Wie lange darf eine Dashcam aufzeichnen?

Wie lange darf eine Dashcam aufzeichnen?

Urteil

Straßenverkehr und Datenschutz – ein Dauerbrenner. Ebenso wie der Einsatz von Dashcams. Ein Knall, ein Blechschaden und nun die Frage: Wie kann ich beweisen, dass der Unfallgegner den Schaden verursacht hat? Der BGH hat entschieden, dass Aufnahmen mit Dashcams als Beweismittel vor Gericht zur Klärung von Verkehrsunfällen zulässig sein können. Das Landgericht Mühlhausen hält diese Rechtsprechung nach Inkrafttreten der DSGVO für nicht mehr anwendbar.

Dashcam – Ja, Nein, Vielleicht

Die Dashcam hat einen wilden Ritt durch die Gerichte hinter sich. Immer wieder wird darüber gestritten, ob das Aufzeichnen des Verkehrsgeschehens mittels Dashcam zulässig ist und Kameraaufzeichnungen im Zivilprozess als Beweismittel verwendet werden können. Zuletzt sprach sich der BGH in einer Entscheidung in engen Grenzen für eine Verwertung von Videoaufzeichnungen im Zivilgerichtsprozess aus. Dem BGH zufolge ist der Einsatz von Dashcams denkbar, wenn Aufzeichnungen nur kurz und anlassbezogen erfolgen und Videomaterial erst im Zusammenhang mit einer Kollision oder starken Bremsung erfolgt. Damit galt das Thema zunächst als abgehakt. Das Landgericht Mühlhausen hält in seiner Entscheidung vom 12.05.2020 (Az. 6 O 486/18) das Urteil des BGH nun für nicht mehr anwendbar und geht von einem Beweisverwertungsverbot bei Dashcam-Aufzeichnungen aus.

Was ist passiert?

Die am Unfall beteiligten Verkehrsteilnehmer fuhren mit Ihren Motorrädern bergabwärts auf eine Linkskurve zu. Der Kläger behauptet, der Unfallgegner habe trotz bestehenden Überholverbotes einen Überholvorgang vorgenommen, so dass er, der Kläger, einen Bremsvorgang habe einleiten müssen und gestützt sei. Das Landgericht sieht den Vorfall nicht als erwiesen an. Dem Beweisangebot des Klägers durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ausschließlich unter Berücksichtigung der von dem Kläger vorgenommen Dashcam-Aufzeichnungen lehnte das Gericht ab.

Was spricht gegen die Auswertung der Videoaufnahmen?

Das Gericht ist der Ansicht, dass die Aufzeichnungen der DSGVO widersprächen, da diese ohne die Einwilligung des Unfallgegners erstellt wurden. Das aufgeführte Urteil des BGH sei nach der Neuregelung des Datenschutzrechts (Einführung der DSGVO) insoweit nicht mehr anwendbar. Weiter führt das Gericht an, dass für eine vollständige Beurteilung des Unfallgeschehens eine permanente Aufzeichnung erforderlich gewesen wäre, die nicht nur den Unfallhergang darstellt, sondern auch den davorliegenden Zeitraum. Insofern läge auch nach der Entscheidung des BGH ein Beweisverwertungsverbot vor.

Aufzeichnen ja, aber nur mit Einwilligung

Das Gericht ist der Auffassung, dass Dashcam-Aufzeichnungen ohne Einwilligung der darauf befindlichen Personen nicht verwertbar seien. Für den Fall der Verwertbarkeit führt das Gericht aus:

„Dies würde dazu führen, dass die Bevölkerung sich gegenseitig und wechselseitig mit entsprechenden Bodycams und Kameras aufzeichnen würde, da jeder damit rechnen muss, von einer Anzeige oder einem Strafverfahren gegen sich von anderen Personen, etwa Beleidigungen oder Vergewaltigungen, überzogen zu sehen. Im Hinblick auf die Rechtssicherheit, da der Normalbürger nicht wissen kann, ob die Rechtsprechung später dann seine Kameraaufzeichnungen für verwertbar hält oder nicht, erscheint es für das erkennende Gericht nicht sachgerecht und nachvollziehbar, warum einzelne Kameraaufzeichnungen dann erlaubt sein sollen und andere nicht bzw. warum dann einzelne Kameraaufzeichnungen verwertbar sein sollen oder nicht. Wenn der Gesetzgeber Dashcam-Aufzeichnungen bei Verkehrsunfällen durch Privatpersonen zum Nachweis einem etwaigen Verschuldens (sic!) des Gegners erlauben will, so sollte der Gesetzgeber ein entsprechendes Gesetz zur Ausstattung von Kraftfahrzeugen, welche am Straßenverkehr teilnehmen, machen.“

Warum ist die DSGVO überhaupt anwendbar?

Der ein oder andere mag sich an dieser Stelle die Frage stellen, warum die DSGVO überhaupt anwendbar ist. In Art. 2 Abs 2 lit c. DSGVO ist die Haushaltsausnahme geregelt. Hiernach ist die DSGVO nicht anwendbar auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten. Genau das ist hier aber nicht der Fall. Die Verarbeitung ist nicht mehr ausschließlich privaten Zwecken zuzuordnen. Es ist gerade nicht allein die private Sphäre des Datenverarbeiters betroffen, sondern der öffentliche Raum. Denn nach dem sozialen Zweck der Verarbeitung kann die Öffentlichkeit Zugriff auf die Daten bekommen, bzw. ist dies gerade der Zweck der Verarbeitung. Insofern ist zumindest der „Dauereinsatz“ von Dashcams, also das dauerhafte Aufzeichnen, grundsätzlich rechtswidrig. Das hat der BGH bereits in seinem Urteil festgestellt.

Gegen BGH und Behörden ohne Begründung

Aus welchem Grund das Landgericht die Entscheidung für nicht auf die neue Rechtslage übertragbar hält, führt es nicht aus. Interessant ist, dass die Mühlhausener mit ihrem Urteil nicht nur von der Entscheidung des BGHs abweichen, von den Ansichten der Behörden. So äußerte sich unter anderem der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit zu dem Thema wie folgt:

„Im Sinne des Datenschutzes sind technische Lösungen zu nutzen, die das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten wahren, wie es beim Einsatz von nur anlassbezogen speichernden Crashcams der Fall ist. Durchaus legitime Interessen von Fahrzeughaltern müssen insofern nicht zwangsläufig mit dem Datenschutzrecht kollidieren.“

Aus dem Urteil wird nicht hinreichend deutlich, ob zwischen der klassischen Dashcam und der sog. Crashcam, die nur anlassbezogen aufzeichnet, zu unterscheiden ist. Da das Gericht keine explizite Differenzierung vornimmt und im Allgemeinen auf die Unzulässigkeit von Kameraaufzeichnungen abstellt, ist jedoch davon auszugehen, dass das Gericht Kameraaufzeichnungen im Straßenverkehr per se für unzulässig erachtet. Ausführungen oder Abgrenzungen zwischen anlasslosem Filmen und dem unfallbezogenen Aufzeichnen des Geschehens werden nicht vorgenommen.

Die richtigen Schlüsse?

Die angeführte Sorge vor einer Totalüberwachung ist nicht zwingend unbegründet. Das Landgericht Mühlhausen dazu wie folgt:

„Im Übrigen ist das erkennende Gericht der Auffassung, dass Dashcam-Aufzeichnungen ohne Einwilligung der darauf befindlichen Personen nicht verwertbar sind. Dies würde dazu führen, dass die Bevölkerung sich gegenseitig und wechselseitig mit entsprechenden Bodycams und Kameras aufzeichnen würde […]“

Dennoch stellt sich die Frage, ob das Gericht hier nicht Äpfel mit Birnen vergleicht. Wie beschrieben, hat auch der BGH Dashcam-Aufzeichnungen nicht per se als zulässig erklärt. Insofern erscheint die aufgeführte Argumentation, die Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen würde dazu führen, dass die Bevölkerung sich gegenseitig und wechselseitig mit Kameras aufzeichnet zumindest fragwürdig. Ob sich weitere Gerichte dieser Entscheidung anschließen bleibt abzuwarten.

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Ist eine Dashcam im Auto in Deutschland erlaubt?

Das Anbringen einer Autokamera ist nun aber grundsätzlich erlaubt. Ein anlassloses permanentes Filmen und Speichern des öffentlichen Straßenverkehrs hingegen bleibt aber verboten da es gegen den Datenschutz verstößt (Art. 6 DSGVO, § 4 BDSG).

Wann darf man eine Dashcam benutzen?

Eine Kamera an Windschutzscheibe oder Armaturenbrett, eine sogenannte Dashcam, ist gesetzlich nicht verboten. Wer aber mit der Kamera permanent ohne konkreten Anlass den Verkehr filmt, verstößt gegen Datenschutzrecht und riskiert ein Bußgeld.

Wird eine Dashcam vor Gericht?

Der BGH hat entschieden, dass Aufnahmen mit Dashcams als Beweismittel vor Gericht zur Klärung von Verkehrsunfällen zulässig sein können. Das Landgericht Mühlhausen hält diese Rechtsprechung nach Inkrafttreten der DSGVO für nicht mehr anwendbar.

Was muss ich bei einer Dashcam beachten?

Du darfst eine Dashcam im Auto benutzen und die Aufnahmen sogar vor Gericht als Beweismittel einsetzen. Allerdings musst Du den Datenschutz beachten: Kaufe eine Dashcam mit Loop Recording und G-Sensor, die dafür sorgt, dass die Aufnahmen nicht dauerhaft gespeichert werden – es sei denn, es kommt zu einem Unfall.