Wo spielen die Krimis von Charlotte Link?

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Erstellt: 13.12.2013Aktualisiert: 02.01.2020, 11:52 Uhr

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Wo spielen die Krimis von Charlotte Link?

Auf einen Kaffee mit der Bestseller-Autorin Charlotte Link. © Michael Schick

In Wiesbaden produziert die Krimi-Autorin Charlotte Link ihre Bestseller. Jetzt schreibt sie ein Buch über den Tod ihrer Schwester. Sie spricht über diesen Einschnitt, den Erfolg und warum sie nicht bescheiden, sondern praktisch ist.

Charlotte Link kommt im dunklen Hosen-Anzug mit passender Prada-Tasche zum Gespräch in den Nassauer Hof in Wiesbaden. Sie sieht gut aus, dezent elegant, mit ihren dunklen Haaren und dem rosafarbenen Schal. Vor allem aber ist sie eine nette, sehr natürliche Frau. Ein bisschen nervös sei sie immer bei Interviews, sagt sie. Der Hoteldirektor hat eine Auswahl ihrer Bücher auf den Tisch gelegt und bittet um eine Widmung. Er kommt später, um sie persönlich zu begrüßen. Ihren Kaffee trinkt die Schriftstellerin mit Milch.

Frau Link, Sie gelten als Deutschlands meistverkaufte Autorin. Macht Sie das stolz oder haben Sie sich an den Erfolg gewöhnt?

Ich bin manchmal immer noch ungläubig. Ich freue mich natürlich darüber, aber man weiß nie, wie es weitergeht. Ich bin da ziemlich geerdet.

Sie gelten als zielstrebig. Was möchten Sie nach 20 Millionen verkauften Büchern noch erreichen?

Erst mal bin ich ganz froh, wenn ich diese Akzeptanz bei meinen Lesern behalten oder unter Umständen ausbauen kann. Vielleicht werde ich auch nochmal einen Genre-Wechsel vollziehen, also was ganz anderes schreiben. Das deutet sich im Moment noch nicht an, aber ich könnte es mir vorstellen. Dann würde ich mir wünschen, dass mein Publikum auch mitgeht.

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Ihre ersten Bücher waren eher kitschig, bekannt wurden sie mit Gesellschaftsromanen, den meisten Erfolg brachten Krimis. Welches Genre reizt sie noch?

Ich weiß es noch nicht genau. Es könnten durchaus Krimis sein, nur anders strukturiert und aufgebaut. Ich erzähle sie ja eher klassisch, es gibt aber sehr viel mehr Möglichkeiten. Ich könnte mir auch eine moderne, individuellere Herangehensweise vorstellen. Aber solche Veränderungen kann man nicht planen, man muss darauf warten, dass einem irgendwann das Bauchgefühl die Richtung weist. Einen Wunsch nach Veränderung spüre ich schon manchmal.

Regionale Krimis sind derzeit sehr beliebt. Können Sie sich Wiesbaden als Schauplatz eines neuen Romans vorstellen?

Prinzipiell schon. Etliche meiner Bücher spielen in Frankreich, außerdem habe ich eine große Vorliebe für England, offenkundig bin ich also jemand, der die Schauplätze nicht gern in der Nähe des eigenen Wohnortes wählt. Aber ausschließen will ich das nicht.

Wie eng ist Ihr Bezug zu Wiesbaden?

Ich bin wegen meines Mannes hergekommen und lebe gern hier, die Stadt ist viel überschaubarer als München, wo ich zuvor zwölf Jahre gewohnt habe. Meine Tochter geht hier zur Schule, aber mein gesellschaftliches Leben spielt sich eher im Zusammenhang mit Verlagen ab, also vorwiegend in München und Berlin. In dieser Welt fühle ich mich zu Hause. Wiesbaden ist meine Ruhezone, in die ich mich zum Schreiben zurückziehe.

In der Region verwurzelt sind Sie schon, seit 15 Jahren leben sie in Wiesbaden, sind in Frankfurt geboren, in Usingen zur Schule gegangen, in Bad Homburg haben Sie auch einige Jahre verbracht. Warum spielen Ihre Bücher meistens in England?

Ich kann das nur schwer erklären. Ich finde, dass Vorlieben für etwas, für eine Landschaft, eine spezielle Literatur oder sogar für ein bestimmtes Essen generell schwer zu erklären sind. Ich bin schon als Teenager mit größter Leidenschaft nach England gereist, eine enge Freundin von mir ist Engländerin, wenn sie bei ihrem Vater die Ferien verbrachte, durfte ich oft mit.

Spielt es eine Rolle, dass sich Bücher aus dem klassischen Krimiland besser verkaufen lassen? Sie werden sogar oft für eine Engländerin gehalten.

Als ich mit 16 Jahren mein erstes Buch schrieb, das veröffentlicht wurde, war vollkommen klar, dass es in England spielt. Es war ein historisches Buch, ich habe mich dafür sehr tief in die englische Geschichte eingegraben. Dass ich irgendwann Krimis schreiben und gut verkaufen würde, wusste ich ja nicht. Von verkaufsstrategischen Überlegungen hatte ich keine Ahnung, und sie spielen im Übrigen auch heute keine Rolle.

Recherchieren Sie nach so vielen Büchern immer noch vor Ort?

Ja, denn ich wähle selten die gleichen, also mir bereits bekannte Schauplätze. Für ein Buch bin ich mindestens zweimal in der Gegend, in der es spielt. Meistens lerne ich den Ort, in dem ich einen Roman ansiedle, durch Zufall bei einer Reise kennen. Über die Region informiere ich mich dann im Internet oder in Büchern, und wenn die Geschichte konkreter wird, fahre ich noch mal zum Recherchebesuch mit Notizblock und Fotoapparat hin und kläre den Standort einer jeden Bushaltestelle oder eines Supermarktes ab.

Ihr nächstes Buch wird anders sein. Sie schreiben derzeit über den Tod Ihrer Schwester. Warum haben Sie sich für dieses persönliche Thema entschieden?

Es ist fast fertig und wird eine Ausnahme bleiben. Meine Schwester ist im Februar vergangenen Jahres nach sechs Jahren Kampf gegen den Krebs gestorben. Sie war 46 Jahre alt, sie war meine beste Freundin, die engste Vertraute, wir waren eine Symbiose. Wir haben gemeinsam gegen die Krankheit gekämpft, die ganze Tortur durchlaufen und verloren. Als sie starb, hat mich das vollkommen verändert.

Was ist passiert?

Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich nicht mehr schreiben, ich spürte, dass mein Leben nicht nahtlos so weitergehen kann. Ich musste das aufarbeiten. Ich wollte schildern, was man als Schwerstkranker und als Angehöriger auf einem so langen Weg erlebt, und wie ein schwerer Verlust das Leben verändert.

Wird es ein Roman werden?

Nein, es ist eine autobiografische Geschichte, in keiner Zeile fiktiv. Es geht um den Umgang mit kranken Menschen in Krankenhäusern, es geht aber auch um Geschwisterbeziehung, um Abschiednehmen und das Weiterleben mit einem großen Verlust.

Wollen Sie die Menschen jetzt aufklären?

Was beispielsweise den wenig empathischen Umgang mit Patienten in manchen – beileibe nicht in allen – Krankenhäusern oder auch das leichtfertige Verkünden von Fehldiagnosen angeht, ist es sicher kein Enthüllungsbuch. Diese Themen werden ja häufiger aufgegriffen. Aber ich schildere meine Sicht der Dinge, mein Erleben.

Das bedeutet, dass Sie zum ersten Mal eine Botschaft transportieren, was Sie bisher ja immer vermieden haben.

Bisher habe ich Romane geschrieben und Botschaften nur subtil vermittelt. Wenn ich Figuren beschreibe, die einfach nicht aus dem sozialen Abseits herauskommen und dann ganz abrutschen, sagt das auch was über gesellschaftliche Verhältnisse in England aus, aber ich verkünde nicht meinen persönlichen Standpunkt dazu. Das wird in dem neuen Buch, einem erzählenden Sachbuch anders sein.

Werden Sie also auch häufiger in Talk-Shows zu sehen sein?

Ja, denn über dieses Thema kann ich wirklich gut sprechen. Das ist bei Krimis viel schwieriger, da man in dem Moment, in dem man über einzelne Figuren spricht, meist viel zu viel vom Gang der Handlung preisgibt.

In ihren Krimis konzentrieren Sie sich auf Abgründe. In ihrem neuesten Buch „Im Tal des Fuchses“, das gerade als Taschenbuch herausgekommen ist, steht eine psychologisch fragwürdige Liebe einer Frau zu einem Strafgefangenen im Mittelpunkt. Was hat Sie an dem Thema fasziniert?

Über dieses Phänomen habe ich viel gelesen. Es ist ja bekannt, dass oft die brutalsten Verbrecher im Gefängnis mit Liebesbriefen und Heiratsanträgen förmlich überschüttet werden. Mich hat die Frau interessiert, die so etwas tut. Wie lebt sie, wie tickt sie? Heraus kam die Figur der Nora, eine sehr einsame, wenig selbstbewusste Frau, die unfähig ist, auf Augenhöhe Beziehungen in einem normalen Umfeld einzugehen.

Kritiker gehen nicht gnädig mit Ihnen um, werfen Ihnen holzschnittartige Figuren und konstruierte Handlungen vor. Ärgert Sie das noch?

Es gibt genau eine Kritik, die von holzschnittartigen Figuren und konstruierter Handlung spricht. Andere loben die Komplexität der Figuren und die psychologische Glaubwürdigkeit der Handlung. Das ist eben Ansichtssache.

Wenn man so viel erreicht hat, wäre eine Anerkennung im deutschen Feuilleton ein schönes Ziel. Streben Sie das an?

Nein, die Art wie ich schreibe, findet dort keine Akzeptanz. Das bin ich nicht. Da müsste ich etwas vollkommen anderes machen und da möchte ich im Moment nicht hin.

Haben Sie Vorbilder?

Konkrete Vorbilder habe ich keine, aber ich lese natürlich selber gern Krimis, englische Autoren wie Mo Hayder oder Simon Beckett, ich mag Karin Slaughter sehr gerne, aber auch die Skandinavier, Mankell, Stieg Larsson. Ich lese eigentlich ständig.

Ansonsten kümmern Sie sich intensiv um Tiere, nehmen alte und kranke Straßenhunde auf und engagieren sich für Tierschutzorganisationen. Seit wann sind Sie Vegetarierin?

Seit meiner Kindheit. Mit einem zugelaufenen, offenkundig ausgesetzten Kater hat damals mein Interesse am Tierschutz angefangen. Als Studentin, später als Anfänger-Autorin in einem Untermiet-Zimmer hatte ich nur viele Jahre keine Möglichkeit, Tiere zu halten. Aber seit ich entsprechend Platz habe, leben wir ständig mit drei bis vier Hunden.

Zu Hause empfangen Sie keine Journalisten mehr. Was stört Sie an Home-Storys?

Früher war ich da ganz unbefangen. Aber ich habe mich nach jedem Interview geärgert, dass in der Darstellung später überwiegend äußerliche Dinge, die Farbe der Vorhänge oder der Stil der Teppiche, eine Rolle spielten. Das lenkt ab von den Inhalten meiner Bücher, also von dem, worum es eigentlich gehen sollte. Zudem werden oft Rückschlüsse auf mich als Person gezogen, die nicht unbedingt stimmen.

Welche zum Beispiel?

Dass ich bescheiden bin, nur weil ich keine Villa habe. Ich lebe zwar wirklich eher einfach, aber eher aus praktischen Überlegungen heraus. Ich fahre zum Beispiel einen Kleinwagen, weil ich nicht einparken kann und mich nicht mit einem SUV in ein enges Parkhaus quälen will. Meistens habe ich wichtigere Dinge zu tun, ein neues Buch, den Tierschutz, als mich um neue Möbel, ein neues Haus, einen Umzug zu kümmern. Statussymbole bedeuten mir nichts.

Und arbeiten müssen Sie bestimmt nicht mehr.

Die Existenz ist gesichert, keine Frage, trotzdem weiß man nie, was kommt. Ich bin sicherheitsorientiert. Und ich bin Schriftstellerin aus Leidenschaft. Ich bin jetzt fünfzig geworden und könnte mir nie vorstellen, mit dem Schreiben aufzuhören.

War dieser Geburtstag ein schlimmes Datum?

Nein, aber es gab zu den Gratulationen auch tröstende Worte, was ich eher lustig fand, weil ich selber bisher noch kein Problem mit dem Älterwerden habe. Mit 25 Jahren war ich ein total aufgeriebenes Geschöpf, das nicht wusste, in welche Richtung es gehen soll. Heute bin ich mehr mit mir im Reinen und unabhängiger von den Ratschlägen anderer. Dass ich nicht mehr wie 25 aussehe, ist mir nicht so wichtig.

Ihre Mutter ist auch Schriftstellerin, wenn auch nicht so erfolgreich. Wünschen Sie sich für ihre 12-jährige Tochter, dass sie die Familientradition fortführt?

Nein, das liegt aber nicht an dem Beruf. Sie ist wahnsinnig lebendig, sprunghaft. Ich kann sie mir nicht vorstellen, wie sie monatelang an ihrem Schreibtisch sitzt und an einer Sache arbeitet. Man muss als Schriftstellerin etwas sehr Akribisches haben, das passt nicht zu ihr.

Warum haben Sie sich so spät für ein Kind entschieden?

Ich hatte jahrelang den falschen Partner, ein Kind hat da nicht hineingepasst. Ich wollte aber immer Familie haben. Meinen jetzige Mann habe ich erst mit 35 Jahren kennengelernt.

Viele Ihrer Bücher wurden verfilmt, sie waren mit den Ergebnissen unglücklich. Warum haben Sie trotzdem zugestimmt?

Ich habe immer gehofft und dafür gestritten, dass es besser wird. Eine Verfilmung bereitet den meisten Autoren Probleme. Sie muss verkürzen, kann das Innenleben der Figuren nicht ausbreiten, weil sie nur szenisch arbeitet. Darüber hinaus wurden meine Schauplätze zu oft in sonnige Gefilde verlegt, um gefälliger zu wirken. Vor drei Jahren habe ich dann die Produktionsfirma gewechselt. „Das andere Kind“ wurde im Januar in der ARD ausgestrahlt und war bisher die beste Verfilmung. Gedreht wurde in Yorkshire, an Originalschauplätzen, mit englischen Schauspielern, das hatte eine ganz andere Anmutung.

Was kommt als Nächstes?

„Der Beobachter“, der Autor arbeitet gerade an dem Drehbuch. Er wird wieder in England gedreht.

Verraten Sie uns zum Abschluss noch ein Rezept für einen Bestseller?

Das gibt es nicht. Leider. Sonst hätte ich nicht bis vierzig mit meinem ersten gewartet. Man kann es nicht erklären. Deswegen weiß ich auch nie, ob es wieder funktioniert, das Lampenfieber bleibt also bei jedem neuen Buch. Der Druck ist eher größer geworden.

„Charlotte Link: Im Tal des Fuches“: Niemand verschwindet einfach so: Die Krimiverfilmung mit Benjamin Sadler und Lisa Bitter ist ein gut gespielter, fesselnder Thriller mit cleverer Story - eine TV-Kritik.

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