Wer kann sich auf das GG berufen?

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Bei der Prüfung eines Freiheitsgrundrechts muss auch der persönliche Schutzbereich des Grundrechts erörtert werden. Der persönliche Schutzbereich betrifft die Frage, wer sich auf ein bestimmtes Grundrecht berufen kann.

I. Natürliche Personen

Zunächst kann sich der persönliche Schutzbereich auf natürliche Personen beziehen. Hierbei ist zwischen Deutschen-Grundrechten und Jedermann-Grundrechten zu differenzieren.

1. Deutschen-Grundrecht

Somit kann der persönliche Schutzbereich ein Deutschen-Grundrecht betreffen. Es gibt folglich Grundrechte, die deutschen Staatsangehörigen vorbehalten sind. Wer Deutscher ist, bestimmt sich nach Art. 116 GG. Danach ist Deutscher, wer die deutsche Staatsangehörigkeit hat. Dies bestimmt wiederum das Staatsangehörigkeitsgesetz. Beispiele: Art. 8 und 12 GG. Dies heißt nicht, dass Ausländer nicht demonstrieren oder arbeiten dürfen. Ein solcher persönlicher Schutzbereich hat lediglich zur Folge, dass Ausländer nicht den besonderen Schutz eines speziellen Freiheitsgrundrechts genießen. An dieser Stelle kann der persönliche Schutzbereich das Problem der Unionsbürger hervorbringen. Fraglich ist somit, ob sich auch Unionsbürger auf Deutschen-Grundrechte berufen können. Dies wird in einem gesonderten Exkurs erläutert.

2. Jedermann-Grundrecht

Ferner kann der persönliche Schutzbereich auch ein Jedermann-Grundrecht betreffen. Dies sind Grundrechte, die nicht nur Deutschen vorbehalten sind. Beispiel: Art. 5 I 1 GG. Diese Unterteilung ist nicht ungerecht. Vielmehr kennt jede Rechtsordnung der Welt bestimmte Grundrechte, die ihren Staatsangehörigen vorbehalten sind.

II. Juristische Personen, Art. 19 III GG

Zuletzt stellt sich die Frage, ob der persönliche Schutzbereich eines Grundrechts auch juristische Personen umfassen kann, ob sich also juristische Personen ohne weiteres auf Grundrechte berufen können. Diese Frage richtet sich nach Art. 19 III GG. Art. 19 III GG hat drei Voraussetzungen.

1. Inländisch

Zunächst kann der persönliche Schutzbereich eines Grundrechts nur betroffen sein, wenn eine inländische juristische Person vorliegt. Dies ist dann gegeben, wenn diese ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hat oder der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit in der BRD liegt. Es kommt somit nicht auf den rein rechtlichen Sitz an.

2. Juristische Person

Weiterhin kann der persönliche Schutzbereich nur betroffen sein, wenn auch tatsächlich eine juristische Person gegeben ist. Dies sind zunächst solche des Privatrechts. Denkbar ist jedoch auch, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts Grundrechtsträger sind. Diese sind jedoch zunächst Grundrechtsverpflichtete. Allerdings kann sich auch eine Rundfunkanstalt wie der NDR auf die Meinungsfreiheit berufen, denn gerade dieses Grundrecht soll solche Einrichtungen schützen. Insoweit, also in Bezug auf dieses Grundrecht, kann sich der NDR gegenüber staatlichen Maßnahmen auf Art. 5 I GG berufen.

3. Wesensmäßige Anwendbarkeit

Zuletzt ist der persönliche Schutzbereich eines Grundrechts nur dann eröffnet, wenn das Grundrecht seinem Wesen nach auf die juristische Person anwendbar ist. Beispiel: Es ergeht eine Verfügung gegen eine Tochtergesellschaft. Der Mutterkonzern beruft sich auf Art. 6 GG, den Schutz von Ehe und Familie. Das geht nicht. Hier ist die Verwandtschaft nur metaphorischer Natur. Geschützt werden nur die tatsächlichen Familienbande. Deshalb ist Art. 6 GG nicht auf juristische Personen anwendbar. An dieser Stelle kann sich die Frage stellen, ob bei juristischen Personen eine persönliches Substrat erforderlich ist. Dies wird in einem gesonderten Exkurs erörtert.

Die Grundrechtsberechtigung gilt grundsätzlich für natürliche Personen. Grundrechtsberechtigt ist eine Person, wenn sie berechtigt ist, der Träger eines Grundrechts zu sein. Hierbei kommt es auf den persönlichen Schutzbereich an. Unterschieden wird hier zwischen den sogenannten Menschenrechten, die jedem Menschen zustehen, und den Deutschengrundrechten, die nur Deutschen zustehen. Das Asyl-Recht sieht zudem eine Berechtigung nur für Ausländer vor.  

Regelung der Grundrechtsberechtigung im deutschen Recht

Ist eine Person Berechtigte, also Trägerin eines Grundrechts, besteht Grundrechtsberechtigung. Die Grundrechtsberechtigung verleiht der Person dann ein subjektives Recht gegen den Staat, der als Grundrechtsverpflichteter gilt.

Die Grundrechtsberechtigung ist nicht mit der Grundrechtsfähigkeit gleichzusetzen. Die Grundrechtsfähigkeit beschreibt die Fähigkeit, überhaupt Träger von Grundrechten zu sein. So sind beispielsweise natürliche Personen uneingeschränkt grundrechtsfähig, inländische juristische Personen dann, wenn die Grundrechte nicht nur bei natürlichen Personen Anwendung finden können.

Bei der Grundrechtsberechtigung geht es hingegen darum, dass bestimmte Grundrechte auch auf bestimmte Personen anwendbar sind. Hierbei kommt es auf den persönlichen Schutzbereich der Person an, ob diese Träger eines bestimmten Grundrechts sein kann. Einige Grundrechte etwa, die sogenannten Menschenrechte, stehen jedem Menschen zu. Bei anderen Grundrechten besteht eine Grundrechtsberechtigung nur für Deutsche. Daneben gibt es auch das Asylrecht, wodurch nur Ausländer berechtigt werden.

Die Grundrechtsfähigkeit erlangt jeder Mensch spätestens mit der Geburt, das heißt mit dem Einsetzen der Geburtswehen. Der Grundrechtsschutz endet mit dem Tod der natürlichen Person.

JuraForum.de-Tipp: Der Anspruch auf Menschenwürde greift über den Tod hinaus.

Jedermannsrechte

Bei den sogenannten Jedermannsrechten gibt es keine Einschränkung des persönlichen Schutzbereichs. Daher kann sich jeder Mensch auf sie berufen. Zu den Jedermannsrechten gehören u.a. folgende Grundrechte:

  • Art. 2 Absatz 1 und Absatz 2 S. 1 GG
  • Art. 5 Absatz 1 S. 1 GG
  • Art. 3 Absatz 1 GG
  • Art. 17 GG

Deutschenrechte

Sogenannte Deutschenrechte stehen hingegen nur Deutschen zu. In Art. 116 Absatz 1 GG findet sich eine Definition des Begriffs der Deutschen. Zu den Deutschenrechten gehören u.a.:

  • Art. 8 GG (Versammlungsfreiheit)
  • Art. 9 Absatz 1 GG (Koalitionsfreiheit)
  • Art. 11 GG (Freizügigkeit)
  • Art. 12 Absatz 1 GG (Berufsfreiheit)
  • Art. 16 GG (Ausbürgerung)

Für Ausländer besteht somit nicht die Möglichkeit, sich auf eines der Deutschengrundrechte zu berufen. Schutzlos sind sie aber dennoch nicht, da ihnen weiterhin die Jedermannrechte zu stehen, hier ist vor allem an das Auffanggrundrecht des Art. 2 Absatz 1 GG zu denken.

Grundrechtsberechtigung & EU-Ausländer

Der Grundrechtsschutz von EU-Bürgern stellt hier einen Sonderfall dar.

Art. 18 AEUV sieht ein allgemeines Diskriminierungsverbot vor. EU-Bürger genießen daher den gleichen Schutz wie Deutsche. Die Literatur hat dahingehend zwei Lösungsmöglichkeiten entwickelt, um dem allgemeinen Diskriminierungsverbot gerecht zu werden.

  • Möglichkeit 1: Alle Deutschenrechte sind auch auf EU-Bürger anwendbar
  • Möglichkeit 2: Es erfolgt eine Auslegung von Art. 2 Absatz 1 GG dahingehend, dass der Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit für EU-Bürger gleichwertig ist mit dem Schutz der Deutschenrechte.

Wer ist nicht grundrechtsberechtigt?

Nicht grundrechtsberechtigt ist der Staat. Dieser ist vielmehr grundrechtsverpflichtet. Grundsätzlich nicht grundrechtsberechtigt, sondern grundrechtsverpflichtet sind zudem öffentlich-rechtliche Körperschaften. Hier gibt es aber auch Ausnahmen. Nämlich dann, wenn die öffentlich-rechtliche Körperschaft von Verfassungswegen dazu gebildet wurde, individuelle Freiheiten zu stützen und gemeinsam auszuüben. Hierzu gehören neben Kirchen und öffentlichen Rundfunkanstalten auch Universitäten.

Bei öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften gilt das Verbot der Staatskirche und somit die Trennung von Staat und Kirche. Öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften sind daher nicht Teil des Staates und daher nicht nach Art. 1 Absatz 3 GG grundrechtsverpflichtet. Hier gilt vielmehr die Grundrechtsberechtigung.

Für wen gilt das GG?

Das Grundgesetz ist unsere Verfassung. Es enthält die wichtigsten Regeln für den Staat und damit auch für das Zusammenleben der Menschen in Deutschland. An diese Regeln müssen sich alle halten, zum Beispiel Schulen, Krankenhäuser, Gerichte, Behörden, aber auch alle Bürgerinnen und Bürger.

Kann man sich auf Grundrechte berufen?

Im Gegensatz zu schlichten Personenmehrheiten können sich inländische juristische Personen gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auf Grundrechte berufen, soweit die Grundrechte ihrem Wesen nach auf die juristische Person anwendbar sind.

Können sich Ausländer auf Deutschengrundrechte berufen?

Über Art. 2 I GG kann EU-Ausländern ein den Deutschengrundrechten gleichwertiger Grundrechtsschutz zukommen, soweit dies durch den Anwendungsvorrang des Europarechts geboten ist. Die sowohl die Beteiligtenfähigkeit der EU-Ausländer als auch der Nicht-EU-Ausländer ergibt sich unstrittig aus Art. 2 I GG.

Wer ist an das GG gebunden?

Innerhalb des Staatsaufbaus sind aber gemäß Art. 1 Abs. 3 GG alle Gewalten (Regierung, Gesetzgebung, Rechtsprechung) und alle Ebenen (Gemeinden, Länder, Bund) an die Grundrechte gebunden. Privatpersonen sind grundsätzlich nicht verpflichtet, die Grundrechte anderer zu achten.