Wie hoch sind die Chancen mit 35 schwanger zu werden?


Beson­ders bei Erst­ge­bä­ren­den über 40 Jah­ren regis­trie­ren Exper­ten einen deut­li­chen Anstieg. Damit kommt es nicht nur häu­fi­ger zu vor­zei­ti­gen Pla­zen­ta­lö­sun­gen, son­dern steigt ganz gene­rell das Risiko für Kom­pli­ka­tio­nen auf­grund von Komor­bi­di­tä­ten. Ein Semi­nar bei den dies­jäh­ri­gen Ärz­te­ta­gen in Grado befasst sich mit die­sem Thema.
Von Eli­sa­beth Gers­ten­dor­fer

Kind oder Kar­riere – viele Frauen wol­len bei­des und begin­nen zunächst mit der Kar­riere. Lange Aus­bil­dungs­zei­ten, beruf­li­ches Enga­ge­ment, der Auf­bau einer finan­zi­el­len Absi­che­rung und eine spä­tere Part­ner­wahl tra­gen dazu bei, dass sich der Kin­der­wunsch oft erst ab einem Alter von 35 Jah­ren rea­li­sie­ren lässt. „Frü­her hat man ab einem Alter von 30 Jah­ren von einer spä­ten Schwan­ger­schaft gespro­chen. Bei Mehr­ge­bä­ren­den waren es 35 Jahre. Das hat sich heute um etwa fünf Jahre nach hin­ten ver­scho­ben. Ins­be­son­dere bei Erst­ge­bä­ren­den ab 40 Jah­ren bemer­ken wir eine Zunahme“, sagt Univ. Prof. Chris­tian Dadak, Fach­arzt für Frau­en­heil­kunde und Geburts­hilfe am Wie­ner AKH und Lei­ter der Abtei­lung „Koor­di­na­tion der Lehre“ an der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Frau­en­heil­kunde der Med­uni Wien. Unter dem Titel „Alte Eltern, Gefah­ren für den Nach­wuchs. Ste­ri­li­tät und Fer­ti­li­tät in höhe­ren Alters­grup­pen, Schwan­ger­schafts­ver­lauf, Geburt, das Neu­ge­bo­rene“ hält Univ. Prof. Chris­tian Dadak im Rah­men der 21. Ärz­te­tage in Grado einen Vor­trag zu die­sem Thema.

Auch Schwan­ger­schaf­ten von Frauen über 50 Jah­ren kämen immer wie­der vor. Das Durch­schnitts­al­ter von Erst­ge­bä­ren­den liegt öster­reich­weit zwar bei 29,4 Jah­ren; fast jedes fünfte Baby wird aber bereits von einer Mut­ter über 35 Jahre gebo­ren. Spon­tane Schwan­ger­schaf­ten auf natür­li­chem Weg wer­den aller­dings mit zuneh­men­dem Alter unwahr­schein­li­cher, da die Fer­ti­li­tät bei Frauen bereits ab 30 ste­tig abnimmt. Die höchste Wahr­schein­lich­keit bei Geschlechts­ver­kehr am frucht­bars­ten Tag des Zyklus mit einem gleich­alt­ri­gen Part­ner schwan­ger zu wer­den, besteht mit 50 Pro­zent im Alter von 19 bis 26 Jah­ren. Bei 27- bis 34-jäh­ri­gen Frauen liegt diese Wahr­schein­lich­keit bei rund 40 Pro­zent, bei 35- bis 39-jäh­ri­gen knapp unter 30 Pro­zent. Frauen zwi­schen 40 und 44 Jah­ren haben nur noch eine zehn­pro­zen­tige Chance, ohne unter­stüt­zende repro­duk­tive Tech­no­lo­gien schwan­ger zu wer­den; über 45 Jahre sind es ledig­lich zwei Pro­zent. „Ursa­chen für die sin­kende Fer­ti­li­tät sind eine gerin­gere ova­ri­elle Reserve, der ver­än­derte Hor­mon­haus­halt und damit ein­her­ge­hend eine schlech­tere Qua­li­tät der altern­den Eizel­len sowie ova­ri­elle Dys­funk­tio­nen. Nur etwa fünf Pro­zent der Frauen mit ver­min­der­ter ova­ri­el­ler Reserve wer­den ohne Hilfe der Repro­duk­ti­ons­me­di­zin schwan­ger“, erklärt Dadak.

Inten­si­vere Betreuung

Um fest­zu­stel­len, ob eine Frau über aus­rei­chend Oozy­ten ver­fügt, um schwan­ger zu wer­den, eig­net sich am bes­ten der Nach­weis des Anti-Mül­ler-Hor­mons (AMH) im Blut, der zu jedem Zyklus-Zeit­punkt erfol­gen kann. „Mit der Blut­un­ter­su­chung kann die Anzahl der Eizel­len abge­schätzt wer­den. Auch das Zäh­len der Antral­fol­li­kel mit­tels vagi­na­lem Ultra­schall hat eine gute Aus­sa­ge­kraft, hängt jedoch von der Erfah­rung und Genau­ig­keit des Unter­su­chers ab“, so Dadak. Bei Frauen ab 35 sollte die Frucht­bar­keit bald abge­klärt wer­den, um gege­be­nen­falls Frucht­bar­keits-unter­stüt­zende Maß­nah­men oder Metho­den künst­li­cher Befruch­tung ein­zu­lei­ten. Ab einem Alter von 45 Jah­ren ist häu­fig die in Öster­reich ver­bo­tene, aber in eini­gen Nach­bar­län­dern erlaubte Eizell­spende die ein­zige Mög­lich­keit, schwan­ger zu wer­den, was immer wie­der zu Eizell-Tou­ris­mus führt. „Das Alter allein ist kein Grund, von einer Schwan­ger­schaft abzu­ra­ten. Die Risi­ken sind indi­vi­du­ell zu bestim­men. Not­wen­dig bei spä­te­ren Schwan­ger­schaf­ten ist aber eine inten­si­vere Betreu­ung durch Vor­sor­ge­un­ter­su­chun­gen“, betont Dadak. Ins­be­son­dere bei älte­ren Müt­tern spiele die prä­na­tale Dia­gnos­tik eine beson­dere Rolle. Dies geschieht neben Ultra­schall- sowie Blut­un­ter­su­chun­gen auch mit inva­si­ven Metho­den wie etwa der Pla­zen­ta­bi­op­sie oder der Frucht­was­ser­un­ter­su­chung. „Man weiß, dass die Tri­so­mie-Häu­fig­keit bei Schwan­ge­ren ab 35 ansteigt. Spe­zi­ell bei älte­ren Müt­tern sollte nach sorg­fäl­ti­ger Auf­klä­rung bei­spiels­weise die Nacken­fal­ten­mes­sung als Pri­mär­dia­gnos­tik ange­bo­ten wer­den“, so Dadak.

Zu den häu­figs­ten Kom­pli­ka­tio­nen in der Schwan­ger­schaft von Frauen ab 40 zäh­len vor­zei­tige Pla­zenta-Lösun­gen oder Fehl­la­gen der Pla­zenta (Pla­zenta pra­e­via), aber auch Blut­hoch­druck oder Schwan­ger­schafts­dia­be­tes. Gene­rell häu­fi­ger sind Kom­pli­ka­tio­nen auf­grund von Komor­bi­di­tä­ten etwa Adi­po­si­tas, Nieren‑, Auto­im­mun- oder kar­dio­vasku­läre Erkran­kun­gen. Neben den Risi­ken für die Mut­ter tre­ten in spä­ten Schwan­ger­schaf­ten beim Unge­bo­re­nen deut­lich öfter kon­ge­ni­tale Fehl­bil­dun­gen wie Herz­feh­ler, Tri­so­mien oder Wachs­tums­re­tar­die­run­gen auf. Dadak: „Je älter die Frau ist, desto grö­ßer ist die Wahr­schein­lich­keit, dass es zu einer Stö­rung bei der zwei­ten Rei­fe­tei­lung kommt. Ursa­chen dafür kön­nen oxi­da­ti­ver Stress, geal­terte Eizel­len oder die Kür­zung der Telo­mere bei den Oozy­ten sein.“ Wachs­tums­re­tar­die­run­gen des unge­bo­re­nen Kin­des sind häu­fig auf Ein­nis­tungs­pro­bleme oder Blut­ge­fäß­schä­di­gun­gen etwa durch Niko­tin, Blut­hoch­druck oder geschä­digte Schleim­häute zurück­zu­füh­ren. Beson­ders ältere Müt­ter wür­den aber sehr gewis­sen­haft zu Vor­sor­ge­un­ter­su­chun­gen kom­men, da viel­fach die Ent­schei­dung für das Kind bewuss­ter getrof­fen wurde und die Com­pli­ance daher höher ist als in jün­ge­ren Jahren.

Kai­ser­schnitt bevorzugt

Das ver­mehrte Auf­tre­ten von Fehl­bil­dun­gen trägt auch zu einer erhöh­ten Fehl­ge­bur­ten­rate bei. Wäh­rend etwa 6,2 Pro­zent der Schwan­ge­ren im Alter von 20 bis 29 Jah­ren ihr Kind vor der 37. Schwan­ger­schafts­wo­che ver­lie­ren, beträgt die­ser Anteil bei 40- bis 44-Jäh­ri­gen 8,72 Pro­zent, bei Frauen über 45 Jahre liegt er bei 9,38 Prozent.

Bei erfolg­rei­chem Ver­lauf der Schwan­ger­schaft kommt es bei älte­ren Müt­tern eher zu einem Kai­ser­schnitt als bei jün­ge­ren. Stu­dien zei­gen, dass sowohl bei Erst- als auch bei Mehr­ge­bä­ren­den im Alter von 40 bis 45 Jah­ren bei etwa jeder zwei­ten Geburt das Kind ope­ra­tiv geholt wird; bei 50- bis 63-Jäh­ri­gen kommt es bei rund 80 Pro­zent der Schwan­ger­schaf­ten zu einer Sec­tio. „Das liegt zum einen daran, dass doch häu­fi­ger Schwan­ger­schafts­kom­pli­ka­tio­nen vor­lie­gen, etwa Ein­stel­lungs­ano­ma­lien wie Becken­end­la­gen. Es kommt häu­fi­ger zu Mehr­lings­schwan­ger­schaf­ten und Geburts­still­stand. Viele ältere Pati­en­tin­nen haben auch den Wunsch nach einem Kai­ser­schnitt und der Arzt hat sel­te­ner Beden­ken dage­gen, weil er anneh­men muss, dass nicht mehr allzu viele Schwan­ger­schaf­ten nach­fol­gen“, sagt Dadak. In der peri­na­ta­len Mor­bi­di­tät zeigt sich, dass Kin­der älte­rer Müt­ter häu­fi­ger ein nied­ri­ges Geburts­ge­wicht auf­wei­sen und häu­fi­ger zu früh gebo­ren werden.

Die Nach­wir­kun­gen der Schwan­ger­schaft unter­schei­den sich laut Dadak bei älte­ren Frauen nicht von jenen jün­ge­rer. „Es sind eher psy­cho­so­ziale Fak­to­ren, die bei einer spä­ten Mut­ter­schaft wir­ken, etwa, dass die Groß­el­tern bei der Ver­sor­gung des Neu­ge­bo­re­nen nicht mehr so gut behilf­lich sein kön­nen oder viele Müt­ter schnel­ler wie­der in ihren Job zurück möch­ten. Trotz der Risi­ken geht es Babys älte­rer Müt­ter ebenso gut wie jenen jün­ge­rer“, resü­miert Dadak.

Tipp:

21. Ärz­te­tage Grado
von 3. bis 9. Juni 2012;
nähere Infor­ma­tio­nen und Anmel­dung unter www.arztakademie.at/grado

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 9 /​10.05.2012

Wie schnell wird man mit 35 schwanger?

Bei Frauen, die zwischen 20 und 30 Jahre alt sind, liegt die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, bei 30 Prozent pro Zyklus. Mit 35 Jahren liegt sie nur noch bei 14 Prozent pro Zyklus und mit 40 Jahren nur noch bei sieben Prozent.

Ist man mit 35 noch fruchtbar?

Tatsächlich beginnt die Fruchtbarkeit bereits im frühen Erwachsenenalter – also schon ab etwa 26 Jahren – zu sinken. So liegen die Schwangerschaftschancen pro Lebensjahr beispielsweise bei Frauen unter 25 Jahren bei 90 Prozent, bei 24- bis 35-Jährigen bei 70 Prozent und bei 35- bis 40-Jährigen nur mehr bei 20 Prozent.

Wie viele Frauen werden mit 35 schwanger?

Die meisten Frauen in Deutschland werden heute um das 30. Lebensjahr zum ersten Mal schwanger. Aber schon jedes 4. Baby wird in Deutschland von einer Frau geboren, die über 35 Jahre jung ist.

Wie oft hat man mit 35 einen Eisprung?

Das bedeutet, dass nur etwa eine von sechs Frauen mit im Alter von 35 Jahren pro versuchtem Zyklus schwanger wird. Die anderen fünf müssen auf den Erfolg im nächsten Zyklen hoffen. Im Alter von 40 Jahren liegen die Chancen auf eine Schwangerschaft dann nur noch bei etwa fünf Prozent pro Zyklus.