Georg forster reise um die welt

Georg forster reise um die welt

Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2007

Wiederentdeckung eines kräuselnden Gesamtkunstwerks
Georg Forsters großes Reisebuch, illustriert von ihm selbst / Von Kilian Trotier

Nein, wirklich zeitgemäß erscheint dieses Opus magnum des Naturforschers Georg Forster auf den ersten Blick nicht. Ein wenig skeptisch fragt man sich beim Aufblättern des stattlichen Bandes, was dieser Text uns noch zu sagen hat, der 1777 zum ersten Mal erschien. Damals übrigens noch ohne die prächtige Bildausstattung, mit der die neue Ausgabe prunkt. So faszinierend diese Bilder sind: Es bräuchte sie nicht einmal, um in Forsters "Reise um die Erde" lesend zu versinken. Zum Genuss der Lektüre kommt jetzt der des Blätterns in der Fülle der beigegebenen Illustrationen.

Georg Forster hat mit seinen Reiseaufzeichnungen über die zweite weltumspannende Expedition des Entdeckers James Cook in den Jahren 1772 bis 1775 die moderne Reiseliteratur mitbegründet - und das im Alter von zweiundzwanzig Jahren. Heute wissen darum nur noch wenige, denn Forsters Nachruhm ist schnell verblasst. Obwohl die Großen seiner Zeit voll des Lobes über den in der Nähe von Danzig geborenen und später in Russland und London lebenden Weltbürger waren. Goethe, der Forster mehrmals besuchte, widmete ihm in seinem Epos "Hermann und Dorothea" einige Zeilen, Wieland publizierte Teile der "Weltreise" in seinem "Teutschen Merkur" und versah sie mit einem lobenden Vorwort, und Alexander von Humboldt bezeichnete Forsters Werk als den entscheidenden Anstoß, der ihn zu dem großen Forschungsreisenden werden ließ, dem wir seinerseits bedeutende wissenschaftliche Reiseliteratur und Naturbeschreibungen verdanken.

Sie alle zeigten sich begeistert von der neuartigen Melange zwischen einem auf Authentizität bedachten Reisebericht und philosophischen, von den Idealen der Aufklärung geprägten Betrachtungen über das Leben der unterschiedlichen Südseevölker. Forster betrieb besonders seine anthropologischen Studien mit großer Sorgfalt, da frühere Expeditionen "an Menschen und Sitten, als worauf der vornehmste Endzweck eines jeden philosophischen Reisenden vorzüglich gerichtet seyn soll, noch immer manches übersehen" hatten. Faszinierend wirken bis heute die Beschreibungen der einheimischen Bevölkerung. So etwa über "einen alten abgelebten Mann" auf der Insel Tanna im Südpazifik: "Er war lang, hager, ausgezehrt, und hatte einen fast gänzlich kahlen Kopf nebst eisgrauem Bart. Seine Gesichtsbildung zeigte viel Gutherzigkeit, und, so runzlicht sie auch war, noch immer Spuren von ehemaliger Schönheit an."

Eingebunden sind derartige Porträts, bei denen die Ureinwohner weder als bemitleidenswert rückständige Wesen noch romantisierend als einzige vom Glück gesegnete reine Menschen dargestellt werden, immer in den von Forster mit akribischer Genauigkeit nachgezeichneten Verlauf der Reiseroute. Von Plymouth ging es über das Kap der Guten Hoffnung nach Neuseeland. Dann erkundete Cooks Mannschaft die Südseeinseln im Pazifik, von denen insbesondere Tahiti Forster faszinierte. "Ein vom Land wehendes Lüftchen führte uns die erfrischendsten und herrlichsten Wohlgerüche entgegen und kräuselte die Fläche der See. Waldgekrönte Berge erhoben ihre stolzen Gipfel in mancherley majestätischen Gestalten und glühten bereits im ersten Morgenstrahl der Sonne", schwärmte er bei der Ankunft. Die Mannen um Kapitän Cook entdeckten Neukaledonien, Südgeorgien und die südlichen Sandwich-Inseln. Das eigentliche Ziel der Expedition, nämlich festes Land auf der südlichen Halbkugel, erreichten sie nicht. Aber es sind gerade Passagen wie diese, in der Forster das kräftezehrende Unternehmen nahe dem Packeis schildert, die den Leser bewundernd auf diese Abenteurer und Entdecker blicken lassen.

Neben dem Schreiben besaß das Sprachtalent Forster, das bereits mit dreizehn Jahren ein Werk aus dem Russischen ins Englische übersetzt hatte, auch zeichnerische Begabung. An Bord der "Resolution" war er durch Protektion seines Vaters Reinhold als Illustrator gekommen, und so fertigte der zu Beginn der Reise erst siebzehnjährige Georg über fünfhundert Tier- und Pflanzenzeichnungen an. Dass sie im Vergleich zum literarischen Werk weit weniger Berühmtheit erlangten, lag weniger an mangelndem künstlerischen Talent, die dem "Wunderknaben" von englischen Kennern durchaus attestiert wurde, sondern an den chronischen Geldsorgen seiner Familie.

Zähneknirschend stimmten die Forsters dem Angebot des wohlhabenden Sir Joseph Banks zu, eines hochangesehenen Botanikers, der Cook bei dessen Erstumseglung begleitete und an dessen Stelle Georg und sein Vater bei der zweiten Fahrt einsprangen, und verkauften ihm für vierhundert Pfund alle Zeichnungen und Skizzen. Sie verschwanden damit gänzlich für die Öffentlichkeit, da Banks selber "monopolium mit Südseekenntniß treiben wollte", wie sich Georg Forster später bitter beschwerte. Um dagegen anzugehen, fehlten dem jungen Naturforscher allerdings schlichtweg die finanziellen Mittel.

So dauerte es zweihundertdreißig Jahre, bis zusammenfand, was der ursprünglichen Absicht nach eigentlich zusammengehörte: Die reichhaltigen Illustrationen von eigener Hand schmücken die neueste Ausgabe der "Reise um die Welt" und führen ein Gesamtkunstwerk vor Augen, das der junge Georg Forster unter vielen Strapazen und dem immerwährenden Druck des Vaters in Windeseile teils zeichnete, teils auf Englisch verfasste und wenig später selbst ins Deutsche übersetzte. Eine Wiederentdeckung, die sogar etwas mehr entdecken lässt als jenes Buch, das die Zeitgenossen bewunderten.

Georg Forster: "Reise um die Welt". Illustriert von eigener Hand. Mit einem biographischen Essay von Klaus Harpprecht und einem Nachwort von Frank Vorpahl. Originalausgabe. Sonderband der Anderen Bibliothek. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2007. 608 S., 80 großform. Farb-Abb., Klapptafeln, Karten, geb., im Halbschuber, Subskr.-Pr. bis 31. März 2008 79,- [Euro], danach 99,- [Euro].

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