Was tun wenn man Cholesterinsenker nicht verträgt?

Muskelbeschwerden sind häufigster Grund für eine Statin-Unverträglichkeit. US-Forscher haben jetzt erstmals in einer Studie mittels verblindeter Statin- und Placebogabe objektiviert, wie reproduzierbar solche Beschwerden eigentlich sind. Sie konnten zudem zeigen, dass der PCSK9-Hemmer Evolocumab bei „echter“ Intoleranz eine gut verträgliche Alternative ist.

Eine wegen eines hohen kardiovaskulären Risikos eigentlich indizierte Behandlung mit Statinen wird von Patienten nicht selten wegen sehr belastender Muskelbeschwerden abgelehnt. Verfügbar waren in diesen Fällen bislang bestenfalls deutlich schwächer wirksame Alternativen wie Ezetimib.

Die Häufigkeit einer Statin-Intoleranz ist in randomisierten Studien, in denen die dafür angelegten Nachweiskriterien möglicherweise strenger definiert sind, mit unter 5 % relativ niedrig. In Beobachtungsstudien ist die auf spontanen Angaben der Patienten basierende Prävalenz mit bis zu 20 % deutlich höher.

Nur selten Enzymerhöhungen

Messbare Veränderungen wie CK-Erhöhungen als Grundlage muskulärer Beschwerden sind nur selten nachweisbar. Somit ist der Arzt in der Regel auf subjektive Angaben der Patienten angewiesen. Das hat auch Skepsis gegenüber solchen Beschwerden hervorgerufen.

Eine Arbeitsgruppe um Professor Steven Nissen aus Cleveland/Ohio wollte in der Phase-III-Studie GAUSS-3 (Goal Achievement After Utilizing an Anti-PCSK9 Antibody in Statin Intolerant Subjects-3) primär prüfen, wie sicher und wirksam eine Behandlung mit dem PCSK9-Hemmer Evolocumab bei Patienten mit Hypercholesterinämie und Statin-Unverträglichkeit im Vergleich zu Ezetimib ist. Dabei wollten sich die Untersucher aber nicht allein auf die subjektive, mit muskulären Symptomen begründete Abneigung der Patienten gegen Statine verlassen.

Verblindeter „Belastungstest“ mit Atorvastatin

Deshalb haben Nissen und seine Kollegen ihre Studie zweigeteilt. In einer ersten Phase sind 511 Patienten mit ausgeprägter Statin-Unverträglichkeit im Wechsel jeweils zehn Wochen lang verblindet mit 20 mg Atorvastatin oder Placebo behandelt. Von den Teilnehmern hatten 82 % zuvor mindestens drei unterschiedliche Statine wegen Muskelbeschwerden nicht vertragen.

Ihr LDL-Cholesterin war zu Beginn mit im Schnitt 212 mg/dl sehr hoch und signalisierte somit dringenden therapeutischen Handlungsbedarf. Die Ergebnisse hat Nissen beim Kongress des American College of Cardiology (ACC) in Chicago vorgestellt.

Knapp 43% mit wiederkehrenden Beschwerden

Demnach gaben 42,6 % aller Probanden auch unter verblindeter Atorvastatin-Belastung (re-challenge), jedoch nicht unter Placebo, wiederkehrende unerträgliche muskuläre Symptome an. Hier liege, so Nissen, wohl eine „wirkliche Störung“ vor. Dagegen klagten 26,5 % nur unter Placebo, nicht aber unter Atorvastatin, über Beschwerden. Knapp 10 % verspürten sie unter beiden Behandlungen, während 17,3 % komplett beschwerdefrei blieben.

Nur Patienten mit so unter Atorvastatin objektivierter Statin-Intoleranz (dazu noch einige mit deutlicher CK-Erhöhung, die den „Belastungstest“ mit Atorvastatin umgingen), traten dann in die Phase B der Studie ein (n = 218). In dieser Phase wurden sie nach Randomisierung jeweils 24 Wochen lang entwerder mit dem PCSK9-Hemmer Evolocumab (420 mg alle vier Wochen selbst subkutan injiziert) oder Ezetimib (10 mg/Tag) behandelt.

Starker Effekt von Evolocumab

Das Ergebnis überrascht nicht: Wie schon in anderen Studien zuvor bewirkte Evolocumab eine starken Reduktion des LDL-Cholesterin, die nach 24 Wochen 53 % betrug (erreichter mittlerer LDL-Wert: 104 mg/dl) . Ezetimib schaffte im Vergleich eine Reduktion um 16,7 %. auf im Mittel 181 mg/dl. Evolocumab erwies sich damit als signifikant stärker wirksam. Mit Evolocumab erreichten 64,1 % der Patienten LDL-Werte im Zielbereich unter 100 mg/dl (Ezetimib: 1,8 %).

Auch in der Phase B berichteten Patienten über muskelbezogene Symptome, wobei der Anteil unter Ezetimib (28,8 %) höher war als unter Evolocumab (20,7 %). Nur ein einziger Patienten (von 145) habe in der Evolocuman-Gruppe die Behandlung wegen muskulärer Probleme abgebrochen, betonte Nissen. In der Ezetimib-Gruppe waren es fünf (von 73).

Noch ist unklar, welche Auswirkungen die Lipidsenkung mit Evolocumab auf kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall hat. Auskunft darüber soll die laufende FOURIER-Studie geben, an der rund 27.500 Patienten teilnehmen. Mit ersten Ergebnissen dieser wichtigen Studie wird in der zweiten Jahreshälfte 2016 gerechnet. 

Simvastatin ist eines der am längsten auf dem Markt erhältlichen Statine. In der Regel sollte dieses Medikament abends eingenommen werden, weil es da eine bessere Wirkung hat. Möglicherweise liegen dann die Blutspiegel während des Tages auch etwas niedriger und führen in geringerem Umfang zu Muskelbeschwerden.

Auch die Medikamente Atorvastatin und Rosuvastatin können ebenso wie Simvastatin Muskelbeschwerden verursachen. Die Reaktion ist jedoch individuell sehr unterschiedlich, so dass durchaus ein Versuch mit Atorvastatin (Sortis) oder dem neuerdings auch erhältlichen Rosuvastatin (Crestor) durchgeführt werden kann.

Die von Ihnen eingenommene Simvastatin-Dosis ist allerdings sehr gering, so dass durchaus die Möglichkeit besteht, dass Sie auch mit den anderen Statinen Beschwerden bekommen. Das Statin, das bezüglich der Nebenwirkungen auf die Muskeln am günstigsten abschneidet, ist Fluvastatin (Cranoc oder Locol). Hier käme ein Versuch mit etwa 40 mg abends in Betracht. 40 mg Fluvastatin dürften in der Wirkung etwa 5 mg Simvastatin entsprechen.

Stichwort: Risikofaktoren

Wenn Sie die Statine schlecht vertragen, ist es umso wichtiger, alle anderen Risikofaktoren in Bestform zu bringen, was eine vergleichbar günstige Wirkung hat: Die Ernährung in Richtung auf eine mediterrane Kost umstellen, regelmäßige körperliche Aktivität in den Tagesablauf einplanen, das Körpergewicht normalisieren (dass Sie nicht rauchen, halte ich für selbstverständlich), Passiv-Rauchen vermeiden. Omega-3-Fettsäuren haben möglicherweise einen günstigen Effekt. Schließlich käme auch eine Cholesterinsenkung mit Ezetimib 10 mg in Betracht, was die LDL-Cholesterinwerte um etwa 20 % absenkt und häufig gut vertragen wird.

Datenlage zu Ezetimib

Auch für Ezetimib liegen inzwischen Studien vor, die nachweisen, dass Ezetimib das Fortschreiten der koronaren Herzkrankheit günstig beeinflusst.

Experte

Prof. Dr. med. Helmut Gohlke

Vita

Prof. Dr. med. Helmut Gohlke, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung und emeritierter Chefarzt der Abt. Klinische Kardiologie II im Herz-Zentrum Bad Krozingen. Zu seinen Schwerpunkten zählt insbesondere die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Weitere Beiträge

  • Wegen Cholesterin auf Weihnachtsgans verzichten?
  • „Schützen Salbei und Safran vor Herzinfarkten?”
  • „Kann ASS zu Übergewicht führen?”
  • „Ist Selen zur Vorbeugung gegen Herzinfarkte empfehlenswert?”
  • Erhöhen Light-Getränke tatsächlich das Herzinfarkt-Risiko?

Was tun wenn man Cholesterinsenker nicht verträgt?
Was tun wenn man Cholesterinsenker nicht verträgt?

Stellen Sie Ihre Frage

Was tun wenn man Cholesterinsenker nicht verträgt?
Was tun wenn man Cholesterinsenker nicht verträgt?

  • Über 200 unabhängige Herzexperten
  • Experten in Telefonsprechstunde fragen
  • Medizinische Fragen online stellen
  • Nicht-Mitglieder können Fragen auch per E-Mail stellen

Nutzen auch Sie die Vorteile einer Mitgliedschaft

Mit nur 36 Euro im Jahr können Sie Mitglied der Deutschen Herzstiftung e.V. werden und die Arbeit der Herzstiftung unterstützen. Wir geben Ihnen Antwort auf Ihre persönliche medizinische Frage.

Zur Sprechstunde

Newsletter

Was tun wenn man Cholesterinsenker nicht verträgt?
Was tun wenn man Cholesterinsenker nicht verträgt?

Bleiben Sie informiert.

Erhalten Sie regelmäßig wichtige Neuigkeiten aus der Herzmedizin. Der Newsletter ist kostenfrei und kann jederzeit wieder abbestellt werden.

Newsletter abonnieren

Unsere Empfehlungen für Sie

  1. Überblick

    Cholesterin: alles, was Sie wissen müssen

    Erfahren Sie alles zum Cholesterin, wann es zum Risiko wird und was Sie dagegen tun können.

    Mehr erfahren

  2. Broschüre

    Hohes Cholesterin: Was tun? (2021)

    Was ist Cholesterin? Welche Cholesterin-Medikamente sind erste Wahl? Diese und viele weiteren Fragen beantwortet die Broschüre der Herzstiftung.

    Was ist wenn man keine Statine verträgt?

    Muskelbeschwerden sind häufigster Grund für eine Statin-Unverträglichkeit. US-Forscher haben jetzt erstmals in einer Studie mittels verblindeter Statin- und Placebogabe objektiviert, wie reproduzierbar solche Beschwerden eigentlich sind.

    Welche Cholesterinsenker haben die geringsten Nebenwirkungen auf Muskel und Nerven?

    Das Statin, das bezüglich der Nebenwirkungen auf die Muskeln am günstigsten abschneidet, ist Fluvastatin (Cranoc oder Locol). Hier käme ein Versuch mit etwa 40 mg abends in Betracht. 40 mg Fluvastatin dürften in der Wirkung etwa 5 mg Simvastatin entsprechen.

    Was kann ich als Ersatz für Statine nehmen?

    Mai 2019 – Bempedoinsäure ist für die Lipidsenkung eine sichere und effektive Alternative zu Statinen, wenn diese von den Patienten nicht vertragen werden.

    Welche Cholesterinsenker sind am besten verträglich?

    Statine sind bei einem zu hohen LDL-Cholesterinspiegel Cholesterinsenker der ersten Wahl. Statine hemmen die körpereigene Bildung von Cholesterin, indem sie das Enzym HMG-CoA-Reduktase hemmen, das im Körper für die Bildung von Cholesterin zuständig ist.