Wie viele Tote gab es an der deutsch deutschen Grenze?

Ein alter DDR-Grenzbeobachtungsturm im Deutsch-deutschen Freilichtmuseum in Berkach Thüringen Bild: Wolfgang Eilmes

Hunderte Menschen sind an der innerdeutschen Grenze vom DDR-Regime getötet worden. Wie viele genau, darüber herrschte lange Zeit Unklarheit. Jetzt liegt eine neue Studie zum Schicksal der Opfer vor.

An der fast 1400 Kilometer langen innerdeutschen Grenze sind einer neuen Studie zufolge insgesamt 327 Männer, Frauen und Kinder aus Ost und West durch das DDR-Grenzregime getötet worden. Die Opfer waren zwischen sechs Monaten und 81 Jahre alt, wie Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung der neuen Forschungsergebnisse erläuterte. Wissenschaftler des Forschungsverbundes SED-Staat der Freien Universität Berlin hatten insgesamt 1492 Verdachtsfälle überprüft, zu denen es Hinweise auf Todesumstände im Kontext der DDR-Grenzsicherung gab.

Hinzu kommen nach bisheriger Forschungslage 139 Tote an der Berliner Mauer. Das  Forschungsprojekt wurde von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien mit 449.000 Euro gefördert. An den Gesamtkosten von 642.000 Euro beteiligten sich auch die Länder Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Hessen.

Grütters betonte, „die Erinnerung an die Schrecken des Grenzregimes an der ehemaligen innerdeutschen Grenze aufrecht zu erhalten, ist ein zentrales Anliegen bei der Aufarbeitung der SED-Diktatur“. Die neuen Forschungsergebnisse leisteten einen wichtigen humanitären Beitrag, indem Sie den Todesopfern an der innerdeutschen Grenze Namen und Gesicht wiedergäben. Bei den Flüchtlingen, die erschossen wurden, durch Minen und Selbstschussanlagen ums Leben kamen oder in Grenzgewässern ertranken, handelte es sich den Angaben zufolge überwiegend um junge Menschen, hieß es bei der Vorstellung des Handbuches.

Wie viele Tote gab es an der deutsch deutschen Grenze?

Das Fenster des Gedenkens an der Gedenkstätte Berliner Mauer © Stiftung Berliner Mauer, Foto: Gesa Simons

Mindestens 140 Menschen wurden zwischen 1961 und 1989 an der Berliner Mauer getötet oder kamen im Zusammenhang mit dem DDR-Grenzregime ums Leben.

  • 101 Flüchtlinge, die beim Versuch, die Grenzanlagen zu überwinden, erschossen wurden, verun­glückten oder sich das Leben nahmen
  • 30 Menschen aus Ost und West ohne Fluchtabsichten sowie
    1 sowjetischer Soldat, die erschossen wurden oder verunglückten
  • 8 im Dienst getötete DDR-Grenzsoldaten, die durch Fahnenflüchtige, Kameraden, einen Flüchtling, einen Fluchthelfer oder einen West-Berliner Polizisten getötet wurden

Darüber hinaus verstarben mindestens 251 Reisende während oder nach Kontrollen an Berliner Grenzübergängen. Ungezählt sind die Menschen, die aus Kummer und Verzweiflung über die Auswirkungen des Mauerbaus auf ihr Leben starben.

Bereits vor dem Bau der Berliner Mauer kamen von 1948 bis 1961 mindestens 39 Menschen an der Sektorengrenze zwischen Ost- und West-Berlin ums Leben.

Die Biografien aller Todesopfer an der Berliner Mauer wurden im Rahmen eines Forschungsprojekts der Stiftung Berliner Mauer sowie auf der Website Chronik der Mauer veröffentlicht.

Wie viele Tote gab es an der deutsch deutschen Grenze?

Gedenkzeichen für Ida Siekmann in der Bernauer Straße © Stiftung Berliner Mauer, Foto: Gerold Betke

Für die Rekonstruktion der Todesumstände wurden dabei unter anderem die Akten der Grenztruppen und des Ministeriums für Staatssicherheit ausgewertet sowie Ermittlungsergebnisse aus den Mauerschützenprozessen der 1990er Jahre herangezogen. Außerdem hat die Stiftung Berliner Mauer Kontakt zu Familienangehörigen und Freunden der Opfer gesucht, um – unabhängig von den amtlichen Dokumenten – mehr über die Beweggründe und Lebensumstände der Toten zu erfahren. 

Wie viele Tote gab es an der deutsch deutschen Grenze?

Gedenkzeichen für Ida Siekmann in der Bernauer Straße © Stiftung Berliner Mauer, Foto: Gerold Betke

Das im Jahr 2005 gemeinsam mit dem Zentrum für Zeithistorische Forschung und der Gedenkstätte Berliner Mauer begonnene Projekt bestand darin, Anzahl und Identität der Todesopfer an der Berliner Mauer zu ermitteln und die Lebensgeschichten und Todesumstände der Menschen, die zwischen 1961 und 1989 an der Berliner Mauer ums Leben kamen, biographiegeschichtlich zu erforschen und zu dokumentieren. 2017 wurde eine aktualisierte Bilanz veröffentlicht.

Gedenken

Jedes Jahr finden in der Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße die zentralen Gedenkveranstaltungen in Erinnerung an den Mauerbau am 13. August 1961 und den Mauerfall am 9. November 1989 statt. Das Gedenken an die Opfer der Teilung und die Erinnerung an die mutigen Menschen, die im Herbst 1989 für Bürgerrechte, Freiheit und Demokratie demonstriert haben, steht dabei im Mittelpunkt. Ihr Protest führte – in einer weltpolitisch günstigen Konstellation – zur Friedlichen Revolution, die Deutschland, Europa und die Welt veränderte.. 

Wie viele Tote gab es an der deutsch deutschen Grenze?

© Stiftung Berliner Mauer, Foto: Gesa Simons

Andachten für die Opfer

Wie viele Tote gab es an der deutsch deutschen Grenze?

© Stiftung Berliner Mauer, Foto: Gesa Simons

Mit regelmäßigen Andachten in der Kapelle der Versöhnung im Gedenkstättenareal erinnern wir an die 140 Menschen, die an der Berliner Mauer zwischen 1961 und 1989 starben. Bei jeder Andacht wird die Biografie eines Todesopfers gelesen. Interessierte können – ohne vorherige Anmeldung – immer dienstags bis freitags von 12 bis 12:15 Uhr an den Andachten teilnehmen. Sie werden in Kooperation mit der Evangelischen Versöhnungsgemeinde organisiert.

Anlässlich des 60. Jahrestages des Mauerbaus hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der Bernauer Straße am 13. August 2021 eine Rede gehalten. Zum 30. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 2019 war Bundeskanzlerin Angela Merkel die Hauptrednerin.

Todesopfer an der innerdeutschen Grenze

Auch an der innerdeutschen Grenze zwischen der BRD und der DDR sind Menschen zu Tode gekommen. Bis heute gibt es aber keine exakte Zahl der Todesopfer an der innerdeutschen Grenze. Der aktuelle Forschungsstand und die Quellenlage lassen vermuten, dass hier von mindestens 260 Opfern auszugehen ist. Eine wissenschaftliche Studie der Freien Universität Berlin hat die Zahl von 327 Opfern ermittelt. Diese Studie und die ihr zugrundeliegende Kategorisierung sind umstritten. Die Stiftung Berliner Mauer geht von rund 650 Opfern des Grenzregimes insgesamt als Näherungswert aus. Diese Zahl beinhaltet auch die Menschen, die in der Ostsee zu Tode kamen.