Wann kommt der totimpfstoff nach deutschland

Rund eine Million Dosen stehen zur Verfügung. Sie sollen eine Impfkampagne zusätzlich beflügeln. Über die Kosten wurde Stillschweigen vereinbart.

Wann kommt der totimpfstoff nach deutschland

Dosen des Impfstoffs VAL2001 von ValnevaAFP/Talus

Es könnte die lang ersehnte Lösung sein für diejenigen in Deutschland, die sich zwar gegen das Coronavirus impfen lassen wollen, der mRNA-Technologie, Vektorvakzinen oder Proteinimpfstoffen jedoch skeptisch gegenüberstehen. Im September soll das Präparat VAL2001 der Firma Valneva auf den hiesigen Markt kommen, ein sogenannter Totimpfstoff.

„Insgesamt werden etwa eine Million Dosen des Impfstoffs erwartet“, teilte eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums der Berliner Zeitung auf Anfrage mit. „Eine Bestellung der Leistungserbringer wird über den gewohnten Weg möglich sein.“ Wie viel die Lieferung kostet, ist nicht bekannt. „Über die Preise wurde vertraglich mit dem pharmazeutischen Unternehmen Geheimhaltung vereinbart“, so die Sprecherin.

Verteilt wird VAL2001 wie die bisher in Deutschland eingesetzten Impfstoffe, etwa von Biontech/Pfizer oder Moderna, über Apotheken. Eine Million Dosen ist allerdings eine relativ kleine Charge, zumal VAL2001 mittels zweier Injektionen im Abstand von mindestens vier Wochen verabreicht wird, um die volle Wirksamkeit entfalten zu können.

Das Vakzin von Valneva ist ein klassischer Impfstoff. Coronaviren werden in Zellkulturen gezüchtet und schließlich chemisch abgetötet, indem ihnen die Fähigkeit genommen wird, sich zu vermehren. Ein Verstärker, eine sogenannte Adjuvanz, wird hinzugefügt. Sie besteht aus Aluminiumhydroxid und CpG 1018. Sie sollen die Immunantwort erhöhen. Das Verfahren hat sich seit langem gegen andere Erreger bewährt, zum Beispiel gegen Influenza, Kinderlähmung oder Keuchhusten.

Ob und wie das Vakzin wirkt, untersuchten Wissenschaftler bereits 2021. Rund 4000 Probanden nahmen an der Studie teil, Erwachsene, die bis zu 71 Jahre alt waren, die meisten jedoch zwischen 18 und 50. Eine Gruppe erhielt VAL2001, die andere den Vektorimpfstoff von Astrazeneca. Dabei zeigte sich, dass das Produkt von Valneva eine bessere Immunantwort lieferte als jenes von Astrazeneca, es bildeten sich mehr neutralisierende Antikörper.

Valneva verhindert schwere Krankheitsverläufe

Untersucht wurde die Wirksamkeit zwei Wochen nach der zweiten Dosis. Schwere Verläufe blieben in beiden Gruppen aus. Bei VAL2001 bildeten sich sogenannte T-Zellen, die so etwas wie das Gedächtnis des Immunsystems darstellen und bei einer Infektion mit Sars-CoV-2 dafür sorgen, dass Antikörper gegen das Virus gebildet werden. Wie VAL2001 auf die derzeit in Deutschland vorherrschende Omikron-Variante BA.5 anspricht, ist bislang nicht erforscht.

Wie groß die Nachfrage sein wird, bleibt abzuwarten. In der Europäischen Union ist die Nachfrage bisher gering. Valneva senkte Anfang August das Umsatzziel für 2022 von zuvor maximal erwarteten 590 auf nun 360 Millionen Euro. Der Umsatz mit VAL2001 soll 30 bis 40 Millionen Euro betragen.

Zwar hatte die Europäische Union im vergangenen Jahr einen Vorvertrag über 60 Millionen Dosen abgeschlossen, kündigte diese Vereinbarung zunächst jedoch Ende Mai 2022 auf. Die Arzneimittelbehörde der EU (EMA) ließ VAL2001 im Juni für Menschen zwischen 18 und 50 Jahren zu. Im Juli kam ein Liefervertrag zustande.

Mittlerweile ist Pfizer an Valneva beteiligt, jener US-Konzern also, der gemeinsam mit dem deutschen Unternehmen Biontech den mRNA-Impfstoff Comirnaty vertreibt. Pfizer übernahm für 90,5 Millionen Euro über eine Kapitalerhöhung mehr als acht Prozent an der Firma mit Sitz in Frankreich. Mit dem Erlös aus der Beteiligung wollen die Amerikaner einen Impfstoff gegen Borreliose entwickeln.

Bereits im März erfüllten sich die Erwartungen, ein alternatives Vakzin auf Proteinbasis könne der Corona-Impfkampagne der Bundesregierung Schwung verleihen, nicht. Nuvaxovid des Unternehmens Novavax wird per Eiweiß übertragen. Das künstliche Spike-Protein wird ebenfalls mit einem Wirkverstärker angereichert. Berichte über vermehrte Herzmuskelentzündungen könnten das Image von Novavax in Deutschland  beschädigt haben.

Insgesamt werden Schutzimpfungen gegen Sars-CoV-2 hierzulande weniger stark nachgefragt. Inzwischen wurden 185 Millionen Dosen verabreicht, 63,4 Millionen Menschen sind als vollständig geimpft registriert. Das entspricht einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von gut 76 Prozent. Die Impf-Kurve ist seit Sommer 2021 deutlich abgeflacht.

Corona-Impfungen: Die Kurve flacht ab

Zwischen Anfang Dezember 2021 und Ende Juni 2022 hatten knapp vier Millionen Corona-Impfdosen der US-Firma Moderna ihr Verfallsdatum überschritten. Nun will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit einer Kampagne im September die Impfbereitschaft wieder erhöhen. Dabei soll auch die Gefahr von Langzeitfolgen einer Erkrankung an Covid-19 thematisiert werden. „Long Covid kann auch junge Menschen treffen“, hat Lauterbach am vergangenen Mittwoch bei der Präsentation des neuen Infektionsschutzgesetzes in Berlin gesagt.

Teil dieser Kampagne wird nun VAL2001 sein, wie die Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums mitteilte. „Totimpfstoffe ergänzen das Angebot der bisher verfügbaren Impfstoffe auf mRNA- und Vektortechnologie und erhöhen die Wahlmöglichkeiten für Personen, die sich impfen lassen wollen“, sagte sie. Ziel ist es, die sogenannte Impflücke zu schließen. Risikogruppen sollen eine vierte Impfung erhalten.

Ein weiterer „Totimpfstoff“ befindet sich seit Mai 2021 im beschleunigten, rollierenden Zulassungsverfahren bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA. CoronaVac heißt der Impfstoff der chinesischen Firma Sinovac. Eine Studie in der Türkei ergab einen Schutz von mehr als 90 Prozent vor einer schweren Erkrankung an Covid-19. Bereits Anfang Juni erteilte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) dem Präparat die Notfallzulassung. Seitdem ist es das global am häufigsten verwendete Vakzin gegen Corona.