Wer ist 90 prozent

Die Industrie fürchtet sich vor einem Produktions-Stopp angesichts hoher Preise. Einer Studie zufolge würde das kaum einen Einfluss auf den Umsatz haben. 

Wer ist 90 prozent

Die deutsche Industrie fürchtet sich vor den steigenden Gaspreisen. dpa/Sina Schuldt

Die Energiekrise macht den Deutschen weiterhin Sorgen. Obwohl die Gasspeicher nach Stand von Anfang Oktober mit 99,3 Prozent gut gefüllt sind, gibt es Bedenken, dass das Gas trotzdem nicht für den Winter reicht. Die Industrie warnt sogar vor einem Produktions-Stopp. Doch diese Befürchtungen sind nach einer Einschätzung des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) unbegründet.

Der Studie zufolge macht ein kleiner Anteil von Produkten den meisten Gasverbrauch in der deutschen Industrie aus. Die Herstellung dieser 300 Produkte stelle knapp 90 Prozent des gesamten Verbrauchs dar, so das IWH. 

Chemieindustrie besonders betroffen

Auch ermittelten die Ökonomen die Auswirkungen eines Anstiegs der Gaspreise. Würde sich der Gaspreis vervierfachen, müssten die Hersteller ihre Preise um ganze 12 Prozent erhöhen. In Deutschland würde sich die Produktion vieler Produkte so nicht mehr lohnen.

Besonders die Chemieindustrie ist davon betroffen. Wolfgang Große Entrup, Geschäftsführer des Verbandes der deutschen Chemieindustrie (VCI) sagte der Berliner Zeitung: „Die Situation in der Chemieindustrie ist so ernst wie nie zuvor“.

Würden die Produkte mit besonders hohem Gasverbrauch nicht mehr in Deutschland hergestellt, würde die deutsche Industrie laut IWH-Studie etwa 26 Prozent ihres Gesamtgasverbrauchs einsparen, aber nur weniger als drei Prozent ihres Umsatzes verlieren.

Stand: 20.09.2022 07:34 Uhr

Die Gasspeicher haben trotz der unterbrochenen russischen Lieferungen durch Nord Stream 1 einen Füllstand von 90 Prozent erreicht. Volle Speicher gelten als wichtiges Element, um ohne Gasabschaltungen durch den Winter zu kommen.

Trotz Einstellung von Gaslieferungen aus Russland im August sind die deutschen Gasspeicher mittlerweile zu mehr als 90 Prozent gefüllt. Das geht aus Daten der europäischen Speicherbetreiber hervor. Demnach erreichten die Speicher am vergangenen Sonntag einen Füllstand von 90,07 Prozent. Die Angaben werden stets mit Verzögerung gemeldet.

Nach Aussage von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat Deutschland damit trotz fehlender russischer Gaslieferungen die Chance, gut durch den Winter zu kommen. Dafür müssten allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, sagte Habeck gestern. In Deutschland müsste viel Energie eingespart werden und man müsse Glück mit dem Wetter haben. Im Winter solle das Gas aus den Speichern zur Verfügung gestellt werden. "Das heißt aber auch, dass die Speicher dann am Ende des Winters wieder leer sein werden, in diesem Fall richtig leer, weil wir das Gas nutzen werden." Dann müsse man wieder schnell einspeichern.

Ziel ist 95 Prozent bis November

Die Bundesregierung strebt für den Winter an, Anfang November die Speicher zu 95 Prozent gefüllt zu haben. Diese Gasmenge entspricht etwa dem deutschlandweiten Verbrauch in den ersten beiden Monaten des Jahres 2022. Die Zwischenziele von 75 Prozent und 85 Prozent waren Mitte August und Anfang September früher erreicht worden als geplant.

Die Gasspeicher dienen als Puffer für den Gasmarkt und sollen Schwankungen beim Gasverbrauch ausgleichen. In der Regel sind sie mit Beginn der Heizperiode im Herbst gut gefüllt. An besonders kalten Tagen im Winter werden bis zu 60 Prozent des Gasverbrauchs aus Speichern abgedeckt.

Gas aus Norwegen, Niederlanden, Belgien

Um im Winter besser mit einem möglichen Totalausfall russischer Lieferungen zurechtkommen, will die Bundesregierung mit verschiedenen Maßnahmen möglichst hohe Füllstände zu Beginn der Heizperiode erreichen. Derzeit erhält Deutschland Erdgas über Pipelines aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien. Zum Jahreswechsel sollen an der deutschen Nordseeküste die ersten beiden Terminals zur Anlandung von Flüssigerdgas in Betrieb genommen werden.

Die Gasspeicher der EU sind nach Angaben der Betreiber im Schnitt zu knapp 86 Prozent gefüllt. EU-weit gilt seit dem Frühjahr die Vorschrift, dass die Speicher bis zum 1. November zu 80 Prozent gefüllt sein müssen - ein Ziel, das schon Ende August erreicht wurde. 18 Mitgliedstaaten verfügen über unterirdische Gasspeicher.

Der Füllstand des größten deutschen Speichers im niedersächsischen Rehden liegt derzeit bei knapp 75 Prozent. Wegen einer geplanten Wartung dieses Speichers wird dort seit vergangenem Montag nicht mehr ein- und ausgespeichert. Die Wartung soll bis kommenden Samstag andauern.