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Filmstarts der Woche:Welche Kinofilme sich lohnen und welche nicht

16. März 2017, 16:36 Uhr

"Der Mensch und die Macht" über den Aktionskünstler Pjotr Pawlenski lässt den russischen Staat so hilflos wie nie zuvor aussehen. "Mit siebzehn" erzählt wunderbar optimistisch von zwei Körpern, die sich an- und abstoßen.

Von den SZ-Filmkritikern

1 / 10

Happy

Quelle: Zorro Film GmbH

In ihrer Dokumentation nimmt Carolin Genreith das Liebesleben ihres Vaters unter die Lupe - genauer: die Ehe mit einer Thailänderin, jünger als sie selbst. Ist Papa ein Sextourist? Oder sucht er zwischen Pat Thai und Pool bloß das Glück? Genreith drängt mit intimen Fragen und gutem Blick fürs Alltäglich-Absurde an die wunden Punkte dieser Beziehung zwischen Liebe und materiellen Abhängigkeiten. Allein die eigene Nähe verwehrt ihr unweigerlich die scharfe Rundumsicht.

Annett Scheffel

2 / 10

Die Häschenschule - Jagd nach dem goldenen Ei

Quelle: Universum Film

Statt in einer coolen Gang landet Stadthase Max in der Häschenschule. Die kannte er bisher nur aus dem Bilderbuch. So brave Schüler gibt es nur hier, alle wollen die Osterhasenprüfung bestehen. Nur Max hält nichts von Regeln. Durch den Rebell gelingt es Ute von Münchow-Pohls Animationsfilm, den Buch-Klassiker von 1924 unterhaltsam zu aktualisieren. Um Ostern zu retten, braucht es eben mehr als Disziplin. Traditionell ist dagegen die Animation, die an die Ästhetik der literarischen Vorlage anknüpft, da sie die Figuren flach wirken lässt. Doch vor allem das Publikum im Grundschulalter wird mit den rasanten Abenteuern der angehenden Osterhasen trotzdem Spaß haben.

Ana Maria Michel

3 / 10

Der Hunderteinjährige, der die Rechnung nicht bezahlte und verschwand

Quelle: Concorde Filmverleih GmbH/Nice FLX

Richtig zünden mögen die Gags anfangs nicht, wenn Karlsson (Robert Gustafsson), der schwedische Skurril-Opa mit dem Bombentick, für sein zweites Kinoabenteuer aus dem Bali-Urlaub geholt wird. Zum vergnüglichen Satireformat aber findet das Regieduo Felix und Mans Herngren bei den historischen Flashbacks: da wühlt der "Volksbrause"-Krieg die Großmächte auf, und Karlsson sorgt für diplomatisches Chaos bei Breschnew und Nixon.

Rainer Gansera

4 / 10

Die letzten Männer von Aleppo

Quelle: Rise and Shine Cinema

Ruinen, am Himmel kreisende Kampfflieger, Bombenangriffe mit Verletzten, Verschütteten, Toten. Feras Fayyad und Steen Johannessen begleiten in ihrer Doku die Helfer Khaled, Mahmoud und Subhi aus Aleppo, die als erste zur Stelle sind, wenn Menschen gerettet oder Tote geborgen werden müssen. Sie notieren aber auch den Alltag in der Stadt: Ein kleines Mädchen ist in der Raupenklasse. Wer wissen will, wovor die Menschen aus Syrien fliehen, sollte sich diesen Dokumentarfilm ansehen.

Martina Knoben

5 / 10

Mit siebzehn

Quelle: Roger Arpajou

Thomas (Corentin Fila) und Damien (Kacey Mottet Klein) sind siebzehn. Sie prügeln und begehren sich. Zwischen Anziehung und Abstoßung filmt der französische Altmeister André Téchiné im Wechsel der Jahreszeiten die Energie und den Magnetismus zwischen zwei Körpern, die aufeinanderprallen und voneinander wegdriften, ohne je zur Ruhe zu kommen. Und bleibt dabei, wunderbarerweise, absolut optimistisch.

Philipp Stadelmaier

6 / 10

Orientierungslosigkeit ist kein Verbrechen

Quelle: Grandfilm

Eine Journalistin fährt durch den Norden Griechenlands. Sie recherchiert ein bisschen über Grenzzäune und Abschiebegefängnisse, dann trifft sie eine Aktivistin. Die beiden Frauen stellen sich gegenseitig in Frage: Was soll man tun? Helfen Parolen? Was ist Solidarität? Ihre Antworten bleiben vage. Tatjana Turanskyj und Marita Neher haben eine Mischung aus Dokumentar- und fiktionalem Film gedreht, der weder Zusammenhänge erklärt, noch eine erzählerische Dynamik entfaltet. Orientierungslosigkeit in Fragen von Grenzsicherung und Migration mag kein Verbrechen sein. Einen spannenden Film ergibt sie allerdings auch nicht.

Kathleen Hildebrand

7 / 10

Pawlenski - Der Mensch und die Macht

Quelle: Lichtfilm SWR

Was kann ein grausames System einem Menschen antun, der sich selbst höchste Grausamkeiten zufügt? Sich den Mund zunäht? Nackt in Stacheldraht einwickelt? Seinen Hodensack auf den Roten Platz festnagelt? Sehr, sehr wenig. Irene Langemanns Dokumentarfilm "Der Mensch und die Macht" über den russischen Aktionskünstler Pjotr Pawlenski lässt den russischen Staat mit seinen Instrumenten der Repression hilflos wie nie zuvor aussehen. Psychiatrische Gutachten, Prozesse, Haft? Erscheinen lediglich wie Ausrutscher, wie unfreiwillige Selbstentlarvungen des Systems, erzwungen durch einen Menschen, dessen Begriff von Kunst und von Freiheit auf lebensgefährliche Weise absolut ist.

Sonja Zekri

8 / 10

Die rote Schildkröte

Quelle: Studio Ghibli - Wild Bunch - Why Not Productions - Arte France Cinéma - CN4 Productions - Belvision - Nippon Television Network - Dentsu - Hakuhodo DYMP - Walt Disney Japan - Mitsubishi – Toho

In dieser Robinson-Crusoe-Variation trifft ein Schiffbrüchiger auf eine riesige Schildkröte, die ihn davon abhält seine Insel zu verlassen. Ein Trickfilm ganz ohne Pixar-Hektik und Disney-Überdruck, handgezeichnet, ohne Dialoge. Der niederländische Regisseur Michael Dudok de Wit hat dafür mit dem traditionsreichen Studio Ghibli in Japan zusammengearbeitet, eine Hochburg der Animationskunst.

David Steinitz

9 / 10

Die Schöne und das Biest

Quelle: Disney Enterprises

Bill Condon hat Disneys-Zeichentrick-Love-Story real verfilmt, mit Emma Watson als Belle, die als Gefangene bei einem zum Biest verwunschenen Prinzen (Dan Stevens) landet. Auf dem Weg zu seiner Erlösung tanzen die Teetassen und singen die Garderobenschränke - und zwar ganz zauberhaft. Der Zeichentrick-Fassung wird hier aber dann doch nicht viel hinzugefügt.

Susan Vahabzadeh

10 / 10

Zwischen den Jahren

Quelle: temperclayfilm

Ganz kurz sieht es so aus, als hätte Becker nach 18 Jahren Gefängnis eine Chance: Eine karge Wohnung am Kölner Stadtrand, ein öder Job als Wachmann, ein neuer Kollege aus Armenien, der ein Freund werden könnte, die Putzfrau Rita, die sich allen Widerständen zum Trotz auf ihn einlässt. Alles könnte gut werden im Kinodebüt von Lars Henning, wäre da nicht Beckers aufbrausendes Temperament und ein Mann, der verbissen auf Rache sinnt. Unerbittlich setzte sich die Spirale der Gewalt in Gang, in deren Zentrum Peter Kurth eine ebenso monolithische Präsenz behauptet wie zuvor schon als "Herbert". Ein Monstermann mit versehrter Seele.

Anke Sterneborg

© SZ vom 16.03.2017/smb