Wie oft wiederholen sich Lieder im Radio?

Simon Müller ist Leiter der Musik-Redaktion bei Radio Life Channel und selbst leidenschaftlicher Musik-Fan. Er berichtet über die Vision des Senders, vielen Menschen im Alltag hoffnungsvolle, positive Musik zu bringen. Musik, die in die Herzen der Hörerinnen und Hörer fällt und dort Gutes bewirkt.

Wer sind die Hörerinnen und Hörer von Radio Life Channel?

Unser Publikum ist in einem Alter zwischen 30 und 50. Eine Hörerforschung der Schweizer Radio Landschaft zeigt, dass das Durchschnittsalter unseres Publikums bei 40 Jahren liegt. Es sind Menschen, die am christlichen Glauben interessiert sind. Unsere Musik und die Beiträge erreichen auch Menschen, die nicht oft Gottesdienste besuchen. Unser Ziel ist, Inspiration und Hoffnung zu schenken. Gleichermassen dem, der regelmässig Radio Life Channel hört, wie auch dem, der gerade zufällig über unseren Sender stolpert.

Die gefällige christliche Pop-Musik auf Radio Life Channel erfreut ein breites Publikum. Wie würdest Du das «Musik-Konzept» beschreiben?

Unsere Aufgabe ist es Radio-Musik zu machen, die man gut nebenbei hören kann. Musik, die uns nicht von einem ganz ruhigen Titel zu einem schnellen, lauten Rock-Song führt. Im Alltag kann so etwas schnell als störend empfunden werden. Wir versuchen den Hörerinnen und Hörern ein gewohntes, positives Umfeld zu kreieren und mit zeitgemässer, christlich inspirierter Musik - die im besten Falle eine Sehnsucht nach Gott auslöst - einen weichen Teppich zu legen.

Wie kommt die Musik zu Dir und auf Radio Life Channel?

Ich erkunde Musiktrends und forsche, was gerade gehört wird – in der Welt und in der christlichen Musik-Szene. Noch bis vor zwei Jahren bekamen wir von den Plattenfirmen neue Musik in Form von CDs. Heute wird nur noch elektronisch bemustert. Der europäische und schweizerische Musikmarkt sind wichtig, der amerikanische ist aber viel grösser. Ich schaue daher regelmässig in die Radio-Charts der USA.

Wie bekommt das Publikum diese neuen Songs zu hören?

Es gibt eine sogenannte «Hit-Radio-Programmierung». Das heisst, die Reihenfolge der Hits wird wiederholt. Im Archiv der aktiven Songs befinden sich jeweils circa 700 Lieder, die regelmässig gespielt werden. Je nach Aktualität werden circa 90 dieser Songs ein- bis dreimal am Tag gespielt. Immer wieder fallen Songs aus dem Programm und neue kommen hinzu.

Du entdeckst viele wunderbare Songs, die aus erwähnten Profil-Gründen nicht gespielt werden können. Wie finden diese trotzdem Gehör auf Radio Life Channel?

Ich liebe die unterschiedlichsten Musik- und Stilrichtungen sowie deren Künstler. Und ich verstehe alle Hörerinnen und Hörer, die uns ihre Musik-Wünsche schreiben! Wir können sie vielleicht nicht bringen, sie sind es aber wert, gehört zu werden: Wir haben für unsere Hörer unterdessen 17 verschiedene Spotify-Playlists angelegt mit verschiedenen Musikrichtungen wie deutsche Singer-Songwriter, Klassik, Schweizer Worship, Gospel, Country, Rap, Hip Hop, und vielen weiteren. Spotify ist zurzeit der Marktführer mit knapp 40 Prozent aller Streaming-Dienste und -Nutzer. Wir sind mit der Qualität sehr zufrieden.

Das Klischee hält sich hartnäckig: Radios spielen immer nur die gleichen Songs. 20 Minuten hat mit den grössten Sendern über ihre Rotation gesprochen.

von

Neil Werndli

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Wie oft wiederholen sich Lieder im Radio?

«Die Leute hören immer das Gleiche am Radio, weil sie offenbar immer das Gleiche hören wollen», sagt Andy Studer von Energy Zürich. Um die Rotation zusammenzustellen, arbeitet er mit Ergebnissen der Marktforschung.

Keystone/Alessandro Della Bella

Wie oft wiederholen sich Lieder im Radio?

Die meisten kommerziell orientierten Radios arbeiten mit Marktforschungsinstituten. Diese spielen potenziellen Hörern Musik vor und fragen sie nach ihrer Meinung. Die Songs, die am besten abschneiden, landen meist in den hohen Rotationen.

Matt Sayles

Wie oft wiederholen sich Lieder im Radio?

Martin Oesch, Programmleiter des drittgrössten Schweizer Privatradios FM1, sieht noch einen weiteren Grund als die hohe Rotationsfrequenz: «Es gibt immer wieder Phasen, in denen viele Songs ähnlich klingen - im Moment wäre das die ganze DJ-Geschichte.»

epa/Jason Szenes

Vor allem Privatradios sehen sich immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, sie würden immer nur die gleiche Musik spielen. Das stimmt nur bedingt und trotzdem ist die Kritik teilweise berechtigt.

Grund dafür ist die Rotation. Der Glaube, Radiomoderatoren würden Songs spontan auswählen, ist weit verbreitet. Der grösste Teil des Musikprogramms basiert aber auf Playlists, die im Vorfeld von der Musikredaktion zusammengestellt werden. Die Rotation definiert, welche Stücke darin wie häufig vorkommen.

«Weil die Hörer immer das Gleiche wollen»

Energy Zürich ist das meistgehörte Privatradio der Schweiz. «Wir machen Hörer-orientiertes Radio. Wir versuchen also, das Programm so zu gestalten, dass es einer möglichst breiten Masse zusagt», erklärt Andy Studer, Leiter der Energy Musikredaktion. «Die Leute hören also immer das Gleiche im Radio, weil sie offenbar immer das Gleiche hören wollen», sagt Studer. «Energy spielt die grossen Hits mehrmals pro Tag. Die durchschnittliche Hördauer beträgt nämlich nicht acht, sondern nur etwa eine Stunde.» Dass die Hörer dies wollen, zeigen auch die Musikwünsche: «Sie wünschen sich dann oft genau das, was eh schon in hoher Rotation läuft.»

Martin Oesch, Programmleiter von FM1, ist ähnlicher Meinung: «Wenn die Privatradios wirklich so eintönig wären, wie man uns vorwirft, hätten wir nicht so viele Hörer», sagt er zu 20 Minuten. «Irgendetwas machen wir offensichtlich richtig.» Es sei aber auch eine Frage des Zeitgeistes: «Es gibt immer Phasen, in denen viele Songs ähnlich klingen – im Moment wäre das die ganze DJ-Geschichte.»

Radio 24, das zweitgrösste Privatradio der Schweiz, möchte sich nicht in die Karten schauen lassen. «Es ist das ‹Salz in der Suppe› eines jeden Radios, wie die Rotationen zustande kommen», heisst es auf Anfrage von 20 Minuten. Die Details würden deshalb unter das Betriebsgeheimnis fallen.

Die Marktforschung entscheidet

Um zu entscheiden, welche Songs in die Rotation kommen, betreibt Energy Zürich, wie die meisten Privatradios, Marktforschung. Potenziellen Hörern wird in Befragungen Musik vorgespielt. Die Radios erhalten dann die Ergebnisse. Mit diesen arbeitet Studer: «Trockene Zahlen ergeben aber noch keine Rotation – am Schluss entscheidet ein Gremium aus Musikredaktoren in Playlist-Meetings, wie die Rotationen aussehen.»

Auch für Martin Oesch sind die Ergebnisse der Befragungen nicht in Stein gemeisselt. Es sei möglich, dass ein Song in der Marktforschung schlecht wegkomme und FM1 ihn trotzdem spielt, weil der Programmleiter daran glaubt. Die umgekehrte Situation komme allerdings kaum vor: «Wenn ein Song in der Marktforschung gut funktioniert, spielen wir ihn natürlich, auch wenn er mir persönlich vielleicht nicht gefällt.»

«Die schweigende Mehrheit ist zufrieden»

Neue Musik zu fördern – also selbst Hits zu erschaffen – sei nur bedingt möglich, weil unbekannte Songs in der Marktforschung meist schlecht abschneiden. «Was man nicht kennt, findet man nicht so gut», sagt Oesch. «Das ist beim Essen ja ähnlich – ich nehme auch immer meine gleichen drei, vier Lieblings-Pizzas.»

Ab und zu bekomme aber auch Oesch Mails, in denen sich FM1-Hörer über das monotone Programm beschweren. «Vielleicht ein- oder zweimal pro Woche», sagt er. Das seien aber nur Ausreisser: «Die Kritiker sind einfach besonders laut und das dürfen sie auch – aber die schweigende Mehrheit ist zufrieden.»

Haben Sie den Eindruck, dass bei Privatradios immer nur die gleiche Musik läuft? Diskutieren Sie mit!

Wie oft wird ein Lied im Radio gespielt?

Bei chartorientierten Sendern liegt die A-Rotation bei etwa 30 Wiederholungen pro Woche. Dazwischen gibt es die „B-Rotation“ („medium rotation“). In den USA liegt diesen Arten eine höhere Häufigkeit zugrunde. Neuveröffentlichungen beginnen hier mit „low rotation“, also 5 bis 15 Mal pro Woche.

Warum wiederholen sich die Lieder im Radio?

Grund dafür ist die Rotation. Der Glaube, Radiomoderatoren würden Songs spontan auswählen, ist weit verbreitet. Der grösste Teil des Musikprogramms basiert aber auf Playlists, die im Vorfeld von der Musikredaktion zusammengestellt werden.

Warum werden auf WDR 2 immer die gleichen Lieder gespielt?

Auch wir bei WDR 2 wiederholen Songs - und zwar nach einem ausgeklügelten System, das Wiederholungsraten von bis zu einmal im halben Jahr (oder seltener) bis hin zu durchschnittlich ca. zweimal täglich vorsieht (Einsätze am Abend oder Nachts einmal ausgenommen).

Wann wird ein Lied im Radio gespielt?

Es ist so, dass die Radiosender einen bestimmten Hörerkreis ansprechen wollen, deren Musikvorlieben spielen sie dann zu den Hauptzeiten von 7-19 Uhr. Andere, auch anspruchsvollere Titel, laufen dann eher am Abend.