35 jahre vater kind gleiches bild

Welche Vorteile hat es, alleinerziehend zu sein? Dieser Frage widmet sich Mirna Funk in diesem Monat in ihrer Kolumne „Sag mal, Mirna …“ 

Nichts an dieser Beziehung machte mich glücklich

Als ich mich vom Vater meiner Tochter trennte, war sie gerade sechs Monate alt. Wie viele andere hatte auch ich vorher an die große Liebe und an das Glück der heteronormativen Kleinfamilie geglaubt. Aber nichts an dieser Beziehung machte mich glücklich. Relativ schnell nach der Geburt begriff ich, dass die einzige Chance dafür, eine gute Mutter zu sein und meiner Tochter gerecht zu werden, darin lag, diesen Mann loszuwerden. Er unterstützte mich nicht im Haushalt, forderte enorm viel Aufmerksamkeit und fühlte sich an wie eine schwere Bleikugel an meinem Fußgelenk.

Meine Mutter hatte sich nach der Trennung von meinem Vater relativ schnell einen neuen Mann gesucht und diese Beziehung sofort ins Zentrum ihres Lebens gerückt. Ich blieb dabei auf der Strecke. Unser Verhältnis hat sich von ihrer Entscheidung nie wieder erholt. Aber Männer gibt es viele. Kleine und große, mit blauen, braunen und grünen Augen. Mit dünnen und dicken Haaren. Mit guten und schlechten Eigenschaften. In so vielen Fällen betrügen sie einen im Laufe unseres Lebens und trennen sich irgendwann wegen einer Jüngeren. Laut Statistik werden in Deutschland knapp 33 Prozent aller Ehen geschieden, die durchschnittliche Ehedauer beträgt 15 Jahre.

Aber das eigene Kind gibt es nur einmal. Mich so stark auf einen Mann zu konzentrieren und damit gegen meine Tochter zu entscheiden, kam für mich nie infrage. Ich wollte ihre Mutter sein und nicht seine.

Scheinheiliges Mitleid

Es dauerte etwa ein Jahr, mich in meiner neuen Rolle zurechtzufinden. Ich hatte mit unterschiedlichen Dingen zu kämpfen: Das Erste war der zerplatzte Traum. Ich hatte Sorge, nicht alles getan zu haben, um die Beziehung zu retten und damit meiner Tochter eine glückliche Kindheit vereitelt zu haben. Von dieser negativen Vorstellung erholte ich mich relativ schnell. Meine Tochter war aufgeweckt, glücklich und hatte eine Mutter, die sich endlich voll und ganz ihr widmen konnte. Ich selbst war immer gerne alleine gewesen und machte mich deshalb auch nicht auf die Suche nach einem Ersatz für ihn, sondern konzentrierte mich einfach auf mich, mein gutes Leben – das ich nämlich sehr wohl führte – und sie. Das alleine machte mich immens glücklich und ich verstand schon nach kurzer Zeit nicht mehr das Tamtam, das man gemeinhin um die Kleinfamilie macht.

Das zweite Problem waren die Blicke und Aussagen der anderen. Am Anfang merkte ich, wie mitleidig ich sonntags angeschaut wurde, wenn ich den Kinderwagen alleine durch Berlin-Prenzlauer Berg schob, wo ich damals noch lebte. Oder wie ich gefragt wurde, wo denn der Vater sei, wenn ich alleine mit meiner Tochter in den Urlaub flog. Ich fand diese Blicke scheinheilig und meistens verstand ich sie auch nicht. Schließlich ging es mir gut. Sehr gut sogar. Abgesehen davon sah ich die meiste Zeit Frauen alleine mit ihren Kindern. Von Montag bis Samstag quasi. Sie holten die Kinder alleine vom Kindergarten ab und saßen mit ihnen alleine auf dem Spielplatz. War das der Kleinfamilientraum, den sie verwirklichen wollten?

Alleinerziehend sein hat viele Vorteile

Das dritte Problem ist die unfassbar ungerechte Besteuerung. Die Wut darauf, als Alleinerziehende nicht in den Genuss der enormen Steuererleichterung des Ehegattensplittings zu kommen, sondern wie ein Single ohne Kinder besteuert zu werden, obwohl man weitere Menschen ohne Hilfe durchs Leben bringt, ist bis heute ungebannt. Es bleibt im Übrigen der einzige wirklich gravierende Nachteil für Alleinerziehende, und oft genug denke ich: Würde sich die finanzielle Situation für uns entspannen, würden viel mehr Frauen so leben wie wir. Denn eigentlich kommt man vor allem in den Genuss vieler Vorteile. Die Erziehung, Werte und Entscheidungen müssen nicht diskutiert werden. Aus meiner Sicht kommt das insbesondere Kindern zugute. Denn sie sind nicht ständig mit konträren Vorstellungen zu sich und ihrem Verhalten konfrontiert.

Das Leben von meiner Tochter und mir unterliegt einer klaren Struktur, die de facto nie durch eine andere Person gestört wird. Ich muss keine leidigen Diskussionen führen, keine Wäsche waschen, aufhängen und zusammenlegen, die nicht von mir oder meinem Kind benutzt wurde, nicht den Zeitpunkt der Wohnungsreinigung und sonstiger Haushaltserledigung in stundenlangen Besprechungen aushandeln. Ich muss auch nicht, nachdem ich den gesamten Tag gearbeitet und mich um den Haushalt und das Kind gekümmert habe, dem Partner relevante Tipps zu seinen Geschäftsproblemen geben, sondern kann einfach ein Buch lesen, eine Serie schauen oder eben noch einen Artikel schreiben, wenn meine Tochter im Bett liegt.

Hinterfragt das Bild der verlotterten und verlassenen Alleinerziehenden

Ich muss auch nicht an die Geburtstage und dazugehörigen Geschenke der Schwiegerfamilie denken, weil Mann diesen Mental Load einfach an mich übergeben hat. Was ich damit sagen will: Der Aufwand meiner Care-Arbeit ist im Gegensatz zu Müttern mit einem Partner um mindestens 50 Prozent geringer. Und ich rede hier von den drei Viertel der Frauen, die sowieso alles alleine machen – auch mit Partner. Damit habe ich als Alleinerziehende mehr Zeit, mehr Kraft und mehr Raum. Für mich und mein Kind. Was ich in Bezug auf meine Karriere in den letzten drei Jahren geschafft habe, wäre mit einem Partner nicht möglich gewesen. Wirklich niemals. Außer wir hätten 50/50 ohne Diskussion gelebt. Aber ist das überhaupt eine realistische Erwartung?

Ich habe das Gefühl, dass das Alleinerziehenden entgegengebrachte Mitleid oft genug Projektion ist. Projektion des eigenen Unglücks, nämlich mit der ganzen Scheiße eben doch alleine zu sein, und Angst davor, irgendwann nicht einmal mehr sonntags der Welt die heile Familie vorspielen zu können, weil sich der Mann für eine 15 Jahre Jüngere entschieden hat. Ich würde mir wünschen – ganz besonders von Frauen – dass sie ihr merkwürdiges Bild der verlassenen und verlotterten Alleinerziehenden hinterfragen. Ich für meinen Teil kann mich und alle Alleinerziehenden, die ich kenne, in diesem Bild nicht wiederfinden. Wir sind glückliche, unabhängige und erfolgreiche self-partnered Mütter und wollen auch als diese gesehen werden.