Kann ich als Mutter die Familie verlassen?

Sie werden als „Rabenmütter“ stigmatisiert, gelten als egoistisch: Eine ZDF-Doku begleitet drei Mütter, die ihre Familien verlassen haben und ein Leben ohne Kinder führen. Ein Vorwurf verfolgt sie.

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Mia packt den rosafarbenen Koffer. Sie nimmt die Kleiderstapel vom Sofa, legt sie in das Gepäckstück hinein. Man sieht ein ferngesteuertes Spielzeugauto, das über den Parkettfußboden fährt, das sich im Kreis dreht. Mia stopft noch die Chucks in ihren Koffer – und das Blatt Papier mit dem Strichmännchen. „Mama, ich hab dich lieb“, steht darauf.

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Mia, 30 Jahre alt, zieht aus. Und sie lässt ihre Kinder, sechs und neun Jahre alt, zurück. Künftig werden sie alleine beim Vater leben. Mia sehnt sich nach einem Neuanfang. Seit dem Abitur war sie als Vollzeitmutter im Einsatz, eine Berufsausbildung oder ein Studium hat sie nie begonnen. Jetzt will sie sich etwas Eigenes aufbauen. „Ich weiß, dass es nicht leicht wird“, sagt sie mit zittriger Stimme. „Aber ich weiß, dass ich das schaffe, weil ich es will.“

Kann ich als Mutter die Familie verlassen?

Mia packt ihren Koffer und verlässt ihre Familie. Leicht fällt der jungen Mutter das nicht

Quelle: ZDF und Fariba Nilchian

Es gibt nicht viele Frauen wie Mia. Wenn Familien auseinanderbrechen, dann sind es meistens die Väter, die gehen. Die Kinder bleiben bei den Müttern. Nur in zehn Prozent der Fälle ist es andersherum.

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Wie schafft es eine Mutter, ihre Kinder zurückzulassen? Mütter, die ihren Kindern den Rücken kehren, gelten vielen als egoistisch. Sie haben – anders als die Männer, die sich von der Familie trennen – damit zu kämpfen, dass die Gesellschaft auf sie herabblickt. Sie werden als „Rabenmütter“ stigmatisiert.

Sind Frauen, die ihre Familien verlassen, egoistisch?

Die Filmemacherin Katrin Wegner hat drei dieser Mütter, die von Zuhause ausgezogen sind, begleitet. In der ZDF-Reportagereihe „37°“ läuft ihre Dokumentation mit dem Titel „Ohne mein Kind – Mütter verlassen ihre Familie“.

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Neben der 30-jährigen Mia lernt man in dem Film noch Jasmin, 37 Jahre alt, Mutter von drei Kindern, kennen, die vor drei Jahren aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist. Und Naomi, 42 Jahre alt, die sich bereits vor 13 Jahren von ihrem Partner trennte. Der gemeinsame Sohn Noah war damals erst zwei Jahre alt, heute ist er ein Teenager und verbringt jedes zweite Wochenende bei der Mutter.

Kann ich als Mutter die Familie verlassen?

Jasmin (37) zog vor drei Jahren zuhause aus. Ihre drei Kinder leben beim Vater

Quelle: ZDF und Fariba Nilchian

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Die Frauen aus der ZDF-Reportage ist der Schritt weg von der Familie nicht leichtgefallen, in das Raster herzlos-egoistische Karrierefrau passen sie nicht hinein. Wenn sie über ihre Beweggründe sprechen, dann spürt man die Zweifel, die sie, mal mehr, mal weniger, plagen.

„Die Vorwürfe, dass ich gegangen bin, verfolgen mich“, sagt etwa Jasmin. Und sie berichtet davon, wie schmerzhaft es ist, sich als „letztes Glied in der Kette“ zu fühlen. Jeden Abend telefoniert sie mit den Kindern. Doch wenn sie dann erfährt, welche Probleme am Tag gemeistert wurden, was alles anstand, dann ist es zu spät dafür, dass Jasmin sich noch einbringen könnte.

Jasmin leidet vor allem darunter, dass ihre älteste Tochter sich nach der Trennung von ihr abgewendet hat. Nur dreimal in den vergangenen drei Jahren hat sie die Mutter überhaupt in ihrer neuen Wohnung besucht.

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In einer der eindringlichsten Szenen der Reportage sieht man Jasmin, wie sie auf der Terrasse eines Cafés auf ihre Tochter wartet. Die Zeit verstreicht, nach 20 Minuten erhält Jasmin die SMS, dass die Tochter es doch nicht mehr schafft, sich mit ihr in deren Arbeitspause zu treffen. Sie will stattdessen für die Schule lernen, mit einer Freundin.

Jasmin kann ihre Enttäuschung nicht verbergen. „Wir hatten solch ein inniges Verhältnis, das ist nun nicht mehr da“, sagt sie. Und: „Ich werde weiter geduldig sein, ich gebe ihr die Zeit, die sie braucht, sie ist ja meine Tochter.“

Die Distanz ist da – auch wenn erst anders wirkt

Naomi hat ihren Partner verlassen, weil die Liebe weg war – und weil sie die Welt entdecken wollte, weil sie reisen wollte. Ihr Sohn Noah, der mittlerweile 15 Jahre alt ist, fährt 70 Kilometer mit der Bahn, wenn er seine Mutter besuchen will.

Das Verhältnis der beiden zueinander wirkt entspannt, man hat den Eindruck, dass sie im Umgang miteinander geübt sind. Gemeinsam bereiten sie das Essen zu, gehen zum Bummel in die Stadt.

Doch dass zwischen den beiden auch eine starke Distanz herrscht, lässt sich nicht übersehen. Deutlich wird es, als der Vater von Noah vorbeischaut. Als er Naomi erzählt, dass ihr Sohn seit drei Monaten regelmäßig die Schule schwänzt, fällt die Mutter aus allen Wolken. Unbeholfen wirkt später ihr Versuch, den Sohn darauf anzusprechen – nicht in der Wohnung, sondern beim Besuch einer Buchhandlung.

Dass kein Urteil gefällt wird, dass in dem Film stattdessen der Alltag der Mütter eingefangen wird, das ist die Stärke der Reportage. Die Mütter, die ihre Partner und Kinder verlassen haben, werden weder als selbstbewusste Frauen glorifiziert noch als „Rabenmütter“ verurteilt.

Man kommt ihnen näher, kann sich in ihre Rolle hineinversetzen. Man hätte sich diese Dokumentation gut und gerne auch in einer längeren Fassung vorstellen können. In den 30 Minuten, die sie dauert, wird vieles nur angerissen. Doch oft wünscht man sich, noch mehr zu erfahren über das Leben dieser entzweiten Familien.

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Und man fragt sich: Wie wird es mit ihnen weitergehen? Wie sieht es in ein paar Jahren aus? In einer Szene sieht man, wie Jasmin durch ihre frühere Wohnung läuft. Den Schlüssel zu ihrem alten Zuhause hat sie noch immer.

„Ich würde mir wünschen, dass es diese Familie noch einmal geben würde“, sagt sie da. Doch schon im darauffolgenden Satz macht sie deutlich, dass es dazu nicht so bald kommen wird. „Jetzt müssen wir diesen Weg erst einmal so gehen“, sagt Jasmin trotzig. Es fällt ihr alles andere als leicht.

Die Reportage „Ohne mein Kind – Mütter verlassen ihre Familie“ läuft am Dienstag, 20. September 2016, um 22.15 Uhr im ZDF

Kann man sich von seiner Familie lossagen?

Die familiäre Solidarität und Verbundenheit ist unkündbar. Da kommt man nicht raus und da kann man sich auch nicht gegenseitig von lossagen. Eltern können auch nicht auf solche Ansprüche verzichten.

Kann eine Mutter ihre Kinder verlassen?

BUNTE.de: Sind Mütter, die ihre Kinder verlassen, schlechtere Mütter? Annette Habert: Nein, überhaupt nicht. Viele Frauen, die nach einer Trennung vom Partner auf das Zusammenleben mit ihrem Kind verzichten, haben dabei vor allem das Wohl ihres Kindes im Blick.

Kann man sich von den Eltern trennen?

6 Abs. 3 GG zulässig. Danach dürfen Kinder gegen den Willen des Sorgeberechtigten nur aufgrund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen5.

Kann ich meine Familie verlassen?

Männer dürfen ihre Familie noch immer ohne Imageschaden verlassen. Das stimmt nicht, nicht mehr. Ein solcher Schritt macht immer Aufruhr. Nicht zu leugnen ist, dass Männer noch immer deutlich weniger mit der Familie beschäftigt sind als ihre Frauen.