Gold-weiß oder blau-schwarz? Das ist die Gretchenfrage, die im Internet seit Tagen für Aufregung sorgt. Im Mittelpunkt des Streits: Ein Kleid, fotografiert von einer Nutzerin der Social-Media-Plattform Tumblr. Viele Betrachter sehen auf dem Bild ein Kleid mit den Farben Gold und Weiß, für andere ist es blau und schwarz. test.de erklärt, warum Farbe erst im Kopf entsteht, wie Fotografen ihren Kameras die Irrtümer austreiben und welche optischen Täuschungen sogar Drogen ersetzen können. Show
In den meisten Umfragen stimmt die Mehrheit für gold-weiß. Recht hat aber anscheinend die Minderheit: Es sei blau-schwarz, versichert der Hersteller des Kleides. Markus Bautsch, promovierter Physiker und Kameraexperte der Stiftung Warentest, hat das Foto per Software analysiert und bekennt Farbe: „Blau stimmt auf jeden Fall. Beim Schwarz wird`s schon schwieriger: Die vermeintlich schwarzen Partien enthalten nachweisbar hohe Anteile an Rot und Grün – vermischt man die beiden Farben, wird Gold daraus. Allein über ein Foto lässt sich das „Dressgate“-Rätsel aber ohnehin nicht lösen, denn eine Aufnahme kann täuschen. Je nachdem, unter welchen äußeren Bedingungen sie entstanden ist und betrachtet wird, kann sie ganz unterschiedlich wirken.“ Farbe entsteht erst im KopfWer das Kleid für gold-weiß hält, hat jedenfalls weder eine Sehschwäche noch will er seine Mitmenschen veräppeln. Markus Bautsch erklärt die unterschiedliche Wahrnehmung so: „Farbe ist nicht objektiv messbar, sie entsteht erst im Kopf! Unsere Gehirne bewerten permanent die Farbtöne von allem, was wir sehen. Ein weißes Blatt Papier wird uns immer weiß erscheinen – obwohl es im Kerzenschein ganz anders aussieht als unter einer LED-Lampe. Farbe ist also etwas sehr Subjektives. Die wahrgenommene Farbe kann sowohl von der Umgebung als auch von individuellen Seherfahrungen und physiologischen Veranlagungen abhängen. Darauf basierend, nimmt unser Hirn ständig Farbkorrekturen vor.“ Auch Kameras können irrenNicht nur das menschliche Hirn arbeitet mit Farbkorrekturen, auch Kameras reagieren ganz ähnlich. © Stiftung Warentest Auf den beiden obenstehenden Bildern ist dieselbe Schneelandschaft zu sehen. Auf dem Foto links erkennt die Kamera den vom Sonnenaufgang beleuchteten Schnee als hellsten Punkt im Bild und definiert ihn als Weiß. Durch diesen „Fehlschluss“ werden auch die anderen Farben falsch dargestellt, ein blauer Schleier legt sich über die im Schatten liegenden Schneeflächen. Wer die Naturszene möglichst originalgetreu aufnehmen will, muss einige Einstellungen verändern, um den Weißabgleich der Kamera zu korrigieren. Hierzu kann der Fotograf mit Grau- oder Weißkarten einen eigenen Weißabgleich durchführen. Da in der Schneelandschaft kein reines Weiß, sondern eher Grau vorkommt, bietet sich hier die graue Variante als Referenz an. Alternativ hilft auch ein Motivprogramm der Kamera, zum Beispiel der Modus „Sonnenaufgang“. Gute Kameras finden Sie auf test.de im Produktfinder Kameras. Weiß ist nicht gleich WeißExperten können am Computer eine Tonwertkorrektur vornehmen. Wie das geht, erklärt Projektleiter Markus Bautsch: „Eine digitale Kamera ermittelt bestimmte Farbwerte für die Primärfarben Rot, Grün und Blau. Es ist aber nicht eindeutig, wie diese Farbwerte in einem digitalen Bild miteinander ins Verhältnis gesetzt werden müssen. Per Bildbearbeitungs-Software kann der Fotograf diese Primärfarben angleichen, um einen bestimmten Farbeindruck hervorzurufen. Oft lässt sich ein recht gutes Ergebnis erzielen, wenn er für jede der drei Primärfarben den jeweils hellsten Punkt im Bild auf die maximale Farbhelligkeit einstellt – und den jeweils dunkelsten Punkt auf das Minimum. So wird der hellste Punkt als weiß definiert und der dunkelste als schwarz. Mit diesem Trick kommt dann das rechte Bild zustande, das den erlebten Augenblick authentischer wiedergibt als das linke.“ Escher lässt grüßenDas weiß-goldene, äh, blau-schwarze Kleid ist bei weitem nicht der erste Fall, der manchen Betrachter an der eigenen Wahrnehmung zweifeln lässt. Die berühmten Bilder von M.C. Escher spielen genau mit dieser Unsicherheit. Recht bekannt ist auch die Schachbrett-Illusion des Psychologie-Professors Edward H. Adelson. Die Felder A und B scheinen sich in puncto Helligkeit zu unterscheiden, sind aber tatsächlich identisch. Verbindet man die beiden Felder, wird dies deutlich. Warum es zu der optischen Täuschung kommt, erläutert Markus Bautsch: „Der Mensch weiß, dass ein Schachbrett abwechselnd aus hellen und dunklen Feldern besteht. Das Gehirn analysiert diese Szene und setzt automatisch voraus, dass alle hellen Felder gleich hell und vor allem heller sind als die dunklen Felder. Tatsächlich weisen die Felder A und B aber exakt die gleiche Helligkeit auf. Unser Vorwissen beeinflusst hier also die Sinneswahrnehmungen.“ Grün + Pink = GrauDie Green-Dot-Illusion zeigt einen grünen Punkt, der sich auf einer grauen Oberfläche mit pinken Punkten kreisförmig bewegt. Konzentriert sich der Betrachter auf das schwarze Kreuz in der Mitte des Bildes, verschwinden die pinken Punkte langsam. Da Grün und Pink Komplementärfarben sind, neutralisieren sie sich und verschmelzen zu einem Grau. Tipp: Um den bestmöglichen Effekt zu erzielen, sehen Sie sich das verlinkte Video im Vollbildmodus an. Ein Trip ins PhantasmatronAm beeindruckendsten ist aber vielleicht das Phantasmatron. Blickt man eine Zeit lang entspannt in die hypnotisch rotierende Spirale, um dann die Augen rasch auf ein beliebiges Objekt zu richten, „wellt“ sich dieses Objekt und scheint sich dreidimensional auszudehnen. Ein Erlebnis wie auf Drogen – nur eben gratis und ohne Suchtfaktor. Tipp: Auch bei diesem Video-Link gilt: Schalten Sie den Vollbildmodus ein, um die volle Dröhnung zu bekommen. Ein Kleid kommt selten alleinDie Satireseite „Der Postillon“ hat indes schon das nächste Kleid gefunden, dessen Gestaltung sich nicht eindeutig klären lässt. Entscheiden Sie selbst: rot-grün gestreift oder blau-gold kariert? Welche Farbe hat dieses Kleid Erklärung?Zunächst: die Diskussion konnte nur entstehen, weil es sich um ein Foto handelt. In der Realität hätten alle das Kleid in seiner tatsächlichen Farbigkeit erkannt. Hier zunächst die "physikalische Auflösung": die Farbwerte sind genaugenommen ein matter Gold(ton) und Blau-Grau.
Welche Farbe hat das Kleid für dich?Vor einem weißen Hintergrund, der in etwa starkem Tageslicht entspricht, ist das Kleid für die meisten Menschen blau und schwarz. Ist der Hintergrund dunkel, wird es weiß und gold. Die Wissenschaftler kommen nach ihrer Analyse übrigens zu dem Schluss, dass das Kleid in Wirklichkeit schwarz und blau ist.
Warum ist das Kleid blauIm Falle des Kleides bedeutet das: Wer glaubt, das Kleid befinde sich bei Tageslicht im Schatten, zieht gedanklich das dort dominierende blaue Licht ab. Wir wissen, dass weiße Dinge im Schatten bläulich aussehen - zum Beispiel Schnee. Und deshalb nehmen wir die tatsächlich hellblauen Streifen des Kleides als weiß war.
Ist das Kleid blau oder grün?Adobe, der Hersteller der weltbekannten Grafiksoftware, will die Debatte mit einer Farbanalyse beenden: Das Kleid ist demnach blau und schwarz.
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