Muslimisches Leben in Deutschland: Vielfältig und Gegenstand gesellschaftlicher DebattenBis zu den 1950er-Jahren galt der Islam in Deutschland als wenig verbreitet, nur in einzelnen Großstädten lebten Muslime. Durch die Einwanderung angeworbener Arbeitskräfte (sogenannte Gastarbeiter) aus der Türkei, Tunesien, Marokko und anderen Staaten kamen immer mehr Muslime nach Deutschland. Bis heute ist die Türkei das wichtigste Herkunftsland von in Deutschland lebenden Muslimen mit Migrationshintergrund. Während die christlichen Religionen in Deutschland mit Kirchenaustritten hadern und ihre Mitgliedzahlen sinken, zählt der Islam auch in Deutschland zu den wachsenden Religionen. Die Realität muslimischen Lebens zeigt sich hierzulande beispielsweise in den etwa 300 städtebaulich erkennbaren Moscheen oder anhand immer häufiger durchgeführten Bestattungen auf islamischen Grabfeldern. Lokale islamische Verbände und Gemeinden, die teils in bundesweiten Dachverbänden organisiert sind, stellen wichtige Anlaufpunkte für soziale Dienstleistungen wie Teestuben oder Jugendangebote dar. Der Islam ist dabei auch immer wieder Thema gesellschaftlicher Debatten: Etwa im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise, da ein Großteil der Asylbewerber in Deutschland dem muslimischen Glauben angehört, oder zuletzt zu der Frage, wie die Ausbildung religiösen Personals für deutsche muslimische Gemeinden zu handhaben sei. Zu diesem Zweck startet 2021 die erste unabhängige Imamausbildung in Deutschland am Islamkolleg in Osnabrück mit rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern – bisher wird muslimisches religiöses Personal vor allem aus dem Ausland nach Deutschland entsandt. Islamistischer Terror im Fokus der Sicherheitsbehörden - Vorurteile und Islamfeindlichkeit wachsenIm Gegensatz zur weit überwiegenden Mehrheit von Anhängern des Islams legen Islamisten den islamischen Glauben als absolute Ordnung des privaten und gesellschaftlichen Lebens aus und stehen dabei freiheitlichen Grundideen und demokratischen Prinzipien feindlich gegenüber. Der Verfassungsschutz schätzte für das Jahr 2020 das Personenpotenzial von Islamisten in Deutschland auf rund 28.700 Personen. Vertreter dieser extremistischen Glaubensrichtung zeichnen für große Teile des medial präsenten Terrorismus verantwortlich und bilden Organisationen wie den Islamischen Staat, die Taliban oder Boko Haram. Durch diese extremistischen Strömungen und Taten wird der Islam oft als radikale Religion mit einem ideologischen Weltbild wahrgenommen - eine Vorverurteilung, mit der Muslime in Deutschland und weltweit zu kämpfen haben. Zahlreiche Initiativen weisen darauf hin, dass die terroristischen Taten nicht im Namen der breiten islamischen Bevölkerung verübt werden. Die Angst vor dem Islam in Deutschland wächst dennoch: Nach einer Umfrage aus dem Jahr 2019 schätzten rund 57 Prozent der befragten Personen in Deutschland den Islam als bedrohlich ein. Das Resultat ist eine Ausgrenzung von und Abgrenzung gegenüber der muslimischen Bevölkerung. Die Anzahl der islamfeindlichen Gewalttaten in Deutschland lag im Jahr 2018 bei insgesamt 74 Delikten, ein Zuwachs von mehr als 30 Prozent. Dieser Text stellt eine Basisinformation dar. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden. Aufgrund unterschiedlicher Aktualisierungsrhythmen können Statistiken einen aktuelleren Datenstand aufweisen. sind eine eigenständige Religionsgemeinschaft, die ihren Glauben als Yol (mystischer Weg) bezeichnet. Das Alevitentum hat sich aus vorislamischen, schiitischen und mystischen Elementen in Anatolien entwickelt, sodass unterschiedliche Verständnisse darüber existieren. Zahlreiche Eingewanderte aus der Türkei sind bspw. Weiterführende Begriffe: Kulturmuslime, Muslime, Schiiten bezeichnet die Diskriminierung von Menschen, die aufgrund ihrer
tatsächlichen oder auch bloß zugeschriebenen Religionszugehörigkeit als Muslim*innen wahrgenommen werden. Im Vergleich zu den Begriffen Islamophobieoder
von Jungen (arab. Khitan), wird von vielen Muslim*innen als religiöse Pflicht angesehen und ist weitgehend etablierte Praxis. Sie wird im Laufe der Kindheit vor der Pubertät durchgeführt. Mit der Beschneidung werden Jungen rituell in der islamischen Gemeinschaft sozialisiert. In Deutschland ist die Beschneidung seit 2012 gesetzlich geregelt; laut § 1631d des BGB ist sie erlaubt, wenn sie »nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt« wird. Weiterführende Begriffe: Beschneidung, jüdische ist eine radikal-islamistische Terrormiliz, die 2009 im Nordosten Nigerias gegründet wurde. Offiziell trägt die Terrorgruppe seit 2009 den Namen »Jama‘atu Ahlis Sunna
Lidda‘awati wal-Jihad«, der im Deutschen »Vereinigung der Sunniten für den Ruf zum Islam und für den Dschihad« bedeutet. Sie wird im Allgemeinen jedoch weiterhin
Weiterführende Begriffe: Dschihadismus, Dschihadist, radikaler Islam/ radikale Muslime, Salafismus verhüllt den ganzen Körper, den Kopf und das Gesicht; die Augen sind von einem Stoffgitter verdeckt; vor allem typisch in Afghanistan und teils in Pakistan. Burka wird oft falsch verwendet, wenn eigentlich ein Gesichtsschleier gemeint ist, der die Augen freilässt, also ein Niqab. Weiterführende Begriffe: Hijab, Kopftuch, Kopftuchträgerin, Scharia, Tschador wird meist mit »Heiliger Krieg« assoziiert, bedeutet zunächst »Anstrengung«, »Mühe« und kann sich auch auf einen inneren Auftrag beziehen, z.B. beim Kampf gegen »das Böse« im Herzen (großer Dschihad). Der kleine oder äußere Dschihad hingegen besteht in jeder Form der zulässigen Verteidigung von Muslim*innen. Weiterführende Begriffe: Boko Haram, Dschihadismus, Dschihadist, Islamischer Staat (IS), Islamismus, Pop-Dschihadismus, || radikaler Islam, Salafismus, Scharia wird in der Regel im Zusammenhang mit militanten, gewaltbereiten Islamist*innenverwendet, deren Ideologie zufolge der Dschihad den bewaffneten Kampf meint, der jedem*jeder Muslim*in vorgeschrieben sei, solange muslimische Gebiete unter Besetzung sind oder »Ungläubige« gegen Muslim*innen kämpfen. geht auf den Begriff des Euro-Islam zurück, den der Islamwissenschaftler Bassam Tibi 1991 in die wissenschaftliche Diskussion eingebracht hat. Der Begriff beschreibt eine bestimmte säkularisierte Form des Islam, die sich dadurch
herausbilden soll, dass in Europa lebende Muslim*innen Pflichten und Prinzipien des Islam mit Werten der modernen europäischen Kultur kombinieren. Mittlerweile gibt es aber auch konservativere Auslegungen eines Euro-Islam, weshalb der Begriff wissenschaftlich umstritten ist. In der Berichterstattung kommt (arabisch) ist eine Rechtsauskunft von einer muslimischen Autorität, die auf Anfrage ein religiöses oder rechtliches Problem klärt. Anders als ein Gerichtsurteil beruht die Fatwa auf der persönlichen Interpretation und der jeweiligen islamischen Rechtsschule ihres Verfassers. Somit können Muslim*innen zur gleichen Frage widersprüchliche Fatwas erhalten. Oftmals werden Fatwas als praktische Lebensberatung zu Alltagsfragen erlassen. Weiterführende Begriffe: Hadith/pl. Ahadith, Koran/Qur’an, Scharia stammt aus der Geschichte der christlichen Kirchen und bezeichnete Angehörige einer Strömung im Protestantismus der USA Anfang des 20. Jh. Inzwischen wird der Begriff auch im politischen Kontext benutzt. Es ist aber umstritten, ob er auf bestimmte Strömungen im Islam anwendbar ist. Alternativ kann man auf Formulierungen zurückgreifen wie Weiterführende Begriffe: Islamismus, Pop-Dschihadismus, Radikale Muslime, Salafisten, Scharia (arab. Bericht, Erzählung) In den Ahadith wurde das Reden, Handeln oder billigende Schweigen des Propheten festgehalten. Die Gesamtheit der Ahadith bildet die Sunna; neben dem Koran ist sie die zweite Hauptquelle für islamische Theologie und islamisches Recht sowie Ethik und Glaubenspraxis. sind aus dem
Arabischen stammende Begriffe aus dem Koran, wobei bedeutet Verhüllung und wird in Deutschland oft wie
Kopftuchverwendet. Gemeint ist ein Tuch, das den Kopf, meist auch den Hals und teils die Schultern bedeckt, das Gesicht aber freilässt. Inspiriert durch Tradition oder Mode gibt es viele verschiedene Trageweisen des ist das arabische Wort für die Person, die vorne steht/vorsteht. In deutschen Medien
ist damit meist die religiöse Führung islamischer Gemeinden oder ein*e Vorbeter*in gemeint, obwohl die Vorbeter*innen in türkischen Gemeinden i.d.R. Weiterführende Begriffe: bezeichnet eine generell ablehnende Haltung gegenüber dem Islam und seinen Glaubensrichtungen, sowie gegenüber Menschen muslimischen Glaubens und
ihren religiösen Praktiken. Im Gegensatz zu Islamophobie benennt bezieht sich als Adjektiv nicht auf Menschen, sondern nur auf Objekte mit Islambezug und auf den Glauben selbst, z.B. ist die derzeit gängige Bezeichnung für eine seit 2003 aktive dschihadistisch-salafistische Terrororganisation. Zuvor nannte sie sich ISI (Islamischer Staat im Irak), änderte ihren Namen 2013 in »al-Dawlah al-Islamiyah fi al-Iraq wa al-Sham« (arabisch: Islamischer Staat im Irak und der Levante1), dessen Abkürzung ISIL von der US-amerikanischen und der britischen Regierung verwendet wird. Die im Deutschen auch gebräuchliche Bezeichnung ISIS (Islamischer Staat in Irak und Syrien bzw. Großsyrien) vernachlässigt, dass der Machtanspruch der Gruppe über die beiden Länder hinausreicht. 2014 änderte die terroristische Organisation sich namentlich erneut um in IS (Islamischer Staat), um Staatsgrenzen für bedeutungslos zu erklären. Manche Politiker*innen benutzen offiziell die Bezeichnung Daesh (Frankreich) oder DEAS/DAES (Türkei), die sich aus den arabischen Initialen der Gruppe zusammensetzten. Die Terrorist*innen selbst lehnen diese Namen ab, weil sie im Arabischen negative Bedeutungen haben. Islam und Islamismus sind nicht dasselbe. Islamismus meint zunächst die Verknüpfung von Islam und Politik, also den sogenannten beschreibt die theologische, ethische oder politische Kritik am
Islam und kann eine Form der Religionskritik sein. In öffentlichen Debatten werden jedoch oft auch
entspricht nicht der wörtlichen Übersetzung »Islam-Angst«, sondern ist der wissenschaftliche Begriff für die generelle Ablehnung des Islam und von tatsächlichen oder mutmaßlichen Muslim*innen. Daneben beschreibt kann im Gegensatz zum eher eng anliegenden
wird oft synonym für (arab. Lesung, Rezitation) ist die Heilige Schrift des Islams. Er ist in Reimprosa abgefasst und enthält gemäß dem Glauben von Muslim*innen die wörtliche Offenbarung Gottes, die an den Propheten Mohammed, durch den Engel Gabriel herabgesandt wurde. Der Koran ist die wichtigste Quelle für islamische Theologie und islamisches Recht, sowie Ethik und Glaubenspraxis. Dennoch umfasst er nicht alle Belange und Fragestellungen von Muslim*innen. Eine weitere bedeutende Quelle ist die Sunna (überlieferte Norm) des Propheten, in der mündlich überlieferte Aussprüche und Taten Mohammeds in den Hadith / pl. Ahadith festgehalten wurden. Weiterführende Begriffe: beschreibt Muslim*innen, die den Islam zwar nicht praktizieren, sich aber einer islamischen Kultur zugehörig fühlen. Der Begriff taucht in der Berichterstattung meist als Selbstbezeichnung auf. wurde 2010 durch die Gründung des Liberal-Islamischen Bunds (LIB)1 als Begriff etabliert und ist die Selbstbezeichnung einer Gruppe von Muslim*innen, die zeitgemäße Zugänge zum Koran proklamieren und eine pluralistisch-freiheitliche Auffassung des Islam vertreten. Der LIB grenzt sich bewusst von den Säkularmuslim*innen und den islamischen Verbänden (wie Ditib, Zentralrat der Muslime usw.) ab. ist ein veralteter Begriff und als Synonym für ist eine etwas altmodisch klingende und daher seltener gebräuchliche Bezeichnung für Weiterführende Begriffe: sind Angehörige der islamischen Religionsgemeinschaft. Grundsätzlich gilt es zu hinterfragen, ob die Zuschreibung einer Religion in der Berichterstattung relevant und zutreffend ist. Beispiel: Warum wurde die Religionszugehörigkeit bei der »ersten muslimischen CDU-Bundestagsabgeordneten« Cemile Giousouf 2013 so stark thematisiert? Häufig wird Muslim*in auch als Synonym für Eingewanderte und ihre Nachkommen verwendet, was sachlich falsch ist: Nur ein Viertel aller Menschen aus eingewanderten Familien in Deutschland sind Muslim*innen und es gibt deutsche Muslim*innen ohne Migrationshintergrund. wird als als Adjektiv in Bezug auf Menschen verwendet z.B. taucht in Medienberichten häufig auf und ist irreführend:
Islamist*in zu sein ist nicht verboten, d. h. die Gesinnung ist nicht strafbar. Ungesetzlich sind dagegen beschreibt eine in Deutschland sozialisierte und selbstbewusste muslimische Generation, in die auch Konvertit*innen inbegriffen sind. Nach Eren Güvercin
beziehen sich »Neo-Moslems« auf die fünf Säulen des Islam (Glaubensbekenntnis, Fasten, tägliches Gebet, Pilgerfahrt nach Mekka, Abgabe an Bedürftige und Arme) und sind gesellschaftlich, kulturell oder politisch engagiert. ist ein Gesichtsschleier, der nur die Augen freilässt. Ein Das Opferfest zählt zu den wichtigsten islamischen Ereignissen. Es dauert vier Tage, der Zeitpunkt berechnet sich nach dem islamischen Mondkalender und verschiebt sich jedes Jahr. Wer es sich leisten kann, soll laut Brauch ein Tier opfern bzw. schlachten (lassen) und das Fleisch unter den Armen verteilen. Üblich ist es, das Fleisch im eigenen Umfeld zu verteilen und zum Opferfest zu gratulieren. Weiterführende Begriffe: Ramadan bezeichnet eine radikale Jugendsubkultur des
Dschihadismus in Einwanderungsländern wie Deutschland. Charakteristisch sind moderne Elemente der Popkultur, die für eine eher weltliche und politische Propaganda genutzt werden, im Unterschied zu den stärker theologisch
fundierten Argumentationsmustern, etwa im politischen Salafismus. Instrumente dieser Propaganda sind neue Medien, Filmclips im Stil von Musikvideos oder T-Shirts mit entsprechenden Insignien. Meist männliche Vorbilder vermitteln orientierungslosen Jugendlichen einen neuen Lebenssinn, in dem Gruppenzugehörigkeit, ähnlich wie bei
Neonazi-Kameradschaften, wichtig
ist.1 Religiöse Inhalte dienen im bezeichnet meist junge
Muslim*innen, die konservative Religiosität mit modernem Lebensstil zusammenbringen und ihre Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft betonen. Der Begriff geht zurück auf das Buch »Zwischen Pop und Dschihad« von Julia Gerlach (2006). Mitunter werden sind problematische Zuschreibungen, weil sie pauschalisieren, so wie »radikales Christentum« oder »radikales Judentum«. Gerade im Zusammenhang mit Sicherheits- und Terrorismusdebatten werden die
Begriffe oft undifferenziert verwendet. Passender könnte sein: ist der islamische Fastenmonat. Er berechnet sich nach dem islamischen Mondkalender und verschiebt sich jedes Jahr. Dabei verzichten Muslim*innen 29 bis 30 Tage lang, von Morgendämmerung bis Sonnenuntergang, unter anderem auf Essen und Trinken. Zum Ende des Fastenmonats wird drei Tage lang das
Ramadan-Fest gefeiert – auch bekannt als ist eine differenzierte Beschreibung von Muslim*innen, die für eine Trennung von Staat und Religion sind. Präzise Beschreibungen sind oft mehrdeutig: So kann eine praktizierende Muslimin auch ohne Kopftuch auskommen oder eine Frau, die ein Kopftuch trägt, durchaus wird in Deutschland vor allem vom Verfassungsschutz verwendet. Die so benannten Gläubigen sind eine sehr kleine Minderheit unter den sunnitischen Muslim*innen und bezeichnen sich selbst zum Teil mit dem auch in der Islamwissenschaft verwendeten Terminus ist keine Gesetzessammlung aus dem Koran, sondern ein Regelwerk, das auf Interpretationen des Koran basiert. Neben radikalen sind eine der Hauptgruppen unter den vielen Strömungen im Islam. Die Spaltung in verschiedene Strömungen erfolgte historisch aufgrund der Auseinandersetzungen um die Frage der rechtmäßigen Führung der Gemeinschaft der
Muslim*innen nach dem Tod des Propheten Mohammed. stellen mit rund 85 bis 90 Prozent weltweit die Mehrheit der Muslim*innen.
Bei der Frage der rechtmäßigen Führung der Gemeinschaft der Muslim*innen nach dem Tod des Propheten Mohammed, erkennen bedeutet auf Persisch »Zelt« und ist ein den ganzen Körper bedeckender Umhang. Er wird vor allem von Frauen im Iran getragen. |