Warum stieg die Arbeitslosigkeit nach der Wiedervereinigung

Die Arbeitslosenquoten in Deutschland bleiben für Frauen und Männer auch im zweiten Corona-Jahr 2021 im Vergleich zum Vorpandemiejahr 2019 noch leicht erhöht. Dabei sind Männer (6,7 Prozent) auch im Jahr 2021 weiterhin häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen als Frauen (5,8 Prozent) (Grafik 1).

Innerhalb des gesamten Beobachtungszeitraums zwischen 1991 und 2021 sank die Arbeitslosenquote bei Frauen recht deutlich: sie ging von 8,5 Prozent (1991) auf 5,8 Prozent (2021) und damit immerhin um ein Drittel zurück. Demgegenüber blieb die Arbeitslosenquote bei Männern über den Beobachtungszeitraum hinweg – trotz zwischenzeitlicher Schwankungen – eher gleich: sie nahm nur leicht zu (von 6,4 Prozent im Jahr 1991 auf 6,7 Prozent im Jahr 2021). Die Arbeitslosenquote unterlag während des Beobachtungszeitraums jedoch für Frauen wie Männer deutlichen Veränderungen:

  • Von 1991 bis 1997 stieg die Arbeitslosigkeit bei Frauen und Männern stark an. Hier waren Frauen durchgängig stärker von Arbeitslosigkeit betroffen waren als Männer. Der geschlechterbezogene Abstand der Arbeitslosenquoten wurde in dieser Phase aber deutlich kleiner.
  • Zwischen 1997 und 2001 ging die Arbeitslosigkeit deutlich zurück. Erstmals wiesen Frauen im Jahr 2001 eine niedrigere Arbeitslosenquote als Männer auf.
  • Von 2001 bis 2005 nahm die Arbeitslosigkeit wieder deutlich zu, wobei die Arbeitslosenquote der Frauen durchgängig niedriger blieb als die der Männer.
  • Zwischen 2005 und 2008 ging die Arbeitslosigkeit erneut stark zurück. Meist fiel die Arbeitslosenquote der Frauen dabei etwas höher aus als die der Männer.
  • Infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise stieg die Arbeitslosigkeit – insbesondere unter Männern – im Jahr 2009 wieder sprunghaft an. In den Folgejahren 2009 bis 2019 war die Arbeitslosenquote in Deutschland für Frauen und Männer rückläufig, wobei Männer seit 2009 durchgängig häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen waren als Frauen. (1)

Durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie stieg die Arbeitslosenquote für Frauen und Männer im Jahr 2020 abrupt an: „In Folge der Corona-Pandemie und der begleitenden Eindämmungsmaßnahmen war die Arbeitslosigkeit im Frühjahr 2020 sprunghaft angestiegen. (2) Frauen waren – und sind noch – jedoch deutlich stärker betroffen als Männer: „Da Frauen häufiger im von den coronabedingten Eindämmungsmaßnahmen stark betroffenem Dienstleistungssektor tätig sind, verlief der Erholungsprozess bei ihnen langsamer als bei Männern“. (3) Infolgedessen betrug der geschlechterbezogene Abstand der Arbeitslosenquote erstmalig seit dem Jahr 2004 wieder mehr als einen Prozentpunkt: Im Jahresdurchschnitt 2020 fiel die Arbeitslosenquote bei den Männer um 1,2 Prozentpunkte höher als bei den Frauen. Von 2020 auf 2021 ging die Arbeitslosenquote insgesamt wieder etwas zurück – dabei deutlicher für Männer (minus 0,4 Prozentpunkte) als für Frauen (minus 0,1 Prozentpunkte) (vgl. Tab. 1).

Der regionale Vergleich zwischen West- und Ostdeutschland zeigt, dass die Arbeitslosenquoten in Ostdeutschland seit der Deutschen Einheit – sowohl für Frauen als auch für Männer – fast durchgängig doppelt so hoch ausfallen wie in Westdeutschland (Grafik 2). Erst in den Jahren nach 2008 erfolgte eine schrittweise Angleichung. In Westdeutschland differiert die Entwicklung zwischen Frauen und Männern im gesamten Beobachtungszeitraum 1991 bis 2021 nur in geringem Maße. Die Arbeitslosenquoten in Ostdeutschland hingegen weisen dagegen anfänglich starke Unterschiede zwischen Frauen und Männern auf: Zwischen 1991 und 1997 hat sich die Arbeitslosenquote der Frauen in Ostdeutschland fast verdoppelt (von 11,9 auf 21,6 Prozent), während der Anstieg bei den Männern in dieser Phase geringer ausfiel (von 8,7 auf 16,7 Prozent). Erst 2005 erreichte die Arbeitslosenquote der Männer in Ostdeutschland mit 21,3 Prozent ihren Höchstwert. Fast über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg ist der geschlechterbezogene Abstand der Arbeitslosenquoten in Ostdeutschland größer als in Westdeutschland.

Bei der Interpretation der Arbeitslosenquote sind wichtige strukturelle Aspekte zu berücksichtigen:

Zu Beginn der 1990er Jahre bestand noch ein deutliches „Ost-West-Gefälle“ in Deutschland. Sowohl die mit den ökonomischen Umbrüchen der Wendezeit einhergehenden Arbeitsplatzverluste, als auch die deutlich höhere Erwerbsneigung von Frauen und Männern in Ostdeutschland, trugen hier in den ersten Jahren zu einem starken Anstieg der Arbeitslosenquote bei. (4)

Seit 2000 ist in Deutschland jedoch immer stärker eher ein „Nord-Süd-Gefälle“ zu verzeichnen: „Im Osten wie im Westen weist der Arbeitsmarkt in den wirtschaftsstarken südlichen Regionen eine tendenziell bessere Verfassung auf als im eher strukturschwachen Norden“. (5)

Heute gilt: Die infrastrukturelle Anbindung der Regionen spielt für die wirtschaftlichen Bedingungen auf längere Sicht eine wichtigere Rolle als die Unterscheidung nach Ost- und Westdeutschland. (6)

Hat die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfeleistung im Zuge der Arbeitsmarkreformen in den Jahren 2002 bis 2005 zunächst zu einem Anstieg der Arbeitslosenquote beigetragen, so muss der anschließende Rückgang dann eher auf eine verlangsamte Produktivitätsentwicklung, die Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse (befristete Beschäftigung und Leiharbeit) in Deutschland, die Verteilung des Arbeitsvolumens auf mehr Köpfe sowie auf sinkende Arbeitskraftreserven zurückgeführt werden. (7) (8)

Weitere Informationen (Definitionen wichtiger Begriffe und methodische Anmerkungen zur Datengrundlage) sind in den Pdf-Dateien enthalten, die zum Download bereitstehen.

 

Bearbeitung: Dietmar Hobler, Svenja Pfahl, Eugen Unrau

 

Literatur

Blien, Uwe / Phan thi Hong, Van (2015): 25 Jahre nach der Wiedervereinigung Schwierige Startbedingungen wirken nach. In: IAB-Forum 1/2015, S. 4–13, letzter Zugriff: 12.07.2022.

Bundesagentur für Arbeit (2022): Arbeitslosigkeit im Zeitverlauf. Entwicklung der Arbeitslosenquote (Strukturmerkmale). Deutschland, Ost, West, Reihe: Arbeitsmarkt in Zahlen, Nürnberg.

Bundesagentur für Arbeit (2022): Glossar der Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg, letzter Zugriff am 12.07.2022.

Bundesagentur für Arbeit (2021): Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern 2020, Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt, Juli 2021, Nürnberg, letzter Zugriff am 12.07.2022.

Fuchs, Michaela / Ludewig, Oliver / Weyh, Antje (2015): Arbeitslosigkeit in Ost und West: Unterschiede verschwimmen immer mehr. In: IAB-Forum 1/2015, S. 22–29, letzter Zugriff am 12.07.2022.

Knuth, Matthias / Kaps, Petra (2014): Arbeitsmarktreformen und „Beschäftigungswunder“ in Deutschland. In: WSI Mitteilungen 3/2014, S. 173–181, letzter Zugriff: 12.07.2022.


(1) Das ist eine beachtliche Veränderung, denn zumindest in der früheren Bundesrepublik Deutschland hatten die Frauen im Vergleich zu den Männern fast durchgängig mindestens gleich hohe und teilweise deutlich höhere Arbeitslosenquoten. (Abgesehen von einer kurzen Phase Mitte der 1960er Jahre.) Vgl. Tab. 2.

(2) Bundesagentur für Arbeit (2021): Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern 2020, S. 19.

(3) A.a.O., S.19f.

(4) Vgl. Fuchs, Michaela / Ludewig, Oliver / Weyh, Antje (2015): Arbeitslosigkeit in Ost und West: Unterschiede verschwimmen immer mehr, S. 22. Siehe dazu auch: Blien, Uwe / Phan thi Hong, Van: 25 Jahre nach der Wiedervereinigung – Schwierige Startbedingungen wirken nach, S. 7.

(5) A. a. O., S. 28.

(6) A. a. O.

(7) Vgl. Knuth, Matthias / Kaps, Petra (2014): Arbeitsmarktreformen und „Beschäftigungswunder“ in Deutschland, S. 174.

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