Warum werden gleich viele jungen und mädchen geboren

Wird es ein Junge oder ein Mädchen? Statistisch gesehen ist männlicher Nachwuchs etwas wahrscheinlicher. Für die Ursachen legen Forscher nun eine neue Erklärung vor.

Im Moment der Zeugung besteht offenbar eine 50-zu-50-Chance, dass ein Mädchen beziehungsweise ein Junge entsteht. Dass statistisch geringfügig mehr Jungen zur Welt kommen, liegt laut einer neuen Analyse allein daran, dass im Verlauf der Schwangerschaft mehr Mädchen sterben.

In Deutschland kamen im Jahr 2013 nach Angaben des Statistischen Bundesamt 349 820 Jungen und 332 249 Mädchen zur Welt. Das entspricht einem Verhältnis von 51,3 zu 48,7 Prozent. Viele Experten vermuteten bislang, dass schon bei der Eizellen-Befruchtung mehr männliche Embryos entstehen. Forscher um Steven Hecht Orzack vom Fresh Pond Research Institute in Cambridge, USA, kommen jedoch zu einem anderen Ergebnis (PNAS).

Die Wissenschaftler haben die Geschlechterverteilung vom dritten Tag nach der Empfängnis bis zur Geburt untersucht. Sie werteten umfangreiche Daten zu Fehlgeburten, Abtreibungen, Embryos aus künstlichen Befruchtungen sowie zu Lebend- und Totgeburten aus. Hinzu kamen Ergebnisse von Pränataltests wie Fruchtwasseruntersuchungen. Die Auswertung ergab, dass am Beginn der Schwangerschaft gleich viele männliche wie weibliche Kinder entstehen.

In der Folge seien zunächst männliche Embryos genetisch anfälliger, so dass in der ersten Woche nach der Befruchtung mehr männliche Embryos abgestoßen werden. In den folgenden zehn bis 15 Wochen übersteige dann die Zahl der weiblichen Fehlgeburten die der männlichen. Gegen Ende der Schwangerschaft sind die Mädchen wieder widerstandskräftiger. Insgesamt überleben demnach mehr männliche Föten die Schwangerschaft, was zum leicht höheren Anteil von Jungen bei der Geburt führe.

Dass in Teilen von China und Indien deutlich mehr Jungen als Mädchen zur Welt kommen, dürfte indes vor allem an geschlechtsspezifischen Abtreibungen liegen. Solche Daten gingen nicht in die Analyse ein.

Wer oder was bestimmt eigentlich, ob in einer Familie nur Mädchen geboren werden oder in einer anderen Familie ein Mädchen und drei Jungs? Um diese Frage ranken sich viele Mythen. Eine Annahme ist etwa, dass die Geschlechterverteilung innerhalb einer Familie weitervererbt wird. Jetzt sagt ein internationales Forschungsteam: Alles Quatsch. Das Geschlecht von Babys innerhalb einer Familie ist schlicht und einfach Zufall.

Das internationale Forschungsteam hat nach eigenen Angaben die bisher mit Abstand größte Studie zur Geschlechterverteilung in Familien durchgeführt. Dafür haben sich die Forschenden die schwedische Bevölkerung angeschaut. Und zwar alle, die ab dem Jahr 1932 geboren wurden, deren Eltern bekannt waren, die nicht Teil eines Zwillings- oder Mehrlingspaars waren, und die dann bis 2014 mindestens ein Kind bekommen haben. Das waren rund dreieinhalb Millionen Menschen, die zusammen mehr als 4.700.000 Kinder hatten.

Geschwisteranalyse – mit Ausnahme von Zwillingen

Die Forschenden haben sich dabei nur Geschwister angeguckt, von denen alle Kinder auch wieder bekommen haben. Und dann haben sie geprüft, ob sich anhand des Geschlechts dieser Kinder erkennen lässt, dass innerhalb einer Familie etwa eine genetische Veranlagung zu mehr Mädchen oder Jungs vorhanden sein könnte.

Zwillinge wurden dabei wieder ausgeschlossen, weil die aus verschiedenen Gründen ein Sonderfall sind. Als Fazit schreibt das Forschungsteam im Fachmagazin Proceedings B der Royal Society: Es ließ sich kein genetischer Einfluss auf das Geschlechterverhältnis innerhalb einer Familie erkennen.

Kein genetischer Einfluss auf das Geschlechterverhältnis

Die Forschenden betonen: Wenn die Eltern nicht nach drei Söhnen oder vier Töchtern aufhören würden, könnte es sein, dass sich bei mehr Kindern das Geschlechterverhältnis wieder ausgleichen würde.

Klar ist jedenfalls: Alles entscheidet sich bei der natürlichen Befruchtung. Da hängt es einfach davon ab, ob bei der Eizelle ein Spermium erfolgreich ist, das ein X-Chromosom im Zellkern trägt oder ein Y-Chromosom. Und das entscheidet dann darüber, was es am Ende wird. Also ein Mädchen bei einem X-Chromosom und ein Junge bei einem Y-Chromosom, fasst Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Wiebke Lehnhoff zusammen.

"Die Forschenden betonen: Wenn die Eltern nicht nach drei Söhnen oder vier Töchtern aufhören würden, könnte es sein, dass sich bei mehr Kindern das Geschlechterverhältnis wieder ausgleichen würde. "

Wiebke Lehnhoff, Deutschlandfunk Nova

Modell aus dem Jahr 1930 nicht mehr haltbar

Bisher war für die meisten ein Modell aus dem Jahr 1930 maßgeblich. Das Modell wird nach seinem Verfasser "Fisher’s Principle" genannt. Demnach bewegt sich bei Menschen das Geschlechterverhältnis grundsätzlich immer eins zu eins, bezogen auf männlich/weiblich. Nach diesem Modell gilt aber auch, dass sich das Geschlechterverhältnis innerhalb einer Familie weitervererbt. Das Forschungsteam der neuen Studie erklärt jetzt das "Fisher's Principle" für nicht mehr haltbar.

Die Forschenden betonen auch, dass es seit den 1930er Jahren schon verschiedene Studien gab, die zu widersprüchlichen Ergebnissen kamen und auch Schwachpunkte hatten. Zum Beispiel wurde berichtet, dass attraktivere Eltern öfter Mädchen bekommen oder größere, dickere, reichere Eltern eher Jungs bekommen. Bei diesen Studien gab es immer wieder statistische Probleme.

Hormon-Level bei der Zeugung haben keinen Einfluss auf Geschlecht

Die Forschenden sagen auch, dass bestimmte Hormon-Level zum Zeitpunkt der Zeugung keinen Einfluss auf das Geschlecht eines Babys haben. Und ebenso schließen sie auch Umwelteinflüsse aus. Am Ende bleibt – laut ihrer Studie – nur noch der Zufall, um zu erklären, ob ein Mädchen oder ein Junge geboren wird.

Werden öfter Mädchen oder Jungen geboren?

Rein statistisch ist die Geburt eines Kindes mit einem männlichen Geschlecht etwas wahrscheinlicher. Auf 1 000 Mädchen kamen in den vergangenen Jahrzehnten 1 055 Jungen – auf den ersten Blick eine geringe Differenz.

Wer ist verantwortlich Ob Junge oder Mädchen?

Jede Eizelle der Frau enthält also ein X-Chromosom. Der Mann hingegen produziert zwei Arten von Spermien: Die eine Hälfte enthält ein X-Chromosom, die andere Hälfte ein Y-Chromosom. Deshalb wird das Geschlecht eines Menschen im Moment der Befruchtung bestimmt.

Werden Jungen häufiger übertragen?

Beim Kind könnten das Geschlecht (Knaben werden häufiger übertragen), die Erbanlagen und die Wachstumsgeschwindigkeit Einfluss auf die Schwangerschaftsdauer haben. Interessant ist zudem, dass den väterlichen Genen eine bedeutende Rolle zukommt.

Wann bekommt man eher einen Jungen?

Junge: Ist ein Junge gewünscht, dann ist Sex am Tag der Ovulation (oder kurz vorher bzw. nachher) optimal, da die schnelleren männlichen Samenzellen das Ei vor den weiblichen erreichen. Zuvor sollte der Mann einige Tage enthaltsam sein, weil dies den Anteil der männlichen Samen im Ejakulat erhöht.