Unter welchen Bedingungen leben Kinder in Brasilien?

Brasilien, die sechstgrößte Ökonomie der Welt, zeichnet sich durch eine extrem ungleiche Verteilung des Reichtums aus. Neben einer kleinen, sehr reichen Minderheit lebt ein Großteil der Bevölkerung unterhalb des Existenzminimums. Die Chancen im Leben werden häufig per Geburt festgelegt. Wer in den Favelas der Großstädte aufwächst, hat kaum die Chance, aus dem Teufelskreis von Armut und Gewalt auszubrechen.

Im Ergebnis der letzten Wahlen ist seit 1.1.2020 der Rechtspopulist Jair Bolsonaro Präsident Brasiliens. Er hat Schwarze, Minderheiten, soziale Bewegungen und zivilgesellschaftliche Organisationen zu Gegnern erklärt. Die wichtigsten Sozialprogramme aus 15 Jahren Arbeitspartei (PT) hat er zurückgenommen. Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitswesen sowie im kulturellen Bereich treffen die ohnehin benachteiligte Bevölkerung – Schwarze, Jugendliche, Frauen und vor allem die Armen – empfindlich.

Kindertagesstätten vor den Toren von Rio de Janeiro

Kinder aus Favelas in der Peripherie von Rio de Janeiro sind in jeder Hinsicht benachteiligt. Sie sind oft unter- oder mangelernährt, die hygienischen Bedingungen sind unzumutbar, es gibt keine Freizeit- und Kulturangebote. Seit mehr als 20 Jahren berät die Nichtregierungsorganisation CAMPO (Beratungszentrum für die Basisbewegung) arme Gemeinden dabei, ihren Kindern und Jugendlichen ein besseres Leben zu ermöglichen.

CAMPO berät Elterninitiativen dabei, einen Kindergarten zu etablieren, wo der Staat versagt. Die Organisation vermittelt engagierten Müttern das nötigste pädagogische Grundwissen und bildet sie laufend fort. Ist der erste Schritt getan, gelingt es den Gemeinden oftmals, den Staat in die Pflicht zu nehmen und die Personalkosten zu übernehmen. Zusätzlich werden Firmen und andere lokale Geldgeber gewonnen.

“Bei uns erleben Kinder zum ersten Mal, dass ihnen Zuwendung und Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, dass sie persönlich einen Wert für andere Menschen haben”, erzählt eine Erzieherin der Kindertagesstätte Serpa Saúde. „Die meisten Eltern, die um ihr Überleben kämpfen müssen, haben weder Kraft noch Zeit, mehr für ihre Kinder zu tun, als sie vor dem Verhungern zu bewahren.”

In Serpa Saúde und 7 anderen Kindertagesstätten lernen Kinder spielerisch die Welt kennen, treiben Sport und legen kleine Gemüsegärten an. Vor allem aber erlernen sie Sozial- und Hygiene-Verhalten. Die Kindertagesstätten bieten auch Elternkurse über gesunde Ernährung, Gesundheitserziehung oder den Umgang mit familiären Konfliktsituationen an.

Friedenskultur in den Favelas von Recife

Bildung und Aufklärung sind die wichtigsten Voraussetzungen, um Armut und Gewalt zu überwinden. Mit kreativen Methoden bildet die zivilgesellschaftliche Organisation AdoleScER (Erwachsen werden) Mädchen und Jungen aus armen Gemeinden von Recife zu „Peer Educators“ aus. So können sie ihr Wissen über Bürgerrechte, Umweltschutz und Familienplanung an Mitschüler*innen, Freunden und Nachbarn weitergeben.

Jugendliche werden eingeladen, sich mit der gewaltfreien Bearbeitung von Konflikten, mit Bürgerrechten, Umweltschutz, Familien- und Lebensplanung zu beschäftigen. Die Kurs-Teilnehmer*innen erfahren, wie sie Problemen, die ihren Alltag bestimmen, begegnen können: Rassismus, Drogenhandel, Polizeigewalt, Teenager-Schwangerschaften und HIV/Aids. Und sie erwerben die Fähigkeit, anschließend ihr Wissen Mitschüler*innen, Freunden und Nachbarn zu vermitteln.

„Nach und nach habe ich Zusammenhänge begriffen. Ich habe verstanden: Bildung befreit. Deshalb gebe ich jetzt alles, was ich gelernt habe, weiter. So möchte ich dazu beitragen, dass wir mit weniger Gewalt in einer gerechteren Gesellschaft leben können“, sagt Igor, einer der jungen Teilnehmenden. Er hat eine Ausbildung zum Konfliktlotsen gemacht und gehört inzwischen als Friedenserzieher zum jungen Kernteam von AdoleScER. Die Organisation half ihm, zu entdecken, was in ihm steckt. Jetzt ist er es, der seine Hoffnung, seine Vision von Solidarität und Selbstbestimmung, an Jüngere weitergibt.

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Gemeinsam mit lokalen Partnern unterstützen wir Menschen, ihre Lebensumstände aus eigener Kraft zu verbessern. Als gemeinnützige Organisation der Entwicklungszusammenarbeit sind wir in mehr als 20 Ländern rund um den Globus aktiv.

Wie Leben die Kinder in Brasilien?

Einige Kinder versorgen ganz allein ihre Familien. Die meisten der Kinder arbeiten in der Landwirtschaft. Sie helfen bei der Ernte von Kaffee, Zuckerrohr oder Zitrusfrüchten. Andere arbeiten in Ziegeleien, in Kleiderfabriken oder im Bergbau, Mädchen sind häufig in Haushalten tätig.

Wie ist es in Brasilien zu Leben?

Die Brasilianer sind bemerkenswert lebensfreudig, optimistisch und tranquilo [trankuilo] (gelassen) und können mit ihrer guten Laune schnell anstecken. Insgesamt gehen die Uhren in Brasilien etwas langsamer, man hat immer Zeit für einen bate-papo, einen kleinen Tratsch.

Warum gibt es so viele Straßenkinder in Brasilien?

Warum gibt es in Brasilien so viele Straßenkinder? Weil die Armut auf dem Land immer stärker wird, ziehen v.a. viele junge Menschen in die Großstädte in der Hoffnung, hier ein besseres Leben zu finden. Nicht selten endet diese Reise in den Elendsvierteln (Favelas) der Großstädte.