haltungs- und Bewegungsprofile von Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule zu erhalten.

29 2. Messgeräte und Verfahren 29 7 cm oberhalb von C7 C3 TH1 TH12 L5 Abb. 2-1: Position der Ultraschallsensoren des sonosens Monitors. Die Sensoren werden links und rechts neben definierten Wirbelkörperdornfortsätzen auf die Haut geklebt. Die Pfeile deuten den Signalverlauf zwischen Sender- (Beginn der Linien) und Empfängersensor (Pfeilköpfe) an. C3 = Dornfortsatz des 3. Halswirbels, C7 = Dornfortsatz des 7. Halswirbels TH1 = Dornfortsatz des 1. Brustwirbels, TH12 = Dornfortsatz des 12. Brustwirbels L5 = Dornfortsatz des 5. Lendenwirbels Durch die konstante Ausbreitungsgeschwindigkeit (1500 m/s) des Ultraschalls im Gewebe kann die zurückgelegte Strecke anhand der zeitlichen Differenz zwischen dem Aussenden und dem Empfang des Signals auf 0,1 mm genau ermittelt werden (Abb. 2-2). Das gesendete Signal wird sowohl vom unteren Empfänger (blauer Pfeil) als auch vom diagonal gelegenen Sensor (roter Pfeil) registriert (Abb. 2-1). Sender Empfänger Haut s t o = 0 t 1 =? Abb. 2-2: Schematische Darstellung der Ultraschalldistanzmessung. Durch die gemessene Dauer des Signals vom Sender zum Empfänger kann die Distanz der Sensoren zueinander ermittelt werden. Die Anordnung der Sensoren sowie die Übertragung und Registrierung des Ultraschalls ermöglicht eine kontinuierliche, indirekte Quantifizierung von Wirbelsäulenlängenänderungen in der Sagittal-, Frontal- und Horizontalebene.

30 2. Messgeräte und Verfahren 30 Abbildung 2-3 zeigt die Anordnung der Messkanäle und den Signalverlauf innerhalb der Wirbelsäulensegmente. Wirbelsäulensegment: Messkanäle sonosens Monitor: HWS A B G H Sender/Empfänger BWS C D I J LWS E F K L Abb. 2-3: Schematische Darstellung der Ultraschall-Sender-/Empfängeranordnung sowie der vorhandenen Messkanäle je Wirbelsäulensegment. Körperhaltungen und Bewegungen in der Sagittal- und Frontalebene können anhand der Kanäle A bis F; und in der Horizontalebene anhand der Kanäle G bis L analysiert werden. Die Richtungen (Flexion, Extension, Seitneigung (links, rechts) und Rotation (links, rechts)) der Wirbelsäulen- und Oberkörperbewegungen werden mithilfe der entwickelten Software im Rahmen der anschließenden Datenanalyse automatisiert errechnet (2.1.4). Hierbei liefern die Ultraschallsensoren umfassende Daten zu Haltung und Bewegung im Hals- (HWS), Brust- (BWS) und Lendenwirbelsäulenbereich (LWS). Allerdings erfasst das System (sonosens Monitor) keine spezifischen Daten zur Lage des Oberkörpers in der Sagittalebene: In welcher Körperposition (z. B. Stehen oder Liegen) die Signalaufzeichnung erfolgte, ist dennoch nicht nachvollziehbar. Hierbei handelt es sich um ein Manko, das insbesondere die Datenbewertung erschwert und die Aussagekraft reduziert. Daher wurde im Rahmen der Methodenentwicklung ein zusätzlicher Messaufnehmer in das Analysesystem integriert (2.1.3). Abweichend zum Standardmodell wurde der Datenlogger des Messsystems in ein robusteres, spritzwassergeschütztes Gehäuse implementiert. Dieser 250 g

31 2. Messgeräte und Verfahren 31 schwere Datenlogger wurde bei allen Probanden mithilfe einer gepolsterten Tasche während der Aufzeichnungsphase am Gürtel befestigt. Das Anbringen der Sensoren erfolgte bei jedem Probanden in aufrecht stehender Körperhaltung und nach einheitlichem Schema: Ertasten, Auszählen und Markieren der Dornfortsätze C7, TH1, TH12 und L5 Markieren der Sensorpositionen mithilfe vorgefertigter Klarsichtschablonen, die an den markierten Dornfortsätzen ausgerichtet wurden Aufkleben der Sensoren an die zuvor markierten Positionen Alle Versuche wurden mit einer Aufzeichnungsfrequenz von 10 Hz durchgeführt. Die Distanzmessungen zwischen den Sensoren wurden als Millimeterangaben im Datenlogger gespeichert.

32 2. Messgeräte und Verfahren 32 Tab. 2-1: Technische Daten und Maßangaben des sonosens Monitors. Technische Daten: Abmessung (H x B x L): Gewicht (inkl. Akku und Sensoren) Sensoren Sensordurchmesser 3,2 x 8,0 x 11,5 cm 320 g 4 Paare B: 20 mm; H: 5 mm Anzahl der Messkanäle 12 Messfrequenz Ultraschallfrequenz Datenspeicher Datenübertragung zum PC Maximale Messdistanz Minimale Messdistanz Genauigkeit Maximale Messzeit 10 Hz 250 Hz 64 Mbit Infrarot 50 cm 3 cm 0,4 mm 60 Stunden Abb. 2-4: SonoSens Monitor (li) und Ultraschallsender-/Empfängerpaare.

33 2. Messgeräte und Verfahren Integration eines eindimensionalen Lagesensors Bislang fehlte die Möglichkeit parallel zur Aufzeichnung der segmentbezogenen (HWS, BWS u. LWS) Wirbelsäulenbewegungen die Lage des Oberkörpers messtechnisch zu quantifizieren. Insbesondere Vor- und Rückneigungen des Rumpfes können unabhängig von Positionsveränderungen der Wirbelkörper durch eine Beckenkippung bzw. -aufrichtung durchgeführt werden. Im Hinblick auf eine möglichst umfangreiche Belastungsquantifizierung sollte auf diese Informationen nicht verzichtet werden: Oberkörpervorneigungen führen im Bereich des lumbalen Wirbelsäulenabschnitts zu einer verstärkten Beanspruchung von Bandscheiben, Gelenkkapseln, Sehnen und Bändern sowie der Muskulatur [39, 71, 79, 89, 115]. Frühere Studien haben gezeigt, dass ein Lagesensor zur Ermittlung von Oberkörperneigungen idealerweise im Bereich der Dornfortsätze des 1. bzw. 2. Lendenwirbels positioniert werden sollte [41, 158]. In diesem Abschnitt der Wirbelsäule treten bei Bewegung des Rumpfes weniger starke Verschiebungen der Wirbelkörper auf, können Neigungsänderungen des Oberkörpers besonders gut abgebildet werden: Eine Vor- oder Rückneigung der LWS bedeutet immer auch eine richtungsgleiche Verlagerung des gesamten Rumpfes. Im Rahmen der methodischen Systemoptimierung erfolgte daher die Entwicklung eines zusätzlichen Messsystems zur Integration eines eindimensionalen Lagesensors in das bestehende Analyseverfahren (sonosens Monitor). Das entwickelte System basiert auf einem kapazitativ wirkenden Flüssigkeitssensor (NA4-70, Fa. Seika, Kempten). Dieser Sensor wurde zur stabilen Applikation am Probanden in ein Kunststoffgehäuse eingesetzt und mit einem Datenlogger (Pocket-PC AXIM X50V, Fa Dell, Frankfurt) verbunden. Mithilfe einer ebenfalls neu entwickelten Software erfolgte die Datenerfassung mit einer zum sonosens Monitor synchronen Aufzeichnungsrate von 10 Hz. Neben der Datenerfassung berechnete die Software aus den registrierten Spannungsänderungen (mv) des Lagesensors die entsprechenden Winkelgrade. Die Instrumentierung des Sensorgehäuses am Probanden erfolgte stets nach dem Aufkleben der Ultraschallsensoren. Mit Unterstützung einer Klarsichtschablone wird eine etwa 3 cm breite, horizontale Markierung ca. 3 cm unterhalb des Dornfortsatzes des 12. Brustwirbels auf die Haut gezeichnet. Anschlie-

34 2. Messgeräte und Verfahren 34 ßend wird die Oberkante des Sensorgehäuses an der Markierung ausgerichtet und auf die Haut geklebt. Abb. 2-5: Displayanzeige des Datenloggers zur Aufzeichnung der Oberkörperneigung. Tab. 2-2: Technische Daten und Maßangaben des Lagesensors. Technische Daten: Abmessung (H x B x L): Gewicht (inkl. Akku und Gehäuse) Sensordurchmesser Messfrequenz Messbereich* Auflösung* Einschwingzeitkonstante auf 98% des Messwertes nach beliebiger Neigungswinkeländerung* Querempfindlichkeit bei 45 Querneigung* 3,2 x 5,0 x 5,0 cm 120 g B: 24 mm; H: 10 mm 10 Hz ±70 Grad <0,01 Grad <0,3 Sekunden <1 % des Messwertes *Angaben des Herstellers

35 2. Messgeräte und Verfahren 35 Abb. 2-6: Datenlogger (li) und Neigungssensor mit protektiver Kunststoffeinfassung Die Software JSpinal Grundlage für eine konsistente Verarbeitung umfangreicher Datensätze bilden die neu entwickelten und softwareseitig implementierten Algorithmen. Die Bezeichnung JSpinal begründet sich sowohl durch die verwendete Programmiersprache (JAVA = J) als auch durch den Anwendungsbezug (Wirbelsäule Spinal). Sämtliche Algorithmen und Funktionen der Software sind eigens entwickelt worden. Die programmiertechnische Umsetzung erfolgte nach diesen Vorgaben durch einen Softwareentwickler. Zielsetzung der Softwareentwicklung war es: Messwerte unterschiedlicher Systeme (sonosens Monitor, Lagesensor und Herzfrequenzmesser) zu synchronisieren und in einem einheitlichen Format zu sichern, die Daten nach einem standardisierten Schema zu bearbeiten, vorauszuwerten und mit einer Versuchsdokumentation zu verknüpfen, die zusammengeführten und vor ausgewerteten Daten für weitere Anwendungen (Statistikprogramm oder Datenbank) zu exportieren. Als besonders hervorzuhebende Anwendung ist die Entwicklung eines Algorithmus zu nennen, der automatisiert und nach einheitlichem Schema Wirbelsäulenbewegungen und statische Aufzeichnungsphasen erkennt und markiert. Die sogenannte Bewegungserkennung ermöglicht es, Amplitude und Dauer der

36 2. Messgeräte und Verfahren 36 Bewegung sowie in der Folge auch die Bewegungsgeschwindigkeit mit variabel editierbaren Faktoren (Zeit und Amplitude) zu quantifizieren (s. auch 2.2). Folglich können auch sämtliche Zeiträume ohne Bewegungen detektiert und als statische Körperhaltung erfasst werden (Abb. 2-7). Länge BWS (%) Bewegung Isometrie Dauer Amplitude Dauer Dauer (s) Abb. 2-7: Grafische Darstellung der Bewegungserkennung in JSpinal. Bewegungen werden anhand der Änderung relativer Segmentlängen der Wirbelsäule hinsichtlich ihrer Dauer und Amplitude registriert. Die Dauer statischer Phasen (sog. Isometrie) wird ebenfalls ermittelt. Auf Grundlage relativer Wirbelsäulensegmentlängen können alle mit dem beschriebenen Messsystem erhobenen Datensätze einer softwarebasierten Bewegungsanalyse unterzogen werden. Dies ermöglicht die Berechnung der folgenden Parameter, z. B. innerhalb eines Tätigkeitsintervalls oder über einen gesamten Arbeitstag hinweg: Bewegungshäufigkeiten Bewegungsfrequenzen Bewegungsamplituden Damit ein Vergleich von Haltung und Bewegung unterschiedlich großer Personen möglich wird, werden vor einer weiterführenden Datenanalyse alle Kanäle des sonosens Monitors in JSpinal auf einen relativen Wert verrechnet. Jeder in Millimeter abgespeicherte Kanal wird hierzu ins Verhältnis einer definierten Ausgangslänge gesetzt. Dies kann je nach Fragestellung beispielsweise die

37 2. Messgeräte und Verfahren 37 Signalausprägung (Wirbelsäulensegmentlänge in mm) in aufrecht stehender bzw. aufrecht sitzender oder in liegender Körperposition sein. Die folgenden Indizes berechnen für jedes Wirbelsäulensegment (HWS, BWS und LWS) eine relative Signalausprägung für Längenänderungen in den drei Körperebenen (Abb. 2-8): Sagittalebene (Sagittaler-Längen-Index = SLI), Frontalebene (Frontaler-Längen-Index = FLI) sowie Horizontalebene (Horizontaler-Längen-Index = HLI). Sagittalebene Extension/Flexion Frontalebene Lateralflexion Horizontalebene Rotation Körperebenen Abb. 2-8: Verlauf der Körperebenen beim Menschen mit korrespondierenden Bewegungskennzeichnungen. ( Kanal Links + Kanal Rechts) / 2 SLI: Referenzlänge ( z. B. Stehen) In der Referenzposition (hier z. B. aufrecht stehende Körperhaltung) ist die Kanalausprägung 0. Flexionen im Wirbelsäulensegment werden durch positive (> 0) Werte und Extensionen durch negative (< 0) Ausprägungen sichtbar. ( Kanal Links Kanal Re chts) / 2 FLI: Referenzlänge ( z. B. Stehen) In der Referenzposition (hier z. B. aufrecht stehende Körperhaltung) ist die Kanalausprägung 0. Lateralflexionen nach rechts werden im betrachteten Wirbelsäulensegment durch positive (> 0) Werte und Lateralflexionen nach links durch negative (< 0) Ausprägungen sichtbar.

38 2. Messgeräte und Verfahren 38 ( Kanal Diagonal 1 Kanal Diagonal 2) HLI: * 100 Referenzlänge ( z. B. Stehen) In der Referenzposition (hier z. B. aufrecht stehende Körperhaltung) ist die Kanalausprägung 0. Torsionen nach rechts werden im betrachteten Wirbelsäulensegment durch positive (> 0) Werte und Torsionen nach links durch negative (< 0) Ausprägungen sichtbar. Die zuvor genannten Indizes ermöglichen eine von der absoluten Wirbelsäulensegmentlänge unabhängige Datenanalyse der Rohdaten für Haltungsausprägungen in den drei möglichen Bewegungsrichtungen (sagittal, frontal und horizontal). 2.2 Datenverarbeitung und Datenauswertung Neben der umfangreichen Entwicklung und Erprobung des Messsystems war es eine zusätzliche Aufgabe des Dissertationsvorhabens ein weitestgehend automatisiertes und vor allem standardisiertes sowie dokumentierendes Datenmanagementsystem zu entwickeln. Hierzu zählen in erster Linie die datenbezogene Zusammenführung der unterschiedlichen Messsysteme sowie die Aufbereitung der Messdaten mithilfe eines Standardprotokolls. Grundlage dieser qualitätssichernden Datenverarbeitung ist die neu entwickelte Software JSpinal (2.1.4). Rohdatenverarbeitung Als Rohdaten werden im Folgenden alle Messwerte bezeichnet, die ohne weitere Zwischenschritte der jeweiligen Aufzeichnungseinheit (Datenlogger) entnommen wurden. Für jedes Messsystem (sonosens Monitor, Lagesensor und Herzfrequenz) wird nach Ende der Datenaufzeichnung eine entsprechende Rohdatendatei zur Datensicherung und als Grundlage für die Datenauswertung angelegt.

39 2. Messgeräte und Verfahren 39 Datenverknüpfung und weiterführende Datenverarbeitung Die Zeitachsen der Rohdatendateien werden mithilfe der Software JSpinal synchronisiert und in einer Gesamtdatei komprimiert (.zip-format ) gesichert. Aufbauend auf dieser Gesamtdatei erfolgt mit JSpinal die Berechnung neuer Parameter und die Zusammenfassung der Daten für weitere Analyseschritte. Die Daten werden nach einem automatisierten, standardisierten und dokumentierenden Schema soweit vorbereitet, dass nach Abschluss dieser Arbeiten eine Auswertungsdatei vorliegt. Diese Datei kann von den gängigen Statistikprogrammen (SPSS, STATISTICA etc.) ohne zusätzliche Formatierungen geöffnet und verwendet werden. Statistische Auswertungen Deskriptive und prüfende statistische Analysen wurden mit SPSS 12.0 (SPSS, Chicago, USA) und STATISTICA 7.1 (StatSoft, Melbourne, Australien) durchgeführt. Zur Beschreibung von Lage und Streuung der metrischen und intervallskalierten Messdaten wurden der arithmetische Mittelwert (MW), Median, Standardabweichung (SD) und der Standardfehler (SE) ermittelt. Messwertverteilungen konnten durch die Wertangaben von Perzentilen beschrieben werden. Die Prüfung der Stichprobe auf Normalverteilung erfolgte mithilfe des Kolmogorov-Smirnov-Tests. Der Vergleich von zwei Mittelwerten unverbundener Stichproben erfolgte in Abhängigkeit einer Normalverteilung mittels T-Test (Normalverteilung) bzw. des verteilungsfreien Mann-Whitney-U-Tests (keine Normalverteilung). Des Weiteren erfolgte die Berechnung mehrfaktorieller Varianzanalysen mit Messwiederholung (MANOVA). Einfache Zusammenhänge zwischen zwei metrischen oder intervallskalierten Variablen wurden mittels bivariater Korrelation bestimmt. Grundlage dafür war die Berechnung des Korrelationskoeffizienten nach Pearson (Normalverteilung) Spearman (keine Normalverteilung). Mithilfe der Hauptkomponentenanalyse wurden zusätzlich wesentliche, voneinander unabhängige Merkmalsausprägungen der Probanden bestimmt. Darüber hinaus erfolgte zur weiterführenden Ermittlung der Werteübereinstimmung innerhalb der Fälle, der fünffach gestuften Test-Re-Test Situationen, die Berechnung des Korrelationskoeffizienten in Klassen (ICC).

40 2. Messgeräte und Verfahren 40 Hierbei wurden Korrelationskoeffizienten ab einem Wert von > 0,80 als sehr gut eingestuft [23]. Gruppenunterschiede wurden mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von p < 0,05 als signifikant akzeptiert. Ergab die Varianzanalyse signifikante Einflüsse der Hauptfaktoren, wurden multiple Zellenvergleiche als Post-Hoc-Test nach dem Verfahren von Newman-Keuls durchgeführt. Spezifische Faktoren der Datenbewertung a) Haltungs- und Bewegungskombinationen: Multidimensionale, wirbelsäulensegmentbezogene Abweichungen aus der neutralen Position wurden für die Längen-Index-Paare SLI+HLI, SLI+FLI, FLI+HLI und SLI+HLI+FLI berechnet. Hierzu wurde die Häufigkeit amplitudenspezifischer Abweichungen ermittelt. Diese Abweichungen wurden in 6 Bereiche von klein- (0 bis < 2 % Amplitude), mittel- ( 2 bis < 4 % u. 4 bis < 6 % Amplitude) bis großamplitudige ( 6 bis < 8, 8 bis < 10 % u. 10 % Amplitude) Haltungs- und Bewegungskombinationen unterteilt. Diese Faktoren kennzeichnen die nach Amplituden gestuften, kombiniert verdrehten Körperhaltungen einzelner Wirbelsäulensegmente. b) Bewegungen und Bewegungsphasen: Wie unter skizziert, kann mithilfe der entwickelten Auswertungssoftware eine standardisierte Bewegungsanalyse durchgeführt werden. Bewegungen sind definiert als Längenänderungen (segmentbezogen sowie innerhalb einer Körperebene) von mindestens 1 % Amplitude. Quantifizierbare Faktoren sind hierbei Amplitude und Dauer einer Bewegung. Zur weiterführenden Datenauswertung besteht zusätzlich die Möglichkeit, Zeiträume dauerhafter Bewegungsamplituden (Bewegungsphasen) zu ermitteln. Hierzu ist es einerseits erforderlich, dass das Amplitudenkriterium ( 1 %) erfüllt ist. Andererseits wird ein zeitlicher Toleranzbereich von 0,5 Sekunden gewährt, in dem das Amplitudenkriterium nicht erfüllt sein muss (z. B. Bewegungsumkehr). Liegt nach 0,5 s wieder eine Bewegungsamplitude von 1 % Segmentlängenänderung vor, dann wird die Bewegungsphase erweitert. Quantifizierbarer Faktor ist die Dauer (s) der Bewegungsphase.

41 2. Messgeräte und Verfahren 41 c) Dauerzwangshaltungen (Isometrie): Auf Grundlage der zuvor genannten Bewegungsanalyse ergibt sich entsprechend die Möglichkeit auch Zeiträume in allen Wirbelsäulensegmenten sowie den drei Körperebenen ohne Bewegungen zu quantifizieren. Isometriephasen sind definiert als Phasen mit Wirbelsäulensegmentlängenänderungen von < 1 % Amplitude sowie der Bedingung, kein kurzzeitiger Übergang zwischen Bewegungssequenz zu sein (s. Bewegungen und Bewegungsphasen). Als auswertbare Faktoren können Dauer (s) und Häufigkeit von Isometriephasen verwendet werden. d) Gruppierung von Bewegungsamplituden: Zur Dokumentation sehr kleinbzw. großamplitudiger Bewegungen werden die Ergebnisse der Bewegungsanalyse in 8 Amplituden-Klassen (%) zusammengefasst: 0-0,5 %, 0,5-1 %, 1-2 %, 2-3 %, 3-4 %, 4-5 %, 5-6 % und 6 % Amplitude pro Bewegung. Eine deutlich nach außen sichtbare Bewegung kann augenscheinlich mit 2 % Amplitude angegeben werden. Zur standardisierten Bewertung der Bewegungsfrequenz werden segment- und längenindexbezogen Häufigkeiten von Bewegungen ( 2 % Amplitude) ins Verhältnis zum betrachteten Zeitraum (Minuten) gesetzt. Als auswertbarer Faktor ergibt sich die Bewegungsfrequenz (n*min -1 ). e) Verhältnis der Dauer (s) von Isometrie- zu Bewegungsphasen: Zur Bewertung der Relation von Zwangshaltungen zu Bewegungen wurden für jedes Wirbelsäulensegment sowie für die Körperebenen die Dauer (s) der Isometriephase durch die Dauer (s) der unmittelbar folgenden Bewegungsphase dividiert. Als auswertbare Parameter können nahezu alle positiven Quotienten vorkommen: < 1 = längere Bewegungsphase, 1 = gleiches Verhältnis von Isometrie- zu Bewegungsphase und > 1 = längere Isometriephase. Darüber hinaus lässt sich auch die Ausprägung des Verhältnisses anhand des Quotienten quantifizieren. Zur Darstellung der Verteilungen dieser Verhältnisse während der Tätigkeitsausübung wird die Quotientenhäufigkeit für das 5., 25., 50., 75. und 95. Perzentil präsentiert.

42 2. Messgeräte und Verfahren 42 f) Perzentilgruppierung der Arbeitszeit: Zur einheitlichen Bewertung der ermittelten Parameter im chronologischen Verlauf der Tätigkeitsdauer wurde der Analysezeitraum jeweils in 10 gleichgroße Bereiche (10 Perzentilgruppen) unterteilt. Dieses Vorgehen ermöglicht es, im gleichen Verhältnis die Veränderungen von Haltung und Bewegung im zeitlichen Verlauf der Tätigkeit von unterschiedlich langen Analysezeiträumen vergleichbar darzustellen.

43 3. Studie 1 Evaluierungsstudie Studie 1 Evaluierungsstudie 3.1 Einleitung Die durchgeführte Evaluierungsstudie dient einerseits der standardisierten technischen Systemprüfung und andererseits der einheitlichen Erhebung und Bewertung von Haltungs- und Längenänderungen der Wirbelsäule sowie des Oberkörpers in Standardpositionen. Neben der Systemevaluierung (Test-Re- Test-Reliabilität u. Validität des Messsystems) unter gleich bleibenden Bedingungen (statische Körperpositionen) sollen zudem anhand dynamisch wiederholter Haltungsänderungen die Gütekriterien des Messsystems ermittelt werden. Für die Auswahl der Standardpositionen mussten nicht nur die kinematischen Voraussetzungen berücksichtigt, sondern auch die Anforderung an die einfache und standardisierte Durchführung der Testposition erfüllt werden. Im Fokus stand hierbei insbesondere die Reduktion von Freiheitsgraden während der Testausführung (Ausführungsvariabilität). Als Bewertungskriterien sollen Reliabilität und Validität der Standardpositionen sowie des Messsystems genutzt werden. Hierbei erfolgt die Einstufung der Zuverlässigkeitsmaße anhand bestehender Testgüteanforderungen (s. 3.2). Auf eine Objektivitätsanalyse wurde verzichtet, da das Analyseverfahren zunächst als Expertensystem nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich ist. Mit Blick auf die Auswertungsobjektivität geben die standardisierten Parametereinstellungen der entwickelten Software eine einheitliche Datenbewertung vor. Des Weiteren erfolgte zur Qualitätssicherung der Sensorenapplikation die Instrumentierung anhand definierter anatomischer Merkmale (Dornfortsätze der Wirbelkörper) und mithilfe einheitlicher Instrumentierungsschablonen (s. auch 2.1.2). Inhalte und Ablauf der Evaluierungsstudie orientieren sich an den Evaluationsstandards der Deutschen Gesellschaft für Evaluation (DeGEval) und berücksichtigen daher die vier grundlegenden Eigenschaften: Nützlichkeit, Durchführbarkeit, Korrektheit und Genauigkeit [42]. Im Folgenden wird die Studie methodisch beschrieben und die Bewertungskriterien benannt. Zielsetzung der Studie ist es, anhand der ermittelten Systemgüte, den Einsatz des Verfahrens für Tätigkeitsanalysen zu verifizieren.

44 3. Studie 1 Evaluierungsstudie Methodik An der Studie nahmen 20 junge Erwachsene freiwillig teil (Tab. 3-1). Die Probanden hatten weder akute oder chronische Rückenbeschwerden noch erkrankungs-, oder schmerzbedingte Einschränkungen in der Wirbelsäulenbeweglichkeit. Tab. 3-1: Anthropometrische Basisdaten der Studienteilnehmer ( X ± SD). Geschlecht Anzahl Alter (Jahre) Körpergröße (cm) Körpergewicht (kg) n X SD X SD X SD Männer ,5 3,5 75,4 5,8 Frauen ,7 7,7 64,3 5, Untersuchungsablauf Die Studie wurde nach einem standardisierten Ablaufplan durchgeführt und gliederte sich wie folgt: Einverständniserklärung Ermittlung des Teilnahmekriteriums: keine akuten oder chronischen Schmerzen und Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule Erläuterung und praktische Erprobung der einzunehmenden Standardpositionen Instrumentierung des Messsystems Durchführung der Standardpositionen

45 3. Studie 1 Evaluierungsstudie 45 Abb. 3-1: Körperhaltungen (Endpositionen) in den Standardpositionen. Die Position 1 Finger- Boden-Abstand wurde zu Beginn unmittelbar nacheinander 5-mal wiederholt. Die übrigen Haltungen wurden der Reihe nach (2 bis 7) zunächst einmal eingenommen. Diese Abfolge wurde ebenfalls 5-mal vollständig wiederholt. Die in Abb. 3-1 aufgeführten Standardpositionen wurden im Rahmen der Systemevaluierung jeweils fünfmal eingenommen. Hierbei wurden zwei unterschiedliche Wiederholungsabfolgen eingehalten: Die Position Finger-Boden- Abstand wurde unmittelbar fünfmal hintereinander und die Haltungen 2 bis 7 für jeweils 15 s zunächst nacheinander eingenommen. Insgesamt erfolgte eine fünfmalige Wiederholung dieser Messreihenfolge. Die Standardpositionen waren stets einheitlich vorgegeben und wie folgt definiert: Der Einnahme der Haltung zur Bestimmung des Finger-Boden-Abstands ging eine aufrecht stehende Körperhaltung auf einem Podest voraus. Vorgabe war es, mit durchgestreckten Knien soweit wie möglich die ausgestreckten Finger in Richtung Boden zu bewegen. Schober- und Ott-Zeichen wurden während der Flexionsbewegung aus dem Stand nach vorne unten kontinuierlich mit einem Maßband gemessen und die jeweils höchsten Werte in das Protokoll übertragen. Des Weiteren wurde der Abstand der Mittelfingerspitzen zum Boden notiert: 0 = Bodentiefe, > 0 = über Bodentiefe und < 0 = unter Bodentiefe.

46 3. Studie 1 Evaluierungsstudie 46 Die Bauchlage wurde in ausgestreckter Körperlage auf einer Gymnastikmatte eingenommen. Die Lage der Hände, des Kopfes sowie der Füße waren zur Standardisierung vorgegeben: Auf die übereinander gelegten Hände wurde die Stirn platziert; die Füße wurden nach außen rotiert und mit dem Innenrist auf dem Boden entspannt abgelegt. Die Position wurde jeweils 15 s beibehalten. Aus dem Vierfüßlerstand wurden maximal willkürlich erreichbare Flexions- und Extensionspositionen für jeweils 15 s eingenommen. Hierzu waren die Handballen unter den Schultern zu platzieren. Die Knie wurden unter der Hüfte positioniert, sodass der Femur in der Ausgangsposition senkrecht zur Gymnastikmatte ausgerichtet war. Das Stehen in aufrechter Körperhaltung wurde durch eine geschlossene Fußstellung, durch gestreckte Knie und die waagerechte Ausrichtung des Kopfes (Kontrolle der Frankfurter Horizontalen) vereinheitlicht. Die Position wurde jeweils 15 s beibehalten. Seitneigungen nach rechts und links wurden aus der Position Stehen heraus begonnen. Durch Kontrolle des Neigungssensors wurde eine ausweichende Flexions- bzw. Extensionsbewegung vermieden. Beide Füße mussten während der maximal möglichen Seitneigung am Boden bleiben. Die maximale Lateralflexion wurde jeweils für 15 s gehalten. Rotationen nach rechts und links wurden ebenfalls aus der Position Stehen heraus begonnen. Eine korrekte Durchführung der maximal möglichen Rotationsbewegung wurde über den Neigungssensor kontrolliert. Die maximal erreichbare Rotationsposition wurde jeweils für 15 s gehalten. Zur weiteren Evaluation des Lagesensors, sonosens Monitor und Schober-Zeichen, wurde aus der Position Stehen heraus eine Oberkörpervorneigung von 70 eingenommen und für 5 s gehalten. Während der Vorneigung konnten die Probanden die erreichte Neigung auf einem am Boden liegenden Monitor ablesen. Dieser visualisierte die Daten des instrumentierten Neigungssensors. Sobald die Endposition erreicht war, wurde das Schober-Zeichen bestimmt. Während der gesamten Versuchsdurchführung wurden sowohl die Wirbelsäulenbewegungen als auch die sagittalen Oberkörperneigungen kontinuierlich

47 3. Studie 1 Evaluierungsstudie 47 aufgezeichnet und durch digitale Marker den jeweiligen Standardpositionen zugeordnet Datenverarbeitung und Statistik Die Messwertverarbeitung erfolgte nach standardisiertem Ablauf (s. 2.3). Eine statistische Datenbewertung wurde differenziert anhand unterschiedlicher Verfahren durchgeführt: Die Prüfung der Stichprobe auf Normalverteilung erfolgte mithilfe des Kolmogorov-Smirnov-Tests. Einfache Zusammenhänge zwischen zwei metrischen oder intervallskalierten Variablen wurden mittels bivariater Korrelation bestimmt. Grundlage dafür war die Berechnung des Korrelationskoeffizienten nach Pearson (Normalverteilung) bzw. Spearman (keine Normalverteilung). Darüber hinaus wurde zur weiterführenden Ermittlung der Werteübereinstimmung innerhalb der Fälle, der fünffach gestuften Test-Re- Test-Situationen, die Berechnung des Korrelationskoeffizienten in Klassen (ICC) durchgeführt. Des Weiteren erfolgte zur Ermittlung von Gruppendifferenzen die Berechnung mehrfaktorieller Varianzanalysen mit Messwiederholung (MANOVA). Mithilfe einer Hauptkomponentenanalyse wurden zusätzlich wesentliche, voneinander unabhängige Ausprägungen der Messwerte in den Standardpositionen bestimmt. Gruppenunterschiede wurden mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von p < 0,05 als signifikant akzeptiert. Ergab die Varianzanalyse signifikante Einflüsse der Hauptfaktoren, wurden multiple Zellenvergleiche als Post-Hoc-Test nach dem Verfahren von Newman-Keuls durchgeführt. Eine standardisierte Ergebnisbewertung erfolgte anhand der Vorgaben von Bortz und Döring [23] zur Bewertung von gütekriterienbezogenen Korrelationskoeffizienten (bivariat und in Klassen). Reliabilitätsanforderungen: < 0,8 gering, 0,8 bis 0,9 mittelmäßig und > 0,9 hoch Validitätsanforderungen: < 0,4 gering, 0,4 bis 0,6 mittelmäßig und > 0,6 hoch Zur Analyse von Validität und Reliabilität des Messsystems werden exemplarisch die in den nachfolgend aufgeführten Standardpositionen ermittelten Daten herangezogen. Die ausgewählten Testpositionen repräsentieren das unter-

48 3. Studie 1 Evaluierungsstudie 48 suchte Spektrum von passiven und aktiven Körperhaltungen sowie maximalen und submaximalen Bewegungsamplituden: Finger-Boden-Abstand: wiederholte, positionsbezogene, aktiv-dynamische Bewegung maximaler Amplitude (manuell und messtechnisch erfasste Parameter) Bauchlage und aufrecht stehende Körperposition: wiederholte, statisch passive und aktive Körperhaltung (messtechnische Parameter) 70 -Frontalflexion: wiederholte, positionsbezogene, aktiv-dynamische Bewegung submaximaler Amplitude (manuell und messtechnisch erfasste Parameter)

49 3. Studie 1 Evaluierungsstudie Ergebnisse Finger-Boden-Abstand Abbildung 3-2 zeigt exemplarisch (Einzelfalldarstellung) den Signalverlauf sagittaler LWS-Längenänderungen (SLI LWS) sowie der Oberkörperneigung in der Testbedingung Finger-Boden-Abstand. 012 *-(*./0 1,#.20 %&'&(%)*+, -$) / #$)+ Abb. 3-2: Einzelfalldarstellung Signalverlauf der sagittalen Längenänderung im LWS- Bereich (SLI LWS) sowie der Oberkörperneigung (Neigung) von der 1. bis zur 5. Wiederholung des Finger-Boden-Abstands. Der fünfmal hintereinander durchgeführte Flexionstest zur Ermittlung des Finger-Boden-Abstands ergab für alle hierbei relevanten Messgrößen (Finger- Boden-Abstand in cm, Längenänderung Schober-Zeichen in cm, Längenänderung SLI LWS und Winkelgradänderung des Lagesensors) einheitliche statistische Ergebnisse: signifikante Veränderung für den Faktor Testwiederholung sowie signifikante Zwischensubjektdifferenzen (p < 0,05). Im Einzelnen konnte eine kontinuierliche Verringerung des Finger-Boden-Abstands sowie in der Folge eine gleichmäßige Zunahme der übrigen Kenngrößen ermittelt werden (Tab. 3-2). Alle ermittelten Parameter waren normalverteilt (p 0,05).

50 3. Studie 1 Evaluierungsstudie 50 Tab. 3-2: Mittelwert ( X ) und Standardabweichung (SD) wesentlicher Parameter der Standardposition Finger-Boden-Abstand. Das Höhenniveau des Bodens entspricht dem Nullpunkt des Finger-Boden-Abstands (cm); negative Werte repräsentieren entsprechend eine Reichwerte der Finger unterhalb dieser Referenzmarke (n=20). Standardposition Finger-Boden-Abstand X SD X SD X SD X SD X SD Finger-Boden-Abstand (cm) -1,9 10,3-3,3 9,9-4,0 9,9-4,8 9,4-5,4 9,4 Schober-Zeichen (cm) 15,6 1,0 15,7 1,0 15,8 1,0 15,8 1,0 15,8 1,0 SLI LWS (%) 35,7 9,2 36,0 9,4 36,3 9,4 36,6 9,5 36,7 9,6 Lagesensor ( ) 96,5 9,6 97,2 9,4 97,9 9,3 98,6 9,1 98,7 8,8 Analog zu den deskriptiven Parametern zeigt die Korrelationsmatrix (Tab. 3-3) die Stärke der Zusammenhänge zwischen den einzelnen Messzeitpunkten (1. bis 5.) sowie zwischen dem 1. und dem 5. Messwert. Tab. 3-3: Korrelationskoeffizienten (r) nach Pearson sowie Signifikanzniveau (p) des bivariaten Zusammenhangs (n=20). Alle Zusammenhänge sind signifikant (p<0,05). Standardposition 1. vs vs vs vs vs. 5. Finger-Boden-Abstand r r r r r Finger-Boden-Abstand (cm) 0,993 0,993 0,997 0,994 0,971 Schober-Zeichen (cm) 0,983 0,994 0,987 0,992 0,966 SLI LWS (%) 0,997 1,000 0,999 0,999 0,992 Lagesensor ( ) 0,992 0,990 0,990 0,994 0,943 Eine zusammenfassende Überprüfung der Reliabilität sämtlicher beim Finger- Boden-Abstand erfassten Parameter erfolgte durch Berechnung des Korrelationskoeffizienten in Klassen (ICC) (Tab. 3-4). Die ermittelten Koeffizienten liegen über dem Referenzwert für sehr gute Werteübereinstimmungen von r = 0,800 (21).

51 3. Studie 1 Evaluierungsstudie 51 Tab. 3-4: Durchschnittliche Korrelationskoeffizienten in Klassen (ICC) der Parameter in der Standardposition Finger-Boden-Abstand (n=20). Standardposition Finger-Boden-Abstand Korrelationskoeffizienten in Klassen ICC (X ) Finger-Boden-Abstand (cm) 0,997 <0,05 Schober-Zeichen (cm) 0,996 <0,05 SLI LWS (%) 0,999 <0,05 Lagesensor ( ) 0,995 <0,05 p In Ergänzung zu den Lage- und Streuungsmaßen sowie der bivariaten Verhältnisse der Messwerte kann die Varianz der ermittelten Parameter mithilfe der Hauptkomponentenanalyse zu einem einheitlich skalierten Schema zusammengeführt werden. Abbildung 3-3 bildet die Eigenwerte der 1. und 2. Hauptkomponente ab, die gemeinsam 88,6 % der Datenvarianz erfassen. Die Informationen der Hauptkomponentenanalyse charakterisieren und gruppieren (Hauptkomponenten) einheitliche Merkmalsausprägungen eines multidimensionalen Datenmodells. Beim vorliegenden Datensatz ist eine hohe (positive) individuelle Merkmalsausprägung auf der 1. Hauptkomponente mit einem im Verhältnis zum Gesamtkollektiv: positiven Finger-Boden-Abstand (große Distanz der Finger zum Boden), hohen Vorneigungswinkel, niedrigen SLI LWS Wert (unterdurchschnittiche LWS-Flexion) und niedrigen Wert des Schober-Zeichens (unterdurchschnittiche LWS-Flexion) verknüpft. Testteilnehmer mit einer negativen Merkmalsausprägung des 1. Hauptkomponentenscores weisen ein exakt gegenläufiges Profil auf. Die 2. Hauptkomponente visualisiert das zweite, jedoch weniger bedeutende Merkmal des Datensatzes: Ein hoher individueller Komponentenscore ist insbesondere mit geringen Schober-Werten verknüpft.

52 3. Studie 1 Evaluierungsstudie "83+.9:;</0 "84+.4=;=/0 0)3+ -$).+ %&'&(%)*+ %2)3+ 4, , 52362$67$ Abb. 3-3: Ausprägung der 1. und 2. Hauptkomponenten (PC1 u. PC2) der Standardposition Finger-Boden-Abstand (3. Versuch). Beide Komponenten bilden 88,6 % der Parametervarianz aller Versuchsteilnehmer ab; n=20. Parametererklärung: Finger = Finger- Boden-Abstand, Neigung = Oberkörperneigung, SLI LWS = sagittaler Längenindex Lendenwirbelsäule, Schober = Schober-Zeichen. Die Projektion der Variablenvarianzen innerhalb der Hauptkomponenten ist Tabelle 3-5 zu entnehmen und dient der ergänzenden Information zu Abbildung 3-3. Die 1. Hauptkomponente charakterisiert insbesondere Ausprägungen des Finger-Boden-Abstands. Komponente 2 bildet hingegen insbesondere die sich unabhängig davon ausprägenden Schober-Zeichen-Werte ab. Tab. 3-5: Korrelationskoeffizienten (r 2 ) zwischen den Hauptkomponenten (PC) und den Originalvariablen. Finger-Boden-Abstand (3. Versuch) PC 1 PC 2 Finger-Boden-Abstand (cm) 0,73 0,17 Oberkörperneigung ( ) 0,79 0,07 SLI LWS (%) 0,68 0,17 Schober (cm) 0,19 0,66

53 3. Studie 1 Evaluierungsstudie 53 Bewertungsschema Finger-Boden-Abstand Reliabilität: hohe Wiederholbarkeit der Testposition Validität: Die zu erwartenden physiologischen Änderungen und die durch zusätzliche manuelle Parameter (Finger-Boden-Abstand u. Schober-Zeichen) erfassten Positionsänderungen wurden mit hoher Präzision durch das entwickelte Messsystem abgebildet Bauchlage und Stehen Die Standardpositionen Bauchlage und Stehen wurden fünfmal eingenommen. Für die statisch passive (Bauchlage) und statisch aktive (Stehen) Position wurden folgende Parameter ermittelt: SLI BWS SLI LWS Oberkörperneigung (Lagesensor) Die ermittelten Parameter waren normalverteilt (p 0,05). Die wesentlichen deskriptiven, statistischen Ergebnisse (MANOVA) zeigen für die Position Bauchlage keine signifikanten Veränderungen für den Faktor Testwiederholung (Innersubjekteffekte; p 0,05) jedoch signifikante Zwischensubjektdifferenzen (p < 0,05). Im Einzelnen konnte ermittelt werden, dass keine kontinuierliche Längenänderung der Wirbelsäule für die Standardposition Bauchlage erfolgt. Das Längenniveau der Wirbelsäulensegmente zwischen den Versuchsteilnehmern ist erwartungsgemäß unterschiedlich (Tab. 3-6). Tab. 3-6: Mittelwert ( X ) und Standardabweichung (SD) wesentlicher Parameter der Standardposition Bauchlage ; 1. bis 5. Messwiederholung (n=20). Standardposition Bauchlage X SD X SD X SD X SD X SD SLI BWS (%) 3,87 2,28 4,27 2,51 4,06 2,97 4,29 2,67 4,59 2,67 SLI LWS (%) 1,19 4,24 0,19 4,38 0,86 4,87 1,37 4,10 1,51 4,61 Lagesensor ( ) 81,6 4,07 81,6 4,07 81,7 4,35 81,8 4,26 81,7 4,58 Abweichend zu den Ergebnissen der Bauchlage können für die Standardposition Stehen weder zwischen den Testwiederholungen noch zwischen den Studienteilnehmern signifikante Unterschiede ermittelt werden (p 0,05; Tab. 3-7).

54 3. Studie 1 Evaluierungsstudie 54 Tab. 3-7: Mittelwert ( X ) und Standardabweichung (SD) wesentlicher Parameter der Standardposition Stehen ; 1. bis 5. Messwiederholung (n=20). Standardposition Stehen X SD X SD X SD X SD X SD SLI BWS (%) 0,03 0,70 0,04 0,44 0,00 0,00 0,15 0,66 0,28 0,79 SLI LWS (%) 0,60 2,57 0,37 1,13 0,00 0,00 0,45 1,21 0,01 1,40 Lagesensor ( ) 0,18 1,38 0,05 1,17 0,00 0,00 0,37 1,30 0,25 1,27 In Ergänzung zu den deskriptiven Parametern zeigt die Korrelationsmatrix (Tab. 3-8) die Stärke der Zusammenhänge zwischen den einzelnen Messzeitpunkten (1. bis 5.) sowie zwischen der 1. und der 5. Versuchswiederholung. Tab. 3-8: Korrelationskoeffizienten (r) nach Pearson sowie Signifikanzniveau (p) des bivariaten Zusammenhangs (n=20) bei unterschiedlichen Versuchswiederholungen. Alle Zusammenhänge sind signifikant (p<0,05). Standardposition 1. vs vs vs vs vs. 5. Bauchlage r r r r r SLI BWS (%) 0,809 0,772 0,950 0,964 0,921 SLI LWS (%) 0,956 0,957 0,950 0,973 0,853 Lagesensor ( ) 0,876 0,961 0,961 0,964 0,811 Tab. 3-9: Korrelationskoeffizienten (r) nach Pearson sowie Signifikanzniveau (p) des bivariaten Zusammenhangs (n=20) bei unterschiedlichen Versuchswiederholungen. Alle Zusammenhänge sind signifikant (p<0,05). Standardposition 1. vs vs vs vs vs. 5. Stehen r r r r r SLI BWS (%) SLI LWS (%) Lagesensor ( ) 0,943 0,967 0,966 0,985 0,918 Die Korrelationsanalyse ergab einen stark positiven und signifikanten Zusammenhang zwischen den einzelnen Messzeitpunkten. Auf die Darstellung der SLI BWS und SLI LWS Korrelationen der stehenden Position wurde verzichtet, da durch die Nullsetzung der Messwerte (Stehen ist die Referenzposition der Evaluierungsstudie, s. auch 2.1.4) keine Varianzen vorliegen (Tab. 3-9). Eine Berechnung des Korrelationskoeffizienten ist somit nicht möglich. Eine zusammenfassende Überprüfung der Reliabilität und der in Bauchlage und im Stehen erfassten Parameter erfolgte ebenfalls durch Berechnung des Korrelationskoeffizienten in Klassen (ICC) (Tab u. Tab. 3-11). Die ermittelten

55 3. Studie 1 Evaluierungsstudie 55 Koeffizienten liegen für beide Standardpositionen über dem Referenzwert für sehr gute Werteübereinstimmungen von r = 0,800. Tab. 3-10: Durchschnittliche Korrelationskoeffizienten in Klassen (ICC) der in der Standardposition Bauchlage ermittelten Parameter (n=20). Standardposition Bauchlage Korrelationskoeffizienten in Klassen ICC (X ) SLI BWS (%) 0,975 <0,05 SLI LWS (%) 0,983 <0,05 Lagesensor ( ) 0,981 <0,05 P Zur Berechnung der SLI BWS und SLI LWS ICC-Kennwerte wurde die Nullsetzung aufgehoben. Die Berechnung dieser Koeffizienten erfolgte auf Grundlage der Wirbelsäulensegmentlängen (mm) in stehender Körperposition. Tab. 3-11: Durchschnittliche Korrelationskoeffizienten in Klassen (ICC) der in der Standardposition Stehen ermittelten Parameter (n=20). Standardposition Stehen Korrelationskoeffizienten in Klassen ICC (X ) SLI BWS (%) 0,943 <0,05 SLI LWS (%) 0,835 <0,05 Lagesensor ( ) 0,991 <0,05 P Auf eine Hauptkomponentenanalyse wird für die statischen Positionen Bauchlage und Stehen verzichtet, da keine inhaltlich weiterführenden Resultate zu erwarten sind.

56 3. Studie 1 Evaluierungsstudie 56 Bewertungsschema Bauchlage Reliabilität: hohe Wiederholbarkeit der Testposition Validität: Die zu erwartenden, individuell gleich bleibenden physiologischen Verhältnisse wurden mit hoher Präzision durch das entwickelte Messsystem abgebildet. Bewertungsschema Stehen Reliabilität: hohe Wiederholbarkeit der Testposition Validität: Die zu erwartenden, individuell gleich bleibenden physiologischen Verhältnisse wurden mit hoher Präzision durch das entwickelte Messsystem abgebildet. Des Weiteren konnte durch eine einheitliche Nullsetzung des Rohdatensignals zum Zeitpunkt des 3. Stehversuches auch eine Konstanz zwischen den Personen erzielt werden Test 70 -Flexion Die ermittelten Parameter des fünfmal hintereinander durchgeführten 70 - Flexionstests waren normalverteilt (p 0,05). Zur Ermittlung der relevanten Messgrößen wurden die Längenänderungen des Schober-Zeichens, Längenänderungen SLI LWS und Winkelgradänderungen des Lagesensors genutzt. Die deskriptive Datenanalyse ergab folgende Ergebnisse (Tab. 3-12): Für den Faktor Testwiederholung (Innersubjekteffekte) konnte keine signifikante Abweichung ermittelt werden (p 0,05). Allerdings ergaben sich signifikante Unterschiede bei den Zwischensubjektdifferenzen (p < 0,05). Im Einzelnen konnte eine übereinstimmend konstante Position durch die Analyse der manuellen und messtechnischen Parameter bestätigt werden. Die Daten des Lagesensors wurden nicht in die Analyse einbezogen, da keine inter- und intraindividuellen Abweichungen vorlagen.

57 3. Studie 1 Evaluierungsstudie 57 Tab. 3-12: Mittelwert ( X ) und Standardabweichung (SD) wesentlicher Parameter der Standardposition 70 -Flexion (n=20). Standardposition Flexion X SD X SD X SD X SD X SD Schober-Zeichen (cm) 15,3 0,9 15,3 0,9 15,3 0,9 15,3 0,9 15,3 0,9 SLI LWS (%) 32,9 9,4 32,4 9,4 32,7 9,4 32,6 9,5 32,7 9,5 Lagesensor ( ) In Ergänzung zu den deskriptiven Parametern zeigt die Korrelationsmatrix (Tab. 3-13) die Stärke der Zusammenhänge zwischen den einzelnen Messzeitpunkten (1. bis 5.) sowie zwischen der 1. und der 5. Versuchswiederholung. Tab. 3-13: Korrelationskoeffizienten (r) nach Pearson sowie Signifikanzniveau (p) des bivariaten Zusammenhangs (n=20) bei unterschiedlichen Versuchswiederholungen. Alle Zusammenhänge sind signifikant (p<0,05). Standardposition 1. vs vs vs vs vs Flexion r r r r R Schober-Zeichen (cm) 0,999 0,999 1,000 1,000 0,999 SLI LWS (%) 0,965 0,999 1,000 1,000 0,965 Lagesensor ( ) Auf die Durchführung einer Hauptkomponentenanalyse wird verzichtet, da aufgrund der eindeutigen deskriptiven und bivariaten Zusammenhänge keine inhaltlich weiterführenden Resultate zu erwarten sind. Eine zusammenfassende Überprüfung der Reliabilität, der in 70 -Flexion erfassten Parameter, erfolgte ebenfalls durch Berechnung des Korrelationskoeffizienten in Klassen (ICC) (Tab. 3-14). Die ermittelten Koeffizienten liegen über dem Referenzwert für sehr gute Werteübereinstimmungen von r = 0,800. Tab. 3-14: Durchschnittliche Korrelationskoeffizienten in Klassen (ICC) der in der Standardposition 70 -Flexion ermittelten Parameter (n=20). Standardposition 70 -Flexion Korrelationskoeffizienten in Klassen ICC (X ) Schober-Zeichen (cm) 1,000 <0,05 SLI LWS (%) 0,994 <0,05 Lagesensor ( ) - - P

58 3. Studie 1 Evaluierungsstudie 58 Bewertungsschema 70 -Flexion Reliabilität: hohe Wiederholbarkeit der Testposition Validität: Eine hohe Validität des Messsystems konnte erneut aufgrund einheitlicher Resultate der manuellen und messtechnischen Datenerfassung ermittelt werden.

59 3. Studie 1 Evaluierungsstudie Diskussion Zur Durchführung der Studie wäre eine Vielzahl von Körperpositionen denkbar gewesen. Die getroffene Auswahl von möglichst eindimensionalen Positionen (Haltung bzw. Bewegung nur innerhalb einer Körperebene) orientiert sich an dem Kriterium, eine möglichst geringe Anzahl an Freiheitsgraden zu erhalten. Multidimensionale Haltungen können durch eine Vielzahl unkontrollierbarer Einflusskenngrößen die Systemgütebeurteilung nachteilig beeinflussen und die Aussage vermindern [184]. Die Beschränkung der Freiheitsgerade ist jedoch auf die äußeren Testanforderungen begrenzt, da die zahlreichen Bewegungsmöglichkeiten der Zwischenwirbelkörpergelenke kaum kontrollierbar sind. Um diesen Limitierungen entgegenzuwirken, wurden die eingenommenen Positionen als Maximaltests (maximal willkürlich erreichbares Bewegungsausmaß) durchgeführt bzw. mit Biofeedback-Verfahren (visuelle Rückkopplung zur Oberkörperhaltung) gekoppelt. Hierbei unterstützten die einfachen Testanforderungen eine standardisierte Übungsausführung. Als zusätzlicher Faktor musste die zeitliche Vorgabe zur Haltungsdauer standardisiert werden. Hierbei war zu berücksichtigen, dass einerseits ein ausreichendes Zeitfenster zur Übungsdurchführung gewährleistet war. Andererseits hätte ein zu großzügig bemessener Zeitraum schnell zur Ermüdung der Probanden und damit auch zur Erhöhung der Wiederholungsvariabilität führen können. Mit 15 Sekunden wurde daher eine Testdauer gewählt, die beide Faktoren möglichst ausgewogen berücksichtigen sollte. Insgesamt ergab sich im Zusammenhang mit den Pausen, die im Zuge der Positionswechsel entstanden, ein nahezu ausgeglichenes und arbeitsphysiologisch günstiges Pausen- /Belastungs-Verhältnis [142, 143]. Vergleichbar gute Reliabilitäts- und Validitätsmerkmale für Oberkörperhaltungen und Wirbelsäulenbewegungen konnten auch in einer aktuellen Studie mit messtechnischen Verfahren von Wong und Wong [184] ermittelt werden. Die hierbei analysierten Körperpositionen wurden mit unterschiedlichen Aufzeichnungssystemen zeitgleich erfasst. Die Systembewertung erfolgte ebenfalls auf Grundlage von bivariaten Korrelationsanalysen und Korrelationskoeffizienten in Klassen (ICC). Mit Blick auf die Gütekriterien der Ultraschallmessungen konnte bereits in einer vorangegangen Studie die hohe Qualität dieser Messmethodik dokumentiert

60 3. Studie 1 Evaluierungsstudie 60 werden [11, 59]. Dennoch war eine neue Evaluierung erforderlich, um die Güte des zusätzlich implementierten, sagittal ausgerichteten Neigungssensors zu ermitteln. Die Datenanalyse ergab drei wesentliche Ergebnisse für die Messsystembewertung sowie zur konsistenten Durchführung von Tätigkeitsanalysen: Die zur individuellen Beweglichkeitseinordnung durchgeführten Standardpositionen besitzen eine hohe Reliabilität. Die durch die Standardpositionen einheitlich definierten Bewegungen und Haltungen werden durch das entwickelte System mit hoher Zuverlässigkeit und Genauigkeit abgebildet. Referenzpositionen (z. B. Stehen) bilden mit hoher Reliabilität und Validität das Wirbelsäulenprofil in dieser Körperhaltung ab. Dies ermöglicht u. a. den Vergleich von intra- und interindividuellen Differenzen bei gleichen Tätigkeiten. Aus den ermittelten Daten geht zusätzlich hervor, dass auch die neu entwickelten Komponenten des Neigungssensors voll funktionsfähig in das bestehende Messsystem des sonosens Monitors integriert werden konnten. Darüber hinaus konnte aufgezeigt werden, dass die Verwendung von Referenzpositionen zur einheitlichen Messwertausrichtung ein zuverlässiges Vorgehen darstellt [93]. Dies ermöglicht nicht nur die Quantifizierung von intraindividuellen Haltungsmustern, sondern auch einen Datenvergleich zwischen Personen bzw. von Haltungsprofilen unterschiedlicher Tätigkeiten. Eine Steigerung der Messqualität wäre vermutlich durch Applikation von Sensoren unmittelbar am oder im Wirbelkörper ungeachtet ethischer Bedenken bzw. der Risiko-Nutzen-Relation möglich. Die guten bis sehr guten Evaluationsergebnisse dokumentieren jedoch für das entwickelte, nicht invasive Analyseverfahren den begründeten Einsatz zur standardisierten Quantifizierung von Haltung- und Bewegung der Wirbelsäule und des Oberkörpers.

61 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk Studie 2 Ermittlung von Belastungsprofilen bei Büro- und bauhandwerklichen Tätigkeiten 4.1 Einleitung Die zweite Studie diente einerseits der praktischen Erprobung des Messsystems unter realen Arbeitsbedingungen. Andererseits sollten an Arbeitsplätzen mit unterschiedlich hohen körperlichen Anforderungen erste, exemplarische Bewegungs- und Belastungsprofile als Einzelfallstudien erhoben werden. Zielsetzung dieser Studie war es, Berufstätigkeiten zu analysieren, die mit Blick auf die Arbeitsposition (Sitzen vs. Stehen/Gehen), Körperhaltung (monoton/einseitig vs. variabel), Arbeitsaufgabe (Büroarbeit vs. bauhandwerkliche Tätigkeit), Möglichkeit zur selbstbestimmten Einnahme der Arbeitshaltung (Abstufungen der Zwangshaltung) ein möglichst heterogenes Tätigkeitsspektrum abdecken. Ein weiteres Kriterium zur Auswahl der Berufsgruppen Bürotätigkeit und Bauhandwerk war, dass trotz augenscheinlich unterschiedlicher Belastungscharakteristik Wirbelsäulenbeschwerden in beiden Tätigkeitsgruppen dokumentiert sind [44, 47, 50, 65, 119, 150, 164]. Auch wenn, wie in Kapitel 1 erwähnt, an der Pathogenese von Rückenschmerzen nicht nur biomechanische Faktoren beteiligt sind, können für diese Parameter häufig die stärksten Zusammenhänge ermittelt werden. Derzeit liegen jedoch für beide Berufsgruppen keine einheitlich messtechnisch standardisiert erhobenen Parameter vor, die die haltungs- und bewegungsbezogenen Hauptbelastungsfaktoren der einzelnen Tätigkeiten beziffern können. Unklar ist auch, welche Gemeinsamkeiten und Differenzen sich hierbei zwischen den unterschiedlichen Tätigkeiten ergeben können. Belegbar ist bislang in diesem Zusammenhang nur, dass körperliche Belastungen, die überwiegend mit Lastenhandhabungen assoziiert werden, keinen ausreichenden Erklärungsansatz für die Rückenschmerzproblematik der westlichen Industrienationen liefern [178]. Darüber hinaus ist bekannt, dass der Faktor Last lediglich ein Merkmal biomechanischer Einflusskenngrößen (Körperhaltung, Statik, Dynamik, Ganzkörpervibration etc.) darstellt, und in den wenigsten Berufen der heutigen Arbeitswelt einen übergeordneten Anteil aus-

62 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 62 macht: Ein Drittel aller Beschäftigten in der Europäischen Union ist von ermüdenden und schmerzhaften Arbeitshaltungen betroffen, etwa 50 % der Berufstätigen verrichten ihre Tätigkeiten in repetitiven Abläufen [137]. Sitzende Tätigkeiten zählen zu den häufigsten Arbeitshaltungen in der Berufswelt [119]. Wenngleich die körperlichen Anforderungen, die Arbeitsbedingungen (Leistungsdruck, Arbeitskontrolle etc.) und weitere Umweltfaktoren am Arbeitsplatz auch bei sitzenden Tätigkeiten sehr heterogen verteilt sind, wird diese Berufsgruppe als Referenzpopulation in zahlreichen Studien zur Pathogenese oder Prävalenz von Rückenbeschwerden verwendet. Bislang konnte häufig kein biomechanischer Prädiktor für Rückenschmerzen bei sitzenden Berufstätigkeiten ermittelt werden [16, 119]. Allerdings gilt hierbei zu beachten, dass auch in dieser Referenzpopulation zahlreiche Personen von Rückenschmerzen betroffen sind [150]. Für sitzende Tätigkeiten konnten Belastungsindikatoren bisher nur unspezifisch bzw. qualitativ beschrieben werden. Insbesondere im Zusammenhang mit sogenannten ungünstigen Körperhaltungen (überwiegend sind deklinierte bzw. torquierte Oberkörperhaltungen gemeint) ergibt sich auch für sitzende Tätigkeiten eine Zunahme an Beschwerdefällen [27, 124]. Allerdings konnte bislang keine messtechnische Datengrundlage von Haltungs- und Bewegungsprofilen sitzender Berufsgruppen mit einer evaluierten Methode standardisiert erstellt werden. Objektive physiologische bzw. biomechanische Parameter, die die tätigkeitsspezifischen Haltungs- und Bewegungsanforderungen arbeitsplatzübergreifend bestimmen können, fehlen weitestgehend. Im Gegensatz zu sitzenden Tätigkeiten beschreiben unabhängige Studien nahezu einstimmig, dass bauhandwerkliche Berufe mit einer besonders hohen Prävalenz von Wirbelsäulenbeschwerden belastet sind [44, 66, 68]. Auch die Berufskrankheiten (BK) 2108 und 2110 gewichten den Einfluss der Lastenhandhabung bzw. Ganzkörpervibration als einen wesentlichen Faktor im Anerkennungsverfahren. Allerdings kann auch bei diesen Tätigkeiten kein geeigneter Erklärungsansatz gefunden werden, der lediglich die Last als Faktor der Beschwerdehäufigkeit begründen lässt. Dies findet auch im Anerkennungsverfahren der BK 2108 sowie in der Literatur Berücksichtigung. In der weiterführenden Analyse fallen weitere biomechanische Faktoren (s. a ) ins Gewicht, die überwiegend unter dem Sammelbegriff ungünstige Körperhaltung zusammengefasst werden [37, 121, 149], jedoch hinsichtlich ihrer Häufigkeit,

63 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 63 Dauer oder Amplitude nicht weiter spezifiziert bzw. differenziert werden können. Des Weiteren werden auch kinematische Anforderungen (Statik und Dynamik) der bauhandwerklichen Tätigkeiten diskutiert. Diese können allerdings aufgrund fehlender Analyseverfahren nicht weitergehend beschrieben bzw. mit anderen Tätigkeiten verglichen werden. Aufgrund der vielfältigen und spezifischen Anforderungen in den Bauberufen [44] wurden zwei, in ihrem augenscheinlichen Anforderungsprofil, gegensätzliche Tätigkeiten im Rahmen der zweiten Studie analysiert. Mithilfe exemplarischer Einzelfallanalysen sollen die praktische Anwendbarkeit der Methode in unterschiedlichen Arbeitssituationen demonstriert sowie die Möglichkeiten innovativer Erkenntnisse für die Forschung und für die betriebliche Praxis sichtbar gemacht werden.

64 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk Methodik Sämtliche Analysen wurden mit berufserfahrenen Fachkräften als exemplarische Einzelfallstudien durchgeführt. Folgende Tätigkeiten wurden analysiert: Zur exemplarischen Analyse von Haltung und Bewegung der Wirbelsäule und des Oberkörpers bei Büro- bzw. PC-Arbeitsplatztätigkeiten (4.3.1) erfolgte eine ganztägige (9 Stunden Arbeitstag) Analyse von Übersetzungstätigkeiten. Die zweite und dritte Tätigkeitsanalyse soll exemplarisch Arbeitshaltungen bauhandwerklicher Tätigkeiten (4.3.2 Maurertätigkeit u Stahlbetonbautätigkeit) widerspiegeln. Hierzu erfolgte eine Messwertaufzeichnung während einer 5-Stunden-Schicht. Die Tätigkeit wurde mit 2DF-Einhandsteinen (zweifaches Dünnformat, Kalksandstein ca. 5,6 kg) vom Boden bis in ca. 50 cm Höhe ausgeführt. Die Tätigkeit des Stahlbetonbauers wurde exemplarisch durch den 2-stündigen Auf- und Abbau von Ein-Mann-Betonverschalungen (15 kg bis 54 kg pro Verschalungselement) abgebildet. Damit ein möglichst repräsentatives Arbeitsprofil ermittelt werden konnte, wurden am Tag der Untersuchung insbesondere tätigkeitstypische Arbeiten durchgeführt. Sowohl die Arbeitsanforderungen als auch die möglichen Einschränkungen durch das Messsystem wurden mittels Fragebogen dokumentiert Fragebogen zum aktuellen Arbeitstag Mithilfe eines eigens konzipierten Kurzfragebogens (Anhang A) wurden die Probanden zur aktuellen körperlichen/mentalen Arbeitsbelastung, Arbeitsleistung, zu Beschwerden am Bewegungsapparat sowie zum Einfluss der Messsysteme auf die Ausübung der beruflichen Tätigkeit schriftlich befragt. Zielsetzung des Fragebogens war es, die analysierte Arbeitsbelastung im Verhältnis zu einem gewöhnlichen Arbeitstag einordnen zu können sowie mögliche Störungen durch die Messsysteme standardisiert zu erfassen.

65 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk Untersuchungsablauf An allen Untersuchungsorten wurden in gewohnter Arbeitsumgebung reale Tätigkeiten mit dem Messsystem erfasst. Im Vorfeld der Untersuchungen wurde sichergestellt, dass am Tag der Analyse ein für die Tätigkeit möglichst repräsentatives Arbeitspensum eingehalten wurde. Der Untersuchungsablauf gliederte sich wie folgt: Markierung der Sensorpositionen mithilfe der Schablonen und Instrumentierung und Start der Messsysteme Einnahme der Standardpositionen zur Ermittlung der individuellen Beweglichkeitsparameter Beginn der Tätigkeit parallele Foto- und sequenzielle Videodokumentation sowie Protokollierung besonderer Ereignisse Ende der Tätigkeit unmittelbares Stoppen der Messsysteme und Entfernen der Sensoren Abschließende schriftliche Befragung der Probanden zur körperlichen/mentalen Arbeitsbelastung, Arbeitsleistung, zu Beschwerden am Bewegungsapparat sowie zum Einfluss der Messsysteme auf die Ausübung der beruflichen Tätigkeit Die Erhebung der einzelnen Parameter wurde an die Arbeitsbedingungen angepasst. Bei der Bürotätigkeit wurde auf eine Instrumentierung des Neigungssensors verzichtet, da eine uneingeschränkte Ausübung der Arbeit sonst nicht gewährleistet wäre. Tabelle 4-1 zeigt eine Übersicht zu den in den einzelnen Studien eingesetzten Analyseverfahren. Tab. 4-1: Das Symbol X markiert die bei den unterschiedlichen Tätigkeiten erhobenen Parameter. sonosens Monitor Lagesensor Befragung Bürotätigkeit X X Maurertätigkeit X X X Stahlbetonbautätigkeit X X X

66 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk Datenverarbeitung und Datenauswertung Sämtliche Schritte der Datenverarbeitung und Datenauswertung orientieren sich an den Angaben im Kapitel Methodik Abschnitt 2.3. Als Ergänzung zu diesem Abschnitt war zur weiterführenden Quantifizierung der Haltungs- und Bewegungscharakteristik zusätzlich Folgendes erforderlich: Berücksichtigung der zeitgleich eingenommenen Wirbelsäulenpositionen in der Sagittal- (SLI), Frontal- (FLI) und Horizontalebene (HLI) (Analyse multidimensional verdrehter und gebeugter Wirbelsäulenstellungen) Erhebung einer standardisierten Quantifizierung von Häufigkeit und Dauer der Isometriephasen sowie Häufigkeit, Dauer und Amplitude von Wirbelsäulenbewegungen mithilfe des entwickelten Softwarealgorithmus Berücksichtigung des arbeitszeitlich chronologischen Zusammenhangs multidimensional verdrehter und gebeugter Wirbelsäulenstellungen sowie statischer und dynamischer Arbeitshaltungen Die in diesen drei Aufzählungspunkten genannten Auswertungskriterien fanden bei der Datenauswertung und Ergebnisdarstellung der Tätigkeitsanalysen entsprechend Berücksichtigung.

67 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk Ergebnisse Alle Testteilnehmer beantworteten die Frage: Wie beurteilen Sie die Anforderungen des Arbeitstages im Verhältnis zu einem durchschnittlich anforderungsreichen Arbeitstag? mit durchschnittlich. Eine ebenfalls einheitliche Antwortausprägung ergab sich für die Frage: Haben Sie die Messsysteme bei Ausübung Ihre Tätigkeiten als störend empfunden? mit nein Sitzende Tätigkeit Büroarbeit Zur Einordnung der nachfolgend aufgeführten Wirbelsäulenpositionen wird zunächst in Tabelle 4-2 auf die in den Standardpositionen willkürlich maximal erreichten Bewegungsspektren verwiesen. Ein Abgleich mit den Histogrammdarstellungen (Abb. 4-1 u. Abb. 4-2) ermöglicht die deskriptive Einordnung der im Arbeitsverlauf eingenommen Wirbelsäulenpositionen. Die Berechnung der Längenindizes (SLI, FLI u. HLI) erfolgte unter Berücksichtigung der in aufrecht sitzender Position auf dem Arbeitsstuhl ermittelten Wirbelsäulensegmentlängen (s. auch 2.1.4). Tab. 4-2: In Standardpositionen willkürlich erreichte maximale Bewegungsamplituden. Bewegungsebenen Maximal willkürlich erreichtes Bewegungsspektrum Aufrecht Sitzen = 0 % HWS BWS LWS Sagittal (Extension/Flexion) -20 % / 34 % -13 % / 17 % -20 % / 32 % Frontal (links/rechts) -10 % / 12 % -16 % / 16 % -15 % / 14 % Horizontal (links/rechts) -17 % / 19 % -9 % / 11 % -20 % / 16 % Spektrum Wirbelsäulenpositionen in der Sagittalebene (SLI) Die in Abbildung 4-1 segmentbezogen dargestellten Wirbelsäulenpositionen kennzeichnen die am Arbeitstag unterschiedlich häufig eingenommenen Sitzhaltungen. Im LWS-Bereich konnte ein breit gefächertes Haltungsspektrum ermittelt werden: Zu 85 % der Arbeitszeit werden unterschiedlich ausgeprägte Flexionshaltungen eingenommen. Ein Vergleich mit den in Tabelle 4-2 dargestellten, willkürlich maximal erreichten Bewegungsamplituden verdeutlicht, dass zu 25 % der Arbeitszeit LWS-Flexionen von nahezu maximaler Ausprägung (SLI LWS 30 %) vorlagen. Das Haltungsprofil der BWS zeichnet sich durch ein aufrechtes Wertespektrum aus: 80 % der Arbeitszeit werden in einem SLI

68 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 68 BWS Spektrum von -5 % und 5 % verbracht. In 20 % der Arbeitszeit werden BWS-Flexionshaltungen submaximaler Amplitude eingenommen. Die Ausrichtung der HWS weist im Vergleich zur BWS ein breiteres Wertespektrum auf: 30 % der SLI HWS Werte liegen zwischen -5 % und 5 %. Zu 70 % der Arbeitszeit werden Flexionshaltungen von 5 % eingenommen, die jedoch nicht die maximal willkürlich einnehmbare HWS-Amplitude erreichen. Sagittale Wirbelsäulenpositionen Extension aufrecht Flexion 87$9)*+ 8(% 87$9)*+ 1(% 87$9)*+ &(% (7$622)*+ Abb. 4-1: Flexions- und Extensionspositionen (sagittal) der Wirbelsäulensegmente (Hals- [HWS], Brust- [BWS] und Lendenwirbelsäule [LWS]) während Übersetzungstätigkeiten. 0 entspricht einer aufrecht sitzenden Körperhaltung. Negative Werte kennzeichnen Extensionspositionen, positive Flexionspositionen.

69 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 69 Spektrum der Wirbelsäulenpositionen in der Frontal- (FLI) und Horizontalebene (HLI) Abbildung 4-2 zeigt das am Arbeitstag aufgezeichnete Wirbelsäulenhaltungsspektrum in der Frontal- und Horizontalebene. Seitneigungen (FLI) erfolgten in allen drei Wirbelsäulensegmenten zu 90 % der Arbeitszeit innerhalb eines Amplitudenspektrums von -5 % und 5 %. In Relation zum ermittelten, möglichen Bewegungsspektrum (Tab. 4-2) fallen die Abweichungen von der aufrechten Position (0) gering aus. Erkennbar ist, dass in etwa 25 % der Arbeitszeit die BWS eher nach rechts und die HWS eher nach links geneigt waren. Die durch die horizontale Oberkörperhaltung (HLI) charakterisierten Wirbelsäulenrotationen sind dem rechten Teil der Abbildung zu entnehmen. Während im HWS-Segment ein im Verhältnis zur Neutralposition (0) ausgeglichenes Tagesprofil vorzufinden ist, wurden im BWS- und LWS-Bereich zu 60 % bzw. 70 % der Arbeitszeit nach links rotierte Oberkörperhaltungen eingenommen. Frontale Wirbelsäulenpositionen Horizontale Wirbelsäulenpositionen links aufrecht rechts links aufrecht rechts 87$9)*+ 8(% 87$9)*+ 8(% 87$9)*+ 1(% 87$9)*+ 1(% 87$9)*+ &(% 87$9)*+ &(% (7$622)*+ (7$622)*+ Abb. 4-2: Seitneigungs- und Rotationspositionen der Wirbelsäulensegmente (Hals- [HWS], Brust- [BWS] und Lendenwirbelsäule [LWS]) während Übersetzungstätigkeiten. 0 entspricht einer aufrecht sitzenden Körperhaltung. Negative Werte kennzeichnen Seitneigungen nach links bzw. Linksrotationen; der positive Wertebereich summiert relative Anteile von Seitneigungspositionen nach rechts bzw. Positionen von Rechtsrotationen.

70 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 70 Charakteristik der Wirbelsäulenpositionen in der Sagittal- (SLI), Frontal- (FLI) und Horizontalebene (HLI) Zusammenfassend kann aus dem Wertespektrum der Ultraschalldaten (Wirbelsäulenpositionen am Arbeitstag) eine Rundrückenhaltung zu 70 % bis 80 % der Arbeitszeit rekonstruiert werden. Darüber hinaus können für den überwiegenden Teil der Arbeitszeit zusätzlich leicht asymmetrische Seitneigungspositionen (FLI) sowie eine vornehmlich nach links rotierte (HLI) Rumpfhaltung ermittelt werden. Wenngleich die unterschiedlichen Verteilungsbreiten auf eine wechselnde Dynamik schließen lassen können, ist eine quantitative Aussage hierzu auf Grundlage von Verteilungshistogrammen nicht möglich. Multidimensionale Haltungs- und Bewegungskombinationen Die weiterführende Analyse von Häufigkeit und Amplitude simultaner Bewegungs- und Haltungskombinationen ergab für alle Kombinationen (SLI + HLI, SLI + FLI u. HLI + FLI) sowie in allen Wirbelsäulensegmenten vergleichbare Anteile (Anhang B Tab. B-1 bis B-4). Zu etwa 50 % der Arbeitszeit erfolgten Haltungs- und Bewegungskombinationen von kleiner Amplitude (< 2%). Des Weiteren konnten für ca. 35 % bis 40 % der Arbeitszeit verdrehte und gebeugte Wirbelsäulenstellungen von mittlerer Amplitude ( 2 % bis < 6 %) ermittelt werden. Großamplitudige ( 6 % Amplitude) Haltungs- und Bewegungskombinationen traten in < 5 % der Arbeitszeit auf. Bewegungsanalyse Häufigkeit unterschiedlicher Bewegungsamplituden Die mithilfe des entwickelten Softwarealgorithmus ermittelten segmentalen Bewegungsamplituden unterschiedlicher Bewegungsrichtungen sind in Abbildung 4-3 dargestellt. Für die analysierte Bürotätigkeit konnten während der Arbeitszeit überwiegend minimale (0 % - 0,5 % Amplitude) Längenänderungen aufgezeichnet werden. Nennenswerte, nach außen sichtbare Bewegungen von mindestens 1 % Segmentlängenänderung pro Bewegung (s. auch 2.3), machten lediglich 10 % bis 20 % aller Wirbelsäulenbewegungen während der Arbeitszeit aus. Insbesondere im LWS-Bereich konnten in allen Bewegungsrichtungen (SLI, FLI u. HLI) nur wenige Bewegungen ( 1 % Amplitude) quantifiziert werden.

71 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 71 87$9)*+ 87$9)*+ 87$9)*+ / / / 1!$36$)%&'+ : : 36$5)*+ ; 8(% 1(% &(% 87$9)*+ 87$9)*+ 87$9)*+ / / / 1!$36$)0&'+ : : 36$5)*+ Abb. 4-3: Summierung aller am Arbeitstag ermittelten Bewegungsamplituden (Hals- [HWS], Brust- [BWS] und Lendenwirbelsäule [LWS]) (SLI, FLI, HLI). Zuordnung der Amplituden in Bewegungsbereiche (Amplituden-Klassen) von 0 % bis mehr als 6 % Segmentlängenänderung pro Bewegung. ; 8(% 1(% &(% 87$9)*+ 87$9)*+ 87$9)*+ / / / 1!$36$)8&'+ : : 36$5)*+ ; 8(% 1(% &(% In Ergänzung zeigt Tabelle 4-3 für die unterschiedlichen Wirbelsäulensegmente und Bewegungsrichtungen und im chronologischen Verlauf der Arbeitszeit hier auf zehn Perzentilgruppen verteilt die Anzahl an Bewegungen ( 2 % Amplitude) pro Minute. Es wird deutlich, dass Bewegungsaktivitäten insbesondere im Zusammenhang mit sagittalen HWS- und horizontalen BWS-Bewegungen aufgetreten sind (21 bzw. 24 Bewegungen pro Minute). Eine überwiegend niedrige Bewegungsfrequenz lässt sich für den gesamten LWS-Bereich dokumentieren (4 bis 7 Bewegungen pro Minute).

72 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 72 Tab. 4-3: Bewegungsfrequenz (Bewegungshäufigkeit pro Minute) einzelner Wirbelsäulensegmente (HWS, BWS u. LWS) und Bewegungsrichtungen (SLI, FLI u. HLI) im Perzentilgruppenbezogenen (Perz.), chronologischen Verlauf der Arbeitszeit (Arbz.). 10 % der analysierten Arbeitszeit entsprechen 42 Minuten. Anzahl Bewegungen ( 2 % Amplitude) pro Minute im chronologischen Arbeitszeitverlauf (Arbeitszeitperzentile) Arbz.- HWS (n/min) BWS (n/min) LWS (n/min) Perz. SLI FLI HLI SLI FLI HLI SLI FLI HLI 10. P P P P P P P P P P X ±SD 21,2±1,6 11,9±2,9 16,4±2,0 10,2±2,3 15,4±2,9 24,1±3,1 3,8±1,6 4,9±1,9 7,4±2,3

73 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 73 Anteil und Verhältnis von Wirbelsäulenbewegungen und Isometriephasen am Arbeitstag Die standardisierte Berechnung von Arbeitsphasen mit und ohne Wirbelsäulenbewegungen (s. auch 2.3) ergab für die analysierte Bürotätigkeit folgende Häufigkeitsverhältnisse (Tab. 4-4): Während 14 % bis 31 % des Arbeitstages fanden Wirbelsäulenbewegungen (kleiner Amplitude) statt. In 69 % bis 86 % wurde die Tätigkeit in sogenannten Dauerzwangshaltungen (Isometrie) ohne Wirbelsäulenbewegungen verrichtet. Lediglich für das HWS-Segment (SLI) konnte ein nahezu ausgeglichenes Verhältnis von Bewegungs- und Isometriephase ermittelt werden. Tab. 4-4: Relative Häufigkeit von Phasen mit und ohne (Isometriephasen) Wirbelsäulenbewegungen innerhalb einzelner Wirbelsäulensegmente und unterschiedlicher Körperebenen im Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit. Wirbelsäulensegment Index Körperebene Anteil Bewegungen Anteil Isometrie SLI 49 % 51 % HWS FLI 20 % 80 % HLI 25 % 75 % Gesamt 31,3 % 68,7 % SLI 20 % 80 % BWS FLI 24 % 76 % HLI 30 % 70 % Gesamt 24,7 % 75,3 % SLI 20 % 80 % LWS FLI 10 % 90 % HLI 13 % 87 % Gesamt 14,3 % 85,7 %

74 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 74 Tabelle 4-5 zeigt in Ergänzung zu den relativen Anteilen von Bewegung und Isometrie an der Gesamtarbeitszeit die durchschnittliche Dauer der Arbeitsphasen mit und ohne Bewegung. Zusammenfassend ergeben sich mittlere Bewegungsphasen von 1,4 bis 2,3 Sekunden Dauer. Die durchschnittliche Dauer der Isometriephasen liegt bei 3,1 bis 13,6 Sekunden. Besonders ausgeprägt sind die Phasen ohne Bewegung im LWS-Bereich. Die perzentilbezogene Verteilung der Verhältnisse von jeder einzelnen Isometriephasendauer zu der nachfolgenden Dauer der Bewegungsphase zeigt zusätzlich, dass lediglich 5 % der Verhältnisse von Isometrie- und Bewegungsphase des gesamten Arbeitstages ausgeglichen sind (s. auch 2.3). In der Hälfte der Fälle (Median der Verteilung) sind die Isometriephasen 5- (HWS) bis 15- (LWS) mal so lang wie die nachfolgenden Bewegungsphasen. Tab. 4-5: Mittlere Dauer ( X ) ± SD der Arbeitsphasen mit und ohne Wirbelsäulenbewegungen sowie Perzentilspektrum des Verhältnisses von Dauer (s) jeder einzelnen Isometriephase zur nachfolgenden Bewegungsphase. Aufteilung der Werte nach Körperebene und Wirbelsäulensegment (WS-Segment). WS- Segment HWS BWS LWS Index Körperebene Dauer (s) Bewegungen Dauer (s) Isometrie Verhältnis Isometrie/Bewegung X ±SD X ±SD Perzentile SLI 2,3±2,2 2,4±2,7 0,5 1,2 2,4 5,0 16,6 FLI 1,0±0,9 3,8±4,7 1,3 3,3 6,7 16,0 62,0 HLI 1,0±1,0 3,0±3,6 1,1 2,9 6,3 16,4 55,8 Gesamt 1,4±1,4 3,1±3,7 1,0 2,5 5,1 12,5 134,4 SLI 1,2±1,4 4,8±8,2 1,2 3,1 7,0 18,6 68,1 FLI 1,1±1,4 3,5±6,2 1,0 3,0 6,8 20,0 65,5 HLI 1,1±1,4 2,5±3,6 0,9 2,8 6,3 18,3 50,6 Gesamt 1,1±1,4 3,6±6,0 1,0 3,0 6,7 19,0 61,4 SLI 3,8±16,5 14,9±25,9 0,7 3,4 10,0 27,4 130,9 FLI 1,7±9,6 15,3±32,1 1,6 6,0 17,9 49,5 224,8 HLI 1,5±3,6 10,5±19,4 1,0 5,5 17,1 53,0 282,6 Gesamt 2,3±9,9 13,6±25,5 1,1 5,0 15,0 43,3 212,8

75 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 75 Aufgrund der überwiegend statischen Arbeitshaltung erfolgte die weiterführende Analyse der Wirbelsäulenpositionen während der Isometriephasen. Abbildung 4-4 zeigt in der Übersicht die Häufigkeit aller eingenommenen Oberkörperhaltungen im Verhältnis zur Gesamtdauer der Isometriephasen. Das vorliegende Verteilungsmuster charakterisiert die im Tagesverlauf eingenommene, statische Arbeitshaltung: SLI: leichte Flexionshaltung der HWS, BWS aufrecht, extreme Flexionsstellung der LWS in nahezu allen Isometriephasen FLI: nahezu aufrechte Körperhaltung in der Frontalebene HLI: leichte Linksrotation in HWS und BWS, Linksrotation LWS mittlerer Amplitude in mehr als 2/3 der Isometriephasen / '236)%&'+ / '236)0&'+ / '236)8&'+ #$)*+ 8(% #$)*+ 8(% #$)*+ 8(% / / / #$)*+ 1(% #$)*+ 1(% #$)*+ 1(% / / / #$)*+ (7$622)*+ &(% #$)*+ (7$622)*+ Abb. 4-4: Relative Dauer der Wirbelsäulenstellungen in den ermittelten Isometriephasen des gesamten Arbeitstages (Hals- [HWS], Brust- [BWS] und Lendenwirbelsäule [LWS]) (SLI, FLI, HLI). Negative Wertebereiche gehen mit einer Extensionshaltung (SLI), Seitneigung nach links (FLI) bzw. Rotation nach links (HLI) einher. Positive Wertebereiche mit der gegengleichen Haltungsposition. Der Wertebereich 0 entspricht einer neutralen, aufrechten Wirbelsäulenposition im Sitzen. &(% #$)*+ (7$622)*+ &(%

76 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 76 Zusammenfassung der Parameteranalysen zur Bürotätigkeit Die einleitend dargestellten Werteverteilungen geben einen zusammenfassenden Eindruck über das Haltungs- und Bewegungsspektrum der Tätigkeit. Weiterführende Ergebnisse zur statischen/dynamischen Charakteristik dieser Verteilungen ergeben sich durch die Parameter der Bewegungsanalyse. Hierbei konnte für die analysierte Übersetzungstätigkeit eine über den gesamten Arbeitstag ausgeprägte statische Körperhaltung in überwiegend eindimensionalen Abweichungen nur wenig ausgeprägte Haltungskombinationen von der aufrechten Oberkörperhaltung ermittelt werden. Kombinierte Körperhaltungen aus Flexion, Seitneigung und Rotation waren zu 10 % bis 30 % der Arbeitszeit von mittlerer Amplitude nachweisbar. Der hohe Anteil an Dauerzwangshaltungen wird zusätzlich durch die heterogenen Verhältnisse der Dauern von Isometriephasen vs. Bewegungsphasen gestützt: Im LWS-Segment waren im Mittel (Median) die Isometriephasen 15-mal länger ausgeprägt als die nachfolgenden Bewegungsphasen. Abschließend bietet das Haltungs- und Bewegungsprofil (Abb. 4-5) einen zusammenfassenden Überblick über die Hauptmerkmale der Körperhaltung sowie der Bewegungscharakteristik im zeitlichen Ablauf des Arbeitstages. Die in Chronologie des Arbeitstages für jedes 10. Zeitperzentil zusammengefassten Parameterausprägungen zeigen die Summe der durchschnittlichen Haltungskombinationen (SLI, FLI u. HLI) sowie die durchschnittliche Dauer der Haltungs- und Bewegungsphasen. Hierbei wird deutlich, dass die hohe zeitliche Dauer der Isometriephasen (Mittelwert aller Isometriephasen der einzelnen Perzentilzeiträume) im LWS-Bereich in allen Arbeitsphasen vorhanden war. Des Weiteren ist zu erkennen, dass ebenfalls im LWS-Bereich, eine zeitlich heterogene Ausprägung von Haltungskombinationen vorhanden war.

77 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 77 8$>1!$621?279 36$)*+ >- > #$)+ 8(% 36$)*+ #$)+ 1(% 36$)*+ #$)+ &(% < / /, ;, = = Abb. 4-5: Summe der am Arbeitstag durchschnittlich eingenommen Amplitude (%) von Haltungs- und Bewegungskombinationen in allen drei Körperebenen sowie segmentbezogene, durchschnittliche Dauer von Isometrie- und Bewegungsphasen. Zusammenfassung der Parameterausprägungen für jedes 10. Arbeitszeitperzentil. Die Daten sind als Mittelwert + SE dargestellt.

78 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk Bauhandwerk (I) Maurertätigkeit Die Datenanalyse einer Halbtagesschicht erfasste Mauertätigkeiten mit 2DF- Einhandsteinen (zweifaches Dünnformat, Kalksandstein ca. 5,6 kg), die am Boden und bis in einer Höhe von bis zu. 50 cm ausgeführt wurden. In Tabelle 4-6 sind zur Einordnung der im Arbeitsverlauf eingenommen Wirbelsäulenpositionen die in den Standardpositionen willkürlich maximal erreichten Bewegungsamplituden aufgeführt. Dies ermöglicht im Vergleich zu den Verteilungsdarstellungen (Abb. 4-6 & Abb. 4-8) die deskriptive Einteilung der beim Mauern eingenommen Wirbelsäulenpositionen. Als Referenzposition wurde die aufrecht stehende Körperhaltung verwendet und zur Berechnung der Längenindizes (SLI, FLI u. HLI) herangezogen (s. auch 2.1.4). Tab. 4-6: In Standardpositionen willkürlich erreichte maximale Bewegungsamplituden. Bewegungsebenen Maximal willkürlich erreichtes Bewegungsspektrum Aufrechtes Stehen = 0 % HWS BWS LWS Sagittal (Extension/Flexion) -27 % / 18 % -11 % / 16 % -15 % / 20 % Frontal (links/rechts) -19 % / 21 % -10 % / 15 % -16 % / 9 % Horizontal (links/rechts) -17 % / 25 % -18 % / 10 % -20 % / 16 % Spektrum Wirbelsäulenpositionen in der Sagittalebene (SLI) Die in Abbildung 4-6 segmentbezogen dargestellten Wirbelsäulenpositionen kennzeichnen die unterschiedlich häufig eingenommenen Arbeitshaltungen. Im LWS-Bereich wurden zu rund 80 % der Tätigkeit Flexionshaltungen ( 5 % Amplitude) eingenommen. Ein Vergleich mit den in Tabelle 4-6 dargestellten, willkürlich maximal erreichten Bewegungsamplituden verdeutlicht, dass zu 60 % der Tätigkeitsdauer LWS-Flexionen von nahezu maximaler Amplitude (SLI LWS 15 %) vorlagen. Das Haltungsprofil der BWS zeichnet sich durch ein aufrechtes Wertespektrum aus: 85 % der Tätigkeiten werden in einem SLI BWS Spektrum von -5 % und 5 % verrichtet. In 13 % der Arbeitszeit werden BWS- Flexionshaltungen submaximaler Amplitude eingenommen. Die Ausrichtung der HWS weist ein im Vergleich zur LWS nahezu diametrales Wertespektrum auf: In 85 % der Tätigkeitsdauer befindet sich die HWS in einer überstreckten Position ( -5 % Amplitude). Die zusätzlichen Informationen des Neigungssensors zeigen, dass die sagittale Oberkörperausrichtung in 75 % der Tätigkeiten deut-

79 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 79 lich nach ventral geneigt ist ( 20 Oberkörperneigung nach ISO 11226, s. auch Abb. 4-7). Sagittale Wirbelsäulenpositionen Extension aufrecht Flexion 87$9)*+ 8(% 87$9)*+ 1(% 87$9)*+ &(% 87$9)*+ aufrecht Extension Flexion (7$622)*+ Abb. 4-6: Flexions- und Extensionspositionen (sagittal) der Wirbelsäulensegmente (Hals- [HWS], Brust- [BWS] und Lendenwirbelsäule [LWS]) während Mauertätigkeiten. 0 entspricht einer aufrecht stehenden Körperhaltung. Negative Werte kennzeichnen Extensionspositionen, positive Flexionspositionen. 87$9)*+ Abb. 4-7: Verteilung der am Arbeitstag ermittelten Oberkörperneigungen in den nach ISO definierten Winkelbereichen. <

80 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 80 Spektrum der Wirbelsäulenpositionen in der Frontal- (FLI) und Horizontalebene (HLI) Seitneigungen (FLI) erfolgten zu 70 % bis 90 % der Tätigkeitsdauer innerhalb eines Amplitudenspektrums von -5 % und 5 % (Abb. 4-8). Insbesondere im LWS-Segment ist eine überwiegend einseitig frontale Körperhaltung zu erkennen: In etwa 80 % der Arbeitszeit ist die LWS nach links geneigt. Die durch die horizontale Oberkörperhaltung (HLI) charakterisierten Wirbelsäulenrotationen sind dem rechten Teil der Abbildung zu entnehmen. Während im HWS-Segment eine überwiegend (70 % der Tätigkeit) nach rechts verdrehte Haltung eingenommen wurde, ist für die BWS- und LWS-Segmente eine nach links rotierte Oberkörperhaltung zu erkennen (60 % bis 80 % der Tätigkeit). Frontale Wirbelsäulenpositionen Horizontale Wirbelsäulenpositionen links aufrecht rechts links aufrecht rechts 87$9)*+ 8(% 87$9)*+ 8(% 87$9)*+ 1(% 87$9)*+ 1(% 87$9)*+ &(% 87$9)*+ &(% (7$622)*+ (7$622)*+ Abb. 4-8: Seitneigungs- und Rotationspositionen der Wirbelsäulensegmente (Hals- [HWS], Brust- [BWS] und Lendenwirbelsäule [LWS]) während Maurertätigkeiten. 0 entspricht einer aufrecht stehenden Körperhaltung. Negative Werte kennzeichnen Seitneigungen nach links bzw. Linksrotationen; der positive Wertebereich summiert relative Anteile von Seitneigungspositionen nach rechts bzw. Positionen von Rechtsrotationen.

81 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 81 Charakteristik der Wirbelsäulenpositionen in der Sagittal- (SLI), Frontal- (FLI) und Horizontalebene (HLI) Zusammenfassend kann aus dem Wertespektrum der Ultraschalldaten (Wirbelsäulenpositionen am Arbeitstag) eine deutliche Flexionshaltung des Rumpfes mit überstreckter HWS-Postion für 85 % der Arbeitszeit rekonstruiert werden. Darüber hinaus traten für den überwiegenden Teil der Arbeitszeit zusätzlich seitgeneigte und verdrehte Arbeitshaltungen auf. Wenngleich die unterschiedlichen Verteilungsbreiten auf eine wechselnde Dynamik schließen lassen können, ist eine quantitative Aussage hierzu auf Grundlage dieser Daten noch nicht möglich. Multidimensionale Haltungs- und Bewegungskombinationen Die weiterführende Analyse von Häufigkeit und Amplitude simultaner Bewegungs- und Haltungskombinationen ergab für die Wirbelsäulensegmente HWS und LWS Haltungskombinationen von kleiner (ca. 20 % bis 30 % der Arbeitszeit), mittlerer (ca. 40 % bis 50 % der Arbeitszeit) und großer Amplitude (ca. 20 % bis 30 % der Arbeitszeit) (Anhang B: Tab. B-5 bis B-8). Im BWS-Segment traten überwiegen kleinamplitudige (ca. 50 % bis 60 % der Arbeitszeit) Kombinationen auf. Bewegungsanalyse Häufigkeit unterschiedlicher Bewegungsamplituden Abbildung 4-9 stellt die ermittelten Bewegungsamplituden unterschiedlicher Bewegungsrichtungen für die einzelnen Wirbelsäulensegmente dar. Wenngleich mit 40 % bis 60 % die häufigste Gruppenbelegung bei sehr klein amplitudigen Bewegungen (0 % - 0,5 % bzw. 0-3 Amplitude) zu verzeichnen ist, ergibt sich im Vergleich zur Bürotätigkeit ein deutlich heterogeneres Verteilungsmuster. Nach außen sichtbare Bewegungen von mindestens 1 % Längenänderung innerhalb eines Wirbelsäulensegmentes pro Bewegung machen zwischen 25 % bis 45 % aller Wirbelsäulenbewegungen aus. Hierbei konnten insbesondere für Seitneigungen und Rotationen Bewegungen größerer Amplitude ( 3 % Amplitude) quantifiziert werden.

82 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 82 87$9)*+ 87$9)*+ 87$9)*+ / / / 1!$36$)%&'+ : : ; 36$5)*+ 8(% 1(% &(% 87$9)*+ Abb. 4-9: Summierung aller am Arbeitstag ermittelten sagittalen Bewegungsamplituden (Hals- [HWS], Brust- [BWS] und Lendenwirbelsäule [LWS]) sowie der Winkelgradamplituden des Neigungssensors. Zuordnung der Amplituden in Bewegungsbereiche (Amplituden- Klassen) von 0 % bis mehr als 6 % Segmentlängenänderung pro Bewegung bzw. 0 bis mehr als 30 Winkelgradänderung pro Bewegung. / 1!$36$ )-$2+ ; 36$5).+ 87$9)*+ 87$9)*+ 87$9)*+ / / / 1!$36$)0&'+ : : ; 36$5)*+ 8(% 1(% &(% Abb. 4-10: Summierung aller am Arbeitstag ermittelten frontalen und horizontalen Bewegungsamplituden (Hals- [HWS], Brust- [BWS] und Lendenwirbelsäule [LWS]). Zuordnung der Amplituden in Bewegungsbereiche (Amplituden-Klassen) von 0 % bis mehr als 6 % Segmentlängenänderung pro Bewegung. 87$9)*+ 87$9)*+ 87$9)*+ / / / 1!$36$)8&'+ : : ; 36$5)*+ 8(% 1(% &(% Tabelle 4-7 zeigt im chronologischen Verlauf der Arbeitszeit hier auf zehn Perzentilgruppen verteilt für die unterschiedlichen Wirbelsäulensegmente und Bewegungsrichtungen die Anzahl an Bewegungen ( 2 % Amplitude) pro Minute. Bewegungsaktivitäten traten überwiegend als Frontal- und Horizontalakti-

83 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 83 onen (> 60 Bewegungen pro Minute) auf. Eine vergleichsweise niedrige Bewegungsfrequenz lässt sich für den sagittalen Aktionsraum (< 25 Bewegungen pro Minute) dokumentieren. Tab. 4-7: Bewegungsfrequenz (Bewegungshäufigkeit pro Minute) einzelner Wirbelsäulensegmente (HWS, BWS u. LWS) und Bewegungsrichtungen (SLI, FLI u. HLI) im Perzentilgruppenbezogenen (Perz.), chronologischen Verlauf der Arbeitszeit (Arbz.). 10 % der analysierten Arbeitszeit entsprechen 42 Minuten. Anzahl Bewegungen ( 2 % Amplitude) pro Minute im chronologischen Arbeitszeitverlauf (Arbeitszeitperzentile) Arbz.- HWS (n/min) BWS (n/min) LWS (n/min) Perz. SLI FLI HLI SLI FLI HLI SLI FLI HLI 10. P P P P P P P P P P X ± SD 16,4± 6,2 22,8± 11,8 62,2± 10,9 24,0± 3,9 69,6± 6,9 62,8± 5,6 19,0± 3,6 61,8± 21,3 63,0± 11,7 Anteil und Verhältnis von Wirbelsäulenbewegungen und Isometriephasen am Arbeitstag Wirbelsäulenbewegungen konnten für 38 % bis 74 % des Arbeitstages ermittelt werden; 26 % bis 62 % der Tätigkeit wurde in sogenannten Dauerzwangshaltungen (Isometrie) ohne Wirbelsäulenbewegungen verrichtet (Anhang B: Tab. B-9). Dauerzwangshaltungen wurden insbesondere im LWS-Bereich eingenommen. Die zu diesen Phasen korrespondierenden Wirbelsäulenpositionen können Abbildung 4-11 entnommen werden. In Ergänzung zeigt Tabelle 4-8 die durchschnittliche Dauer (s) der Arbeitsphasen mit und ohne Bewegung. Zusammenfassend ergeben sich mittlere Bewegungsphasen mit einer Dauer von 1,2 bis 6,1 Sekunden. Die durchschnittliche Dauer der Isometriephasen liegt bei 1,7 bis 1,9 Sekunden. Die perzentilbezogene Verteilung der Verhältnisse von jeder einzelnen Isometriephasendauer zu

84 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 84 der nachfolgenden Dauer der Bewegungsphase zeigt zusätzlich, dass weniger als die Hälfte dieser Verhältnisse durch eine längere Bewegungsphase gekennzeichnet sind. Im Mittel (Median der Verteilung) waren die Isometriephasen 2- (HWS) bis 5- (LWS) mal so lang wie die nachfolgenden Bewegungsphasen. Tab. 4-8: Mittlere Dauer ( X ) ± SD der Arbeitsphasen mit und ohne Wirbelsäulenbewegungen sowie Perzentilspektrum des Verhältnisses von Dauer (s) jeder einzelnen Isometriephase zur nachfolgenden Bewegungsphase. Aufteilung der Werte nach Körperebene und Wirbelsäulensegment (WS-Segment). WS- Segment HWS BWS LWS Index Körperebene Dauer (s) Bewegungen Dauer (s) Isometrie Verhältnis Isometrie/Bewegung X ±SD X ±SD Perzentile SLI 7,1±22,8 2,3±4,5 0,1 0,7 1,8 4,5 38,1 FLI 8,3±25,9 2,1±5,7 0,1 0,5 2,3 6,3 25,1 HLI 2,8±3,2 1,4±1,1 0,3 0,9 2,5 6,4 24,0 Gesamt 6,1±17,3 1,9±3,8 0,2 0,4 2,2 5,7 29,1 SLI 1,1±1,2 2,1±2,2 1,0 2,4 5,1 12,5 41,0 FLI 2,4±2,6 1,5±1,5 0,5 1,1 2,6 6,7 32,2 HLI 1,9±2,0 1,5±1,4 0,5 1,5 2,9 7,0 29,6 Gesamt 1,8±1,9 1,7±1,7 0,7 1,7 3,5 8,7 34,3 SLI 1,0±2,2 2,3±2,9 0,9 2,9 6,5 22,0 61,4 FLI 1,2±2,6 1,8±2,0 1,0 2,8 5,8 21,0 54,0 HLI 1,3±1,5 1,6±1,7 0,8 1,9 4,1 12,8 41,0 Gesamt 1,2±2,1 1,9±2,2 0,9 2,5 5,5 18,6 52,1

85 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 85 Aufgrund der insbesondere sagittal ausgeprägten statischen Arbeitshaltung sind in Abbildung 4-11 die Häufigkeiten der in Isometrie eingenommenen Oberkörperhaltungen (sagittal) zusammengefasst. Die Oberkörperhaltung in den statischen Arbeitsphasen ist überwiegend durch Folgendes charakterisiert: Starke Extensionshaltung der HWS, BWS aufrecht, extreme Flexionsstellung der LWS in nahezu allen Isometriephasen Extreme Oberkörperneigung: Vorneigung 20 in 90 % der Isometriephasen / '236)%&'+ #$)*+ #$)*+ / 8(% 1(% / / #$)*+ '23(7$622)*+ &(% #$)*+ ;C Abb. 4-11: Relative Dauer der sagittalen Wirbelsäulenstellungen sowie der Oberkörperneigung in den ermittelten Isometriephasen des gesamten Arbeitstages (Hals- [HWS], Brust- [BWS] und Lendenwirbelsäule [LWS]). Negative Wertebereiche gehen mit einer Extensionshaltung (SLI) und positive mit einer Flexionshaltung einher. Der Wertebereich 0 entspricht einer neutralen, aufrechten Wirbelsäulenposition im Stehen. Zusammenfassung der Parameteranalysen zur Maurertätigkeit Die analysierte Maurertätigkeit ist charakterisiert durch eine extreme sagittale Oberkörperhaltung: HWS überstreckt, LWS gebeugt und Oberkörper insgesamt stark (im Durchschnitt 50 bis 70 ) vorgeneigt. Multidimensionale Haltungskombinationen traten verstärkt im HWS- und LWS-Segment auf. Zusätzlich konnten insbesondere für den unteren Wirbelsäulenabschnitt ausgeprägte Phasen in Dauerzwangshaltungen ermittelt werden. Bewegungen erfolgten überwiegend im HWS-Segment sowie als Seitneigungs- bzw. Rotationsaktionen.

86 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 86 Das in Abbildung 4-12 dargestellte Haltungs- und Bewegungsprofil gibt einen zusammenfassenden Überblick über die Hauptmerkmale der Körperhaltung sowie der Bewegungscharakteristik im zeitlichen Ablauf des Arbeitstages. Die in zeitlicher Chronologie für jedes 10. Zeitperzentil zusammengefassten Parameterausprägungen zeigen die Summe der durchschnittlichen Haltungskombinationen (SLI, FLI u. HLI) sowie die durchschnittliche Dauer der Haltungs- und Bewegungsphasen. Hierbei wird deutlich, dass die grundlegenden Anforderungen (Summe der Haltungskombinationen, Dauer der Isometriephasen Dauer der Bewegungsphasen und Oberkörpervorneigung) für die Tätigkeit im beobachteten Zeitraum weitestgehend gleich bleibend sind. 8$>1!$62D$79 36$)*+ >- > #$)+ 8(% 36$)*+ #$)+ 1(% 36$)*+ #$)+ &(% < / /, ;, = = -$).+ / 1,# #$)+ < / /, ;, = = Abb. 4-12: Summe der am Arbeitstag durchschnittlich eingenommen Amplituden (%) von Haltungs- und Bewegungskombinationen in allen drei Körperebenen sowie die segmentbezogene durchschnittliche Dauer von Isometrie- und Bewegungsphasen. Zusammenfassung der Parameterausprägungen für jedes 10. Arbeitszeitperzentil. Die Daten sind als Mittelwert + SE dargestellt.

87 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk Bauhandwerk (II) Stahlbetonbautätigkeit Zur Einordnung der im Arbeitsverlauf (Auf- und Abbau von Ein-Mann-Verschalungen) eingenommen Oberkörper- und Wirbelsäulenpositionen zeigen die in Tabelle 4-9 aufgeführten, willkürlich maximal erreichten Bewegungsamplituden das individuelle Referenzspektrum. Die Berechnung der Längenindizes (SLI, FLI u. HLI) erfolgte unter Berücksichtigung der in aufrecht stehender Körperhaltung ermittelten Wirbelsäulensegmentlängen (s. auch 2.1.4). Tab. 4-9: In Standardpositionen willkürlich erreichte maximale Bewegungsamplituden. Bewegungsebenen Maximal willkürlich erreichtes Bewegungsspektrum Aufrechtes Stehen = 0 % HWS BWS LWS Sagittal (Extension/Flexion) -25 % / 20 % -12 % / 12 % -15 % / 25 % Frontal (links/rechts) -16 % / 17 % -18 % / 17 % -20 % / 16 % Horizontal (links/rechts) -27 % / 25 % -14 % / 15 % -10 % / 16 % Spektrum Wirbelsäulenpositionen in der Sagittalebene (SLI) Die in Abbildung 4-12 dargestellten Wirbelsäulenpositionen kennzeichnen ein insbesondere im HWS- und LWS-Bereich breit gefächertes Spektrum an Arbeitshaltungen: Neben einigen extrem überstreckten HWS-Positionen verteilen sich die übrigen Werte vergleichbar um die Referenzposition (0-Punkt). Im BWS-Bereich ist ebenfalls ein homogen verteiltes, jedoch wesentlich weniger ausdifferenziertes Haltungsspektrum zu erkennen. Die LWS-Positionen sind nahezu diametral zum Haltungsspektrum der HWS ausgeprägt: Zu 50 % der Tätigkeit befand sich die LWS in einer Extensionsposition. Deutliche Flexionshaltungen (SBI LWS 15 %) wurden zu 25 % der Montagedauer eingenommen. Die Daten zur Oberkörperneigung zeigen, dass jeweils etwa 25 % der Montagetätigkeiten in zurück geneigter ( -5 ) bzw. vorgeneigter ( 20 ) Rumpfhaltung verrichtet wurden (s. auch Abb. 4-13).

88 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 88 Sagittale Wirbelsäulenpositionen Extension aufrecht Flexion 87$9)*+ 8(% 87$9)*+ 1(% 87$9)*+ &(% 87$9)*+ aufrecht Extension Flexion (7$622)*+ Abb. 4-12: Flexions- und Extensionspositionen (sagittal) der Wirbelsäulensegmente (Hals- [HWS], Brust- [BWS] und Lendenwirbelsäule [LWS]) während Verschalungsarbeiten eines Stahlbetonbauers. 0 entspricht einer aufrecht stehenden Körperhaltung. Negative Werte kennzeichnen Extensionspositionen, positive Flexionspositionen. 87$9)*+ Abb. 4-13: Verteilung der am Arbeitstag ermittelten Oberkörperneigungen in den nach ISO definierten Winkelbereichen. <

89 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 89 Spektrum der Wirbelsäulenpositionen in der Frontal- (FLI) und Horizontalebene (HLI) Für den Abschnitt der HWS konnte sowohl in der Frontal- als auch in der Horizontalebene ein um den Nullpunkt homogen verteiltes Wertespektrum ermittelt werden. Im BWS-Bereich lagen hingegen überwiegend (80 % bzw. 70 %) Seitneigungen (FLI) nach links bzw. Linksrotationen vor. In vergleichbarer Häufigkeit war die LWS gegengleich hierzu ausgerichtet: 70 % der Montagetätigkeiten wurden in Seitneigungen nach rechts bzw. 73 % in Rechtsrotationen verrichtet (Abb. 4-14). Frontale Wirbelsäulenpositionen Horizontale Wirbelsäulenpositionen links aufrecht rechts links aufrecht rechts 87$9)*+ 8(% 87$9)*+ 8(% 87$9)*+ 1(% 87$9)*+ 1(% 87$9)*+ &(% 87$9)*+ &(% (7$622)*+ (7$622)*+ Abb. 4-14: Seitneigungs- und Rotationspositionen der Wirbelsäulensegmente (Hals- [HWS], Brust- [BWS] und Lendenwirbelsäule [LWS]) während Verschalungsarbeiten eines Stahlbetonbauers. 0 entspricht einer aufrecht stehenden Körperhaltung. Negative Werte kennzeichnen Seitneigungen nach links bzw. Linksrotationen; der positive Wertebereich summiert den relativen Anteil von Seitneigungspositionen nach rechts bzw. Positionen von Rechtsrotationen. Charakteristik der Wirbelsäulenpositionen in der Sagittal- (SLI), Frontal- (FLI) und Horizontalebene (HLI) Aus dem ermittelten Wertespektrum der Ultraschalldaten (Wirbelsäulenpositionen am Arbeitstag) kann anhand des vorliegenden Profils keine Hauptarbeitsposition benannt werden. Vielmehr deuten die teilweise breit gefächerten Werteverteilungen auf einen vermehrt dynamischen Arbeitsprozess in vielfälti-

90 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 90 gen Tätigkeitspositionen hin. Darüber hinaus ist dem in Abbildung 4-14 dargestelltem Verteilungsmuster von Lateralflexionen und Rotationen eine im Vergleich zur aufrechten Körperposition asymmetrische Arbeitshaltung zu entnehmen. Multidimensionale Haltungs- und Bewegungskombinationen Die Analyse simultaner Bewegungs- und Haltungskombinationen ergab eine heterogene Werteverteilung zwischen den Segmenten HWS/LWS und BWS (Anhang B: Tab. B-10 bis B-13): Im Bereich von HWS und LWS konnten zu ca. 50 % bis 60 % der Arbeitszeit kleinamplitudige (< 2 % Amplitude) und zu ca. 30 % bis 40 % Kombinationen mittlerer Amplitude ( 2 % und < 6 %) erfasst werden. Im Abschnitt der BWS waren etwa 70 % der Kombination von kleiner und ca. 25 % bis 30 % von mittlerer Amplitude. Großamplitudige Kombinationen von Wirbelsäulenbewegungen traten im gesamten Bereich der Wirbelsäule nur selten auf (1 % bis 10 % der Arbeitszeit). Bewegungsanalyse Häufigkeit unterschiedlicher Bewegungsamplituden Bewegungen von 1 % Amplitude waren in der gesamten Arbeitszeit die häufigsten Haltungsänderungen der Wirbelsäule. Großamplitudige Bewegungen ( 3 % Amplitude) machten etwa ein Drittel des gesamten Arbeitsablaufes aus und traten gehäuft im HWS- und LWS-Bereich auf (Anhang B: Abb. B-1 & B-2). Die im chronologischen Verlauf der Arbeitszeit hier auf zehn Perzentilgruppen verteilt ermittelten Bewegungshäufigkeiten ( 2 % Amplitude) ergab, dass im Durchschnitt zwischen 60 und 111 Bewegungen pro Minute durchgeführt wurden (Anhang B: Tab. B-14). Lediglich für den BWS-Bereich (SLI) konnte eine vergleichsweise niedrigere Bewegungsfrequenz (30/min) ermittelt werden. Anteil und Verhältnis von Wirbelsäulenbewegungen und Isometriephasen am Arbeitstag Die standardisierte Berechnung von Arbeitsphasen mit und ohne Wirbelsäulenbewegungen ergab für die analysierte Montagetätigkeit folgende Häufigkeitsverhältnisse (Anhang B: Tab. B-15): 71 % bis 90 % der Tätigkeiten erfolgten mit

91 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 91 Wirbelsäulenbewegungen 10 % bis 29 % der Tätigkeiten wurden entsprechend in statischer Oberkörperhaltung verrichtet. Die häufigste Aktivität kann für den HWS-Bereich, die verhältnismäßig geringste Aktivität für Rotationsbewegungen im LWS-Bereich dokumentiert werden. Die Abbildung der in Isometrie eingenommenen Körperhaltungen erfolgt aufgrund der untergeordneten Relevanz (geringe Häufigkeit und Dauer) bei dieser Tätigkeit nicht. Tabelle 4-10 zeigt in Ergänzung zu den relativen Anteilen von Bewegung und Isometrie an der Gesamtarbeitszeit die durchschnittliche Dauer (s) der Arbeitsphasen mit und ohne Bewegung. Zusammenfassend ergeben sich mittlere Bewegungsphasen mit einer Dauer von 5,3 bis 11,0 Sekunden. Die durchschnittliche Dauer der Isometriephasen liegt bei 1,2 bis 1,4 Sekunden. Die perzentilbezogene Verteilung der Verhältnisse von jeder einzelnen Isometriephasendauer zu der nachfolgenden Dauer der Bewegungsphase zeigt zusätzlich, dass etwa die Hälfte dieser Verhältnisse durch eine vergleichbar lange Isometriephase und Bewegungsphase gekennzeichnet sind. In 5 % (95. Perzentil) der Tätigkeitsdauer waren die Isometriephasen mit einer 7,4- bis 16,7- mal größeren Länge ausgedehnter als die anschließenden Bewegungsphasen. Hierbei sind die Häufigkeitsverhältnisse der Isometrie- und Bewegungsphasen (s. vorherigen Abschnitt) zu berücksichtigen. Tab. 4-10: Mittlere Dauer ( X ) ± SD der Arbeitsphasen mit und ohne Wirbelsäulenbewegungen sowie das Perzentilspektrum des Verhältnisses von Dauer (s) jeder einzelnen Isometriephase zur nachfolgenden Bewegungsphase. Aufteilung der Werte nach Körperebene und Wirbelsäulensegment (WS-Segment). WS- Segment HWS BWS LWS Index Körperebene Dauer (s) Bewegungen Dauer (s) Isometrie Verhältnis Isometrie/Bewegung Perzentile X ±SD X ±SD SLI 10,2±13,1 1,3±1,1 0,1 0,4 1,1 2,4 7,4 FLI 10,8±14,1 1,2±1,0 0,1 0,5 1,6 3,8 10,3 HLI 11,9±18,7 1,2±0,8 0,1 0,4 1,0 1,9 4,6 Gesamt 11,0±15,3 1,2±1,0 0,1 0,4 1,2 2,7 7,4 SLI 3,4±3,7 1,6±1,6 0,3 0,8 2,1 4,6 15,9 FLI 5,2±7,1 1,4±1,3 0,2 0,7 1,6 4,0 12,0 HLI 7,2±9,1 1,2±1,1 0,1 0,4 1,0 4,0 17,5 Gesamt 5,3±6,6 1,4±1,3 0,2 0,6 1,6 4,2 15,1 SLI 10,4±15,8 1,4±1,4 0,1 0,5 2,1 5,0 27,5 FLI 9,1±13,3 1,3±1,4 0,2 0,4 1,1 2,9 11,6 HLI 10,4±15,8 1,4±1,4 0,1 0,6 1,1 2,9 11,1 Gesamt 10,0±15,0 1,4±1,4 0,1 0,5 1,4 3,6 16,7

92 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 92 Zusammenfassung der Parameteranalysen zur Montagetätigkeit Die analysierte Montagetätigkeit eines Stahlbetonbauers ist charakterisiert durch ein breit gefächertes und überwiegend dynamisches Spektrum an Wirbelsäulenpositionen. Die in teilweise extremer und verdrehter Oberkörperhaltung durchgeführten Tätigkeiten sowie die Lastenhandhabung von bis zu 54 kg, stellen besondere Belastungsmerkmale dar. Multidimensionale Haltungskombinationen traten verstärkt im LWS-Segment auf. Der überwiegende Tätigkeitsablauf erfolgte hoch repetitiv in teilweise großamplitudiger Bewegung und bei gleichzeitiger Lastenhandhabung. Das in Abbildung B-3 (Anhang B) dargestellte Haltungs- und Bewegungsprofil gibt einen zusammenfassenden Überblick über die Hauptmerkmale der Körperhaltung sowie die Bewegungscharakteristik im zeitlichen Ablauf des Arbeitstages. Die in zeitlicher Chronologie für jedes 10. Zeitperzentil zusammengefassten Parameterausprägungen zeigen die Summe der durchschnittlichen Haltungskombinationen (SLI, FLI u. HLI) sowie die durchschnittliche Dauer der Haltungs- und Bewegungsphasen. Hierbei wird deutlich, dass die grundlegenden Anforderungen (Summe der Haltungskombinationen, Dauer der Isometriephasen Dauer der Bewegungsphasen und Oberkörpervorneigung) für die Tätigkeit im beobachteten Zeitraum lediglich im BWS-Bereich weitestgehend gleich bleibend waren. Insbesondere die durchschnittliche Bewegungsdauer sowie das Ausmaß an kombinierten Wirbelsäulenpositionen variierten im HWSund LWS-Segment in Abhängigkeit der Tätigkeitsanforderungen.

93 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk Ergebnisdiskussion und Bewertungsschema Die vorliegenden Ergebnisse der zweiten Studie dokumentieren die vielseitige Anwendbarkeit der Methode sowohl bei sitzenden als auch bei stehenden und dynamischen Tätigkeiten. Neben einer häufigkeitsbezogenen Darstellung von Wirbelsäulenpositionen und Oberkörperhaltungen können auch Dauer und Amplitude multidimensional verdrehter Wirbelsäulenpositionen quantifiziert werden. Des Weiteren ermöglicht die Bewegungsanalyse eine standardisierte Dokumentation von statischen und dynamischen Tätigkeitsanteilen. Hierdurch ist es u. a. möglich die Dauer und Häufigkeit der Isometrie sowie Amplitude, Frequenz und Dauer repetitiver Wirbelsäulenaktivitäten im Laufe des Arbeitstages zu ermitteln. Sämtliche Informationen können sowohl den einzelnen Wirbelsäulensegmenten (HWS, BWS und LWS) als auch den unterschiedlichen Bewegungsebenen (Sagittal-, Frontal- und Horizontalebene) zugeordnet werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit mithilfe zeitlich aufgelöster Datenauswertungen (Bewertung der Daten innerhalb definierten Arbeitszeitperzentile) Veränderungen bzw. Besonderheiten im Haltungs- und Bewegungsprofil der Wirbelsäule bzw. des Oberkörpers im Tätigkeitsverlauf bewerten zu können. Aufgrund des exemplarischen Untersuchungscharakters (Einzelfallstudie) sowie der Analyse ausgewählter Tätigkeiten können die Daten nicht für eine generalisierte, berufsgruppenbezogene Bewertung verwendet werden. Trotz dieser Limitierungen sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass die explorativen Untersuchungen notwendige Hinweise auf die Möglichkeiten des entwickelten Verfahrens geben und eine Zuordnung individueller, objektiver Belastungsindikatoren auf Grundlage arbeitsmedizinischer Belastungsnormativen ermöglichen.

94 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk Sitzende Tätigkeit Bürotätigkeit Die durchgeführte Tätigkeitsanalyse hat gezeigt, dass bei PC-gebundenen Schreibtischtätigkeiten auffällige Wirbelsäulenstellungen (Abweichungen von der Neutral-Null-Position) in allen Körperebenen vorhanden sein können. Sagittal auffällig waren die Flexionspositionen der HWS von niedriger bis mittlerer Amplitude (Referenz: aufrechte Position vs. max. Flexion) sowie die starken bis sehr starken Flexionspositionen der LWS zu etwa 80 % der Arbeitszeit. Zusätzlich können asymmetrische (Referenz: aufrechte Position) Lateralflexionspositionen im Bereich der HWS und BWS sowie asymmetrische Rotationspositionen im Bereich der BWS und LWS dokumentiert werden. Eine vergleichbar detaillierte Beschreibung (Wirbelsäulensegment und Körperebene), die ausschließlich die Hauptarbeitsposition dokumentiert, liegt bisher zu sitzenden Tätigkeiten nicht vor, obwohl die Oberkörperhaltung als zentraler Belastungsindikator sitzender Tätigkeiten benannt wird [119, 150]. Aufgrund fehlender Analysemethoden für sitzende Berufsgruppen mangelt es an messtechnischen Vergleichsdaten. Die überwiegend mittels Beobachtung und Befragung erhobenen Studiendaten können daher eher schematische Referenzdaten bereitstellen. Grundsätzlich wird eine neutrale, aufrechte Sitzhaltung als belastungsarm eingestuft [75]. Die Belastung passiver und aktiver Wirbelsäulenstrukturen wird in dieser Oberkörperhaltung als gering angenommen. Hierbei wird u. a. auf den Kompressionsdruck der Bandscheiben Bezug genommen, der in einer aufrechten Oberkörperposition gleichmäßig verteilt ist und verhältnismäßig niedrig ausfällt [37, 147]. Unter Annahme einer günstigen, aufrechten Körperhaltung können für die exemplarisch erfassten Arbeitspositionen erste Belastungsindikatoren benannt werden: Abweichungen von der Neutral-Null-Position können nach Ausprägung, Wirbelsäulensegment und Körperebene quantifiziert werden. Neben der eindimensionalen Haltungscharakteristik liegen auch Kenngrößen über mehrdimensionale Haltungs- und Bewegungskombinationen vor. Dieser häufig als ungünstige Körperhaltung benannte Faktor gilt als zusätzlicher Belastungsindikator von Arbeitstätigkeiten [121, 149]. Einzelne Ausführungen charakterisieren insbesondere das zeitgleiche Auftreten von deklinierten und torquierten Wirbelsäulenstellungen als mehrdimensionale Haltungskombination [39]. Als besonderer Belastungsschwerpunkt wird im Zusammenhang mit ungünstigen Körperhaltungen insbesondere die Bandscheibe betrachtet.

95 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 95 Aufgrund der exzentrischen Belastung der Bandscheibenstrukturen, können durch impulsartige Lasteinwirkungen oder Haltungsänderungen akute Schädigungen auftreten oder durch langfristige moderate Einwirkungen (kumulative Belastungsdosis) degenerative Veränderungen durch Mikrotraumata begünstigt werden [71]. Mit Blick auf Häufigkeit, Amplitude und Lokalisation dieser ungünstigen Wirbelsäulenstellungen werden jedoch häufig kaum Präzisierungen zu diesem Sammelbegriff vorgenommen. In der überwiegenden Anzahl der Literaturbeiträge wird der Rücken als statisches Gesamtobjekt betrachtet oder die Angaben zu ungünstigen Körperhaltungen fokussieren ausschließlich auf isolierte Wirbelsäulensegmente ( back pain, low back pain oder neck pain ). Für die vorliegenden Untersuchungsdaten können zu etwa 40 % der Arbeitszeit Haltungskombinationen von einem Bewegungsausmaß mittlerer Amplitude konstatiert werden. Der Belastungsindikator multidimensionaler Haltungs- und Bewegungskombinationen scheint daher, am Beispiel der exemplarischen Untersuchung, ein beachtenswerter Faktor für Schreibtischtätigkeiten zu sein. Als weitere Belastungskenngrößen werden kinematische Parameter wie Dynamik (Repetivität) und Statik (Isometrie) der Wirbelsäule bzw. des Oberkörpers genannt. Allerdings liegen auch für diese Faktoren kaum messtechnische Datengrundlagen vor. Einzelne Beobachtungsverfahren berücksichtigen zwar das Mitzählen (Strichliste) von Bewegungen und Haltungen [94, 160, 163], jedoch erfüllt dieses Vorgehen weder wissenschaftliche Gütekriterien noch können Differenzierungen hinsichtlich Bewegungsamplitude, Wirbelsäulensegment und Körperebene vorgenommenen werden. Veröffentlichungen zur Quantifizierung von Isometriephasen wurden nicht gefunden. Trotz einer fehlenden spezifischen evidenzbasierten Grundlage werden nahezu einstimmig eine augenscheinlich hohe sowie eine niedrige Bewegungsaktivität als Wirbelsäulenbelastung angenommen [10, 126, 146]. Aufgrund bestehender arbeitsphysiologischer Grundlagen zur Muskelermüdung [142, 143, 162] scheint diese Annahme durchaus plausibel. Insbesondere wird eine statische Haltearbeit von mehr als 15 % der Maximalkraft (MVC) als ungünstig bewertet, da es zu einer kompressionsbedingten Okklusion der Blutgefäße kommt. Infolge einer andauernden Haltearbeit (Isometrie/Zwangshaltung) erfolgt eine Akkumulation von anaeroben Stoffwechselendprodukten, die über entsprechende Muskelrezeptoren zur Aktivierung des Kreislaufzentrums führen bzw. an der Weiterleitung von

96 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 96 Schmerzinformationen beteiligt sind [12]. Ebenfalls ermüdend wirken sich dynamische (repetitive) Tätigkeiten aus, wenn keine der Belastung entsprechenden Pausen (Pausen-/Belastungs-Verhältnis) erfolgen [143]. Darüber hinaus zeigen weitere Studien, dass es im Zusammenhang mit ermüdenden Muskeltätigkeiten bzw. einseitigen Körperhaltungen zu Flüssigkeitsverschiebungen und Konzentrationsänderungen im extrazellulären Raum kommen kann. Diese Veränderungen können offenbar durch entsprechende Nervenendigungen (Chemo- und Mechanorezeptoren) langsamer Nervenfasern (Gruppe III u. IV) im Interstitium registriert werden. Infolge der resultierenden afferenten Antwort kann es zur Übertragung von Schmerzinformationen an das zentrale Nervensystem kommen [12, 51]. Mit Blick auf die durchgeführten Belastungsanalysen konnte für die Schreibtischtätigkeit eine überwiegend (70 % - 90 % der Arbeitszeit) niedrige Aktivität ermittelt werden. Die hieraus resultierende Dauerzwangshaltung war insbesondere im BWS und LWS Bereich zu verzeichnen. Für die HWS war der Anteil zwischen Bewegungs- und Isometrieanteilen nahezu ausgeglichen. Als Belastungsfaktor kann neben der Isometrie im Bereich der LWS zusätzlich die extreme Flexion in diesen Phasen aufsummiert werden. Des Weiteren kommt hinzu, dass die wenigen vorhandenen Bewegungsphasen nur von kurzer Dauer (1,5 bis 3,8 Sekunden) waren. Die unmittelbar vorangegangene Zwangshaltung war im Mittel mehr als 10-mal so lang. Mit Blick auf die pathophysiologischen Folgen statischer Belastungen in ungünstiger Körperhaltung kann von einer Beeinträchtigung des Stoffwechsels im Bandscheibengewebe ausgegangen werden [31]. Hierbei kann es in der Folge zu einer erheblichen ph-wert-verschiebung und entsprechend saurem Milieu kommen, welches zytolytisch wirkende Enzyme aktiviert [31]. Hält dieser Zustand länger an bzw. tritt gehäuft auf, werden degenerative Prozesse beschleunigt und regenerative Eigenschaften gehemmt [52]. Degenerativ veränderte Bandscheibenstrukturen (pathologische Läsionen) können darüber hinaus das Einwachsen von nozizeptiven Nervenendigungen begünstigen, und damit an der Entstehung von Rückenschmerzen beteiligt sein [138]. Aufgrund der genannten möglichen Auswirkungen, kommt der Ausprägung von Dauerzwangshaltungen, Phasen mit hoher Repetivität sowie dem Pausen-/Belastungs-Verhältnis eine tragen Rolle in der Belastungsbewertung von Haltung und Bewegung der Wirbelsäule zu.

97 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 97 Mit Blick auf die Bewertung tageszeitlicher Schwankungen in der Tätigkeitsanforderung fehlen ebenfalls vergleichbare Untersuchungsansätze. Dies scheint jedoch erforderlich, da in einer Summenbetrachtung eines 8-Stunden-Arbeitstages gegebenenfalls einzelne Belastungsspitzen nicht zu erkennen sind. Insbesondere bei wechselnden Tätigkeitsanforderungen kann eine zeitliche Auflösung der Datenanalyse weitere wichtige Erkenntnisse liefern. Am Beispiel der durchgeführten Studie lassen sich bezogen auf 10 gleich große Zeitbereiche (jeweils 10 % der Arbeitszeit) kaum systematische Änderungen in der Belastungscharakteristik erkennen. Lediglich im LWS-Segment können phasenweise sehr ausgeprägte Phasen der Isometrie auftreten, die in der Summenbetrachtung zunächst unerkannt blieben. Bewertungsschema Unter Berücksichtigung arbeits- und leistungsphysiologischer Grundlagen können die mithilfe des neuen Messsystems gewonnen Kenngrößen in ein standardisiertes Bewertungsschema überführt werden. Somit kann die Vielzahl der Parameter in einer strukturierten und inhaltlich ausgerichteten Bewertung zusammengefasst werden. Ein solcher Bewertungsansatz bietet darüber hinaus die Möglichkeit, bei größeren Fallzahlen die tätigkeitsspezifische Belastungscharakteristik von individuellen Belastungsmerkmalen zu unterscheiden.

98 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 98 Zusammenfassend können auf Grundlage der exemplarischen Datenerhebung folgende Belastungsindikatoren bei Schreibtischtätigkeiten auftreten: Schematische Belastungsindikatoren Asymmetrien in der Hauptarbeitsposition können in Abhängigkeit der Lokalisation (Wirbelsäulensegment und Körperebene) ein mittlerer bis stark ausgeprägter Belastungsindikator sein. Multidimensionale Haltungs- und Bewegungskombinationen können als Belastungsindikator mittlerer Intensität auftreten. Kinematische Belastungsindikatoren Isometrie stellt einen starken Belastungsindikator dar. Repetivität stellt keinen nennenswerten Belastungsindikator dar. Isometrie und Asymmetrien stellen starke Belastungsindikatoren im lumbalen Abschnitt dar. Pausen-/Belastungs-Verhältnis stellt einen starken Belastungsindikator dar (Dauerzwangshaltung). Arbeitszeitbezogene Belastungsindikatoren Für den LWS-Bereich können teilweise lange Phasen in Isometrie auftreten. Lastenhandhabung Kein Belastungsindikator. Wenngleich das Verfahren keine Parameter zur Lastenhandhabung liefert, konnten im gesamten Tätigkeitsverlauf keine Lastenhandhabungen beobachtet werden. Derzeit kann davon ausgegangen werden, dass das zeitgleiche Auftreten mehrerer Belastungsindikatoren zu einer kumulierten Belastungsdosis führt [74, 102, 136]. Anhand der vorliegenden Datenstruktur sowie bestehender Belastungsattribuierungen ist eine Zuordnung besonders betroffener Wirbelsäulenabschnitte möglich. Für die analysierte Bürotätigkeit scheinen auf den LWS- Abschnitt die meisten und am stärksten ausgeprägten Belastungsindikatoren zu entfallen.

99 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk Bauhandwerk (I) Maurertätigkeit Maurertätigkeiten wurden bereits zahlreich im Rahmen von Rückenschmerzoder Berufsbelastungsstudien mit unterschiedlichen Verfahren (Messung, Befragung und Beobachtung) analysiert. Zusammenfassend erfolgte eine Belastungskennzeichnung aufgrund von Lastenhandhabungen (Steine und Mörtel), einer zeitlich und räumlich ausgeprägten Rumpfvorneigung bzw. in Kombination mit verdrehten Körperhaltungen (ungünstige Körperhaltung), einer knienden Arbeitshaltung sowie der häufig und lang andauernden Einnahme der gleichen Arbeitshaltung (Zwangshaltung) [65, 107]. Angaben zu Anteilen der Belastungskenngrößen am Arbeitstag (Belastungsdosis) konnten jedoch auf Basis der überwiegend unspezifischen Datenerhebungen (Befragung, Beobachtung) nur ansatzweise getätigt werden [80]. Ebenso fehlt es an definierten Zuordnungen belasteter Strukturen: In der Regel wird unspezifisch der Rücken oder der untere Rücken zur Lokalisation angegeben. Auf Grundlage der ermittelten Studienergebnisse kann für die exemplarisch erfasste Maurertätigkeit eine sagittal extrem asymmetrische Oberkörper- und Wirbelsäulenstellung dokumentiert werden. Etwa 80 % der Tätigkeit wird in Anlehnung zur ISO [85] in starker bzw. extremer Rumpfneigung ( 20 bzw. 60 ) verrichtet. Darüber hinaus fällt eine starke LWS-Flexion und zur kompensatorischen Ausrichtung des Kopfes eine starke HWS-Extension auf. Insbesondere im LWS-Bereich kommen zusätzlich asymmetrisch verteilte Seitneigungs- und Rotationspositionen zum Belastungsindikator ungünstige Körperhaltung hinzu. In Ergänzung zu den in der Literatur häufig für den LWS- Bereich undifferenziert beschriebenen Haltungsfaktoren ( starke Deklination und Torsion ), kommt der auffälligen HWS-Stellung, am Beispiel der Einzelfallbeschreibung, eine zusätzliche Bedeutung in der Lokalisation der Belastungsschwerpunkte zu. Der deutliche Zusammenhang zwischen extremen Haltungen der HWS und resultierenden Beschwerden in der Schulter- Nackenregion konnte durch die Übersichtsarbeit von Bernard [14] aufgezeigt werden. Multidimensionale Haltungs- und Bewegungskombinationen, als weiterer Belastungsindikator ungünstiger Körperhaltungen, nehmen mit einen Anteil von 70 % bis 80 % der Tätigkeitsdauer einen hohen Stellenwert in der Belastungsbewertung ein. Besonders häufig waren diese kombinierten Haltungen im Bereich der HWS und LWS zu finden. Zahlreiche Studien verweisen ebenfalls

100 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 100 auf verdrehte Körperhaltungen als Belastungsfaktor von Bauhandwerkern [13, 30, 66, 149]. Überwiegend mangelt es jedoch an einer Präzisierung (Häufigkeit, Lokalisation, Intensität) dieser Kenngrößen. Auf die möglichen gravierenden pathophysiologischen Auswirkungen wurde bereits im Abschnitt hingewiesen. Mit Blick auf die kinematischen Belastungsindikatoren kann im Vergleich zur Bürotätigkeit erwartungsgemäß eine bis zu 12-mal stärkere Bewegungshäufigkeit ausgemacht werden. Allerdings verteilten sich die meisten Aktionen auf Seitneigungs- und Rotationsbewegungen. Einen unerwartet hohen Anteil (65 % bzw. 70 %) machten die sagittalen (BWS und LWS) Dauerzwangshaltungen (Isometrie) aus. In diesen Phasen wurde überwiegend eine starke LWS-Flexion und Rumpfvorneigung eingenommen. Mit Blick auf die bereits im vorherigen Abschnitt (4.4.1) erwähnte Pausen-/Belastungs-Relation, kann es bei zu kurzen Pausenintervallen und entsprechender Dauerhaltearbeit in deklinierter Oberkörperhaltung zu einer vorzeitigen Muskelermüdung (MVC > 15 %) und Akkumulation anaerober Stoffwechselendprodukte mit den genannten ungünstigen mechanischen und histochemischen Reaktionen kommen. Aufgrund der exponentiell verlaufenden Erholungsfunktion führen insbesondere regelmäßige, kurze Belastungsunterbrechungen zu deutlichen Erholungseffekten [95]. Am Beispiel der Studienbefunde scheint der stark geneigten Oberkörper- und der Wirbelsäulenposition sowie der in Dauerzwangshaltung verrichteten Mauertätigkeit auch unter Berücksichtigung einer jahrelangen Berufsausübung ein erhebliches Belastungspotenzial zugeschrieben werden zu können. Die arbeitszeitlich aufgelöste Datenanalyse zeigt, dass teilweise deutliche Belastungsschwerpunkte durch multidimensionale Haltungs- und Bewegungskombinationen auftreten.

101 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 101 Bewertungsschema Zusammenfassend können auf Grundlage der exemplarischen Datenerhebung folgende Belastungsindikatoren bei Maurertätigkeiten auftreten: Schematische Belastungsindikatoren Asymmetrien in der Hauptarbeitsposition sind insbesondere im Bereich von HWS und LWS sehr starke Belastungsindikatoren. Für das BWS- Segment kann eine mittlere bis starke Belastung angenommen werden. Multidimensionale Haltungs- und Bewegungskombinationen stellen zusätzlich einen starken Belastungsindikator für HWS und LWS dar. Kinematische Belastungsindikatoren Isometrie stellt sagittal im Bereich BWS und LWS einen mittleren bis starken Belastungsindikator dar. Repetivität kennzeichnet die Arbeitsaktionen im Bereich der HWS sowie als Seitneigung und Rotation in BWS und LWS und kann als mittlerer Belastungsindikator angenommen werden. Isometrie und Asymmetrien stellen sehr starke Belastungsindikatoren im lumbalen Abschnitt dar. Pausen-/Belastungs-Verhältnis stellt im lumbalen Bereich einen mittleren Belastungsindikator dar. Arbeitszeitbezogene Belastungsindikatoren Für die Bereiche HWS und LWS können phasenweise starke multidimensionale Haltungs- und Bewegungskombinationen auftreten. Lastenhandhabung Niedriger bis mittlerer Belastungsindikator. Die schriftliche Dokumentation zur Lastenhandhabung weist in der Mauertätigkeit nur geringe Lasten (2DF-Kalksandstein, ca. 5,6 kg) auf. Zur Vorbereitung des Mörtels war jedoch kurzzeitig die Handhabung von Zementsäcken (bis 50 kg) und das Verladen der Mörtelwanne notwendig. Für die analysierte Maurertätigkeit kann eine kumulative Belastungsdosis aufgrund vielfältiger ermittelter Belastungsindikatoren für die Wirbelsäulenabschnitte HWS und LWS angenommen werden. Ein besonderes Belastungsmerkmal kann die Kombination aus vorgeneigter Körperhaltung (axiale Kom-

102 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 102 pression der Bandscheibe) und zeitgleichen, teilweise großamplitudigen Bewegungsaktivitäten in der Frontal- und Horizontalebene darstellen. Literaturbefunde deuten in diesem Zusammenhang eine besondere Empfindlichkeit des Anulusfibrosus dahingehend an, dass Einrisse in den Faserring sowohl als traumatisches als auch kumulatives Belastungstrauma resultieren können [79, 81, 117] Bauhandwerk (II) Stahlbetonbautätigkeit Der Stahlbetonbau ist zwar ein verhältnismäßig junges Tätigkeitsgebiet innerhalb der Bauberufe (um 1900), dafür jedoch mittlerweile integraler Bestandteil zeitgemäßer Bauvorhaben. Entsprechend groß ist auch die Zahl der Beschäftigten. In Analogie zu den Belastungen der Maurer wird auch in der Literatur über spezifische Belastungsfaktoren im Stahlbetonbau berichtet [78, 135]. Hierbei werden überwiegend biomechanische Kenngrößen, wie ungünstige Körperhaltungen (extreme Rumpfvorneigung) und Lastenhandhabungen genannt [182]. Insgesamt wird von einer für den Rücken oder unteren Rücken hoch belastenden Tätigkeit gesprochen. Asymmetrisch verteilte Wirbelsäulen- und Oberkörperpositionen stellen einen wesentlichen Belastungsindikator für die exemplarisch analysierte Stahlbetonbautätigkeit (Auf- und Abbau von Ein-Mann-Verschalungen) dar. Sagittal sind überstreckte HWS- und LWS-Positionen sowie in etwa 40 % der Tätigkeit zurück geneigte Oberkörperstellungen zu nennen. Zusätzlich treten extreme LWS-Flexionen und starke Rumpfvorneigungen ( 20 ) in etwa einem Viertel der Tätigkeitsdauer auf. Darüber hinaus waren asymmetrische Wirbelsäulenpositionen im Bereich von BWS und LWS für Seitneigung und Rotation zu verzeichnen. Multidimensional verdrehte Haltungs- und Bewegungskombinationen mittlerer Amplitude stellten in etwa einem Drittel der Tätigkeitsdauer einen Belastungsfaktor dar. Stark verdrehte Haltungs- oder Bewegungskombinationen traten nur selten (< 10 %) auf. Mit Blick auf kinematische Belastungsfaktoren ist insbesondere die hohe Repetivität (60 bis 111 Bewegungen/min) der Arbeiten zu nennen. Entsprechend hoch waren auch die Anteile kontinuierlicher Wirbelsäulenbewegungen (71 %

103 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 103 bis 90 %). In der Folge stellen Zwangshaltungen keinen Belastungsindikator dar. Neben einer zu vernachlässigenden Häufigkeit von Isometriephasen waren diese im Mittel auch 3- bis 10-mal kürzer ausgeprägt als die Dauer der Bewegungsphasen (1,2 s bis 1,6 s vs. 3,4 s bis 11,9 s). Unter Berücksichtung der zuvor genannten Wirbelsäulen- und Oberkörperpositionen sind die ermittelten Bewebungsfrequenzen als kumulierte Belastungsindikatoren zu bewerten [14]. Die in zeitlicher Chronologie der Tätigkeit analysierten Daten zeigten abermals, dass die zusammengefassten Belastungsindikatoren erheblichen Schwankungen unterworfen sein können. Insbesondere im Bereich von HWS und LWS treten teilweise unterschiedlich starke multidimensionale Haltungs- und Bewegungskombinationen sowie ausgeprägte Phasen kontinuierlicher Bewegungsdauern auf. Bewertungsschema Zusammenfassend können auf Grundlage der exemplarischen Datenerhebung sowie die in den vorherigen Abschnitten (4.1.1 und 4.1.2) dargestellten arbeitsphysiologischen Grundlagen, folgende Belastungsindikatoren bei Verschalungstätigkeiten im Stahlbetonbau auftreten: Schematische Belastungsindikatoren Asymmetrien in der Hauptarbeitsposition gelten in Abhängigkeit der Körperebene für alle Wirbelsäulensegmente als mittlerer bis starker Belastungsindikator. Multidimensionale Haltungs- und Bewegungskombinationen sind ein weiterer Belastungsindikator mittlerer Intensität. Kinematische Belastungsindikatoren Isometrie ist kein Belastungsindikator. Repetivität kennzeichnet die Arbeitsaktionen insbesondere im Bereich der HWS und LWS und kann als mittlerer bis starker Belastungsindikator angenommen werden. Isometrie und Asymmetrien sind keine Belastungsindikatoren. Aufgrund der wechselnden Dynamik und Amplituden ist das Pausen-/Belastungs-Verhältnis nur ein geringer Belastungsindikator.

104 4. Studie 2 Tätigkeitsanalysen Büro u. Bauhandwerk 104 Arbeitszeitbezogene Belastungsindikatoren Für die Bereiche HWS und LWS können phasenweise starke multidimensionale Haltungs- und Bewegungskombinationen sowie lang andauernde, ununterbrochene Bewegungsphasen auftreten. Lastenhandhabung Starker bis sehr starker Belastungsindikator. Die schriftliche Dokumentation zur Lastenhandhabung verweist auf die Gewichte der Verschalungselemente von 15 kg bis 54 kg, die in überwiegend dynamischen und verdrehten Wirbelsäulenaktionen manipuliert wurden. Eine kumulative Belastungsdosis kann auf Grundlage der ermittelten Belastungsindikatoren insbesondere für die Wirbelsäulenabschnitte HWS und LWS angenommen werden. Neben dem Hantieren mit Lasten wurde immer wieder über die besondere Bedeutung von Haltung und Bewegung des Oberkörpers als Belastungskenngröße für Wirbelsäulenbeschwerden berichtet [135, 174, 182]. Die vorgestellten Ergebnisse der explorativen Einzelfallanalysen zeigen, dass eine valide Erfassung und Bewertung dieser Parameter mit dem vorgestellten Verfahren möglich ist. Inwiefern die Ausprägung (Häufigkeit, Amplitude etc.) dieser Parameter auch mit tätigkeitsbezogenen Rückschmerzen verknüpft ist, muss in weiterführenden Analysen verifiziert werden. Erste Hinweise auf diesen Zusammenhang lassen sich den mit der Literatur vergleichbaren, jedoch deutlich präziseren Ergebnissen entnehmen.

105 5. Studie 3 Tätigkeitsanalysen Zahnmedizin Studie 3 Einfluss einer veränderten Arbeitsposition am Beispiel zahnmedizinischer Behandlungstätigkeiten 5.1 Einleitung Im Rahmen der dritten Studie wurde exemplarisch der Einfluss einer veränderten Arbeitsbedingung (Arbeitsposition) auf das Haltungs- und Bewegungsprofil der Wirbelsäule analysiert. Hierzu wurden Tätigkeitsanalysen an zwei Arbeitstagen während standardisierter, zahnmedizinischer Behandlungstätigkeiten zur Parodontitisnachsorge durchgeführt. Behandlungen in der Zahnmedizin gelten aufgrund des eingeschränkten Arbeitsbereiches in der Mundhöhle sowie den damit einhergehenden Sichtbehinderungen als besonders anfällig für Nacken- und Rückenschmerzen [179]. Bundesweite Zahlen zur Prävalenz der Beschwerden zeigen u. a., dass 70 % der Zahnärzte innerhalb einer Woche von mindestens einem Nacken- bzw. Rückschmerzereignis betroffen waren [183]. Als deskriptive Belastungsfaktoren werden sitzende Tätigkeiten mit feinmotorischen Anforderungen und ungünstige Körperhaltungen (Rotationen) genannt [2, 186]. Darüber hinaus scheinen die erforderlichen Flexionshaltungen der HWS ebenfalls bedeutsam für die spezifische Schmerzproblematik im Schulter- und Nackenbereich [6, 69]. Trotz des verbreitenden Beschwerdebildes, auch bei den zahnmedizinischen Assistenten, fehlt es an standardisiert erfassten Belastungskenngrößen, die über die augenscheinlichen Eindrücke hinausgehenden. Mit den vorhandenen Verfahren konnten bislang keine spezifischen Analysen der Oberkörper- und Wirbelsäulenhaltung durchgeführt werden. Am Beispiel dieser Berufsgruppe wird deutlich, welche Vorteile ein tätigkeitsübergreifend anwendbares Analyseverfahren haben kann. Trotz der teilweise berufsgefährdenden Beschwerden können bislang keine präzisen Angaben zu Art und Lokalisation der Belastungskenngrößen gemacht werden. Eine erste Datengrundlage wäre nicht nur zur orientierenden Quantifizierung der Belastungsdosis und Lokalisation hilfreich, sondern könnte zudem wichtige Erkenntnisse für Interventions- und Therapiemaßnahmen bieten. Darüber hinaus sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass solche Daten auch zur Gestaltung und Evaluierung sog. ergonomischer Arbeitsmittel dienen können.

106 5. Studie 3 Tätigkeitsanalysen Zahnmedizin 106 Zur weiteren Erprobung des Messsystems erfolgte die Auswahl zahnmedizinischer Tätigkeiten basierend auf drei methodischen Aspekten: (1) Rückenschmerzen sind in dieser Berufsgruppe weit verbreitet und führen häufig zu einer eingeschränkten Berufsfähigkeit [4, 186]. (2) Psychosoziale Co-Faktoren wie geringe Qualifikation, hohe Arbeitskontrolle, monotone Tätigkeitsabläufe u. a. können überwiegend ausgeschlossen werden. Ein kausaler Zusammenhang zwischen biomechanischen Tätigkeitsanforderungen und Beschwerdebild scheint wahrscheinlich. (3) Zahlreiche Hersteller bieten für Zahnärzte ergonomische Arbeits- und Behandlungsstühle an, ohne Kenntnisse darüber, inwieweit diese ggf. durch andere Tätigkeitsmerkmale überlagert oder beeinflusst werden könnten [131]. Mit Blick auf das zuvor skizzierte Beschwerdebild sollen mit dem entwickelten Verfahren nicht nur explorative Daten zur Haltungs- und Bewegungscharakteristik von Zahnmedizinern gewonnen, sondern zusätzlich auch die messtechnischen Möglichkeiten einer Vergleichsuntersuchung (Einfluss einer veränderten Arbeitsposition) dargestellt werden. Dieses evaluationstypische Studiendesign, soll Hinweise dahingehend liefern, ob und welche Änderungen mit dem entwickelten System abgebildet werden können. Aufgrund einer fehlenden Gold- Standard-Methode erfolgten keine parallelen Vergleichsuntersuchungen. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Ergebnisse der Evaluierungsstudie sind jedoch die wissenschaftlichen Gütekriterien für einen solchen Untersuchungsansatz mit dem vorliegenden Verfahren gegeben.

107 5. Studie 3 Tätigkeitsanalysen Zahnmedizin Methodik Im Rahmen der Parodontitisnachsorge erfolgten zwei ganztägige Aufzeichnungen dieses standardisierten Behandlungsablaufes. Am ersten Tag wurde die Behandlung aus der 9-Uhr-Position durchgeführt (aus Sicht des liegenden Patienten von rechts); am zweiten Tag aus der 12-Uhr-Position (aus Sicht des liegen Patienten von cranial). An beiden Tagen wurde sowohl das gleiche Arbeitsstuhlmodell (KaVo 5005, KaVo Dental GmbH, Deutschland) als auch der gleiche Behandlungsstuhl (KaVo Estetica, KaVo Dental GmbH, Deutschland) verwendet Untersuchungsablauf Im Vorfeld der Tätigkeitsanalysen wurden die für beide Tage einbestellten Patienten über das Vorhaben aufgeklärt. Alle behandelten Patienten waren über die Haltungs- und Bewegungsanalyse des Arztes informiert und damit einverstanden. An beiden Tagen konnte das gleiche Behandlungszimmer des zahnmedizinischen Fachzentrums für die Behandlungen genutzt werden. Die routinemäßig durchgeführte Parodontitisnachsorge folgte stets einem standardisierten Ablaufplan: Vorbereitung des Patienten Scaling and Root-Planing (SRP) mit Ultraschall/Airscaler SRP mit Handinstrumenten dünn SRP mit Handinstrumenten dick Die Behandlungsdauer variierte in Abhängigkeit der Zahnverunreinigung zwischen 20 und 40 Minuten. Der Ablauf am Untersuchungstag folgte einem einheitlichen Ablaufplan: Markierung der Sensorpositionen mithilfe der Schablonen und Instrumentierung und Start der Messsysteme Durchführung der Standardpositionen zur Ermittlung der individuellen Beweglichkeitsparameter Beginn der Behandlungstätigkeiten parallele Foto- und sequenzielle Videodokumentation sowie Protokollierung der Arbeitsabschnitte Ende des Arbeitstages Stoppen der Messsysteme und Entfernen der Sensoren

108 5. Studie 3 Tätigkeitsanalysen Zahnmedizin 108 Abschließende schriftliche Befragung der Untersuchungsperson zur körperlichen/mentalen Arbeitsbelastung, Arbeitsleistung, zu Beschwerden am Bewegungsapparat sowie zum Einfluss der Messsysteme auf die Ausübung der beruflichen Tätigkeit Tabelle 5-1 zeigt in der Übersicht die eingesetzten Analyseverfahren. Tab. 5-1: Das Symbol X markiert die bei den zahnmedizinischen Behandlungstätigkeiten verwendeten Messsysteme. sonosens Monitor Lagesensor Befragung Zahnmedizinische Behandlungstätigkeit X X X Datenverarbeitung und Datenauswertung Die Datenverarbeitung und Datenauswertung folgte den Angaben im Kapitel Methodik Abschnitt 2.3 sowie Abschnitt

109 5. Studie 3 Tätigkeitsanalysen Zahnmedizin Ergebnisse Die in den Standardpositionen willkürlich maximal erreichten Längenänderungen der Wirbelsäule können der Tabelle C-1 (Anhang C) entnommen werden. Die Standardpositionen wurden vor jedem Behandlungstag durchgeführt, um Veränderungen der individuellen Beweglichkeit ggf. berücksichtigen zu können. Hierbei konnten jedoch augenscheinlich keine systematischen Differenzen ermittelt werden. Spektrum Wirbelsäulenpositionen in der Sagittalebene (SLI) Die in Abbildung 5-1 dargestellten Wirbelsäulenpositionen kennzeichnen die tätigkeitsbezogen unterschiedlich häufig eingenommenen Arbeitshaltungen. Unabhängig von der Behandlungsposition ist die Körperhaltung durch eine deutliche Flexion im HWS-Segment (65 % der Behandlungszeit) und eine nahezu aufrechte BWS gekennzeichnet. Haltungsunterschiede zwischen der 9- Uhr- und 12-Uhr-Arbeitsposition ergaben sich lediglich im LWS-Bereich: Während in der 9-Uhr-Position eine aufrechte bis überstreckte Haltung zu erkennen ist, erfolgt in der 12-Uhr-Position eine häufigere Flexionshaltung (38 % vs. 73 % der Behandlungszeit). Zusätzlich wird in der 12-Uhr-Position das Becken stärker gekippt die Ausrichtung des Neigungssensors zeigt eine häufigere Extensionshaltung an.

110 5. Studie 3 Tätigkeitsanalysen Zahnmedizin 110 Sagittale Wirbelsäulenpositionen Extension aufrecht Flexion 34)" <)" 87$9)*+ 8(% 87$9)*+ 1(% 87$9)*+ &(% 87$9)*+ aufrecht Extension Flexion (7$622)*+ Abb. 5-1: Flexions- und Extensionspositionen (sagittal) der Wirbelsäulensegmente (Hals- [HWS], Brust- [BWS] und Lendenwirbelsäule [LWS]) während zahnmedizinischer Behandlungstätigkeiten aus 9-Uhr und 12-Uhr. 0 entspricht einer aufrecht sitzenden Körperhaltung auf dem Arbeitsstuhl. Negative Werte kennzeichnen Extensionspositionen, positive Flexionspositionen. Spektrum der Wirbelsäulenpositionen in der Frontal- (FLI) und Horizontalebene (HLI) Die Seitneigungsprofile (FLI) differenzieren in allen Segmenten der Wirbelsäule zwischen den unterschiedlichen Sitzpositionen. Insgesamt ergeben sich in der 12-Uhr-Position häufiger asymmetrische Abweichungen von der aufrechten Körperposition (Abb. 5-2). Ein ebenfalls leicht heterogenes Haltungsmuster dokumentieren die horizontalen Oberkörperhaltungen (HLI). Während in der 9-Uhr-Position insbesondere Linksrotationen (zum Patienten) erfolgten, ergibt sich in der 12-Uhr-Position eine etwas gegenläufige und weniger umfangreiche (geringeres Haltungsspektrum) Verteilung (Abb. 5-2).

111 5. Studie 3 Tätigkeitsanalysen Zahnmedizin 111 Frontale Wirbelsäulenpositionen Horizontale Wirbelsäulenpositionen links aufrecht rechts links aufrecht rechts 87$9)*+ 34)" <)" 8(% 87$9)*+ 34)" <)" 8(% 87$9)*+ 1(% 87$9)*+ 1(% 87$9)*+ &(% 87$9)*+ &(% (7$622)*+ (7$622)*+ Abb. 5-2: Seitneigungs- (frontal) und Rotationspositionen (horizontal) der Wirbelsäulensegmente (Hals- [HWS], Brust- [BWS] und Lendenwirbelsäule [LWS]) während zahnmedizinischer Behandlungstätigkeiten. 0 entspricht einer aufrecht sitzenden Körperhaltung auf dem Arbeitsstuhl. Negative Werte kennzeichnen Seitneigungen bzw. Rotationen nach links, positive Werte Seitneigungs- bzw. Rotationspositionen nach rechts. Charakteristik der Wirbelsäulenpositionen in der Sagittal- (SLI), Frontal- (FLI) und Horizontalebene (HLI) Die unterschiedlichen Arbeitspositionen werden durch ein überwiegend divergierendes Haltungsspektrum abgebildet. Die geringsten Abweichungen ergeben sich für das Haltungsmuster der BWS; die deutlichsten Unterschiede lassen sich für den LWS-Bereich dokumentieren. Multidimensionale Haltungs- und Bewegungskombinationen Die Analyse von Häufigkeit und Amplitude simultaner Bewegungs- und Haltungskombinationen ergab, dass insbesondere im HWS- und LWS-Bereich entsprechende Anteile vorlagen (Anhang C: Tab. C-2 bis Tab. C-5). In der 9- Uhr-Position wurden im LWS-Segment zu etwa 60 % der Arbeitszeit sagittale und horizontale Haltungskombinationen eingenommen (Amplitude 2 % bis 6 %). Die HWS war in dieser Behandlungsposition zu etwa 40 % bis 50 % der Tätigkeitsdauer in Haltungskombinationen mittlerer Amplitude ausgerichtet (Amplitude 2 % bis 6 %). Ein nahezu diametrales Bild konnte für die 12-Uhr-Arbeits-

112 5. Studie 3 Tätigkeitsanalysen Zahnmedizin 112 position im Bereich der LWS für die Kombinationen SLI+FLI sowie HLI+FLI ermittelt werden. Hier traten zu etwa 60 % bis 70 % der Tätigkeiten kombinierte Wirbelsäulenstellungen mittlerer Amplitude auf. Unabhängig von der Behandlungsposition waren die Haltungskombinationen im Bereich der BWS von überwiegend (75 % bis 95 % der Behandlungszeit) kleiner Amplitude. Bewegungsanalyse Häufigkeit unterschiedlicher Bewegungsamplituden Die ermittelten Bewegungsamplituden (Anhang C: Abb. C-1) zeigen sowohl für die unterschiedlichen Bewegungsrichtungen sowie die einzelnen Wirbelsäulensegmente als auch zwischen den beiden Behandlungspositionen vergleichbare Ausprägungen: 75 % bis 90 % der Behandlungszeit werden ohne bzw. in kleinamplitudigen Bewegungen verrichtet (< 1 % bzw. < 3 Amplitude pro Bewegung). In der weiterführenden Analyse der Bewegungsdynamik erfolgte die Quantifizierung von Bewegungshäufigkeiten pro Minute ( 2 % Amplitude). Die Analyse berücksichtigt den chronologischen Verlauf der Arbeitszeit hier auf zehn Perzentilgruppen verteilt sowie die Ausprägung der Dynamik in unterschiedlichen Wirbelsäulensegmenten und Körperebenen (Anhang C: Tab. C-8). Hierbei wird deutlich, dass sich deskriptiv kein systematischer Unterschied zwischen den Behandlungspositionen ausprägt. Die geringste Aktivität ergibt sich für die sagittale Bewegungsrichtung (4 bis 10 Bewegungen pro Minute). Die Segmente HWS und LWS waren mit 7 bis 20 Bewegungen pro Minute am aktivsten. Die auffällig geringe Aktivität war im BWS-Abschnitt besonders ausgeprägt. Hier ist ein deutlicher Unterschied zwischen den Behandlungspositionen zu erkennen: In der 12-Uhr-Position wurden nochmals weniger Bewegungen ausgeführt.

113 5. Studie 3 Tätigkeitsanalysen Zahnmedizin 113 Anteil und Verhältnis von Wirbelsäulenbewegungen und Isometriephasen am Arbeitstag Die standardisierte Berechnung von Arbeitsphasen mit und ohne Wirbelsäulenbewegungen ergab für zahnmedizinische Behandlungstätigkeiten die folgenden Häufigkeitsverhältnisse (Anhang C: Tab. C-6): 72 % bis 88 % der Behandlungszeit werden in sogenannten Dauerzwangshaltungen (Isometrie) ohne Wirbelsäulenbewegungen verrichtet. Die Ausprägung der Dauerzwangshaltungen war im BWS-Bereich am stärksten. Darüber hinaus ergibt sich für die 12-Uhr-Behandlungsposition eine nochmals um im Mittel ca. 9 % verstärkte Häufigkeit von Isometriephasen. Die zu diesen Phasen korrespondierenden Wirbelsäulenpositionen können den Abbildungen 5-3 und 5-4 entnommen werden. Tabelle C-7 (Anhang C) zeigt in Ergänzung zu den relativen Anteilen von Bewegung und Isometrie an der Gesamtarbeitszeit die durchschnittliche Dauer (s) der Arbeitsphasen mit und ohne Bewegung. Zusammenfassend ergeben sich mittlere Bewegungsphasen von einer Dauer von 1,0 bis 1,7 Sekunden. Die durchschnittliche Dauer der Isometriephasen liegt bei 3,2 bis 8,5 Sekunden. Im Bereich der BWS waren die Dauerzwangshaltungen am längsten ausprägt, mit besonderem Schwerpunkt in der 12-Uhr-Behandlungsposition. Im HWS- und BWS-Bereich waren die Isometriephasen kürzer; im Vergleich der Behandlungspositionen jedoch in der 12-Uhr-Position von längerer Dauer. Insgesamt ergibt sich hieraus ein deutlich heterogenes Verhältnis von Statik zu Dynamik. Tabelle C-7 (Anhang C) ist darüber hinaus zu entnehmen, dass in 75 % (25. Perzentil) der Behandlungszeiten die Dauer der Zwangshaltungen mindestens 2- bis 5-mal länger war als die anschließende Dauer der in diesem Fall überwiegend kleinamplitudigen Bewegungen. Im Mittel (Median der Verteilung) waren die Isometriephasen 4- (HWS) bis 10-mal (BWS) so lang wie die nachfolgenden Bewegungsphasen.

114 5. Studie 3 Tätigkeitsanalysen Zahnmedizin 114 In den Abbildungen 5-3 bis 5-4 sind die Häufigkeiten der in Isometrie eingenommenen Oberkörperhaltungen zusammengefasst. Die Arbeitshaltung in den statischen Arbeitsphasen ist charakterisiert durch: Sagittal: eine insbesondere in der 12-Uhr-Position ausgeprägte HWSund LWS-Flexion. In der 9-Uhr-Position wird die LWS während der Behandlungen überwiegend in Extensionsstellung gehalten (Beckenaufrichtung). Frontal: ein homogenes HWS-Spektrum und nahezu diametrale BWSund LWS-Positionen in der 9- bzw. 12-Uhr-Position. Horizontal: diametrale HWS-Stellung (9- vs. 12-Uhr-Position), geringes Spektrum an BWS-Stellungen sowie eine ausgeprägte Linksrotation in der 9-Uhr-Position (Ausrichtung des Rumpfes zum Patienten) / '236)%&'+ #$)*+ 8(% <)" 34)" / #$)*+ 1(% / / #$)*+ '23(7$622)*+ &(% Abb. 5-3: Verteilung der sagittalen Wirbelsäulenstellungen sowie der Oberkörperneigung in den ermittelten Isometriephasen der gesamten Behandlungszeit (Hals- [HWS], Brust- [BWS] und Lendenwirbelsäule [LWS]). Negative Wertebereiche gehen mit einer Extensionshaltung (SLI) und positive mit einer Flexionshaltung einher. Der Wertebereich 0 entspricht einer neutralen, aufrechten Wirbelsäulenposition im Sitzen. #$)*+ ;C

115 5. Studie 3 Tätigkeitsanalysen Zahnmedizin 115 #$)*+ / '236)0&'+ <)" 34)" 8(% #$)*+ / '236)8&'+ <)" 34)" 8(% / / #$)*+ 1(% #$)*+ 1(% / / #$)*+ #$)*+ &(% &(% '23(7$622)*+ '23(7$622)*+ Abb. 5-4: Verteilung der frontalen und horizontalen Wirbelsäulenstellungen in den ermittelten Isometriephasen der gesamten Behandlungszeit (Hals- [HWS], Brust- [BWS] und Lendenwirbelsäule [LWS]). Negative Wertebereiche kennzeichnen Seitneigungen nach links (FLI) bzw. Linksrotationen; positive entsprechende Positionen nach rechts. Der Wertebereich 0 entspricht einer neutralen, aufrechten Wirbelsäulenposition im Sitzen. Zusammenfassung der Parameteranalysen zur zahnmedizinischen Behandlungstätigkeit Die analysierten Behandlungstätigkeiten in 9-Uhr- und 12-Uhr-Position sind gekennzeichnet durch ein im Vergleich zu den maximal willkürlich möglichen Bewegungsamplituden schmales Haltungsspektrum. Allerdings ergaben sich insbesondere im HWS- und LWS-Bereich deutlich unterschiedliche Arbeitshaltungen. Das in Abbildung C-2 (Anhang C) für beide Arbeitssituationen dargestellte Haltungs- und Bewegungsprofil bietet einen zusammenfassenden Überblick über die Hauptmerkmale der Körperhaltung sowie die Bewegungscharakteristik im zeitlichen Ablauf des Arbeitstages. Die in zeitlicher Chronologie für jedes 10. Zeitperzentil zusammengefassten Parameterausprägungen zeigen die Summe der durchschnittlichen Haltungskombinationen (SLI, FLI u. HLI) sowie die durchschnittliche Dauer der Haltungs- und Bewegungsphasen. Hierbei wird deutlich, dass die durchschnittliche Summe von Haltungskombinationen insbe-

116 5. Studie 3 Tätigkeitsanalysen Zahnmedizin 116 sondere im HWS- und LWS-Segment ausgeprägt waren. Die mittlere Dauer der Isometriephasen war im BWS-Bereich am längsten und in der 12-Uhr-Position abermals verstärkt. Darüber hinaus ist zu erkennen, dass in der Behandlungsposition aus 9-Uhr zum Ende des Arbeitstages die grundlegende Ausrichtung des Rumpfes (LWS und Neigung) verändert wurde: Zunahme der LWS-Haltungskombinationen und nahezu senkrechte Ausrichtung der LWS (weniger deutliche Beckenkippung, Neigung 0 ).

117 5. Studie 3 Tätigkeitsanalysen Zahnmedizin Ergebnisdiskussion Zahnmedizinische Behandlungstätigkeiten sind bekanntermaßen weder durch das Hantieren schwerer Lasten, die Einnahme von extremen Körperpositionen (Oberkörpervorneigung) noch durch witterungsabhängige Umgebungsbedingungen charakterisiert. Zudem ist zusätzlich bei zahlreichen psychosozialen Auslösern von Rückenschmerzen, wie niedriger sozialer Status, geringe Qualifikation, hohe Arbeitskontrolle etc., von einer deutlich geringeren Ausprägung in dieser Berufsgruppe auszugehen. Dennoch sind, wie bereits einleitend erwähnt, Erkrankungen im Bereich der Wirbelsäule ein häufig berichtetes, berufsspezifisches Krankheitsbild [169, 183]. Bislang konnten jedoch keine objektiven Parameter zur Beschreibung der Belastungsfaktoren erhoben werden. Die wenigen vorhanden Studien deuten deskriptiv eine gehäufte Schmerzproblematik im Zervikal- und Lumbalbereich an [4, 186], können jedoch aufgrund einer fehlenden Datengrundlage keine Belastungskenngrößen begründen. Bewertungsschema Mit Blick auf die durchgeführten Analysen konnten unabhängig von der Behandlungsposition folgende Belastungsindikatoren ermittelt werden: Schematische Belastungsindikatoren Asymmetrien treten in der Hauptarbeitsposition von leichter bis mittlerer Ausprägung insbesondere im HWS- und LWS-Bereich auf. Multidimensionale Haltungs- und Bewegungskombinationen können als mittlerer bis starker Belastungsindikator für HWS und LWS genannt werden. Kinematische Belastungsindikatoren Isometrie ist ein sehr starker Belastungsindikator zahnmedizinischer Behandlungstätigkeiten. Repetivität stellt keinen wirbelsäulenspezifischen Belastungsindikator dar. Isometrie und Asymmetrie sind starke Belastungsindikatoren. Pausen-/Belastungs-Verhältnis kann ebenfalls als sehr starker Belastungsindikator angenommen werden.

118 5. Studie 3 Tätigkeitsanalysen Zahnmedizin 118 Arbeitszeitbezogene Belastungsindikatoren Für die Bereiche HWS und LWS können in Abhängigkeit der variierenden Tätigkeitsanforderung sehr lange Isometriephasen auftreten. Insgesamt ist die Anforderung wenig variierend. Lastenhandhabung Lastenhandhabung stellt keinen Belastungsindikator dar. Die im Rahmen einer Einzelfallstudie erhobenen Daten dokumentieren die spezifischen Anforderungen bzw. Belastungskenngrößen zahnmedizinischer Tätigkeiten: Asymmetrische Oberkörperpositionen, Dauerzwangshaltungen sowie multidimensionale Haltungskombinationen sind insbesondere im Bereich von HWS und LWS ausgeprägt. Deskriptive Befunde von Rückenschmerzstudien mit zahnmedizinischem Fachpersonal können für die genannten Wirbelsäulenbereiche eine verstärkte Beschwerdeproblematik ermitteln. Die Jahresund/oder Wochen-Schmerzprävalenz war im Zervikal- und Lumbalbereich am stärksten ausgeprägt [4, 110, 123, 144, 186]. Als Konsequenz dieser Ergebnisse empfehlen einige der genannten Studien neben trainingstherapeutischen Maßnahmen auch den Einsatz von ergonomischem Praxisinventar (u. a. Arbeits- und Behandlungsstühle) und/oder die Einnahme einer spezifischen Behandlungsposition [131]. Allerdings sollte hierbei berücksichtigt werden, dass für spezifische Präventionsmaßnahmen, für die Trainingsgestaltung und insbesondere für Maßnahmen der Ergonomie sowie für die Veränderung der Behandlungsposition keine gesicherte Datengrundlage besteht. In diesem Zusammenhang zeigen die exemplarischen Ergebnisse der vorliegenden Einzelfallstudie, dass mit Blick auf die zuvor genannten Belastungsindikatoren nur geringe Differenzen zwischen der 9-Uhr- und 12-Uhr-Arbeitsposition bestehen: Das überwiegend asymmetrische Haltungsprofil ist im HWS- und LWS-Bereich nahezu diametral ausgebildet, ohne jedoch in seiner Ausprägung (Amplitudenabweichung von Neutral-Null) eine Behandlungsposition zu begünstigen. Dauerzwangshaltungen, multidimensionale Haltungskombinationen und tageszeitliche Schwankungen divergieren kaum. Zur Umsetzung zahnmedizinischer Behandlungstätigkeiten ist offensichtlich die Einnahme der detailliert beschriebenen Arbeitsposition (s. 5.3) erforderlich. Sollten weitere Untersuchungen diese Analysen stützen, könnten die gewonnen Daten bei der Gestaltung von Interventions- bzw. Präventionsmaßnahmen zukünftig als Handlungs-

119 5. Studie 3 Tätigkeitsanalysen Zahnmedizin 119 grundlage berücksichtigt werden. Darüber hinaus haben die Ergebnisse deutlich gezeigt, dass vorhandene Unterschiede in der Arbeitshaltung detailliert beschrieben werden können. Mit Blick auf ergonomisch begründete Veränderungen am Arbeitsplatz können 1) mithilfe des vorliegenden Verfahrens Daten zur Begründung erhoben (IST-Analyse) sowie 2) durchgeführte Maßnahmen zielgerichtet evaluiert werden.

120 6. Gesamtdiskussion Gesamtdiskussion In diesem Kapitel werden zunächst die wichtigsten Ergebnisse der Tätigkeitsanalysen mit den in der Literatur besprochen Belastungskenngrößen diskutiert. Darüber hinaus sollen in einem abschließenden Ausblick die Möglichkeiten des neuen Verfahrens zusammengefasst und die weiterführenden Anwendungsmöglichkeiten skizziert werden. Voraussetzung für die Bewertung der komplexen Ausprägungen und Lokalisationen von haltungs- und bewegungsbezogenen Belastungsfaktoren war der erfolgreiche Abschluss der Grundlagenarbeiten gemäß Zielsetzung: Aufbau eines weiterentwickelten Messverfahrens (Kap. 2) Entwicklung neuartiger Datenbewertungsmuster und Umsetzung in einem Softwaremodul (Kap. 2) Erfolgreiche Evaluierung der Messmethodik (Kap. 3) Erfolgreiche Durchführung von Tätigkeitsanalysen in unterschiedlichen Arbeitsbereichen (Kap. 4 und 5) 6.1 Methodenkritik Die Entwicklungsarbeiten und Anwendungsmöglichkeiten des Messsystems sowie der gewählte Untersuchungsansatz können durchaus auch kritisch betrachtet werden. Die entwickelte Methode erfasst und bewertet in einem neuartigen Ansatz vielfältige Parameter von Haltung und Bewegung des Oberkörpers. Diese Einschränkung ermöglicht jedoch keine unmittelbare Quantifizierung von strukturellen Belastungs-/Beanspruchungskenngrößen, wie beispielsweise die Muskelaktivität/Muskelermüdung (Elektromyographie) oder die Berechnung von Bandscheibenbelastungen (biomechanische Modelle). Diese Eingrenzung wurde jedoch bewusst gewählt, um die bislang am wenigsten spezifisch erfassbaren Belastungsfaktoren von Haltung und Bewegung valide erheben und bewerten zu können. Möglicherweise ist es jedoch für weiterführende Arbeitsschritte sinnvoll, vorhandene Ansätze zur Erhebung von Belastungskenngrößen durch Lastenhandhabung mit einzubeziehen. Neben diesen messmethodischen Limitierungen ist auch der zeitliche Aufwand der Datenerhebung für einige Untersuchungsansätze (z. B. Epidemiologie) begrenzt und als Kostenfaktor zu berücksichtigen. Unspezifischere Verfahren,

121 6. Gesamtdiskussion 121 wie beispielsweise Befragungen, können in kurzen Zeiträumen subjektive Belastungseinschätzungen zahlreicher Personen erheben. Allerdings sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass ungeachtet der Datenvalidität im Vergleich zu anderen Erhebungsmethoden (Beobachtung, Videoanalyse etc.) keine zeitlichen Nachteile in der Datenerfassung und Bewertung bestehen. Abschließend seien noch einige Anmerkungen zum gewählten Untersuchungsansatz gewährt. Die explorativen Einzelfallstudien bieten selbstverständlich keine allgemeingültigen Aussagen zu berufsgruppenspezifischen Belastungsparametern der Wirbelsäule: Individuelle Haltungs- und Bewegungsausprägungen können nicht nachweislich von grundlegenden Tätigkeitsanforderungen abgegrenzt werden. Hierfür wären umfassendere Fallzahlen notwendig gewesen. Wenngleich dieser Einwand berechtigt ist und für weiterführende Analysen berücksichtigt werden muss, ist der gewählte Untersuchungsansatz mit Blick auf die Zielsetzung der Arbeit zu rechtfertigen: Aufgabe war es, die grundsätzliche Anwendbarkeit der Methode in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen (Sitzen, Stehen) bzw. Tätigkeitsanforderungen (statisch, dynamisch) zu erproben. Insofern stellen die am Beispiel von Einzelfallanalysen vorgestellten Belastungskenngrößen von Haltungen und Bewegung des Oberkörpers und der Wirbelsäule gemäß Zielsetzung der Arbeit zunächst nur ein orientierendes Belastungsschema dar.

122 6. Gesamtdiskussion Quantifizierung und Bewertung von Wirbelsäulenbelastungen am Arbeitsplatz Am Beispiel der exemplarischen Tätigkeitsanalysen werden im Folgenden die ermittelten Belastungskenngrößen zusammengefasst und anhand von Literaturbefunden besprochen. Hierdurch soll die arbeitsmedizinische Relevanz des Verfahrens bzw. die Bedeutung der haltungs- und bewegungsbezogenen Belastungsfaktoren erörtert werden. Haltung und Bewegung tätigkeitsübergreifende Faktoren der Wirbelsäulenbelastung Das entwickelte Verfahren erfasst und bewertet zuverlässig und wiederholbar die Haltung und Bewegung des Oberkörpers sowie einzelner Wirbelsäulensegmente. Mithilfe der entwickelten umfassenden Softwareanwendungen ist es möglich, die ermittelten Belastungsprofile getrennt nach Bewegungsrichtung (Sagittal-, Frontal- und Horizontalebene) sowie innerhalb der Wirbelsäulensegmente (HWS, BWS und LWS) zu analysieren. Die Analysemöglichkeiten orientieren sich überwiegend an den in der Arbeitsmedizin diskutierten biomechanischen Hauptbelastungskenngrößen arbeitsplatzspezifischer Wirbelsäulenbelastungen (s ). In diesem Zusammenhang geben die durch Barcroft und Millen [9] sowie Rohmert [142, 143] grundlegend eingeführten Pausen- /Belastungs-Verhältnisse Hinweise darauf, dass körperlich lang andauernde, statische oder dynamische Belastungen zu erheblichen muskulären Ermüdungseffekten führen können. Ausschlaggebend für eine nicht erschöpfende Muskelarbeit sind entweder niedrige individuelle Anforderungen (z. B. < 15 % der Maximalkraft) oder ausreichende Erholungszeiten (Erholungszuschlag). Dauerbeanspruchungen der Muskulatur führen nicht nur zu einer Verringerung der Leistungsfähigkeit, sondern können zudem an der akuten Schmerzgenese beteiligt sein. Wie bereits unter 4.4 erwähnt, scheinen hierbei in der Belastungssituation (mechanische Einflüsse sowie stoffwechsel- und perfusionsbedingte Volumen- und Konzentrationsveränderungen im extrazellulären Raum) u. a. die interstitiellen Nervenendigungen (Chemo- und Mechanorezeptoren) langsamer afferenter Nervenfasern (Gruppe III u. IV) beteiligt zu sein [12, 51, 156]. Darüber hinaus können sich, wie unter 4.3 bereits dargestellt, asymmetrische Wirbelsäulenstellungen unabhängig von der muskulären Belastung

123 6. Gesamtdiskussion 123 ungünstig auf die Bandscheibenstrukturen auswirken. Ebenfalls diskutiert werden im Zusammenhang mit den beschriebenen, sogenannten ungünstigen Körperhaltungen, muskuläre Verspannungen bzw. Beschwerden, die häufig dem myofaszialen Schmerzsyndrom zugeordnet werden [58, 155, 185]. Für die standardisierte Datenbewertung wurde vor diesem Hintergrund insbesondere auf die Analyse von Haltung und Bewegung fokussiert. Aufgrund der gebündelten Datenerfassung von Wirbelsäulenpositionen und Oberkörperhaltungen sowie den neuen Auswertungsmöglichkeiten ergeben sich im Detail bislang nicht verfügbare, praxisbezogene Belastungsparameter. Auf Grundlage der exemplarischen Belastungsprofile wird sichtbar, dass die Analyse und Bewertung eines präzisen und spezifischen Belastungsschemas von Haltung und Bewegungen der Wirbelsäule sowie des Oberkörpers möglich sind (s. 4.4 u. 5.4). Die bislang vorhandenen arbeitsmedizinischen Kriterien zur Oberkörperhaltung (Isometrie) und Bewegung (Repetivität) wurden bislang weitestgehend ohne eine messtechnisch erfasste Datengrundlage definiert [45, 96, 97, 114, 154]. Da das Verfahren an nahezu jedem Arbeitsplatz angewendet werden kann, ist ein objektiver tätigkeitsgebundener bzw. tätigkeitsübergreifender Vergleich der Belastungskenngrößen oder einer definierten Belastungsdosis möglich. Beide Bedingungen (spezifisches Bewertungsschema und ubiquitäre Anwendbarkeit) sind notwendige Voraussetzungen für die Analyse, Bewertung und Evaluierung von Wirbelsäulenbelastungen am Arbeitsplatz. Hierzu sollen im Folgenden wesentliche Belastungsindikatoren der exemplarischen Studienergebnisse erörtert und weiterführende Handlungsansätze aufgezeigt werden.

124 6. Gesamtdiskussion 124 Dauerzwangshaltungen und Asymmetrien Bürotätigkeit Sitzende Tätigkeiten werden häufig mit einer vergleichsweise geringen Beschwerde- bzw. AU-Häufigkeit aufgrund von Rückenschmerzen in Zusammenhang gebracht (s. Kap. 4). Dennoch lassen sich am Beispiel der analysierten Übersetzungstätigkeit exemplarische Belastungsfaktoren objektivieren: Asymmetrische Wirbelsäulenpositionen in Dauerzwangshaltung kennzeichnen insbesondere lumbale und thorakale Belastungsschwerpunkte. Im Abschnitt wurden bereits die physiologisch potenziell ungünstigen Folgen dieser Befunde erörtert [133]. Abweichend zu den exemplarischen Daten der Einzelfallanalysen geben jedoch aktuelle Studien nur allgemeine, unspezifische Hinweise auf Wirbelsäulenbelastungen von Büroangestellten [130, 149, 180]. Die in diesen Studien überwiegend erfragten Faktoren konnten allerdings keinen der messtechnisch ermittelten Indikatoren erfassen, wenngleich Dauerzwangshaltungen und verdrehte Oberkörperpositionen auch für diese Berufsgruppen diskutiert werden [34, 112, 119, 180]. Aufgrund fehlender methodischer Voraussetzungen gelang es bislang kaum, potenzielle Belastungsschwerpunkte bei sitzenden Tätigkeiten mit Blick auf Lokalisation, Ausprägung und Häufigkeit zu ermitteln [24, 99, 119]. Daher besteht für die Belastungsbeurteilung der zahlenmäßig größten Gruppe von Erwerbstätigen erheblicher Forschungsbedarf. Insbesondere sollten hierbei die spezifischen Konstellationen (Häufigkeit, Dauer, Amplitude etc.) der Faktoren Dauerzwangshaltung und asymmetrische bzw. verdrehte Oberkörperhaltung verstärkt berücksichtigt werden. Selbstverständlich kann auf Grundlage der Einzelfallstudie keinesfalls ein grundsätzliches Belastungsschema für sitzende Berufstätigkeiten abgeleitet werden. Dennoch zeigen die ermittelten Kenngrößen, dass lokal durchaus spezifische Wirbelsäulenbelastungen vorliegen können. Mithilfe weiterführender Untersuchungen könnte die tätigkeitsspezifische Relevanz dieser Befunde beschrieben werden. Darüber hinaus wäre eine Abgrenzung individueller Verhaltensmuster gegen grundsätzliche, anforderungsbedingte Belastungen möglich.

125 6. Gesamtdiskussion 125 Körperhaltung und Lastenhandhabung Bauhandwerk Die ermittelten Belastungskenngrößen der Mauer- und Stahlbetonbautätigkeit divergieren erwartungsgemäß teilweise erheblich von denen sitzender Tätigkeiten (Büroarbeit, Zahnmedizin). Neben einer häufigen und teilweise extremen Oberkörpervorneigung ist insbesondere eine stärkere Dynamik zu charakterisieren. Auch wenn sich die Tätigkeits- und Belastungsprofile der Bauberufe teilweise deutlich unterscheiden können (u. a. Anteil statischer Arbeitsphasen, Asymmetrie der Wirbelsäulenpositionen), dominieren die auf Haltung und Bewegung begründeten Belastungsfaktoren [66, 78, 180]. Lasten wurden nur anhand einer Gewichtsbestimmung der im Tätigkeitsverlauf zu handhabenden Gegenstände dokumentiert. Eine parallele Erfassung von Hebevorgängen, wie sie bereits zahlreich durchgeführt wurden, erfolgte nicht [35, 37, 82]. Für die analysierten Tätigkeiten des Bauhandwerks wird insbesondere aufgrund von Lastenhandhabungen von einem erhöhten Risiko für Wirbelsäulenbeschwerden ausgegangen [68, 73, 115, 134]. Der ermittelte Zusammenhang begründet sich jedoch überwiegend durch eine binäre Dokumentation von Lasten ( ja / nein ) und ggf. durch die Höhe der Lastgewichte. Für eine bessere Risikoattribuierung wäre jedoch eine nach Hebe- oder Umsetzfrequenz gestuft Erfassung unterschiedlicher Lastgewichte notwendig [87]. Da dies jedoch in der Praxis mit den derzeitigen Verfahren kaum zuverlässig realisierbar ist [57], liegen Belastungsgrenzwerte für Lasten lediglich auf Grundlage von Laborversuchen vor [90]. Die hierbei bestimmten Grenzwerte orientieren sich an einer modellhaft errechneten Druckkraft auf die Wirbelsäulenstrukturen im Bereich 5. Lendenwirbel (L5) und 1. Sakralwirbel (S1) [90]. Auf Grundlage der zahlreichen Studien zur Wirbelsäulenbelastung durch Lastenhandhabung ist eine zentrale Bedeutung dieses Faktors bei der Belastungsbewertung gegeben. Allerdings ist eine isolierte Bewertung der Lasten zu unspezifisch und bei der überwiegenden Anzahl der Berufstätigkeiten nicht zielführend. Oberkörperhaltungen wurden mangels adäquater Messmethoden bislang überwiegend qualitativ erhoben. Die Ergebnisse dokumentieren jedoch studienübergreifend auch in den Berufsgruppen der Handwerksberufe einen Zusammenhang zwischen ungünstigen Körperhaltungen und Rückenbeschwerden [1, 115, 151]. Eine Differenzierung von Häufigkeit, Dauer und Ausprägung dieser Faktoren fehlt jedoch häufig. Im Rahmen der 2. Dortmunder Lumbalbe-

126 6. Gesamtdiskussion 126 lastungsstudie wurden anhand von Videoaufzeichnungen im Labor berufsgruppenspezifische Haltungsausprägung nach Häufigkeit und Ausprägung summiert [88]. Ein Vergleich dieser Studienergebnisse mit den vorliegenden Daten ist jedoch aufgrund der absoluten Angaben zur Häufigkeit von Körperhaltungen und eines umfassenden Codierungsprozesses der Haltungsausprägungen kaum möglich. Interessant ist jedoch, dass Oberkörperhaltungen in Abstufung ihrer Ausprägung und/oder mit unterschiedlichen Haltungskombinationen als zentrale Belastungskenngröße und unabhängig von Lastgewichten betrachtet werden [85]. Erfassung und Bewertung von Haltung und Bewegung in der Arbeitsmedizin Untersuchungen, in denen statische und dynamische Arbeitshaltungen als Kenngrößen für Wirbelsäulenbelastungen messtechnisch quantifiziert wurden, liegen kaum vor. Dies ist erstaunlich, da bekannt ist, dass insbesondere durch extreme und einseitige Rumpfhaltungen (z. B. Flexion und Rotation) erhebliche Belastungen auf Bandscheiben, Bänder (vorderes und hinteres Längsband sowie die zahlreichen interspinalen Bänder) und Facettengelenke einwirken [60, 71, 157]. Des Weiteren mangelt es hierzu an validen Daten, die unter realen Arbeitsbedingungen mittels messtechnischer Belastungsanalysen erhoben wurden. Ein vergleichbarer Untersuchungsansatz liegt hierzu von Derksen und Mitarbeitern [40] vor. Hierbei wurde auf Grundlage von Einzelfallstudien eine evaluierte Messmethodik [158] bei Golfspielern eingesetzt. Die ableitbaren Kenngrößen zielen ebenfalls auf Häufigkeit und Ausprägung der ermittelten Oberkörperpositionen als Belastungskriterium. Die Anforderungen im Golfsport und die im Bauhandwerk scheinen zwar nicht unmittelbar vergleichbar, dennoch ist bemerkenswert, dass in dieser impulsartig-dynamischen Sportart Belastungsschwerpunkte in Abhängigkeit von Haltung und Bewegung des Oberkörpers und der Wirbelsäule analysiert und bewertet werden. In einer weiteren Studie wurden in Laborversuchen Untersuchungen mit Bauhandwerkern durchgeführt. Zielsetzung der Studie war es, die Arbeitsabläufe dahingehend zu optimieren, dass weniger schnelle bzw. häufig wiederholte (Repitivität) Bewegungen durchgeführt werden mussten [78]. Die verfügbaren

127 6. Gesamtdiskussion 127 Parameter beruhten auf Messwerten von Beschleunigungssensoren und zielten maßgeblich auf haltungs- und bewegungsbezogene Belastungskenngrößen ab. Trotz einzelner Untersuchungen fehlen insbesondere mit Blick auf die Arbeitswelt solche quantitativen Analyseansätze weitestgehend als Expertenverfahren in der Arbeitsmedizin. Dies erscheint unverständlich, da die möglichen Zusammenhänge von Haltungs- und Bewegungsmustern des Oberkörpers und der Wirbelsäule mit tätigkeitsspezifischen Rückenbeschwerden seit langem angedeutet werden [35, 37, 38, 50, 78, 92, 174]. Auf Grundlage der ermittelten Belastungsprofile sowie der Literaturbefunde bestehen trotz aller Limitierungen dieser Einzelfallanalysen deutliche Anhaltspunkte dafür, dass neben dem Faktor Last spezifische Konstellationen von Haltung und Bewegung als dominierende Belastungskenngrößen dieser Berufsgruppen betrachtet werden können. Weiterer Forschungsbedarf scheint offensichtlich, um zur Aufklärung tätigkeitsspezifischer Wirbelsäulenbeschwerden beitragen zu können. Die stärkere Berücksichtigung quantitativer Parameter von Haltungs- und Bewegungseigenschaften könnte einen wichtigen Beitrag zur Reduktion arbeitsplatzbezogener Rückenbeschwerden darstellen. Eine gesicherte messtechnische Datengrundlage würde in vielen arbeitsmedizinischen Bereichen zu einer verbesserten Handlungsgrundlage beitragen. Neben Erweiterungen und Spezifizierungen im Beurteilungsverfahren von Berufskrankheiten (z. B. BK 2108/2109/2110) können die Daten zudem einen wichtigen Beitrag zur Anforderungsbeurteilung von Arbeitsplätzen leisten. Möglichkeiten von Expertensystemen für Arbeitsmedizin und Ergonomie Zahnmedizin Am Beispiel wesentlicher Belastungskenngrößen zahnmedizinischer Behandlungstätigkeiten sollen im Folgenden die Möglichkeiten von spezifischen Analysesystemen für arbeitsmedizinische Begutachtungen und/oder zur Begründung und Evaluation ergonomischer Maßnahmen skizziert werden. Die analysierten zahnmedizinischen Tätigkeiten waren unabhängig von der Behandlungsposition des Arztes (9-Uhr- vs. 12-Uhr-Position) durch multidimensionale Haltungskombinationen ( ungünstige Körperhaltung ) und Dauerzwangshaltungen geprägt. Interessanterweise konnte zwischen den Behandlungspositionen keine grundlegend unterschiedliche Haltungs- und Bewe-

128 6. Gesamtdiskussion 128 gungscharakteristik festgestellt werden. Die in zahnmedizinischen Fachzeitschriften teilweise geäußerten Feststellungen, dass eine 12-Uhr-Position in Kombination mit einem ergonomischen Arbeitsumfeld einen deutliche Vorteil hinsichtlich der Arbeitshaltung mit sich bringt [131], kann auf Grundlage der exemplarischen Untersuchungen nicht bestätigt werden. Eine Übereinstimmung kann hingegen für Studienergebnisse gefunden werden, die eine häufige Schmerzproblematik im Zervikal- und Lumbalbereich ermitteln konnten [4, 186]. In diesen Wirbelsäulensegmenten waren die Belastungsindikatoren der eigenen Untersuchungen am häufigsten vertreten und am stärksten ausgeprägt. Die Untersuchungsergebnisse deuten an, dass die Anforderungen der zahnmedizinischen Behandlungstätigkeit einen dominierenden Einfluss auf die Oberkörperhaltungen haben. Möglichkeiten zur Veränderung der Körperhaltung während der Behandlung scheinen nicht gegeben zu sein: Auch ein Wechsel der Arbeitsposition (9-Uhr vs. 12-Uhr-Position) konnte keine Verringerung der ermittelten Belastungsindikatoren aufzeigen. Im Rahmen ergonomischer Studien sind Veränderungen am Arbeitsplatz häufig mit der Zielsetzung einer Belastungsreduktion verknüpft [159]. Allerdings werden derzeit nur selten arbeitsmedizinische Analysen zur messtechnischen Evaluierung der Wirbelsäulenbelastung am Arbeitsplatz durchgeführt. Exemplarisch zeigt die Studie von Derksen und Mitarbeitern [41] die Möglichkeiten solcher Ansätze. Zielsetzung der Untersuchung war es, drei unterschiedliche Arbeitsmethoden (Arbeitstische) von Mitarbeitern in einem Postverteilungszentrum hinsichtlich der Belastungen durch Oberkörperhaltungen zu bewerten. Die in den drei Arbeitssituationen erfassten Oberkörperneigungswinkel differierten allerdings nur geringfügig voneinander. Die verhältnismäßig geringsten Belastungen konnten für einen komplexen Arbeitsablauf ermittelt werden, der jedoch in der Praxis kaum Akzeptanz fand [41]. Die Belastungsfaktoren konnten in dieser Studie messtechnisch objektiviert werden. Da diese Datengrundlage jedoch nicht bei der Gestaltung der unterschiedlichen Arbeitsplätze berücksichtigt wurde, war die Evaluation der ergonomischen Maßnahmen nicht zufriedenstellend. Allerdings konnten auf Basis der Studienresultate zielgerichtete Veränderungsvorschläge begründet werden. Die hierbei verwendete Messmethodik [158] ist jedoch mit Blick auf die segmentale Erfassung von Wirbelsäulenbewegungen und der Anwendung bei sitzenden Tätigkeiten limi-

129 6. Gesamtdiskussion 129 tiert. Dennoch zeigt das Beispiel, welche Vorteile solche Expertensysteme bieten können. Spezifische Maßnahmen der Ergonomie, Belastungsdokumentationen für Arbeitsplätze und hieraus resultierende strukturelle und individuelle Interventionsempfehlungen können nur mit einer validen Datenbasis effektiv und effizient gestaltet werden. Berücksichtigung von Haltung und Bewegung in der Prävention, Kompensation und Bewertung tätigkeitsspezifischer Wirbelsäulenbelastungen Mit Blick auf die praktische Nutzanwendung des entwickelten Verfahrens ist neben den genannten ergonomischen Möglichkeiten zudem die Anbindung zu präventiven und kompensatorischen Maßnahmen zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang verweist die Leitlinie Bewertung körperlicher Belastungen des Rückens durch Lastenhandhabung und Zwangshaltungen im Arbeitsprozess der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V. [187] ebenso wie die Leitlinie für die berufsgenossenschaftliche Forschung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung [188] u. a. auf die Notwendigkeit, physikalische Belastungen durch ungünstige Körperhaltungen oder wiederkehrende Bewegungen zu vermeiden. Im besonderen Fokus dieser Leitlinien steht die Vermeidung von Muskel-Skelett-Belastungen sowie deren Kompensation. Als Voraussetzung für die Umsetzung spezifischer Maßnahmen wird u. a. eine valide Quantifizierung der Belastungskenngrößen genannt [188]. Des Weiteren sollten neben der Belastungsbeschreibung aus den Kenngrößen der Datenerhebungen auch Hinweise auf mögliche individuumsbezogene (Verhaltensprävention) und/oder arbeitplatzbezogene (Verhältnisprävention) Gestaltungsmaßnahmen ableitbar sein [113]. Parallel zu diesen Leitlinien, die teilweise auch in Gesetzen und Verordnungen verankert sind, wird auch in den Merkblättern der BK Nr und BK Nr auf die Beachtung ungünstiger Oberkörperhaltungen verwiesen. Die Umsetzung dieser Maßgaben in der Praxis bereitete den Unfallversicherungsträgern, den Sozialgerichten und den Gutachtern jedoch von Beginn an erhebliche Probleme [101]. Die Deutsche Wirbelsäulenstudie (2002 bis 2007) verfolgte daher das Ziel, wissenschaftliche Erkenntnislücken in der Belastungsbeurteilung zu schließen [117]. Wenngleich ungünstige Körperhaltungen bei der biomechanischen Belastungsanalyse nach dem Modell Der Dortmunder [91, 88]

130 6. Gesamtdiskussion 130 berücksichtigt [86, 152) wurden, ist weiterhin ausschließlich die Druckkraft zwischen L5/S1 als kumulativer Belastungsfaktor beurteilungsrelevant [86]. Eine kritische Betrachtung zur Erhebung der Haltungs- und Bewegungsinformationen [48] lässt vermuten, dass die durchgeführten Befragungen zu enormen Fehlableitungen in der biomechanischen Modellierung und der abgeleiteten Belastungsdosis führen können. Die zweifelsohne hohe Güte des Modells Der Dortmunder [91] kann daher nur ausgeschöpft werden, wenn die Basisdaten ein valides Abbild der realen individuellen Tätigkeitsabläufe darstellen. Insofern bestärken die Befunde der Deutschen Wirbelsäulenstudie den in dieser Arbeit verfolgten Ansatz: Eine adäquate Belastungsbeurteilung muss stets eine zeitlich aufgelöste Parameterbewertung nach Art, Dauer und Häufigkeit ermöglichen [19]. Darüber hinaus wurde die Wichtigkeit von kinematischen Belastungen deutlich herausgestellt [86, 152, 129]. Allerdings mangelt es bislang an Verfahren, die eine valide, tätigkeitsbezogene Bewertung der kumulativen Belastungsdosis durch Haltung und Bewegung des Oberkörpers und der Wirbelsäule ermöglichen [129]. Die besondere Herausforderung zur spezifischen Belastungsbewertung beruflicher Tätigkeiten zeigt sich auch an den aktuellen Statistiken zum Feststellungsverfahren von Wirbelsäulenbelastungen am Arbeitsplatz. Im Jahr 2007 wurden für die BK Nr ,4 % und für die BK Nr ,5 % aller Verdachtsanzeigen als Berufskrankheit anerkannt [32]. Keine andere Gruppe der Berufskrankheiten-Verordnung [15] weist vergleichbare Diskrepanzen zwischen Anzeige und Anerkennung auf. Tätigkeiten, die maßgeblich durch Dauerzwangshaltungen und repetitive Arbeitsabläufe ohne oder nur mit geringer Lastenhandhabung geprägt sind, können derzeit nur unzureichend genau beurteilt werden. Hinweise darauf, wie häufig eine fehlende bzw. unzureichende Belastungsanalyse als Ablehnungskriterium dieser Berufskrankheiten vorkommt, konnte in der Literatur jedoch nicht gefunden werden. Auch wenn an dieser Stelle hierzu keine umfangreiche Diskussion durchgeführt werden kann, ergibt sich aus den zuvor genannten Zahlen weiterer Handlungsbedarf zur spezifischen Belastungsbewertung durch Haltung und Bewegung. Aufgrund der zuvor skizzierten Sach- und Datenlage wurde die vorgestellte Arbeit gezielt dahingehend ausgerichtet, eine valide Quantifizierung von Wirbelsäulenbelastungen durch Haltung und Bewegung des Oberkörpers an nahezu

131 6. Gesamtdiskussion 131 jedem Arbeitsplatz zu ermöglichen. Die vielfältigen Möglichkeiten des entwickelten Verfahrens gestatten nicht nur eine erweiterte Belastungsanalyse, sondern bieten im Zusammenhang mit den vorhandenen Ansätzen zur Belastungsreduktion sowie für die BK-Beurteilungen 2108 und 2109 deutliche Synergieeffekte. Das Verfahren schließt mit Blick auf kinematische Belastungskenngrößen eine umfangreiche Erkenntnislücke. Hierbei wird ein Gebiet erschlossen, das bislang als ein großer Prediktor für tätigkeitsspezifische Wirbelsäulenbelastungen angenommen wurde. Fehlende methodische Zugänge verhinderten jedoch bislang eine valide Quantifizierung und Bewertung. In diesem Zusammenhang sei noch mal erwähnt, dass nun erstmals die Möglichkeit besteht auch augenscheinlich wenig körperlich belastende Tätigkeiten objektiv beurteilen zu können. Neben der wissenschaftlichen Nutzbarkeit bietet die weiterführende Anwendung des Systems Arbeitsmedizinern, Unfallversicherungsträgern, Berufsgenossenschaften etc. eine praxisrelevante Handlungsgrundlage. Darüber hinaus lassen sich für die Betroffenen zielgerichtet praxisrelevante Hinweise zur Verhaltens- und Verhältnisprävention ableiten.

132 6. Gesamtdiskussion Fazit und Ausblick Oberkörperhaltungen und Wirbelsäulenbewegungen divergieren um ein Vielfaches zwischen unterschiedlichen Tätigkeiten. Dieses bisher eher als allgemeine Annahme bekannte Wissen ist nun durch ein valides Messverfahren an nahezu jedem Arbeitsplatz mit spezifischen Daten zu den einzelnen Wirbelsäulensegmenten sowie in den drei Körperebenen standardisiert dokumentierbar. Neben allgemeinen Befunden zur Tätigkeitsanforderung, können die identifizierten Belastungen im Bereich der Wirbelsäule lokalisiert und individuelle Belastungsmerkmale von tätigkeitsbedingten Eigenschaften abgegrenzt werden. Die vielfältigen bewegungs- und haltungsinduzierten Belastungsindikatoren heben das bislang nur unzureichend präzise quantifizierbare, umfassende Risikopotenzial tätigkeitsbezogener Wirbelsäulenbeschwerden hervor. Dies betrifft offensichtlich sowohl körperlich anforderungsreiche (Bauberufe) als auch körperlich wenig intensive (sitzende Berufe) Tätigkeiten. In Ergänzung zu deskriptiven Literaturbefunden zeigen die vorliegenden Ergebnisse deutlich, dass Rückenschmerzen am Arbeitsplatz häufig durch ein komplexes Beziehungsgefüge von Haltung und Bewegung bedingt sein können. Darüber hinaus können nun zu den zentralen Belastungskenngrößen asymmetrischer, multidimensional verdrehter, repetitiver oder monotoner Oberkörperaktionen quantitative Aussage getroffen werden. Die detaillierten Daten von Haltung und Bewegung des Oberkörpers bieten zusätzlich zu einer Belastungsbeurteilung unmittelbar Ansatzpunkte für Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung und Ergonomie. Neben präventiven Interventionsempfehlungen können die validen Anforderungsmerkmale der Tätigkeit auch für betriebliche Wiedereingliederungsmaßnahmen genutzt werden: Therapiemaßnahmen und Ziele könnten bei einer längeren krankheitsbedingten Abwesenheit aufgrund von Rückenbeschwerden mit den Arbeitsplatzanforderungen abgestimmt werden. Mithilfe des nun vorliegenden Analyseverfahrens (Hard- und Software) können die bisher nur augenscheinlich ermittelten Haltungs- und Bewegungsinformationen präzise quantifiziert und standardisiert bewertet werden. Damit die aufgezeigten Möglichkeiten in eine breitere Anwendung überführt werden können, sollten die weiterführenden Untersuchungs- und Forschungstätigkeiten insbesondere folgende Bereiche betreffen:

133 6. Gesamtdiskussion 133 Aufbau einer Referenzdatenbank mit Haltungs- und Bewegungsprofilen vielfältiger Tätigkeiten sowie eines erhöhten Probandenumfangs. Entwicklung von haltungs- und bewegungsspezifischen Belastungsindikatoren unter Berücksichtigung bestehender arbeitsmedizinischer Belastungskriterien. Verknüpfung der tätigkeitsspezifischen Belastungskenngrößen mit epidemiologischen Studien zur Prävalenz und Ätiologie arbeitsplatzbezogener Rückenbeschwerden. Anwendung des biomechanischen Analyseverfahrens im Rahmen von ergonomischen Produktentwicklungen, Beurteilungsverfahren tätigkeitsspezifischer Wirbelsäulenbelastungen und Arbeitsplatzgestaltungen. Implementierung der neuartigen Haltungs- und Bewegungsinformationen in bestehende rechentechnische biomechanische Modellierungen. Integration der Belastungskenngrößen in arbeitsgruppenspezifische Präventions- und Interventionsmaßnahmen.

134 Zusammenfassung Zusammenfassung Erkrankungen des Muskel-Skelettsystems und des Bindegewebes, zu denen auch Rückenschmerzen zählen, sind in Deutschland (26,5 %) und anderen westlichen Industrienationen seit Jahren die häufigste Ursache für krankheitsbedingte Fehlzeiten. Als mögliche Ursachen tätigkeitsspezifischer Wirbelsäulenbeschwerden werden u. a. zahlreiche Faktoren von Haltung und Bewegung des Oberkörpers diskutiert. Bislang fehlt es allerdings an einem Messverfahren, mit dem eine valide Quantifizierung dieser Parameter am Arbeitsplatz möglich ist. Dies hat letztlich zur Folge, dass weder die Belastung der Tätigkeiten ausreichend spezifisch quantifiziert noch begründete Maßnahmen zur Belastungsreduzierung empfohlen werden können. Zielsetzung der Arbeit war es daher, ein mobiles Analyseverfahren zu entwickeln, das Haltungs- und Bewegungsprofile der Wirbelsäule und des Oberkörpers an nahezu jedem Arbeitsplatz ermitteln kann. Die hierzu notwendigen methodischen Arbeitsschritte erforderten die Integration technischer Neuentwicklungen und bestehender Messverfahren. Grundlage des Verfahrens ist ein kommerziell vertriebenes Messsystem, das auf Ultraschallbasis innerhalb definierter Wirbelsäulensegmente Längenänderungen der Haut erfasst und indirekt ein dreidimensionales Haltungsprofil der Wirbelsäule ableitet. Ein erstmals zusätzlich integrierter Neigungssensor bestimmt die Oberkörperneigung in der Sagittalebene. Des Weiteren erforderte die standardisierte Analyse von dynamischen und statischen Aufzeichnungsphasen umfangreiche Softwareentwicklungen. Das entwickelte System wurde in einer Evaluierungsstudie bewertet und in exemplarischen Tätigkeitsanalysen (Einzelfallanalyse) heterogener Arbeitsbereiche (Büro, Bauhandwerk, Zahnmedizin) erprobt. Reliabilität und Validität des Verfahrens können als hoch bis sehr hoch bezeichnet werden. Die sitzende Tätigkeit (Büroarbeit) war durch einen hohen Anteil (70 % bis 80 %) an Dauerzwangshaltungen und mehrdimensional verdrehte Wirbelsäulenstellungen gekennzeichnet. Bezeichnend für die bauhandwerklichen Tätigkeiten waren hingegen eine stärkere Dynamik und die häufige Einnahme von Extrempositionen (bis zu 80 %). Des Weiteren war die Tätigkeit im Stahlbetonbau zusätzlich durch eine hohe Repetivität (60 bis 111 Bewegungen/min) in 70 % bis 90 % der Tätigkeitsdauer charakterisiert. Die zahnmedizi-

135 Zusammenfassung 135 nischen Behandlungstätigkeiten wurden in ausgeprägten Phasen von Dauerzwangshaltungen (80 % bis 90 %) sowie zu 40 % bis 60 % der Arbeitszeit in verdrehten Wirbelsäulenstellungen verrichtet. Am Beispiel der zahnmedizinischen Tätigkeit konnte darüber hinaus exemplarisch die Möglichkeit einer veränderten Arbeitsposition zur quantitativen Bewertung von Interventionsmaßnahmen dargestellt werden. Auf Grundlage der Haltungs- und Bewegungsprofile von Tätigkeiten im Büro, Bauhandwerk sowie in der Zahnmedizin wurde ein Bewertungsschema entwickelt. Die neuartige Analyse kinematischer Tätigkeitsabläufe ermöglicht u. a. eine exakte Quantifizierung von Dauer und Häufigkeit der Dauerzwangshaltungen sowie von Dauer, Häufigkeit und Amplitude repetitiver Arbeitsphasen. Die ermittelten Kenngrößen geben vielfältige Hinweise auf haltungsbedingte Belastungen, die unabhängig oder in Kombination mit Lastenhandhabungen auftreten können. Im Vergleich zu den bislang vorliegenden, überwiegend qualitativen Untersuchungen von Haltung und Bewegung des Oberkörpers, können nun quantitative Angaben gezielt zur Belastungsbeurteilung genutzt werden. Dies bietet für vielfältige Anwendungsgebiete (Belastungsbeurteilung, Ergonomie, Prävention etc.) eine valide Handlungsgrundlage. Schlüsselbegriffe: Arbeitsmedizin, Belastungsanalyse, Ergonomie, Rückenschmerzen

136 Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis 1 Adelmann M, Bunk W, Linke-Kaiser G, Wakula J, Schildge B Rohmert W: Fliesen-, Platten- und Mosaikleger. Arbeitsmedizinische und arbeitswissenschaftliche Studie der Belastungen und Beanspruchungen bei Fliesenarbeiten. Schriftenreihe Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin in der Bauwirtschaft. Arbeitsgemeinschaft der Bau- Berufsgenossenschaften (Hrsg.), Frankfurt am Main, Akesson I, Schütz A, Horstmann V, Skerfving S, Moritz U: Musculoskeletal symptoms among dental personnel; - lack of association with mercury and selenium status, overweight and smoking. Swed Dent J 24: 23-38, Alexopoulos EC, Burdorf A, Kalokerinou A: Risk factors for musculoskeletal disorders among nursing personnel in Greek hospitals. Int Arch Occup Environ Health 76: , Alexopoulos EC, Stathi IC, Charizani F: Prevalence of musculoskeletal disorders in Dentists. BMC Musculoskelet Disord 9: 16, Allread WG, William SM, Deborah LB: Measuring trunk motions in industry: variability due to task factors, individual differences, and the amount of data collected. Ergonomics 43: , Armstrong TJ, Buckle P, Fine LJ, Hagberg M, Jonsson B, Kilbom A, Kuorinka IA, Silverstein BA, Sjogaard G, Viikari-Juntura ER: A conceptual model for work-related neck and upper-limb musculoskeletal disorders. Scand J Work Environ Health 19: 73-84, Arnold J: APALYS - Eine Möglichkeit zur Berechnung der Wirbelsäulenbelastung beim Heben von Lasten. Die Säule 10: 30-33, Arnold J, Kurtz P, Zweilig K: APALYS Eine Möglichkeit zur Berechnung der Wirbelsäulenbelastung beim Heben von Lasten. In: Gens W (Hrsg.): 41. Internationales wissenschaftliches Kolloquium, Technische Universität Illmenau, , Barcroft H, Millen JLE: The blood flow through muscle during sustained contraction. J Physiol (Lond) 97: 17-31, Baum K, Essfeld D: Origin of back pain during bedrest: A new hypothesis. Eur J Med Res 4: , Baum K, Hoy S, Essfeld D: Continuous monitoring of spine geometry: a new approach to study back pain in space. Int J Sports Med 18: , Baum K, Selle K, Leyk D, Essfeld D: Comparison of blood pressure and heart rate responses to isometric exercise and passive muscle stretch in humans. Eur J Appl Physiol 70: , Beek van der AJ, Frings-Dresen MHW: Assessment of mechanical exposure in ergonomic epidemiology. Occup Environ Med 55: , Bernard B: Musculoskeletal disorders and workplace factors: a critical review of epidemiological evidence for work-related musculoskeletal disorders of the neck, upper extremity, and low back. DHHS (NIOSH) Publication Cincinnati, USA: National Institute for Occupational Safety and Health, Berufskrankheiten-Verordnung (BKV). BGBI I, Berlin, Bieniek S: Prävalenz von Rückenschmerzen, orthopädische Auffälligkeiten und Leistung der Rumpfmuskulatur bei Berufstätigen. Ergebnisse einer frühdiagnostischen Wirbelsäulenuntersuchung. In: Betriebliches Gesundheitsmanagement und Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren, 32. Wirtschaftsverl. NW Verlag für Neue Wissenschaft, Bremerhaven, 2004

137 Literaturverzeichnis Bigos SJ, Battie MC, Spengler DM, Fisher LD, Fordyce WE, Hansson TH, Nachemson AL, Wortley MD: A prospective study of work perceptions and psychological factors affecting the report of back injury. Spine 16: 1-6, BKK Bundesverband (Hrsg.): BKK Gesundheitsreport Demographischer und wirtschaftlicher Wandel - gesundheitliche Folgen. Essen, Bolm-Audorff U, Bergmann A, Ditchen D, Ellegast R, Elsner G, Grifka J, Haerting J, Hofmann F, Jäger M, Linhardt O, Luttmann A, Michaelis M, Petereit-Haak G, Seidler A: Zusammenhang zwischen manueller Lastenhandhabung und lumbaler Chondrose - Ergebnisse der Deutschen Wirbelsäulenstudie. Zbl Arbeitsmed 57: , Bolt HM: Dosis-Wirkungs-Konzept. In: Handbuch der Arbeitsmedizin (3. Aufl.). Ecomed Medizin, Landsberg/Lech, Bolten W, Kempel-Waibel A, Pförringer W: Analyse der Krankheitskosten bei Rückenschmerzen. Medizinische Klinik 93: , Bongers PM, Boshuizen HC: Back disorders and whole-body vibration at work. Dissertation, Universität Amsterdam, Bortz J, Döring N: Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler. 4. Auflage, Springer Medizin Verlag, Heidelberg, Bovenzi M, Zadini A: Self-reported low back symptoms in urban bus drivers exposed to whole-body vibration. Spine 17: , Breasted JH: The Edwin Smith papyrus. In: facsimile and hieroglyphic transliteration with translation and commentary in two volumes. Chicago: University of Chicago Press, Bretigny P, Seifert L, Leory D, Chollet D: Upper-limb kinematics and coordination of short grip and classic drives in field hockey. J Appl Biomech 24: , Bridger RS, Groom MR, Jones H, Pethybridge RJ, Pullinger N: Task and postural factors are related to back pain in helicopter pilots. Aviat Space Environ Med 73: , Brinckmann P: Stress and strain of human lumbar disc. Clin Biomech 3: , Brinckmann P, Biggemann M, Hilweg D: Prediction of lumbar compressive strength of human lumbar vertebrae. Clin Biomech 4 (Suppl 2): 1-27, Brinckmann P, Frobin W, Biggemann M, Tillotson M, Burton K: Quantification of overload injuries to thoracolumbar vertebrae and disc in persons exposed to heavy physical exertions or vibration at the workplace. Part II Occurrence and magnitude of overload injury in exposed cohorts. Clin Biomech 13 (Suppl 2): 1-36, Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Merkblatt zur Berufskrankheit Nr Berlin, Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Berlin, Burdorf A, Laan J: Comparison of methods for the assessment of postural load on the back. Scand J Work Environ Health 17: , Burdorf A, Naaktgeboren B, de Groot HC: Occupational risk factors for low back pain among sedentary workers. J Occup Med 35: , Busser HJ; Korte de WG; Glerum EBC; Lummel van RC: Method for objective assessment of physical work load at the workplace. Ergonomics 41: , Caffier G, Steinberger U, Liebers F: Praxisorientiertes Methodeninventar zur Belastungs- und Beanspruchungsbeurteilung im Zusammenhang mit arbeitsbedingten Muskel-Skelett-Erkrankungen. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Forschungsbericht Arbeitsmedizin). Dortmund/Berlin, 1999

138 Literaturverzeichnis Chung MK, Lee I, Kee D: Quantitative postural load assessment for whole body manual tasks based on perceived discomfort. Ergonomics 48: , Davis KG, Marras WS: The effects of motion on trunk biomechanics. Clin Biomech 15: , Delleman NJ, Dul J: International standards on working posturesand movements ISO and EN Ergonomics 50: , Derksen J C, van Riel MP, Snijders CJ: A new method for continuous recording of trunk postures while playing golf. J Appl Biomech 12: , Derksen JC, van Riel MP, Wingerden JP, Snijders CJ: A comparison of working postures of parcel sorters using three different working methods. Ergonomics 37: , Deutsche Gesellschaft für Evaluation e.v. (DeGEval): Standards für Evaluation Diemer W: Chronische Schmerzen. Kopf- und Rückenschmerzen, Tumorschmerzen. Robert-Koch-Institut, Gesundheitsberichterstattung des Bundes 7, Berlin, Dimov M, Bhattacharya A, Lemasters G, Atterbury M, Greathouse L, Ollila-Glenn N: Exertion and body discomfort perceived symptoms associated with carpentry tasks: an on-site evaluation. AIHAJ 61: , DIN EN : Sicherheit von Maschinen Menschliche körperliche Leistung Teil 5: Risikobeurteilung für repetitive Tätigkeiten bei hohen Handhabungsfrequenzen. Beuth, Berlin, Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (Hrsg.): ICD- 10-GM Version Diagnosenthesaurus, Kohlhammer Verlag, Stuttgart, Elders LA, Burdorf A: Prevalence, incidence, and recurrence of low back pain in scaffolders during a 3-year follow-up study. Spine 29: E , Ellegast R, Ditchen D, Bergmann A, Bolm-Audorff U, Elsner G, Grifka J, Haerting J, Hofmann F, Jäger M, Linhardt O, Luttmann A, Michaelis M, Petereit-Haak G, Seidler A: Erhebung der beruflichen Wirbelsäulenexposition durch die Technischen Aufsichtsdienste der Unfallversicherungsträger im Rahmen der Deutschen Wirbelsäulenstudie. Zbl Arbeitsmed 57: , Ellegast R, Kupfer J, Reinert D: Personengebundenes Messsystem zur Registrierung äußerer Belastungsgrößen bei beruflichen Hebe- und Tragetätigkeiten. In: Wolter D, Seide S (Hrsg.): Berufsbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule. Springer- Verlage, Berlin, Heidelberg, , Esola MA, McClure PW, Fitzgerald KG, Siegler S: Analysis of lumbar spine and hip motion during forward bending in subjects with and without a history of low back pain. Spine 21: 71-78, Eßfeld D, Baum K: Influence of gravity on cardiovascular reflexes from skeletal muscle receptors. Med Sci Sports Exerc 28: 23-28, Evans W, Jobe W, Seibert C: A cross-sectional prevalence study of lumbar disc degeneration in a working population. Spine 14: 60-64, Fathallah FA, Marras WS, Parnianpour M: An assessment of complex spinal loads during dynamic lifting tasks. Spine 23: , Fathallah FA, Miller BJ, Miles JA: Low back disorders in agriculture and the role of stooped work: scope, potential interventions, and research needs. J Agric Saf Health 14: , Ferguson SA, Marras WS, Waters TR: Quantification of back motion during asymmetric lifting. Ergonomics 35: , 1992

139 Literaturverzeichnis Frank JW, Kerr MS, Brooker AS, DeMaio SE, Maetzel A, Shannon HS, Sullivan TJ, Norman RW, Wells RP: Disability resulting from occupational low back pain. Part I: What do we know about primary prevention? A review of the scientific evidence on prevention before disability begins. Spine 21: , Fransson-Hall C, Robert G, Kilbom A, Winkel J: A portable ergonomic observation method (PEO) for computerized on-line recording of postures and manual handling. Appl Ergon 26: , Fricton JR, Kroening R, Haley D, Siegert R: Myofascial pain syndrome of the head and neck: a review of clinical characteristics of 164 patients. Oral Surg Oral Med Oral Pathol 60: , Friedrich M: Measuring lumbar sagittal posture in sewgae workers using an ultrasonic device. Journal of Musculoskeletal Research 6: , Genaidy AM, Waly SM, Khalil TM, Hidalgo J: Spinal compression tolerance limits for the design of manual material handling operations in the workplace. Ergonomics 36: , Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG). BGBl I, Bonn, Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit. Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG ). BGBl I, Bonn, Göbel H: Epidemiologie und Kosten chronischer Schmerzen. Spezifische und unspezifische Rückenschmerzen. Der Schmerz 15: 92-98, Goldberg MS, Scott SC; Mayo NE: A review of the association between cigarette smoking and the development of nonspecific Back Pain related outcomes. Spine 25: , Goldsheyder D, Nordin M, Weiner SS, Hiebert R: Musculoskeletal symptom survey among mason tenders. Am J Ind Med 42: , Goldsheyder D, Weiner SS, Nordin M, Hiebert R: Musculoskeletal symptom survey among cement and concrete workers. Work. 23: , Grosser V, Seide K, Kowald B, Wolter D: Computerunterstützte Begutachtung zur Berufskrankheit der Lendenwirbelsäule (BK2108). Trauma Berufskrankheit 1: 57-60, Guo HR, Chang YC, Yeh WY, Chen CW, Guo YL: Prevalence of musculoskeletal disorder among workers in Taiwan: a nationwide study. J Occup Health 46: 26-36, Hagberg M: ABC of work related disorders. Neck and arm disorders. BMJ 17: , Haldeman S: The neurophysiology of spinal pain. In Haldeman S (Hrsg.): Principles and practice of chiropractic. Appleton und Lange, East Norwalk, , Haldeman S: Low back pain: current physiologic concepts. Neurol Clin 17: 1-15, Hansson T, Roos B Nachemson A: The bone mineral and ultimate compressive strength of lumbar vertebrae. Spine 5: 46-55, Harkness EF, Macfarlane GJ, Nahit ES, Silman AJ, McBeth J: Risk factors for newonset low back pain amongst cohorts of newly employed workers. Rheumatology 42: , Hartung E, Dupuis H: Verfahren zur Bestimmung der beruflichen Belastung durch Heben und Tragen schwerer Lasten oder extremer Rumpfbeugehaltungen und deren Beurteilung im Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren. Die BG Nr. 7: , 1994

140 Literaturverzeichnis Hartvigsen J, Leboeuf-Yde C, Lings S, Corder EH: Is sitting while-at-work associated with low back pain? A systematic, critical literature review. Scand J Public Health 28: , Herz RP, Unger AN, McDonald M, Lustik MB, Biddulph-Krentar J: The impact of obesity on work limitations and cardiovaskcular riskfactors in the U.S. workforce. J Occup Environ Med 46: , Hestbaek L, Leboeuf-Yde C, Manniche C: Low Back Pain: what is the long-term course? A review of studies of general patient populations. Eur Spine J 12: , Hess JA, Hecker S, Weinstein M, Lunger M: A participatory ergonomics intervention to reduce risk factors for low-back disorders in concrete laborers. Appl Ergon 35: , Heuchert G, Kössler F, Seidel H, Steinberg U: Erkrankungen der Wirbelsäule bei körperlicher Schwerarbeit und Ganzkörperschwingungen. Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin, Sonderschrift 3, Berlin, Hierholzer G, Hax PM: Anmerkungen zu den neuen Berufskrankheiten Nr aus ärztlicher Sicht. Die BG Nr. 2: 72-76, Holmes AD, Hukins DWL, Freemont AJ: Endplate displacement during compression of lumbar vertebra-disc-vertebra segments and the mechanism of failure. Spine 18: , Hoogendoorn WE, Bongers PM, Vet HCW, de Douwes M, Koes BW, Miedema MC Ariëns GA, Bouter LM: Flexion and Rotation of the Trunk and Lifting at Work Are Risk Factors for Low Back Pain: Results of a Prospective Cohort Study. Spine 25: , 2000a 83 Hoogendoorn WE, van Poppel MNM, Bongers PM, Koes BW, Bouter LM: Systematic Review of Psychosocial Factors at Work and Private Life as Risk Factors for Back Pain. Spine 25: , 2000b 84 International Organization for Standardization (ISO): ISO : Mechanische Schwingungen und Stöße - Bewertung der Einwirkung von Ganzkörper-Schwingungen auf den Menschen - Teil 1: Allgemeine Anforderungen. Genf, International Organization for Standardization, International Organization for Standardization (ISO): ISO Ergonomics Evaluierung von Körperhaltungen bei der Arbeit. Genf, International Organization for Standardization, Jäger M, Geiß O, Annekatrin B, Bolm-Audirff U, Ditchen D, Ellegast R, Elsner G, Grifka J, Haerting J, Hofmann F, Linhardt O, Michaelis M, Petereit-Haack G, Seidler A, Luttmann A: Biomechanische Analyse zur Belastung der Lendenwirbelsäule innerhalb der Deutschen Wirbelsäulenstudie. Zbl Arbeitsmed 57: , 2007a 87 Jäger M, Jordan C, Theilmeier A, Göllner R, Luttmann A: Belastung der Lendenwirbelsäule bei branchenübergreifend auftretenden Arbeitssituationen mit Lastenhandhabung. Belastung der Lendenwirbelsäule IV-3.1. In: Handbuch der Arbeitsmedizin (3. Aufl.). Ecomed Medizin, Landsberg/Lech, 2007b 88 Jäger M, Jordan C, Theilmeier A, Luttmann A: Dortmunder Lumbalbelastungsstudie 2: Ermittlung und Beurteilung vergleichbarer Tätigkeiten hinsichtlich der Körperhaltung und der Wirbelsäulenbelastung bei verschiedenen beruflichen Tätigkeiten. Wissenschaftlicher Schlussbericht, Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (Hrsg.), 2001b 89 Jäger M, Luttmann A, Bolm-Audorff U, Schäfer K, Hartung E, Kuhn S, Paul R, Francks HP: Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) zur Beurteilung der Belastung der Lendenwirbelsäule durch Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung bei Verdacht auf Berufskrankheit Nr Teil 1: Retrospektive Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder. Arbmed Sozialmed Umweltmed 34: , 1999

141 Literaturverzeichnis Jäger M, Luttmann A, Göllner R: Belastbarkeit der Lendenwirbelsäule beim Handhaben von Lasten Ableitungen der Dortmunder Richtwerte auf Basis der lumbalen Kompressionsfestigkeit. Zbl Arbeitsmed 51: , 2001a 91 Jäger M, Luttmann A, Göllner R, Lauring W: Der Dortmunder Biomechanische Modellbildung zur Bestimmung und Beurteilung der Belastung der Lendenwirbelsäule bei Lastenhandhabungen. In Radandt S, Grieshaber R, Schneider W (Hrsg.). Prävention von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren und Erkrankungen: , Monade Verlag, Leipzig, Jäger M, Theilmeier A, Jordan C, Luttmann A: Ermittlung der Belastung der Lendenwirbelsäule bei ausgewählten Pflegetätigkeiten mit Patiententransfer. Shaker Verlag. Aachen, Juul-Kristensen B, Hansson GA, Fallentin N, Andersen JH, Ekdahl C: Assessment of work postures and movements using a video-based observation method and direct technical measurements. Appl Ergon 32: , Karhu O, Kansi P, Kuorinka I: Correcting working postures in industry: A practical method for analysis. Appl Ergon 8: , Karrasch K, Müller EA: Das Verhalten der Pulsfrequenz in der Erholungsperiode nach körperlicher Arbeit. Arbeitsphysiologie 14: , Kilbom A: Repetitive work of the upper extremity: Part I Guidelines for the practitioner. Int J Ind Ergonom 14: 51-57, Kilbom A: Repetitive work of the upper extremity: Part II The scientific basis (knowledge base) for the guide. Int J Ind Ergonom 14: 59-86, Kohlmann T, Deck R, Raspe H: Prävalenz und Schweregrad von Rückenschmerzen in der Lübecker Bevölkerung. Akt Rheumatol 29: , Kopec JA, Sayre EC, Esdaile JM: Predictors of back pain in a general population cohort. Spine 29: 70-78, Kopp S, Friedrichs A, Pfaff G, Langbein U: Beeinflussung des funktionellen Bewegungsraumes von Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule durch Aufbissbehelfe. Manuelle Medizin 41: 39-51, Kranig A: Grundlage und Ziele der Deutschen Wirbelsäulenstudie Vorbemerkungen. Zbl Arbeitsmed 57: 242, Kumar S: Theories of musculoskeletal injury causation. Ergonomics 44: 17-47, Lakdawalla DN, Bhattacharya J, Goldman DP: Are the young becoming more disabled? Health Affairs 23: , Länderausschuss für Arbeitssicherheit und Sicherheitstechnik (LASI; Hrsg.): Handlungsanleitung zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen beim Heben und Tragen von Lasten. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg, Potsdam, Lauring W: Grundzüge der Ergonomie. Erkenntnisse und Prinzipien. REFA Fachbuchreihe Betriebsorganisation. 4. Aufl. Beuth Verlag GmbH, Berlin, Lauring W: ErgonLIFT. Rechnergestützte Methodik zur Gefährdungsbewertung und Prävention beim manuellen Handhaben von Lasten. Erich Schmidt Verlag, Bielefeld, Latza U, Karmaus W, Sturmer T, Steiner M, Neth A, Rehder U: Cohort study of occupational risk factors of low back pain in construction workers. Occup Environ Med 57: 28-34, Latza U; Pfahlberg A, Gefeller O: Impact of repetitive manual materials handling and psychosocial work factors on the future prevalence of chronic low-back pain among construction workers. Scand J Work Environ Health 28: , Leboeuf-Yde C: Body weight and low Back Pain: A systematic review of 56 journal articles reporting on 65 epidemiologic studies. Spine 25: , 2000

142 Literaturverzeichnis Lehto TU, Helenius HY, Alaranta HT: Musculoskeletal symptoms of dentists assessed by a multidisciplinary approach. Community Dent Oral Epidemiol 19: 38-44, Leinmüller R: Rückenschmerzen: Der größte Teil ist myofaszial bedingt. Dtsch Arztebl 105: , Lengsfeld M, König IR, Schmelter J, Ziegler A: Passive rotary dynamic sitting at the workplace by office-workers with lumbar pain: a randomized multicenter study. Spine J 7: , Letzel S, Panter W, Egler P: Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.v. und des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte e.v. (VDBW) - Arbeitsmedizinische Vorsorge. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 42: , Li L, Patel N, Solomonow D, Le P, Hoops H, Gerhardt D, Johnson K, Zhou BH, Lu Y, Solomonow M: Neuromuscular response to cyclic lumbar twisting. Hum Factors 49: , Liebers F, Caffier G, Steinberg U: Charakteristik und Bewertung des individuellen Bewegungsmusters der Lendenwirbelsäule beim Heben von Lasten. Wirtschaftsverlag N. W. Verlag für neue Wissenschaft, Bremerhaven, Liebers F, Frauendorf H, Caffier G, Steinberg U, Behrendt S: Rückenerkrankungen in ausgewählten Berufsgruppen des Untertageerzbergbaus. - Historische Kohortenstudie. Verlag für neue Wissenschaft, Bremerhaven, Linhardt O, Bolm-Audirff U, Bergmann A, Ditchen D, Ellegast R, Elsner G, Haerting J, Hofmann F, Jäger M, Luttmann A, Michaelis M, Petereit-Haack G, Seidler A, Grifka J: Studiendesign der Deutschen Wirbelsäulenstudie. Zbl Arbeitsmed 57: , Linton SJ, Tulder MWv: Preventive interventions for back and neck pain problems What is the evidence? Spine 26: , Lis AM, Black KM, Korn H, Nordin M: Association between sitting and occupational LBP. Eur Spine J 16: , Lühmann D: Prävention von Rückenschmerz - Grundlagen und mögliche Interventionsstrategien. Bewegungstherapie und Gesundheitssport 21: , Lyons J: Factors contributing to low back pain among professional drivers: a review of current literature and possible ergonomic controls. Work 19: , Marras WS, Sommerich CM: A three-dimensional motion model of loads on the lumbar spine. I. Model structure. Hum Factors 33: , Marshall ED, Duncombe LM, Robinson RQ, Kilbreath SL: Musculoskeletal symptoms in New South Wales dentists. Aust Dent J 42: , Massaccesi M, Pagnotta A, Soccetti A, Masali M, Masiero C, Greco F: Investigation of work-related disorders in truck drivers using RULA method. Appl Ergon 34: , McBride D, Begg D, Herbison P, Buckingham K: Low back pain in young New Zealanders. N Z Med J 117: U1099, McEwen BS: Stress, adaptation and disease: allostasis and allostatic load. N Engl J Med 840: 33-44, Meinel H: Vorschriften, Aufgaben und Pflichten. In: Betrieblicher Gesundheitsschutz (2. Aufl.) Ecomed Medizin, Landsberg/Lech, Meyer-Falcke A: Arbeitsmedizinisch relevante Regelwerke. In: Handbuch der Arbeitsmedizin (3. Aufl.). Ecomed Medizin, Landsberg/Lech, 2007

143 Literaturverzeichnis Michaelis M, Hofmann F, Bolm-Audorff U, Bergmann A, Ditchen D, Ellegast R, Elsner G, Grifka J, Haerting J, Jäger M, Linhardt O, Luttmann A, Nübling M, Petereit-Haak G, Seidler A: Risikobranchen und berufe für die Entwicklung bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule Ergebnisse der Deutschen Wirbelsäulenstudie. Zbl Arbeitsmed 57: , Miyamoto M, Konno S, Gembun Y, Liu X, Minami K, Ito H: Epidemiological study of low back pain and occupational risk factors among taxi drivers. Ind Health 46: , Morita J Europe GmbH (Hrsg): Ergonomie am Behandlungsplatz. Warum sich intuitive Arbeitswege lohnen und Rückenschmerzen nicht sein müssen. Das deutsche Zahnärztblatt (ZWR) 117: , Nachemson AL, Waddell G, Norlund Al: Epidemiology of Neck and Low Back Pain. In: Nachemson AL, Jonsson E (Hrsg.): Neck and Back Pain - The Scientific Evidence of Causes, Diagnosis and Treatment. Lippincott Williams und Wilkins, Philadelphia, Nieuwenhuyse va, Somville PR, Crombez G, Burdorf A, Verbeke G, Johannik K, Van den Bergh O, Masschelein R, Mairiaux P, Moens GF: The role of physical workload and pain related fear in the development of low back pain in young workers: evidence from the BelCoBack Study; results after one year of follow up. Occup Environ Med 63: 45-52, Nolting HD, Grabbe Y, Pluto RO, Zober A: Multivariate Analysen zu den Risikofaktoren für das Auftreten von Rückenbeschwerden bei Beschäftigten in der chemischen Industrie. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 40: , Nurminen M: Reanalysis of the occurrence of back pain among construction workers: modelling for the interdependent effects of heavy physical work, earlier back accidents, and aging. Occup Environ Med 54: , Pangert R, Hartmann H: Epidemiologische Bestimmung der kritischen Belastung der Lendenwirbelsäule beim Heben und Tragen. Zbl Arbeitsmed 41: , Paoli P, Merllié D: Third European survey on working conditions Luxembourg: Office for Official Publications of the European Communities, Peng B, Wu W, Hou S, Li P, Zhang C, Yang Y: The pathogenesis of discogenic low back pain. J Bone Joint Surg Br 87: 62-67, Pressel G: Einführung in die arbeitsmedizinische Berufskunde. In: Handbuch der Arbeitsmedizin (3. Aufl.). Ecomed Medizin, Landsberg/Lech, Riihimäki H: Low Back Pain, its origin and risk indicators. Scand J Work health Environ 17: 81-90, Rohmert W: Das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept. Z Arb Wiss 38: , Rohmert W: Ermittlung yon Erholungspausen für statische Arbeit des Menschen. Int. Z. angew Physiol einschl Arbeitsphysiol 18: , 1960a 143 Rohmert W: Zur Theorie der Erholungspausen bei dynamischer Arbeit. Int. Z. angew. Physiol einschl Arbeitsphysiol 18: , 1960b 144 Rundcrantz BL: Pain and discomfort in the musculoskeletal system among dentists. Swed Dent J Suppl 76: 1-102, Rutenfranz J: Voraussetzungen und Folgen menschlicher Arbeit: Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft. In: Rohmert W, Rutenfranz J (Hrsg.): Praktische Arbeitsphysiologie: , 3. Aufl., Georg Thieme Verlag, Stuttgart, Sayson JV, Hargens AR: Pathophysiology of low back pain during exposure to microgravity. Aviat Space Environ Med 79: , 2008

144 Literaturverzeichnis Schaub KH, Landau K, Menges R, Großmann K: A Computer-Aided Tool for Ergonomic Workplace Design and Preventive Health Care. Hum Factors 7: , Schmidt CO, Kohlmann T: Was wissen wir über das Symptom Rückenschmerz. Epidemiologische Ergebnisse zu Prävalenz, Inzidenz, Verlauf, Risikofaktoren. Z Orthop 143: , Schneider S, Lipinski S, Schiltenwolf M: Occupations associated with a high risk of self-reported back pain: representative outcomes of a back pain prevalence study in the Federal Republic of Germany. Eur Spine J 15: , Schneider S, Schmitt H, Zoller S, Schiltenwolf M: Workplace stress, lifestyle and social factors as correlates of back pain: a representative study of the German working population. Int Arch Occup Environ Health 78: , Schochat T, Jäckel WH: Rückenschmerzen aus epidemiologischer Sicht. Manuelle Medizin 36: 48-54, Seidler A, Annekatrin B, Ditchen D, Ellegast R, Grifka J, Haerting J, Hofmann F, Jäger M, Linhardt O, Luttmann A, Michaelis M, Petereit-Haack G, Bolm-Audirff U: Zusammenhang zwischen der kumulativen Wirbelsäulenbelastung durch Lastenhandhabungen und lumbalen Prolapserkrankungen Ergebnisse der Deutschen Wirbelsäulenstudie. Zbl Arbeitsmed 57: , Seidler A, Liebers F, Latza U: Prävention von Low-Back-Pain im beruflichen Kontext. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 51: , Silverstein BA, Fine LJ, Armstrong TJ: Hand wrist cumulative trauma disorders in industry. Br J Ind Med 43: , Simons DG, Travell JG: Myofascial origins of low back pain. 3. Pelvic and lower extremity muscles. Postgrad Med 73: , Sjøgaard G, Lundberg U, Kadefors R: The role of muscle activity and mental load in the development of pain and degenerative processes at the muscle cell level during computer work. Eur J Appl Physiol 83: , Snijders CJ, Hermans PF, Niesing R, Spoor CW, Stoeckart R: The influence of slouching and lumbar support on iliolumbar ligaments, intervertebral discs and sacroiliac joints. Clin Biomech 19: , Snijders van CJ, Riel MP, Nordin M: Continuous measurements of spine movements in normal working situations over periods of 8 hours or more. Ergonomics 30: , Snook SH: The design of manual handling tasks. Ergonomics 21: , Snook SH, Ciriello VM: The design of manual handling tasks: revised tables of maximum acceptable weights and forces. Ergonomics 34: , Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Gesundheit Ausgaben, Krankheitskosten und Personal Wiesbaden, Stegemann J: Leistungsphysiologie. Physiologische Grundlagen der Arbeit und des Sports. 4. Aufl., Thieme, Stuttgart, Stoffert G: Analyse und Einstufung von Körperhaltungen bei der Arbeit nach der OWAS-Methode. Z Arb Wiss 39: 31-38, Stürmer T, Luessenhoop S, Neth A, Soyka M, Karmaus W, Toussaint R, Liebs TR, Rehder U: Construction work and low back disorder. Preliminary findings of the Hamburg Construction Worker Study. Spine 22: , Sturm R: Increases in clinically severe obesity in the United States, Health Affairs 21: , 2003

145 Literaturverzeichnis Tousignant M, Tougas G, Rossignol M, Goulet L: Development of a systematic observation protocol of physical exposure of the back: a preliminary study. Ann Occup Hyg 46: , Trinkoff AM, Le R, Geiger-Brown J, Lipscomb J, Lang G: Longitudinal relationship of work hours, mandatory overtime, and on-call to musculoskeletal problems in nurses. Am J Ind Med 49: , Tveito TH, Hysing M, Eriksen HR: Low Back Pain interventions at the workplace: a systematic literature review. Occup Med 54: 3-13, Valachi B, Valachi K: Mechanisms leading to musculoskeletal disorders in dentistry. J Am Dent Assoc 134: , VDI 2057 Blatt 1: Einwirkungen mechanischer Schwingungen auf den Menschen Ganzkörperschwingungen. VDI-Gesellschaft Entwicklung Konstruktion Vertrieb, Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung ArbStättV), BGBl I, Berlin, Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bildschirmgeräten (Bildschirmarbeitsverordnung - BildScharbV), BGBl I, Berlin, Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der manuellen Handhabung von Lasten bei der Arbeit (Lastenhandhabungsverordnung LasthandhabV) BGBI I, Berlin, Vieira ER, Kumar S: Working Postures: A Literature Review. J Occup Rehabil 14: , Viikari-Juntura E, Riihimäki H: New avenues in research on musculoskeletal disorders. Scand J Work Environ Health 25: , Vuori IM: Dose-response of physical activity and low Back Pain, osteoarthritis and osteoporosis. Med Sci Sports Exerc 33 (Supl.): , Waddell G: The back pain revolution. London: Churchill Livingston, 1998 Waddell G, Allan DB: Back pain through history. In: Waddell G (Hrsg.). The back pain revolution. London: Churchill Livingston, 45-67, Waddell G, Burton AK: Occupational health guidelines for the management of low back pain at work: evidence review. Occup Med 51: , Wassan AL, Almas KA Shethri SE: Rücken und Nackenbeschwerden bei Zahnärzten und zahnmedizinischem Personal. J Contem Dent Pract 3: 17-30, Watanabe S, Eguchi A, Kobara K, Ishida H: Influence of trunk muscle co-contraction on spinal curvature during sitting for desk work. Electromyogr Clin Neurophysiol 47: , Waters T, Genaidy A, Barriera Viruet H, Makola M: The impact of operating heavy equipment vehicles on lower back disorders. Ergonomics 51: , Wickström G, Niskanen T, Riihimäki H: Strain on the back in concrete reinforcement work. Br J Ind Med 42: , William HM, Castro VP, Meyer WM: Nacken- und Rückenschmerzen und was sie für den Zahnarzt bedeuten. Zahnärztliche Mitteilung 23: 56-57, Wong WY, Wong MS: Trunk posture monitoring with inertial sensors. Eur Spine J 17: , Yap EC: Myofascial pain an overview. Ann Acad Med Singapore 36: 43-48, Zitzmann NU, Chen MD, Zenhäuser R: Häufigkeit und Auswirkungen von Rückenschmerzen im zahnärztlichen Beruf. Schweiz Monatsschr Zahnmed 118: , 2008

146 Literaturverzeichnis 146 Internetquellen 187 www-dgaum.med.uni-rostock.de Leitlinie Bewertung körperlicher Belastungen des Rückens durch Lastenhandhabung und Zwangshaltungen im Arbeitsprozess. Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V. (Zuletzt abgerufen am: ) Leitlinie für die berufsgenossenschaftliche Forschung. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung. (Zuletzt abgerufen am: ) (Zuletzt abgerufen am: ) (Zuletzt abgerufen am: ) Vorabveröffentlichung Rüther T, Wunderlich M, Eßfeld D: Tätigkeitsanalysen von Arbeitsplätzen mit hohen Wirbelsäulenbelastungen. Forschungsbericht aus der Wehrmedizin, 2008

147 Anhang A 147 Anhang A: Fragebogen! """"# $ "! % &'(" ) * % "+, &# - "'(.+ /&'(" 0 1 * % "+, &# 2 3 )"1 )" 3 )1(( 4*%"+, &# ")"1 # 9+"&"! "."&"! "!)":; 1)"1& "!)":; 1)"1& <! "!*)"1"&"+"+, &# 7 3=>+%, &'(# 1"#

148 Anhang B 148 Anhang B: Tabellen u. Abbildungen Kapitel 4 Sitzende Tätigkeit/Bürotätigkeit Tab. B-1: Relative Häufigkeit von zeitgleichen Haltungs- und Bewegungskombinationen in der Sagittal- und Horizontalebene. Häufigkeit (%) von Bewegungskombinationen am Arbeitstag Amplitude (%) Sagittal (SLI) + Horizontal (HLI) HWS BWS LWS 0 % bis <2 % 55,9 % 54,5 % 23,1 % 2 % bis <4 % 29,4 % 32,2 % 16,7 % 4 % bis <6 % 11,0 % 10,7 % 20,9 % 6 % bis <8 % 2,6 % 2,4 % 16,5 % 8 % bis <10 % 0,8 % 0,2 % 9,2 % 10 % 0,3 % - 13,6 % Tab. B-2: Relative Häufigkeit von zeitgleichen Haltungs- und Bewegungskombinationen in der Sagittal- und Frontalebene. Häufigkeit (%) von Bewegungskombinationen am Arbeitstag Amplitude (%) Sagittal (SLI) + Frontal (FLI) HWS BWS LWS 0 % bis <2 % 58,0 % 55,1 % 44,7 % 2 % bis <4 % 24,8 % 24,6 % 38,9 % 4 % bis <6 % 9,7 % 12,3 % 11,8 % 6 % bis <8 % 5,8 % 6,2 % 3,6 % 8 % bis <10 % 1,7 % 1,8 % 1,0 % 10 % Tab. B-3: Relative Häufigkeit von zeitgleichen Haltungs- und Bewegungskombinationen in der Horizontal- und Frontalebene. Häufigkeit (%) von Bewegungskombinationen am Arbeitstag Amplitude (%) Horizontal (HLI) + Frontal (FLI) HWS BWS LWS 0 % bis <2 % 72,4 % 62,4 % 57,6 % 2 % bis <4 % 21,5 % 24,4 % 31,9v 4 % bis <6 % 4,8 % 8,6v 7,4 % 6 % bis <8 % 0,9 % 4,6 % 3,1 % 8 % bis <10 % 0,4 % % - - -

149 Anhang B 149 Tab. B-4: Relative Häufigkeit von zeitgleichen Haltungs- und Bewegungskombinationen in der Sagittal-, Horizontal- und Frontalebene. Häufigkeit (%) von Bewegungskombinationen am Arbeitstag Amplitude (%) Sagittal (SLI) + Horizontal (HLI) + Frontal (FLI) HWS BWS LWS 0 % bis <2 % 76,6 % 69,9 % 58,1 % 2 % bis <4 % 18,5 % 22,5 % 32,0 % 4 % bis <6 % 4,0 % 6,4 % 7,0 % 6 % bis <8 % 0,9 % 1,2 % 2,9 % 8 % bis <10 % % - - -

150 Anhang B 150 Bauhandwerk/Maurertätigkeit Tab. B-5: Relative Häufigkeit von zeitgleichen Haltungs- und Bewegungskombinationen in der Sagittal- und Horizontalebene. Häufigkeit (%) von Bewegungskombinationen am Arbeitstag Amplitude (%) Sagittal (SLI) + Horizontal (HLI) HWS BWS LWS 0 % bis <2 % 21,9 % 49,7 % 16,6 % 2 % bis <4 % 18,6 % 29,3 % 25,5 % 4 % bis <6 % 14,0 % 17,0 % 25,5 % 6 % bis <8 % 14,3 % 4,0 % 19,5 % 8 % bis <10 % 10,8 % - 9,2 % 10 % 20,4 % - 3,7 % Tab. B-6: Relative Häufigkeit von zeitgleichen Haltungs- und Bewegungskombinationen in der Sagittal- und Frontalebene. Häufigkeit (%) von Bewegungskombinationen am Arbeitstag Amplitude (%) Sagittal (SLI) + Frontal (FLI) HWS BWS LWS 0 % bis <2 % 32,1 % 60,1 % 21,6 % 2 % bis <4 % 25,5 % 27,4 % 30,0 % 4 % bis <6 % 16,2 % 9,7 % 29,9 % 6 % bis <8 % 13,4 % 2,8 % 14,9 % 8 % bis <10 % 9,0 % - 3,6 % 10 % 3,8 % - - Tab. B-7: Relative Häufigkeit von zeitgleichen Haltungs- und Bewegungskombinationen in der Horizontal- und Frontalebene. Häufigkeit (%) von Bewegungskombinationen am Arbeitstag Amplitude (%) Horizontal (HLI) + Frontal (FLI) HWS BWS LWS 0 % bis <2 % 42,5 % 62,5 % 27,0 % 2 % bis <4 % 28,0 % 27,7 % 35,3 % 4 % bis <6 % 14,1 % 8,2 % 26,9 % 6 % bis <8 % 9,6 % 1,6 % 10,8 % 8 % bis <10 % 4,2 % % 1,6 % - -

151 Anhang B 151 Tab. B-8: Relative Häufigkeit von zeitgleichen Haltungs- und Bewegungskombinationen in der Sagittal-, Horizontal- und Frontalebene. Amplitude (%) Häufigkeit (%) von Bewegungskombinationen am Arbeitstag Sagittal (SLI) + Horizontal (HLI) + Frontal (FLI) HWS BWS LWS 0 % bis <2 % 44,2 % 71,4 % 30,7 % 2 % bis <4 % 27,4 % 22,2 % 35,4 % 4 % bis <6 % 13,7 % 5,5 % 24,3 % 6 % bis <8 % 9,6 % 0,9 % 8,6 % 8 % bis <10 % 4,0 % - 1,0 % 10 % 1,1 % - - Tab. B-9: Relative Häufigkeit von Phasen mit und ohne Wirbelsäulenbewegungen (Isometriephasen) innerhalb einzelner Wirbelsäulensegmente und unterschiedlicher Körperebenen im Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit. Wirbelsäulensegment Index Körperebene Anteil Bewegungen Anteil Isometrie HWS BWS LWS SLI 75 % 25 % FLI 79 % 21 % HLI 67 % 33 % Gesamt 73,7 % 26,3 % SLI FLI 35 % 61 % 65 % 39 % HLI 56 % 44 % Gesamt 50,7 % 49,3 % SLI 30 % 70 % FLI 39 % 61 % HLI 45 % 55 % Gesamt 38 % 62 %

152 Anhang B 152 Bauhandwerk/Stahlbetonbautätigkeit Tab. B-10: Relative Häufigkeit von zeitgleichen Haltungs- und Bewegungskombinationen in der Sagittal- und Horizontalebene. Häufigkeit (%) von Bewegungskombinationen am Arbeitstag Amplitude (%) Sagittal (SLI) + Horizontal (HLI) HWS BWS LWS 0 % bis <2 % 56,6 % 75,3 % 36,8 % 2 % bis <4 % 28,3 % 19,5 % 29,6 % 4 % bis <6 % 10,1 % 5,2 % 18,4 % 6 % bis <8 % 3,4 % - 8,7 % 8 % bis <10 % 1,6 % - 4,1 % 10 % - - 2,4 % Tab. B-11: Relative Häufigkeit von zeitgleichen Haltungs- und Bewegungskombinationen in der Sagittal- und Frontalebene. Häufigkeit (%) von Bewegungskombinationen am Arbeitstag Amplitude (%) Sagittal (SLI) + Frontal (FLI) HWS BWS LWS 0 % bis <2 % 53,6 % 70,8 % 40,5 % 2 % bis <4 % 28,3 % 21,7 % 32,3 % 4 % bis <6 % 13,1 % 6,1 % 18,4 % 6 % bis <8 % 3,5 % 1,4 % 5,8 % 8 % bis <10 % 1,5 % - 3,0 % 10 % Tab. B-12: Relative Häufigkeit von zeitgleichen Haltungs- und Bewegungskombinationen in der Horizontal- und Frontalebene. Häufigkeit (%) von Bewegungskombinationen am Arbeitstag Amplitude (%) Horizontal (HLI) + Frontal (FLI) HWS BWS LWS 0 % bis <2 % 63,2 % 62,5 % 53,7 % 2 % bis <4 % 25,3 % 30,2 % 31,3 % 4 % bis <6 % 8,5 % 6,5 % 10,7 % 6 % bis <8 % 3,0 % 0,8 % 2,5 % 8 % bis <10 % - - 1,8 % 10 % - - -

153 Anhang B 153 Tab. B-13: Relative Häufigkeit von zeitgleichen Haltungs- und Bewegungskombinationen in der Sagittal-, Horizontal- und Frontalebene. Häufigkeit (%) von Bewegungskombinationen am Arbeitstag Amplitude (%) Sagittal (SLI) + Horizontal (HLI) + Frontal (FLI) HWS BWS LWS 0 % bis <2 % 72,3 % 82,1 % 58,8 % 2 % bis <4 % 21,4 % 16,1 % 29,7 % 4 % bis <6 % 6,3 % 1,8 % 9,0 % 6 % bis <8 % - - 2,5 % 8 % bis <10 % % / 1!$36$)%&'+ 87$9)*+ 8(% / 87$9)*+ 1(% 1!$36$ )-$2+ / / 87$9)*+ : : ; 36$5)*+ &(% Abb. B-1: Summierung aller am Arbeitstag ermittelten sagittalen Bewegungsamplituden (Hals- [HWS], Brust- [BWS] und Lendenwirbelsäule [LWS]) sowie der Winkelgradamplituden des Neigungssensors. Zuordnung der Amplituden in Bewegungsbereiche (Amplituden-Klassen) von 0 % bis mehr als 6 % Segmentlängenänderung pro Bewegung bzw. 0 bis mehr als 30 Winkelgradänderung pro Bewegung. 87$9)*+ ; 36$5).+

154 Anhang B 154 1!$36$)0&'+ 1!$36$)8&'+ / / 87$9)*+ 8(% 87$9)*+ 8(% / / 87$9)*+ 1(% 87$9)*+ 1(% 87$9)*+ / : : ; 36$5)*+ &(% 87$9)*+ Abb. B-2: Summierung aller am Arbeitstag ermittelten frontalen und horizontalen Bewegungsamplituden (Hals- [HWS], Brust- [BWS] und Lendenwirbelsäule [LWS]). Zuordnung der Amplituden in Bewegungsbereiche (Amplituden-Klassen) von 0 % bis mehr als 6 % Segmentlängenänderung pro Bewegung. / : : ; 36$5)*+ &(% Tab. B-14: Bewegungsfrequenz (Bewegungshäufigkeit pro Minute) einzelner Wirbelsäulensegmente (HWS, BWS u. LWS) und Bewegungsrichtungen (SLI, FLI u. HLI) im Perzentilgruppen-bezogenen chronologischen Verlauf der Arbeitszeit. 10 % der analysierten Arbeitszeit entsprechen 10 Minuten. Anzahl Bewegungen ( 2 % Amplitude) pro Minute im chronologischen Arbeitszeitverlauf (Arbeitszeitperzentile) Arbeitszeit- HWS (n/min) BWS (n/min) LWS (n/min) Perzentile SLI FLI HLI SLI FLI HLI SLI FLI HLI 10. P P P P P P P P P P X ±SD 60,7 ±9,2 97,0 ±10,6 80,7 ±7,6 32,2 ±10,1 61,0 ±15,5 80,4 ±11,7 78,2 ±14,8 111,3 ±14,5 90,0 ±18,6

155 Anhang B 155 Tab. B-15: Relative Häufigkeit von Phasen mit und ohne Wirbelsäulenbewegungen (Isometriephasen) innerhalb einzelner Wirbelsäulensegmente und unterschiedlicher Körperebenen im Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit. Wirbelsäulensegment Index Körperebene Anteil Bewegungen Anteil Isometrie SLI 89 % 11 % HWS FLI 90 % 10 % HLI 91 % 9 % Gesamt 90,0 % 10,0 % SLI 69 % 31 % BWS FLI 79 % 21 % HLI 86 % 14 % Gesamt 78,0 % 22,0 % SLI 81 % 19 % LWS FLI 87 % 13 % HLI 45 % 55 % Gesamt 71,0 % 29,0 % Oberkörperneigung Sagittal 84 % 16 % 8$>1!$62%2$79 36$)*+ >- > #$)+ 8(% 36$)*+ #$)+ 1(% 36$)*+ #$)+ &(% < / /, ;, = = -$).+ / 1,# #$)+ < / = = /, ;, Abb. B-3: Summe der am Arbeitstag durchschnittlich eingenommen Amplitude (%) von Haltungs- und Bewegungskombinationen in allen drei Körperebenen sowie die segmentbezogene durchschnittliche Dauer von Isometrie- und Bewegungsphasen. Zusammenfassung der Parameterausprägungen für jedes 10. Arbeitszeitperzentil. Die Daten sind als Mittelwert + SE dargestellt.

156 Anhang C 156 Anhang C: Tabellen u. Abbildungen Kapitel 5 Zahnmedizinische Behandlung 9-Uhr- vs. 12-Uhr-Arbeitsposition Tab. C-1: In Standardpositionen willkürlich erreichte maximale Bewegungsamplituden. Behandlungsposition 9-Uhr Bewegungsebenen Maximal willkürlich erreichtes Bewegungsspektrum Aufrecht Sitzen = 0 % HWS BWS LWS Sagittal (Extension/Flexion) -20 % / 18 % -13 % / 12 % -12 % / 34 % Frontal (links/rechts) -14 % / 18 % -13 % / 16 % -15 % / 14 % Horizontal (links/rechts) -20 % / 20 % -15 % / 7 % -18 % / 13 % 12-Uhr Sagittal (Extension/Flexion) -21 % / 15 % -11 % / 10 % -11 % / 31 % Frontal (links/rechts) -13 % / 16 % -13 % / 15 % -18 % / 16 % Horizontal (links/rechts) -16 % / 18 % -14 % / 6 % -14 % / 10 % Tab. C-2: Relative Häufigkeit von zeitgleichen Haltungs- und Bewegungskombinationen in der Sagittal- und Horizontalebene. Amplitude (%) Häufigkeit (%) von Bewegungskombinationen am Arbeitstag Sagittal (SLI) + Horizontal (HLI) HWS BWS LWS 9-Uhr 12-Uhr 9-Uhr 12-Uhr 9-Uhr 12-Uhr 0 % bis <2 % 58,7 % 38,4 % 86,1 % 88,7 % 42,2 % 42,3 % 2 % bis <4 % 35,1 % 36,4 % 13,2 % 10,7 % 32,5 % 36,3 % 4 % bis <6 % 5,0 % 21,3 % 0,7 % 0,6 % 16,3 % 17,0 % 6 % bis <8 % 1,2 % 3,9 % - - 6,3 % 4,4 % 8 % bis <10 % ,7 % - 10 %

157 Anhang C 157 Tab. C-3: Relative Häufigkeit von zeitgleichen Haltungs- und Bewegungskombinationen in der Sagittal- und Frontalebene. Amplitude (%) Häufigkeit (%) von Bewegungskombinationen am Arbeitstag Sagittal (SLI) + Frontal (FLI) HWS BWS LWS 9-Uhr 12-Uhr 9-Uhr 12-Uhr 9-Uhr 12-Uhr 0 % bis <2 % 49,2 % 41,5 % 75,9 % 95,9 % 73,8 % 38,8 % 2 % bis <4 % 34,8 % 36,1 % 22,4 % 4,1 % 18,6 % 42,8 % 4 % bis <6 % 15,3 % 18,1 % 1,7 % - 5,5 % 14,7 % 6 % bis <8 % 0,7 % 4,3 % - - 1,4 % 3,2 % 8 % bis <10 % ,7 % 0,5 % 10 % Tab. C-4: Relative Häufigkeit von zeitgleichen Haltungs- und Bewegungskombinationen in der Horizontal- und Frontalebene. Amplitude (%) Häufigkeit (%) von Bewegungskombinationen am Arbeitstag Horizontal (HLI) + Frontal (FLI) HWS BWS LWS 9-Uhr 12-Uhr 9-Uhr 12-Uhr 9-Uhr 12-Uhr 0 % bis <2 % 36,4 % 31,7 % 83,9 % 82,0 % 65,3 % 26,5 % 2 % bis <4 % 28,0 % 27,2 % 16,1 % 18,0 % 25,5 % 45,4 % 4 % bis <6 % 21,2 % 18,7 % - - 7,4 % 21,8 % 6 % bis <8 % 11,3 % 10,9 % - - 1,8 % 6,3 % 8 % bis <10 % 3,1 % 6,0 % % - 5,5 % Tab. C-5: Relative Häufigkeit von zeitgleichen Haltungs- und Bewegungskombinationen in der Sagittal-, Horizontal- und Frontalebene. Amplitude (%) Häufigkeit (%) von Bewegungskombinationen am Arbeitstag Sagittal (SLI) + Horizontal (HLI) + Frontal (FLI) HWS BWS LWS 9-Uhr 12-Uhr 9-Uhr 12-Uhr 9-Uhr 12-Uhr 0 % bis <2 % 64,1 % 50,5 % 92,8 % 97,9 % 77,7 % 50,7 % 2 % bis <4 % 31,6 % 35,1 % 7,2 % 2,1 % 17,4 % 41,2 % 4 % bis <6 % 3,8 % 13,5 % - - 3,6 % 8,1 % 6 % bis <8 % 0,5 % 0,9 % - - 1,3 % - 8 % bis <10 % %

158 Anhang C $9)*+ 87$9)*+ 87$9)*+ / / / 1!$36$)%&'+ : : 36$5)*+ ; 8(% 1(% &(% Abb. C-1: Summierung aller am Arbeitstag ermittelten sagittalen Bewegungsamplituden (Hals- [HWS], Brust- [BWS] und Lendenwirbelsäule [LWS]) sowie der Winkelgradamplituden des Neigungssensors. Zuordnung der Amplituden in Bewegungsbereiche (Amplituden-Klassen) von 0 % bis mehr als 6 % Segmentlängenänderung pro Bewegung bzw. 0 bis mehr als 30 Winkelgradänderung pro Bewegung. 87$9)*+ / <)" 1!$36$ )-$2+ ; 36$5).+ 34)" Tab. C-6: Relative Häufigkeit von Phasen mit und ohne Wirbelsäulenbewegungen (Isometriephasen) innerhalb einzelner Wirbelsäulensegmente und unterschiedlicher Körperebenen im Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit. Wirbelsäulensegment Anteil Bewegungen Anteil Isometrie Index Körperebene 9-Uhr 12-Uhr 9-Uhr 12-Uhr SLI 21 % 37 % 79 % 63 % HWS FLI 32 % 35 % 68 % 65 % HLI 30 % 28 % 79 % 72 % Gesamt 27,7 % 33,3 % 72,3 % 66,7 % SLI 13 % 8 % 87 % 92 % BWS FLI 17 % 12 % 83 % 88 % HLI 20 % 15 % 80 % 85 % Gesamt 16,7 % 11,7 % 83,3 % 88,3 % SLI 29 % 25 % 71 % 75 % LWS FLI 18 % 14 % 82 % 86 % HLI 22 % 23 % 78 % 77 % Gesamt 23 % 20,7 % 77 % 79,3 % Oberkörperneigung Sagittal 21 % 14 % 79 % 86 %

159 Anhang C 159 Tab. C-7: Mittlere Dauer (s) ± SD der Arbeitsphasen mit und ohne Wirbelsäulenbewegungen sowie das Perzentilspektrum des Verhältnisses von Dauer (s) jeder einzelnen Isometriephase zur nachfolgenden Bewegungsphase. Vergleich zwischen der 9- Uhr- und 12-Uhr-Behandlungspostion des Zahnarztes.