Der gemeine unterschied stern

Der gemeine Unterschied. Warum Frauen anders abnehmen

Pamela Peeke ist eine wahre Pionierin. Als eine der ersten Ärztinnen weltweit erforschte sie, wie Frauen und Männer sich körperlich unterscheiden. Das war in den 1980er-Jahren. Heute ist Gendermedizin das Spezialgebiet der amerikanischen Professorin und wohl kaum jemand weiß so viel darüber wie sie. Sie kennt jedes noch so kleine Detail, welches den Unterschied zwischen den Geschlechtern ausmacht. Sie sagt: »Ich bin fasziniert, wie verschieden Frauen und Männer sind. Aber ich bin auch erschrocken, wie wenig wir das heute in der Behandlung berücksichtigen.«

In ihrer Praxis in New York hat sie sich darauf spezialisiert, Frauen zu behandeln, die mit ihrem Körper oder ihrer Gesundheit unzufrieden sind. Und denen es einfach nicht gelingen mag, erfolgreich abzunehmen. »Mir sitzen fast täglich verzweifelte Patientinnen gegenüber«, sagt sie. Sie hat sich per Skype aus den USA gemeldet. Zur Begrüßung schaltete sie kurz den Bildschirm an. Jetzt ist die Kamera wieder aus. Es klappert und Schubladen werden auf- und zugemacht. »Ich muss mir noch ein Frühstück machen und ich wollte Ihnen nicht mein Chaos in der Küche zumuten«, sagt sie und lacht rauchig.

Dann wird sie schnell ernst und erzählt: »Frauen brauchen beim Abnehmen viel mehr Unterstützung als Männer.« Es falle ihnen deutlich schwerer. Woran das liegt? Sie überlegt kurz und antwortet: »Weil einiges einfach ungerecht für sie ist. Weil ihr Körper an vielen Stellen anders funktioniert als der von Männern.«

Für Pamela Peeke ist das eine gute Nachricht: »Sie können gar nichts dafür, die Natur hat es so eingerichtet.« Warum das positiv ist? »Weil das eine unglaubliche Last von den Frauen nimmt. Sie müssen sich nicht mehr schuldig fühlen«, führt sie aus.

Erst seit Kurzem setzt sich in der Ernährungswissenschaft die Erkenntnis durch, dass Frauen und Männer, wenn es um Diäten geht, ganz unterschiedlich ticken. Sie reagieren psychisch und physisch anders auf bestimmte Nährstoffe. »Deswegen gibt es auch keinen Ansatz, der für beide Geschlechter gleichermaßen funktioniert«, so Pamela Peeke. »Wer alle über einen Kamm schert, scheitert zwangsläufig.«

Denn, so viel sei vorweggesagt, die Sache ist kompliziert. Aber die Daten sind eindeutig. Wenn Männer eine Diät machen, verlieren sie nicht nur schneller, sondern auch signifikant mehr Gewicht als Frauen. Bis zu 16 Prozent im Durchschnitt. Das ist das wissenschaftliche Ergebnis einer internationalen Untersuchung unter Leitung der Universität Kopenhagen mit 2020 stark übergewichtigen Probanden.

Es sind nicht nur ihr eiserner Wille, der Männer schneller schlank macht – sondern es ist auch das eine oder andere Geschenk der Natur. Wie zum Beispiel beim Stoffwechsel. »Die körperlichen Unterschiede sind da so groß, dass wir Männer und Frauen getrennt betrachten müssen«, erklärt Expertin Peeke. »Denn was bei einem Mann geholfen hat, kann bei einer Frau komplett versagen.« So besitzen Männer von Natur aus mehr Muskelmasse, Frauen dagegen mehr Fett. Die Muskeln aber verbrennen deutlich mehr Kalorien als das Fett, selbst in Ruhe auf dem Sofa. Sitzt ein Mann eine Stunde, verbrennt er ungefähr 1 Gramm Fett. Eine Frau etwa 0,8 Gramm. Die Muskeln lechzen regelrecht nach Energie. Deswegen haben Männer je nach Typ einen um drei bis zehn Prozent schnelleren Stoffwechsel. Das erklärt zum Beispiel sehr gut, warum mein Mann so viel mehr essen kann als ich und trotzdem nicht zunimmt.

»Frauen wollen keine Muskelberge - Männer schon.«

Im Fitnessstudio und beim Sport steigern sich die Unterschiede noch einmal. »Denn«, so Pamela Peeke, »Frauen wollen keine Muskelberge auftürmen, also trainieren sie mehr Ausdauer, während Männer schauen, was der muskulöseste Typ im Studio macht, und es ihm nachtun.«

Die Evolution hat sich aber noch eine weitere kleine Gemeinheit für uns Frauen ausgedacht. Treiben wir Sport, schießt bei uns das »Ich habe Hunger«-Hormon Ghrelin steil nach oben. Das »Ich bin satt«-Hormon Leptin dagegen fällt in den Keller. Das ist eine denkbar schlechte Mischung, die uns meist in die Küche und an den Kühlschrank führt. Und natürlich: Männer haben das Problem nicht. Im Gegenteil, sie sind nach dem Sport einfach nur satt. Nature is a bitch.

Keine Überraschung also, dass das Fett bei Frauen und Männern am Körper komplett unterschiedlich verteilt ist. Bei Frauen sitzt es vor allem an den Hüften und am Gesäß. Mit gutem Grund, denn da dient es als ein überlebenswichtiger Speicher etwa für Schwangerschaften. Männer tragen ihr Fett meistens am Bauch. Dieses sogenannte viszerale Bauchfett ist zwar ungesünder, denn es fördert entzündliche Prozesse im Körper. Dazu später mehr. Aber aus Studien weiß man, dass es sich leichter abbauen lässt als das Hüftfett.

Müssen Frauen also mehr hungern, um dünn zu werden? Ein Anruf bei dem Stoffwechselexperten Michael Boschmann von der Berliner Charité.

Er sagt: »Viele Frauen machen Crashdiäten. Dabei verlieren sie schnell das Bauchfett, während das Hüftfett eher geschützt wird.« Die Polster an den Seiten nehmen nach der Diät überproportional zu, denn der Körper arbeitet an einer Strategie, um für eine künftige Periode des Mangels gerüstet zu sein – als solche versteht er die Diät. »Diese Frauen erkennt man daran, dass sie eine typische Pyramidenfigur haben. Mehr Fett auf den Hüften gegenüber der Taille«, sagt Boschmann.

Aber – endlich ein Vorteil für Frauen – Bauchfett ist ungesünder. Im Gegensatz zum Fettgewebe, das sich direkt unter der Haut befindet, ist das viszerale Fett ein aktives Gewebe. Es umgibt innere Organe wie Leber oder Bauchspeicheldrüse. Außerdem setzt es Fettsäuren frei, schüttet Hormone aus und sondert entzündungsfördernde Botenstoffe ab. Gefährliche Folgen des dicken Bauches: Der Blutzucker steigt, Blutfettwerte und Blutdruck ebenfalls. Leider geht dieser kleine weibliche Vorteil auch gleich wieder flöten. Schrumpft der Bauchumfang und sinkt das Gewicht, profitiert die Gesundheit von Männern viel deutlicher. Mit den Pfunden schwindet bei ihnen die Neigung zu lebensgefährlichen Krankheiten wie Fettstoffwechselstörung, erhöhtem Blutzucker und Blutdruck.

Und wir Frauen? Der nächste Tiefschlag: Unser Hüftumfang kann schrumpfen – aber damit leider auch ausgerechnet der Wert des »guten« HDL-Cholesterins (High Density Lipoprotein) sowie die Knochenmasse. Warum das so ist, kann die Wissenschaft bislang nicht erklären. »Wir müssen weiterforschen«, sagt Pamela Peeke. Welche Folgen das für den weiblichen Körper und seine Gesundheit hat, ist unklar. Noch einmal die Ärztin: »Aber man kann schon jetzt ziemlich sicher sein, dass es kein guter Effekt ist.«

Und dann erwischen uns irgendwann noch die Wechseljahre. Da wird für uns Frauen die Ordnung komplett über den Haufen geworfen. Hormone sind für das Gewicht und die Abläufe im Stoffwechsel ein zentraler Faktor, deswegen gibt es dazu in diesem Buch ein ganzes Kapitel. Mit den Wechseljahren sinkt der Level des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen. Gleichzeitig wird das Fett am Körper umverteilt. Polster an den Hüften und dem Gesäß schwinden, das Bauchfett nimmt zu. Die Figur wird von Birnen- auf Apfelform umgebaut. Frauen nehmen deutlich schneller zu. Das liegt ausgerechnet am männlichen Hormon Testosteron. Es ist im weiblichen Körper auch vorhanden, übernimmt aber mit den Wechseljahren zunehmend das Kommando. Mit gewichtigen Folgen. Michael Boschmann sagt: »Ich habe oft Patientinnen, die sich wundern, dass sie plötzlich sieben, acht Kilo mehr wiegen. Ich muss dann immer ganz uncharmant sagen: Das ist das Alter.«

Wie viel Frauen wiegen


18 bis unter 20 Jahre Größe: 1,68 m Gewicht: 61,4 kg
20 bis unter 25 Jahre Größe: 1,68 m Gewicht: 63,0 kg
25 bis unter 30 Jahre Größe: 1,67 m Gewicht: 65,4 kg
30 bis unter 35 Jahre Größe: 1,67 m Gewicht: 67,0 kg
35 bis unter 40 Jahre Größe: 1,67 m Gewicht: 67,9 kg
40 bis unter 45 Jahre Größe: 1,67 m Gewicht: 68,7 kg
45 bis unter 50 Jahre Größe: 1,67 m Gewicht: 69,4 kg
50 bis unter 55 Jahre Größe: 1,67 m Gewicht: 70,1 kg
55 bis unter 60 Jahre Größe: 1,66 m Gewicht: 70,4 kg
60 bis unter 65 Jahre Größe: 1,65 m Gewicht: 70,9 kg
65 bis unter 70 Jahre Größe: 1,64 m Gewicht: 71,3 kg
70 bis unter 75 Jahre Größe: 1,64 m Gewicht: 70,6 kg
75 Jahre und älter Größe: 1,62 m Gewicht: 68,5 kg

Quelle: Gesundheitsberichterstattung der Bundesregierung. Stand: 2017

Wie viel Männer wiegen


18 bis unter 20 Jahre Größe: 1,81 m Gewicht: 75,8 kg
20 bis unter 25 Jahre Größe: 1,81 m Gewicht: 79,2 kg
25 bis unter 30 Jahre Größe: 1,81 m Gewicht: 82,5 kg
30 bis unter 35 Jahre Größe: 1,80 m Gewicht: 84,4 kg