Wie hoch muss der Titer nach einer Corona Impfung sein?

Welche Menge an Antikörpern im Blut schützt nach der Corona-Impfung noch vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2? Überall auf der Welt suchen Forscher aktuell nach diesem sogenannten Immun-Korrelat, also dem Wert, der ablesbar macht, wann Auffrischungsimpfungen gegen Covid-19 sinnvoll wären. Bereits im Juli hatten Forscher aus dem Impfstoffteam der Universität Oxford erste Daten vorgelegt. Das Team steht hinter der Entwicklung des Astrazeneca-Impfstoffs. Jetzt ist die Studie begutachtet worden und im Fachblatt nature medicine erschienen. Damit gibt es erste Hinweise, trotzdem sind noch sehr viele Fragen offen.

Immunkorrelate bei Astrazeneca-Studie ähnlich wie bei moderna

Bei der vorgelegten Studie hatte das Wissenschaftlerteam bei insgesamt 1575 Teilnehmern der klinischen Zulassungsstudie Antikörperwerte 28 Tage nach der zweiten Impfung untersucht. 171 der Versuchspersonen infizierten sich innerhalb der anschließenden 90 Tage mit dem SARS-Coronavirus-2. Allerdings hatten nur 74 Teilnehmer auch Symptome. Aus den erhobenen Werten errechneten die Wissenschaftler, wie viele bindende Antikörper nach der Impfung vorhanden sein mussten, um danach gegen das Virus geschützt zu sein.

Demnach waren Menschen zu 80 Prozent geschützt, wenn sie 28 Tage nach der Impfung 264 bindende Antikörpereinheiten pro Milliliter Blut (BAU/ml) von den IgG-Antikörpern gegen das Corona-Spikeprotein hatten. Bei Antikörpern gegen die Rezeptorbindungsdomäne lag der Wert bei 506 BAU/ml. In einer anderen, bislang nur als preprint vorliegenden Studie hatten Forscher ähnliche Werte für den Impfstoff von moderna gemessen.

Werte können nicht in medizinische Praxis übersetzt werden

"Antikörpertiter sind in der Praxis relativ einfach und genau zu messen, insofern ist das eine wichtige Studie", kommentierte Bernd Salzberger die Ergebnisse. Salzberger ist Leiter der Infektiologie am Uniklinikum in Regensburg und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie. Zwar spielen bei der Immunität gegen das Virus auch B- und T-Zellen eine große Rolle. Die sind aber schwerer zu messen.

Salzberger hält allerdings die statistische Zuverlässigkeit der vorgelegten Daten noch für zu gering, da die beobachtete Teilnehmermenge nicht groß genug gewesen sei. Daher könnten die Werte nicht herangezogen werden, um bei einzelnen Patienten zu beurteilen, wie gut sie gegen eine Ansteckung geschützt seien. "Mit diesen Einschränkungen können die Ergebnisse keinesfalls in die klinische Praxis übersetzt werden: Es ist nicht möglich, aus einem tagesaktuellen Titerwert auf den in der Studie benutzten Parameter zurückzuschließen", sagte Salzberger dem Sciencemediacenter. Eine Entscheidung über die Notwendigkeit einer weiteren Booster-Impfung muss also vorerst anders getroffen werden.

Viele Jahre Impfschutz möglich

Carsten Watzl, Leiter des Forschungsbereichs Immunologie an der TU Dortmund, wiederum glaubt, dass die vorgelegten Daten einen wichtigen Baustein liefern, die richtigen Werte für Korrelate herauszufinden. Da die Tests standardisiert seien, seien die Daten gut mit den Ergebnissen anderer Studien vergleichbar. "Es wird allerdings noch mehrere solcher Studien benötigen, um wirklich einen Wert final festlegen zu können."

Watzl betonte, dass es nicht möglich sei, Korrelate für einen Schutz gegen eine asymptomatische Infektion zu berechnen. "Das schaffen die Impfstoffe nicht." Zudem verändere sich der Wert durch die jeweils zirkulierende Virusvariante. Die vorgelegten Werte gelten für Alpha. "Aktuell bräuchten wir allerdings einen Wert für den Schutz gegen die Delta-Variante. Diese ist etwa 50 Prozent ansteckender, also müsste man den Grenzwert in etwa mit 1,5 multiplizieren." Wie sich der Schutz der Impfung über die Zeit entwickelt, sei wiederum eine andere Frage. "Die Antikörpertiter haben nach der Impfung einen zweiphasigen Abfall und stabilisieren sich irgendwann." Später würden dann Gedächtniszellen wichtiger, die bei Bedarf neue Antikörper herstellen. "So ist es dann eventuell möglich, dass ein Impfschutz auch mehrere Jahre hält. Ein Leben lang wird er eher nicht halten", sagt Watzl.

(ens/smc)

In einer ursprünglichen Version dieses Artikels hieß es, der Grenzwert schützender Antikörper müsse mit 0,5 multipliziert werden, um einen für die Delta-Variante gültigen Wert zu erhalten. Richtig ist dagegen der Faktor 1,5. Vielen Dank an Herrn Sch. für den Hinweis.

Seit Donnerstag empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) die Auffrischungsimpfung im Prinzip für alle Personen über 18 Jahren. Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Booster-Impfung und der Frage, ob ein Antikörper-Test davor Sinn macht geben auf Nachfrage Markus Beier, Präsident des Bayerischen Hausärzteverbandes e. V. (BHÄV), Andreas Bobrowski, erster Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Laborärzte (BDL) sowie Hendrik Schulze-Koops, Leiter der Sektion Rheumatologie und Klinische Immunologie am Klinikum der Ludwig Maximilians-Universität München (LMU).

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Wer soll eine Auffrischungsimpfung bekommen?

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt eine Booster-Impfung seit 18. November 2021 generell für Menschen ab 18 Jahren und auch für Schwangere ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel. Die Stiko fügt jedoch einschränkend hinzu, dass folgenden Personengruppen "prioritär" eine Auffrischungsimpfung angeboten werden soll:

"Personen mit Immundefizienz, Personen im Alter von ≥ 70 Jahren, BewohnerInnen und Betreute in Einrichtungen der Pflege für alte Menschen sowie Personal in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen. Auch bisher Nicht-Geimpfte sollen vordringlich geimpft werden. Die Auffrischimpfungen soll in der Regel im Abstand von 6 Monaten zur letzten Impfstoffdosis der Grundimmunisierung erfolgen. Eine Verkürzung des Impfabstandes auf 5 Monate kann im Einzelfall, oder wenn genügend Kapazitäten vorhanden sind, erwogen werden. Unabhängig davon, welcher Impfstoff zuvor verwendet wurde, soll für die Auffrischimpfung ein mRNA-Impfstoff verwendet werden."

Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege empfiehlt seit 15. November 2021 eine Auffrischungsimpfung "fünf Monate nach der letzten Impfung".

  • Zum Artikel "Booster-Impfung: Wer braucht die dritte Spritze?"

Was sagt der Antikörper-Wert aus – zeigt er, dass ich geschützt bin?

"Der Antikörper-Wert sagt aus, ob eine Immunreaktion auf den Impfstoff stattgefunden hat. Wenn die Werte ganz hoch sind, kann man von einem Schutz ausgehen, es gibt aber derzeit keinen fest benannten Wert, der hier zur definierten Schutzwirkung etwas aussagt", sagt der Allgemeinmediziner Beier.

Ähnlich äußert sich dazu auch Hendrik Schulze-Koops, Immunologe am Klinikum der LMU München. "Wir wissen momentan noch nicht, was die Antikörper-Spiegel in Bezug auf den Schutz vor einer Corona-Infektion bedeuten. Die Daten dazu liegen nicht vor", erklärt er im Gespräch mit dem BR.

Ist ein genereller Antikörper-Test vor einer Booster-Impfung sinnvoll?

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte diese Woche nach einer Kabinettssitzung gesagt: "Es macht Sinn, dass jeder einen Antikörper-Test macht". Experten sehen das jedoch anders. Da es einen sogenannten cut-off-Wert, der anzeigt, ab welchem Antikörper-Wert ich geschützt bin und ab wann nicht, momentan noch nicht gebe, so Beier vom BHÄV, sei ein genereller Antikörper-Test vor einer Booster-Impfung nicht sinnvoll. "Das ist auch viel zu aufwendig. Der Nutzen einer Auffrischimpfung ist in jedem Fall höher“, betont er.

Andreas Bobrowski, erster Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Laborärzte, kann diese generelle Aussage zu Antikörper-Tests hingegen nicht teilen. Er plädiert für mehr Studien, in denen festgestellt wird, ab welchem Antikörper-Wert ein ausreichender Schutz gegen das Coronavirus vorhanden ist und wann nicht mehr. Diese seien möglich und gerade aus Gerechtigkeitsgründen sinnvoll. Der knappe Impfstoff solle schließlich nicht unnötig an Menschen verimpft werden, die aufgrund ihres ausreichenden Antikörper-Spiegels noch gar keinen erneuten Impfschutz bräuchten, sagt Bobrowski.

"Ein Test kann vor allem Menschen, die generell anfällig für Infekte oder aufgrund von Behandlungen oder Krankheiten immungeschwächt sind, wichtige Informationen liefern. Auch Personen, die nach ihrer Impfung gar nichts 'gespürt' haben, also keine Nebenwirkungen hatten, könnte von ihrem Hausarzt oder ihrer Hausärztin vielleicht zum Test geraten werden." Andreas Bobrowski, erster Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Laborärzte (BDL)

Kann man auch mit niedrigem Antikörper-Spiegel geschützt sein?

Die verschiedenen Möglichkeiten des Immunsystems, sich gegen Viren zu wehren, machen es so schwierig, festzustellen, wann ein Mensch gegen das Virus wirklich geschützt ist und wann nicht. Neben der Abwehr durch Antikörper gibt es auch eine zelluläre Abwehr durch sogenannte aktivierte T-Zellen. Durch sie werden eingedrungenen Viren ebenso abgewehrt. So kann ein Mensch auch ohne nennenswerte Antikörper-Spiegel durch diese zelluläre Immunabwehr geschützt sein.

Unbestritten sei aber trotz allem, dass ein Mensch unter einem Antikörper-Wert von 21.8 BAU pro Milliliter Blut (BAU= Binding Antibody Units) keinen verlässlichen Immunschutz gegen das Coronavirus mehr hat, erläutert Bobrowski.

  • Zum Überblick "Fragen und Antworten zur Corona-Impfung"

Wie lange sind Antikörper gegen Corona nachweisbar?

Belastbare Zahlen gebe es dazu nicht, erklärt der Laborarzt Bobrowski. "Ein Jahr nach der Impfung - so gehen wir davon aus - sollte der Antikörper-Spiegel jedoch bei jedem deutlich abgefallen sein.“

Ist eine zu früh verabreichte Booster-Impfung gefährlich?

"Nein, eine verfrühte Booster-Impfung ist nicht gefährlich. Es geht jetzt nur erst einmal darum, die Menschen zu schützen, die den Impfschutz unbedingt brauchen, wie ältere und immungeschwächte Menschen", sagt dazu der Allgemeinmediziner Beier.

Gibt es Unterschiede bei den Impfstoffen bzgl. der Verträglichkeit einer Booster-Impfung?

Welcher Impfstoff zuerst verimpft wurde, spiele für die Auffrischimpfung keine Rolle, so Beier. "Für die Booster-Impfung selbst wird aber nur der Impfstoff von Moderna oder der von Biontech verwendet.“

Ist ein Antikörper-Test als Selbst-Test zu Hause möglich?

Solche Tests gebe es wohl, sagt Markus Beier vom BHÄV, "aber von denen rate ich absolut ab. Im Gegenteil. Sie sind sogar gefährlich, weil sie einen in falscher Sicherheit oder Unsicherheit – je nachdem – wiegen."

Wieviel kosten die Antikörper-Tests?

Der Antikörper-Test kostet derzeit gemäß der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) 17,49 Euro. Der Test sei keine Kassenleistung, müsse also von den Patienten gezahlt werden, sagt der Laborarzt Andreas Bobrowski.

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Wie lange hat man Antikörper nach Covid?

Wie lange hält die Corona Immunität an? Aktuell ist noch unklar, ob und wie lange Genesene nach einer Erkrankung mit dem Corona-Virus SARS-Cov-2 immun sind. Nach wie vor fehlen Langzeitergebnisse, um konkrete und gesicherte Aussagen darüber zu treffen, wie man einen ausreichenden Effekt hat.

Wann hat man Corona Antikörper?

Antikörper konnten dabei über mehr als 430 Tage nach der Infektion nachgewiesen werden, ohne dass ein Endpunkt absehbar war.

Was passiert wenn man zu viele Antikörper hat?

bei vielen Patienten eine Reihe von Autoantikörpern auf, die laut tierexperimentellen Untersuchungen den Krankheitsverlauf beeinflussen könnten. Antikörper sind ein zweischneidiges Schwert. Einerseits schützen sie vor wiederholten Infektionen, andererseits können sie lebensgefährliche Autoimmunerkrankungen auslösen.

Kann man unterscheiden ob Antikörper von Impfung oder Infektion?

Ein Forschungsteam des Paul-Ehrlich-Instituts konnte beobachten, dass die nach Impfung gebildeten Antikörper im Vergleich zu Antikörpern nach Infektion unterschiedliche lineare Strukturen des Spike-Proteins erkennen.