2 teilzeit mütter wollen die gleichen vormittags zeiten

2 teilzeit mütter wollen die gleichen vormittags zeiten

Vormittags arbeiten, nachmittags das Kind beim Lernen für die Schule unterstützen. Teilzeit macht’s möglich. Feine Sache oder?  Falsch. Teilzeit ist überhaupt keine feine Sache. Teilzeit ist ein riesengroßer Mist.

„Früher war alles besser“, seufzt der Lehrer am Telefon. Das Kind funktioniert wieder nicht richtig, die Mutter muss ran. „Früher mussten Frauen nicht unbedingt arbeiten gehen und konnten ihre Kinder deshalb bei den Hausaufgaben unterstützen“, sagt er wehmütig. Nun, ich gehe arbeiten und unterstütze meine Kinder bei den Hausaufgaben. Aber ich gehe ja auch nur Teilzeitarbeiten. Und das ist eine feine Sache mit diesem Teilzeit. Richtig? Falsch. Teilzeit ist überhaupt keine feine Sache. Teilzeit ist ein riesengroßer Mist.
Als ich nach dem Kinderkriegen wieder ins Berufsleben eingestiegen bin, war ich eine der letzten in meinem Mütterbekanntenkreis. Die meisten gaben ihr Kind nach einem guten Jahr in die Kita und legten wieder los. Ich traf jene Mütter dann regelmäßig. Fix und fertige Mütter, den Nachwuchs zur Eile antreibend auf dem Spielplatz, wo sie mir erzählten, welchen Infekt sich welches Kind jetzt gerade wieder eingefangen hatte. Das wollte ich nicht, aber der Druck wuchs.

Drei Jahre, dann stieg ich wieder ein. Die Gründe? Das Geld. Die Angst, den Anschluss ins Berufsleben zu verlieren. Auch: Das Bedürfnis nicht mehr ausschließlich um Kinderkrempel zu kreisen. Punkt eins war nur langfristig umsetzbar. Die Kinderbetreuung schluckte nämlich über zwei Drittel meines bescheidenen Gehalts.  Den Rest fraß  die Steuer. Punkt zwei und drei? Willkommen im Hamsterrad aus Job, Haushalt und Kindern. Willkommen in der Welt des dreifachen des Ungenügens. „Ich finde das so toll, wie Du das alles schaffst“, sagt mir eine Freundin  –  Mutter zweier Kinder –  die nicht regelmäßig arbeitet, ganz regelmäßig und schaut dabei bewundernd. Die Wahrheit ist, ich schaffs ja nicht. Teilzeit plus Kinder, das ist wie eine permanente Doppelbaustelle, an der man nicht gleichzeitig arbeiten kann, überall nur die gröbsten Löcher stopft und  selber ständig auf der Strecke bleibt.

Ich kenne nämlich keine Teilzeit-Mutter, die in Teilzeit arbeitet. Die meisten Teilzeit-Mütter arbeiten Vollzeit und gehen früher nach Hause.  Dafür fangen sie dann früher an, arbeiten einfach schneller. Dafür sparen sie sich Mittagspausen und nette Gespräche am Kaffeeautomaten. Dafür nehmen sie sich Arbeit mit nach Hause. Dafür sind sie permanent unter Druck, schielen hektisch zur Uhr, weil sie wissen, dass die Kinder heim kommen.

„Freitags ist ja dein freier Tag“, kriegt die Teilzeitkollegin zu hören und schweigt dazu inzwischen leise kopfschüttelnd mit gütigem Lächeln. Die Wahrheit ist, dass sie freitags Homeoffice macht und all die Dinge abarbeitet, die an den restlichen vier Tagen liegen geblieben sind. Keine Ablenkung, keine Anfahrt, kein Telefonklingeln, wenigstens mal eine Ladung Wäsche  zwischendurch in die Maschine stopfen. Wahnsinn, was man da in sechs Stunden wegarbeitet.

Und da können Chefs und  Kollegen noch so verständnisvoll sein: Wer nicht selber erlebt, was es bedeutet, sechs Stunden zu arbeiten und danach ohne einmal durchzuatmen, mit Kindern Hausaufgaben zu machen, dabei verständnis- und liebevoll zu sein, einen Vierpersonenhaushalt zu führen, einzukaufen, essen zu kochen, Lehrergespräche zu führen, Elternabende zu besuchen und den ganzen restlichen Rest zu organisieren, der kann sich das schlichtweg nicht vorstellen. Könnte er es, würde er zum Beispiel niemals auf die Idee kommen, wichtige Meetings auf 17 Uhr zu legen. Anwesenheit: Pflicht.

Scheinbar können sich aber auch viele Lehrer nicht vorstellen, was das bedeutet, denn die Erwartungshaltung ist beeindruckend. Eltern sollen am besten täglich die Schulhefte und die Hausaufgaben kontrollieren. Eltern sollen mit den Kindern für sämtliche Klassenarbeiten üben. Natürlich gibt es Kinder, die das alles ganz selbständig erledigen. Ich weiß das, ich hab selber so eins. Ich hab aber auch noch eins. Eins das genau das nicht kann. Das wundersamer Weise nicht mit elf Jahren schon so strukturiert ist, dass es seinen Schulkrempel ganz alleine auf die Reihe kriegt.

Aber es gibt doch Hausaufgabenbetreuung?  Ja, klar. Sorry, aber wer glaubt, dass ein Kind, das sich schon zu Hause lieber aus dem Fenster  träumt , als Mathaufgaben zu lösen, in einer Stunde Gruppen-Hausaufgabenbetreuung zügig seine Schulaufgaben durchzieht, ist naiv. Das funktioniert nicht.

Aber es könnte sich ja beide Eltern für Teilzeit entscheiden und aufteilen? Ach ja? Mag sein, dass es Familien gibt, in denen das funktioniert. Ich kenne tatsächlich einige, die das versucht haben. Ich kennen leider keine, in der das langfristig funktioniert hat. Dafür habe ich Paare erlebt, deren gemeinsame Zeit nur noch daraus bestand, die Verantwortlichkeiten für das Kind zu organisieren.  Frei nach dem Motto: Dienstag mach ich Mathe und dafür lernst Du dann Mittwoch Französisch.
Zwei  Eltern in Teilzeit bedeutet nämlich nicht mehr Zeit sondern Ungenügen in Potenz. Von weniger Gehalt und weniger Rente im Alter fangen wir hier gar nicht erst an.

Was tun? Auch wenn es so manchem  Lehrern recht wäre, wenn Mütter wieder Mütter wären und sich ausschließlich um Kind und Haushalt kümmern, ist das die falsche Lösung. Zeiten ändern sich Bedürfnisse verändern sich. Es wird höchste Zeit, dass sich auch die Gesellschaft an diese veränderten Bedürfnisse anpasst. Es wird Zeit, dass Arbeitgeber Teilzeitstellen als solche akzeptieren und wertschätzen. Es wird Zeit, dass endlich eine nachhaltige Veränderung in unserem Bildungssystem stattfindet, endlich Hausaufgaben abgeschafft und flächendeckend Ganztagsschulen mit einem vernünftigen Konzept eingeführt werden.

Und letztendlich wird es Zeit, dass Mütter, die arbeiten gehen, sich endlich von ihrem  permanenten schlechten Gewissen nicht zu genügen verabschieden und diese gesellschaftlichen Veränderungen lautstark einfordern.

shy

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