Liebe ist nicht einander anzuschauen sondern in die gleiche richtung

Bestandteil der meisten Trauzeremonien ist immer noch ein Trauspruch, der das “Motto” oder die grundlegende Haltung des Ehepaars auf den Punkt bringen soll. An dieser Stelle ist es meine Aufgabe, dem Paar noch einige philosophische Gedanken mit auf den Weg zu geben. Denise und Manuel, die Ende August heiraten werden, haben sich für einen sehr schönen Spruch entschieden: Die Erfahrung lehrt uns, dass Liebe nicht darin besteht, dass man einander ansieht, sondern dass man gemeinsam in gleiche Richtung blickt. (Saint-Exupery)

Mir gefällt er nicht nur persönlich sehr gut, sondern er bietet sich auch dafür an, über verschiedene Werte in einer Ehe zu sprechen. Denise und Manuel haben sich eine nicht zu steife und nicht zu lange Trauung gewünscht – eine gute Idee, denn sie haben auch viele Kinder eingeladen. Ich habe deshalb versucht, nicht allzu lang zu sprechen, aber trotzdem einige Gedanken mit rüberzubringen, die mir wichtig sind.

Liebe Denise, lieber Manuel– diesen Spruch von Antoine de Saint-Exupery habt Ihr als Euren Trauspruch gewählt. Er soll eine Art „Wegweiser“ für Eure Ehe sein und Euch durch alle Phasen hinweg und in jeder Situation begleiten und Rat spenden.

Also. Was will uns der Dichter damit sagen? Gemeinsam in dieselbe Richtung blicken, den gleichen Fokus haben, über einen ähnlichen Horizont verfügen, denselben Hintergrund haben. Gleich und gleich gesellt sich gerne. Eine wichtige Basis für eine Ehe sind gleiche Einstellungen, Ansichten und Ziele. Ihr wollt schließlich den Weg gemeinsam gehen. Das funktioniert sehr viel leichter, wenn man ans gleiche Ziel möchte. Hand in Hand beschließt Ihr, wo es hingehen soll, in welchem Tempo Ihr gehen möchtet und entscheidet Euch für das passende Schuhwerk. Denn auch diese Erfahrung habt Ihr schon gemeinsam gemacht: Der Weg des Lebens ist manchmal steinig und nicht immer scheint die Sonne. Manchmal versperrt Euch auch ein Felsbrocken die kürzeste Strecke. Aber auch in diesem Fall habt Ihr in die gleiche Richtung geschaut und habt den Umweg in Kauf genommen –  zu zweit ist auch der längste Weg im Nu genommen.

Aber… seien wir mal ganz ehrlich. Wo bleibt denn da die Romantik? Wenn man sich nie tief in die Augen schaut? Und noch viel wichtiger: Woher weiß ich denn, in welche Richtung Du schaust? Immer nur gerade auszuschauen kann es also auch nicht sein. Nein, denn in einer glücklichen Partnerschaft brauche ich die Reaktion des Gegenübers. Ich will ihm in die Augen schauen, sein Lächeln wahrnehmen und es zurückgeben. Ich will ihn SEHEN.

In einem Film wird „Ich liebe Dich“ in eine andere Sprache mit „Ich sehe Dich“ übersetzt. Denn Sehen heißt sich kennen wollen, sich für den anderen interessieren, an seinem Leben teilhaben und sich um ihn kümmern. Mit diesem „Ich sehe Dich“ sind Verbundenheit und Verständnis verknüpft.

Ein anderer Spruch von Saint-Exupery lautet: „Man sieht nur mit dem Herzen gut – das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Genau um dieses Mit-dem-Herzen-sehen geht es in der Liebe. Es geht darum, den Blick für anderen nicht zu verlieren. Ihn auch nach Jahren noch liebevoll anzuschauen. Vielleicht auch mal das ein oder andere Auge zuzudrücken. Und immer noch und immer wieder etwas Neues zu entdecken.

Man hört nie auf, sich kennenzulernen. Jeden Tag könnt Ihr etwas Neues über Euren Partner erfahren. Natürlich habt Ihr Euer halbes Leben miteinander verbracht, Ihr vertraut Euch blind und versteht Euch ohne Worte. Ihr müsst nicht mehr reden, Ihr braucht Euch nicht lange anzuschauen, um zu wissen, wie es dem anderen gerade geht. Ihr seht einander an – mit dem Herzen.

Denn nur mit dem Herzen eröffnet sich Euch das Wesentliche – das Wesen des anderen. Mit Eurer Liebe zueinander blickt Ihr Euch bis ins Mark. Ihr habt Eure Seele gesehen. Alles andere, was darum passiert, könnt Ihr weiterhin wahrnehmen. Denn niemand bleibt unverändert. Nur wer sich ständig ändert, kann sich treu bleiben. Also probiert Neues aus – allein und gemeinsam. Und verliert Euch dabei nicht aus den Augen, sondern nehmt Euch Zeit für Euch. Für Einander. Für Eure Liebe – und für Eure kleine Familie.

Wenn wir „Ich sehe Dich“ anstelle von „Ich liebe Dich“ sagen, dann meinen wir gleichzeitig noch etwas Anderes. Denn dann werde ich gesehen. Ich werde wahrgenommen – als ganze Person, mit allen Stärken und Schwächen. Und unabhängig von meinen Fehlern werde ich geliebt und akzeptiert. Ich gehöre dazu. Ihr seid Teil einer Liebesgemeinschaft, die zunächst nur aus Euch beiden und Eurer Liebe besteht – und bald wächst diese Gemeinschaft an.

Und wenn ich von Dir gesehen werde, dann lerne ich mich selbst auch noch einmal ganz neu kennen – aus einer völlig neuen Perspektive. Im Titelsong zum Film heißt es: Ich sehe mich durch Deine Augen. Du bringst mir bei, die Schönheiten der Welt zu sehen. Du eröffnest mir ein neues Leben. Mein Herz war nie so offen und mein Geist niemals so frei. Ich sehe Dich. Indem Ihr also einander anschaut, öffnet Ihr den Blick für eine andere Welt. Ihr weitet Euren Horizont, Ihr nehmt Euch mit auf eine Reise. Die ganze Welt in seinen Augen.

Also dann… auch wenn Ihr in die gleiche Richtung blickt: Seitenblicke müssen sein! Behaltet den Blick für die Realität, schaut hin, was Euch erwartet. Und verliert einander nicht aus den Augen. Nichts schweißt mehr zusammen als gemeinsame Ziele – aber die müsst Ihr eben auch gemeinsam festlegen.

Vielleicht solltet Ihr einfach Euch einfach eine leicht abgeänderte Variante Eures Trauspruchs zu Herzen nehmen: „Liebe besteht nicht nur darin, dass man einander anschaut, sondern dass man auch in dieselbe Richtung blickt.“

Über gutefee

Jenny ist die Gründerin von gutefee hochzeitsservice. Seit 2012 arbeitet sie als freie Traurednerin und Hochzeitsplanerin. Außerdem hat sie sich mit weiteren Gründungen wie Brautflohmarkt oder Brautkästchen einen Namen in der Hochzeitsbranche gemacht. Ihr seht schon... sie ist durch und durch verrückt nach Hochzeiten.