Auf meinen Reisen durch Italien, wobei ich fast immer das Glück hatte, von trauten, mitempfindenden Freunden begleitet zu sein, entstanden die hier gesammelten Bilder. Man erwarte keine Reisebeschreibung; es sind nur lose Skizzen, an Ort und Stelle in der Stimmung entworfen. Mit Absicht enthielt ich mich beinahe jeder Besprechung der Kunstschätze Italiens; hierüber wurde seit Winckelmann schon des Trefflichen genug gesagt. Für den nach Italien Reisenden möchte ich noch bemerken: vor allem nimm Jacob Burckhardt's Cicerone, eine Anleitung zum Genuß der Kunstwerke Italiens, mit über die Alpen, sodann einen Plaid und möglichst wenig Gepäck; Kleider und Schuhe kaufe im Lande selbst. Fangen die Gewänder zu kümmern an, so lege sie unter dem Jubel der Bevölkerung auf die Straße und lege dazu noch jene unnötige Angst, die, durch Zeitungen und Handbücher heraufbeschworen, sich als böser Alp dem in Italien reisenden Deutschen so gern auf die Schultern hängt und die Anmut seiner Bewegungen lähmt. Abfahrt.Den Boden teilt gewaltsam Das Mark der Erde strebet, So schön war der Frühling noch nie, wie diesmal in Stuttgart. Ueber Nacht sind die Buchen und Eichen grün geworden, und schauen rings von den Bergen fröhlich in die Stadt herein. Und alle Obstbäume blühen im Thal und erfüllen mit ihren silbernen Kränzen die Schluchten, die zwischen den Rebenhügeln zum Wald hinansteigen. Gegen Süden, wo kein Wald steht, dehnen sich bläulich spielend weite Flächen und locken in traumhafte Fernen. O Frieden in der Frühe, Es bilden sich Wolkenbilder Mit ihnen darf ich ziehen, das liebliche Neckarthal entlang. Schon winkt zur Linken der erhabene Hohenstaufen. Durch den tiefen Riß des Geislinger Thales, wo Burgtrümmern gleich die hohen zernagten Kalkfelsen über die buchengrünen Schluchtengehänge steigen, zieht sich die Bahn hinauf zur Hochfläche der schwäbischen Alb, zur rauhen Alb. Ein merkwürdiges, abgeschiedenes Land, Auf magerem, steinigem Grund breiten sich weite Weiden aus, wo vereinzelte alte Buchen zwischen Trümmergesteinen stehen. Allerorten senken sich hier auf dem feinen Rasen Erdfälle, trichterförmige Vertiefungen, ein. In der Mitte haben sie zuweilen eine Oeffnung, und Steine, die man hinabwirft, fallen erst spät und dann weithin dröhnend auf und verkünden, daß man hier über ein Gebirg von hohlem Leibe wandelt. – Schon glänzen hinter den flachen Moorthälern und einsamen Tannenhorsten Oberschwabens die Schweizeralpen herauf und ihnen zu Füßen dehnt sich in letzter Abendglut, gewaltig wie das Meer, der Bodensee. Friedrichshafen.Ich lag und schlief und schlief recht mild, Der Arge wollte schon um Vier Auf dem See ist großartige dämonische Gewitterbeleuchtung. Ueber den flachen deutschen Rand, hangen trübrote Regenwolken in langen Streifen herunter; ganz dunkel tritt der See durch die leuchtende Dämmerung. Drüben aber liegen die Alpen in klarster Ruhe, wie eine Reihe von echten Königen. Der Wind wird immer heftiger, auf allen Wellen tanzen die weißen Schäfchen; Springbrunnen gleich stäuben die Spritzwellen am Hafenstrand empor! Aber der Sturm in mir ist doch noch fürchterlicher. Meine Koffer sind verladen! Drüben auf dem Schiff, das nach Romanshorn geht, schaukeln sie lustig dahin. Mög' der Himmel dir genaden, Viele Dutzend grauer Säcke Starrer stets wird deine Miene, Chur.Nichts ist schroffer Und so muß ich im großartig beengenden Chur warten, bis das verladene Gepäcke kommt. Da ging ich die Thalschlucht hinauf, die noch in der Stadt linker Hand auf das Rheinthal hereinbricht. Ein großes graues Bergwasser stürmt rauschend hindurch. Ich ging hinauf, bis dahin, wo über den riesenhohen Felsabhängen die Sennhütten einsam stehen auf den grünen Alpenwiesen. Crocus, Gentianen, Primeln und alle die andern schönen farbigen Alpenfrühlingsblumen blühen. Unten in der Schlucht reißt sich immer wütender der Gießbach durch Felsen und Gerölle. Zwischen den in ihrer Schlichtung abenteuerlich, wurzelartig verdrehten Gneis- und Glimmerschieferwänden steht der üppigste Wald: Lärchen, Tannen und Laubholzbäume. Ich wollte einen der Berge ersteigen, doch immer wieder warf sich ein jähes Thal zwischen mich und den Gipfel; wie gehetzt von einem bösen Geiste quäl' ich mich ab, Wildbäche überspringend, mit Händen und Füßen mich im Tannendickicht emporreckend; der Gipfel scheint langsam rückwärts zu treten. Endlich auf freier Kuppe sitzt, wie ein Engel vom Himmel, ein »Luftbadegast« und sonnt sich. Luftbadegastes Gedanken.Regenschirm liegt neben mir Wie im Wald hier keine Spur Soll nicht mehr ins Tagebuch Nicht verrostet, nein verharzt In den blendendsten Flanell Viele Aerzte gaben mich Ja, befolg' ich ernstlich und Ueber die Alpen.Ganz oben, wo das große steinerne Haus steht, ist der seichte See noch fest gefroren. Hier wächst kein Strauch, kein Kraut mehr, nicht einmal Alpenrosen und Heiden, die sonst so treuen Begleiter. Nur dünne Flechten überziehen schwachleuchtend die Felsen, die wie ein scharfgewelltes versteinertes Meer ringsum lagern. Und die Ufer des starren schweigenden Meeres sind Schneehörner, übermächtig aufsteigend; sie scheinen dem einsam-schauenden Wanderer immer größer und größer, immer näher und näher zu kommen, ihn zu erdrücken. Doch kaum ist der Rand der Hochfläche erreicht, öffnet sich mit einem Zauberschlag das weite Thal. Eine Welt von Felsgebirgen. Der Weg führt schwindelnd hinab durch trübselige Legforchen-Waldungen, die auf dem pulverfarbigen, zwischen Felsbrocken versunkenen Moorgrunde fortkümmern. Braune Gießbäche strömen hindurch und bilden kleine Seen. Weiter unten stehen hohe, hagere, verkommene Tannenbäume, voll grauer Haarflechten, von Stürmen und von Schneebrüchen durcheinander geworfen. Legforchen verkrümmen sich düster Kalt beugen die Winde die schwanken Sumpfveilchen erglänzt in den Klüften, Und das liebliche, lieblich verwaist, gießt über die Oede sein Düften, Mildheilig, ein himmlischer Geist. Ein Frieden ist hier, wie selten auf der Erde. Es ist noch gar so weit hinab zu den breiten Flußthälern und den ausgedehnten Feldern und Schlachtfeldern. Nur lautere Gießbäche, die auf den höchsten Spitzen durch das sonnigste Himmelslicht aus dem Schnee zusammenschmelzen, rauschen fröhlich herab, und erzählen denen im Thale nur von dem Herrlichsten der Welt, von der ewigen Klarheit dort über den Wolken, von dem fast unendlichen Blick über Länder und blaues Meer. Italien erscheint, wie ein Engel auf Goldgrund. Neue Lüfte, neue Düfte, Und schon ahnt er jenen Frieden, Comersee.Göttlicher Comosee! Lieblichste Dampfschiff-Fahrt! Die steilen Ufergelände sind zu Gärten abgestuft, voll Myrten-, Orangen-, Cypressen- und Lorbeer-Grün. Villen, Kirchen und Klöster ragen schlicht und schön daraus empor. Ueber Säul' und Söller schlingen Aber doch ward es mir höchst unheimlich, plötzlich mitten in der neuen, mir noch unverständlichen Welt. Hier stand ich wie angewurzelt in schönster Umgebung, und konnte nicht anders. Auf dem Schiff des Sees von Como Italiener rings mit großen. Verona.Nordstürme verfolgen den Wanderer immer noch; da rettet er sich durch das großartige, reich von stolz gegürteten Bettlern belebte Verona hindurch, hinan zum stillen Giusti-Garten mit seinen hohen, die Nordluft abwehrenden Terrassen, schön bepflanzt mit südlichen Bäumen. Unten im Garten springen die Brunnen in breiten Blumenbeeten und im Rechteck umher stehen prachtvolle Cypressen von edelstem, jungfrauenhaft-schmächtigem Wuchse, und ach, ganz oben auf sanfter Steinbank, die an die bequeme Balustrade stößt, sonnt sich der Fremdling zum erstenmal wieder und schaut wie trunken hinaus über die weite, an Türmen und Kuppeln so reiche, majestätische Stadt. Dahinter, in der großen lombardischen Ebene die vielen Seen und Flüsse, bis im äußersten Süden sie anwächst zu Gebirgen, fast verschleiert vom warmen, rötlichen Frühlingsdunste des Himmels. Und des Fremdlings Haupt sinkt tiefer und tiefer auf den lauligen Stein der schönen Balustrade. Und wenn ich nimmer, nimmer weiter weiß, Hinunter sinkt in tiefste Grabesnacht Die schöne Welt, aufschimmern zauberhaft Gereinigt ist mein Herz und gänzlich fern Mailand.Am schönsten aber schläft es sich doch in Milano. »Es wäre hier nicht auszuhalten, wenn man das bißchen Schlaf im Dom nicht hätte,« sagen die hier lebenden Deutschen, und wirklich, das ist nicht zu versäumen und im Nu geschehen. Draußen ist es stechend heiß und blendend hell und unaufhörlich wogen die Menschenwellen den Corso Vittorio Emanuele hinauf hinab, vorüber am Dom. Den Eintretenden aber empfangen die himmelhohen Säulenhallen mit sanfter Kühlung, wohlthuender Dämmrung und unwillkürlich sinkt er auf einen der Rohrsessel nieder. Die glühenden Farben, die rings von den großen gemalten Fenstern ausgehen, brechen sich an den glatten vielgegliederten Marmorflächen vieltausendmal und zerfließen mit deren gediegenem Goldton, so daß die ganze Luft zauberhaft leuchtet, unwiderstehlich einschläfert. Und in des selig Einduselnden Ohr rinnt dazu noch der Hall des draußen an den riesenstarken Mauern abbrandenden Lebens, wie ein fernhin verrauschender mächtiger Strom, in dessen Mitte auf kühler weihrauchduftender Palmeninsel der Träumer hinabgleitet in das ewige Meer. Als ich das erste Mal im Dome schlief, war beim Castello zugleich große Kanonade. Schuß auf Schuß schlug über die Stadt hin an Kuppel und Oberschiff des erhabenen Baues und rollte donnernd, herrlich die Höhen der Gewölbe entlang. So wird wohl einst das jüngste Gericht anheben; ein großartiges Rollen die Höhen des Himmels entlang, nicht gell aufschreckend, nein, eine wohlbesetzte, für immer erlösende Donnerblechinstrumentalharmonie! Riviera.Der Morgen kam. Mannshohes Heidekraut Vom wolkenlosen Himmelsdome thaut Die Sonne steigt, und wie ein Zaubertraum, Sich um die starren Marmorfelsenbrüste – Genua.Genova, stolzeste Meerkönigin, mit der Citadellen-Zackenkrone, im Halbrund sich hochauftürmend, Steinpalast über Steinpalast, die gewaltigste Stadt Italiens! Schrecklich enge Gassen voll Staffeln, Kot und Finsternis. Man halte sich ja auf den breiten Straßen, denn dort innen schleicht es verdächtig umher, dort berücken böse Spieler mit zahlreichen klingenden Goldstücken, worunter höchstens Ein echtes, den arglosen Wanderer und den dröhnenden Totschlag von oben übertrifft hier noch der schweigende Totstich von hinten. Man halte sich ja auf den breiten Straßen oder hoch auf dem herrlichen Spazierweg über den Häusern am Meer. Hier wandelt man, allseitig den scharfgeladenen Gendarmen sichtbar, den Handkoffer in der Linken, die Rechte auf den Paß gelegt, ruhig, glücklich am Strande des vielaufrauschenden Meeres. Des Weltmeers Gesang.Zusammenschnürt ihr nach Belieben Frei bin ich, wie der hohe Himmel, Einst kommt der Tag, da will ich brechen Da will ich wieder schäumen, gären, Von Bologna nach Florenz.Die Eisenbahn von Bologna über den Apennin bot entsetzliche Schwierigkeiten. Hier war nicht ein breiter Kamm zu überschreiten, nein Dutzende von Ketten hintereinander; daher gegen fünfzig Tunnels, manche eine halbe Stunde lang. Das Gebirge selbst ist, in der Nähe besehen, lange nicht so großartig, als die Alpen. – Dünner Laubwald wächst auf den sehr steilen, scharfen, schmalen Bergrücken; man spürt sofort unter der Dammerde das harte Kalkfelsengerippe. Diese Bildung des Gebirges bedingt aber die feine, überlegene Schönheit der italienischen Landschaften. Dadurch erscheinen Ketten hinter Ketten, immer blauer und lichter, und diese Ketten selbst sind wieder bis in das kleinste durchgebildet. Welch ein beseligender Anblick vom Apennin herab in die Campagna von Toskana, mit ihren mächtigen grünen Bergen, schön und immer wieder und wieder gegliedert: darauf und daran, zwischen dunklen Cypressengruppen Städte und Villen, unzählig, und so gelegt, als ob auf dem ganzen Grund und Boden nach einem großartigen künstlerischen Entwurf die Gebäude verteilt worden. Man fühlt sich augenblicklich zu Hause in Toskana. Und wie ging mir das Herz auf, als ich Firenze sah. Das bescheidene Arnothal wird plötzlich weit und bekommt hohe herrliche Ränder. Im grünlichen Silberschimmer der Oelbaumgärten glänzen wieder Villen an Villen, und inmitten glänzt Firenze, und darüber glänzt Brunellescos göttlichkühne Kuppel. Im Wolkennebel und in Grabesgrüften Nun aber strömt es, wie von Frühlingslüften, Herz, ahnst du schon das himmlische Firenze? Um seine Mauern schlingen Blumenkränze Florenz.I.Florenz, München, Stuttgart. Grüne Reben um die Hügel, In den freundlich breiten Straßen Säulen ragen, Brunnen rauschen, An den Bergen hangen Gärten, München, königlich erbautes, Prachtvoll sind die vielen Theken Aber Fremdling, süßer Träumer, Folge du dem Rat der Weisen, Wir treten auf das Pflaster, aus lauter großen vieleckigen Platten, nach Art der alten Etrusker und Kyklopen unverwüstlich zusammengefügt, sanft und eben, den Schustern ein Greuel. Hier fahren wie der Blitz hin und her die toskanischen Einspänner. Gar hübsche nußbraune Pferdchen, wehende Schweife an den Ohren; der Wagen ist leicht, zweirädrig, nach Art eines antiken Streitwagens. In den engen ernsten Straßen trifft man zuweilen Gebäude, die man schon in München sah, weil man sie dorthin einführte, die aber durch die lange Fahrt verloren haben. So sind von Orcagna's Loggia de' Lanzi (Münchener Feldherrnhalle) die guten kleinen Löwen, die hier so traulich um die Pfeiler hocken, entsprungen; ein Verlust, der auch dadurch nicht aufgewogen wird, daß man von der Feldherrnhalle aus drunten auf dem Siegesthor die vier ehernen Riesenlöwen im vollsten Trab nach Schwabing hinausrennen sieht. Auch die vielen schönen Bildsäulen blieben in der florentinischen Halle; die tiefsinnige Tusnelda und ihre fünf Begleiterinnen, dann der Römer mit seinen zwei Sabinerinnen, dann Ajas mit dem Leichnam des Patroklos (eines der edelsten antiken Werke); dann Cellini's Perseus mit dem Medusenhaupt, und Donatello's heitere Judith mit dem des Holofernes. Umsonst stellte man in München zwei ganze Holofernesse, in Gestalt Tillys und Wredes, in die riesige Halle. Die unendliche Leere vermögen sie doch nicht auszufüllen und sind vor langer Weile schon ganz schwarz geworden. Auf gewaltigen, aus ganz unbehauenen Felsblöcken emporgetürmten, als Flügel vorspringenden Untermauern, dazwischen steigt das Erdreich steil an, steht wie ein grobgeschichtetes Urgebirge der sechshundert Fuß lange Palast Pitti (Residenz), mit seinen Gesimsbändern und den drei Rundbogenfensterreihen, wie einst für ein Geschlecht gefügt, das nach Tisch auf Mammuten spazieren ritt. Die Schildwachen stehen jetzt da, wie Bleisoldaten, und der Schloßverwalter glänzt in seinem roten Frack unter seinem dunklen Portal, wie ein verloren gegangenes Marienkäferchen. Die Residenz in München, nach diesem Vorbild erbaut, ist nach den Bedingnissen unserer Zeit gemildert; die Quader sind glatt, Unterbauten keine, der Boden eben, aber auch so wirkt sie noch bedeutend. Der Glockenturm des Florentiner Domes, die Frauentürme in München, der Stiftskirchenturm in Stuttgart zeigen eine merkwürdige Verwandtschaft. Alle drei sind sie richtige dicke Türme, unverjüngt, ohne Spitze, als Urformen aller Türme unvergeßlich. Und alle drei sind sie die ausdruckvollsten Vertreter ihrer Stadt. Der Florentiner Turm, viereckig, frei stehend, unverjüngt, ist ganz aus geschliffenem farbigem Marmor erbaut. Wunderbar richtig sind die Farben verteilt, beim größten Reichtum das schönste Maßhalten. Da steht er fest und anmutig auf klarem Sockel, zu hohen Stockwerken frei und leicht zusammengebunden, kühn aufstrebend und wieder durchs prächtige Kranzgesims ernst abgeschlossen. So steht er da, voll Kraft und Würde und überlegener Bildung, bürgeradelstolz und fein geschliffen. Trotz seines Alters scheint er noch ganz neu, in ewiger Jugend, gleich dem ewig blühenden Firenze, das ihn auf dem Gipfel seiner Macht als ungeheuren Denkmalspfeiler seiner freien Herrlichkeit vom großen Giotto errichten ließ. Der Stiftskirchenturm in Stuttgart, aus grünbemoosten Sandsteinen erbaut, von den Leuten schlechtweg der Dicke genannt, unten viereckig, gegen oben hin achteckig, mit drei Kränzen geschmückt – ein stattlicher Ratsherr. Immer seelenruhig und seelenvergnügt schaut er mit liebem Behagen umher im sanften grünen Stuttgarter Weinthalkessel. Zur Seite, etwas zurück, steht ihm die bescheidene Hausfrau, der schlanke Seitenturm mit der zierlichen altschwäbischen Spitzhaube. Die Münchener Frauentürme sind noch eckiger, fast bis herunter achteckig, und aus Backsteinen von blaurötlicher Färbung erbaut. Es sind zwei Junggesellen, schief aus dem Wirtshaus kommend, eng aneinander gelehnt, die niederen Kappen gar drollig auf den köstlich zugerundeten Spießbürgerschädeln. Es wäre jammerschade, wenn man sie modern aufstutzte. Gemälde- und andere Galerien muß jeder mit eignen Augen vergleichen. Neben den Kunstwerken betrachte man aber auch stets die verschiedenen nationalen Unterscheidungsmale der jeweiligen Beschauer. In Gemäldegalerien Zottig, dumpf, gleich wilden Büffeln, Stets mit ältern Damen eilen Wer mit stillverzücktem Ahnen Weil die Gegend von München erst eine Meile außerhalb, dann aber großartig schön, der römischen Campagna nicht unähnlich, beginnt, so liegen uns zur Vergleichung nur noch die sanften grünen Rebenberge von Stuttgart mit ihren fernen blauen Höhen im Wege. Man hat es schon oft mit Florenz verglichen, und mit Grund. Die Bergformen sind überraschend ähnlich, nur noch milder, und wie hier in Florenz ist das ganze Thalgehänge durch schöne Bauwerke bekrönt, so daß die Baukunst als eine Ergänzung der Landschaft erscheint. Geht man vom Arno aus durch die Stadt hindurch und die vielgewundene Steige hinauf, vorbei an den villenreichen Oelbaum- und Weingärten, so erreicht man das auf Zyklopischem Gemäuer gegründete Fiesole mit seinem uralten Dom, und dessen hohem, flachbedecktem romanischem Campanile, und dem neben kühlen Cypressen liegenden ehrwürdigen Kapuzinerkloster mit schönster Aussicht. Und unter uns dehnt sich der blühende Garten Toskanas, der seit Jahrtausenden durch menschlichen Anbau verfeinerte. Unzählig schimmern im sanften, mächtig weiten Thal die schönen Landhäuser; über den Rändern des Thals locken hinter den Pinienwäldern blauende Ebenen, aus denen alte Bergstädte aufsteigen. Immer feinere und lichtere Streifen dahinter lassen tiefe Thäler ahnen und hohe Felsgebirge, die ins Meer abstürzen. Geht man vom Neckar durch Stuttgart hindurch und die vielgewundene Steige hinauf, vorbei an den villenreichen Obst- und Weingärten, so erreicht man das bedeutende Degerloch mit seinem Kirchlein und dessen hohem Campanile, den vielen reizenden Villen und Villengärten, und den neben kühlen Nußbäumen liegenden ehrwürdigen Weinwirtschaften mit schönster Einsicht. Und unter uns dehnt sich der blühende Garten Schwabens. Unzählig schimmern im sanften weiten Thal die weißen Weinberghäuschen. Aehnlich wie von Fiesole, schweift der Blick über das bis in blaueste Fernen sich weitende, von Waldgebirgen und reichen Thälern durchzogene Land bis an die höchsten Höhen des Schwarzwaldes, von deren Scheitel aus man tief unten den Rheinstrom erblickt, an dem die großen Städte stehen, deren Domtürme bis an die Wolken ragen! Die Einwohner von Florenz haben etwas Graziös- Etruskisierendes. Die Kleidung ist die im übrigen Westeuropa übliche, nicht luxuriös; nur die Bäcker pflegen sich nackt zu tragen, eine alte Ueberlieferung. Das Militär blau, wie fast überall. Dann giebt es hier sehr reiche und vornehme Leute: so fegt z.B. der alte Fürst Strozzi seine Meerschaumpfeifen mit Straußenfedern, wovon uns vorgestern eine auf den Hut fiel. München ist ein offnes Dorf, sagen die Regensburger; Stuttgart ist eine schöne Stadt, singen die Kinder; Florenz ist eine ganze Stadt, muß jeder sagen. Wie die großen Menschen des Mittelalters und der Renaissancezeit die Straßen der gewaltigen Freistadt, Palast an Palast, erbauten, stehen sie noch, so einfach als kräftig. Fast jeden Augenblick stößt man mit seinem neumodischen Kopf an einen riesigen Buckelquader oder Eisenring jener Steinhäuser, an denen oft noch hohe fensterlose Verteidigungstürme mit ragenden Zinnen. Die Ringmauern gehen noch ganz umher. Und noch stehen alle die unverwüstlichen Thortürme, die sich mit hohem Bogen gegen die Stadt hin öffnen. Neue Straßen giebt es nicht viele. Weder vom englischen Garten bei München, noch vom Stuttgarter Schloßgarten, hat man einen Blick, wie von den Boboli-Gärten auf das turm- und kuppelreiche himmlische Firenze, das stets ein silberblauer Sonnenduft umhüllt. Da liegt man im weichen Grase, Thränen im Auge, und neben uns liegt vielleicht eine Ludmilla Assing, weiterhin ein früherer Kaiser von Mexiko und das geht so fort, aber alle liegen und schweigen und vergessen durch den Anblick jeder sein wieder andersfarbiges Elend. Der englische Garten in München ist feucht und düster, urwaldähnlich, von reißenden eisgrauen Bergwassern rauschend durchgossen, unerschöpflich an verschlungenen Wegen, im Hochsommer vortrefflich. Gegen die Stadt hin hat man den schönen Umriß der Theatinerkuppel. Wenn Rosen und Syringen die Marmorbilder überblühen, wenn die Platanenhallen sich wieder belauben, um den runden See mit dem prächtigen Springbrunnen die Orangenbäume wieder in ihren Holzkästchen stehen, und über rebengrünem Berg und Thal Frühsommerduft flimmert, dann bietet der Stuttgarter Schloßgarten, durch das schöne, figurenreiche Residenzschloß begrenzt, eine wenn auch etwas verkümmerte Fata Morgana der Boboli-Gärten, und schon ist man versucht, in schwärmerischer Verzückung den grünsamtenen Teppich der Natur quer zu durchwandeln, bis der grell schwäbische Ruf eines kriegerisch auftauchenden Portiers uns jählings in die Gefühlsweise des Nordens zurückversetzt. O wie gewann ich sie lieb, diese Boboli-Gärten; die steilen, mit immergrünen Eichen bekrönten Terrassen, die feinduftenden Lorbeerrotunden, die reinlichen Seen und die uralten niedrigen Oelbaumgänge mit ihren Ausblicken in stille, duftige Thalschluchten. Nie Verteilung von Baumgrün von jeder Tiefe, von Marmorbrunnen und Marmorbildern ist hier so wohl verstanden, so beruhigend. Man schweigt hier gerne stundenlang und läßt die Blumen sprechen, die zwischen den Orangenbäumen auf dem Inselchen Giovanni da Bologna's wachsen, wo auch des Meisters berühmter Marmorbrunnen steht. Und im Hintergrund jene großen Cypressen, bald hochschlank von einfachem Umriß, bald tannenartig breiter mit zackigen Aesten, ruhig, wie aus grünem Erz gegossen. Diese Gärten, stillbeschaulich, II.San Miniato al monte. Von der Terrasse vor San Miniato am Berge übersieht man ganz Firenze. Freundlich-ernst glänzt die hohe Marmorfassade mit ihren schwarzgrünen Säulen und feinen Rundbögen, In ihrer Mitte leuchtet byzantinisches Mosaik in Goldgrund, Christus auf dem Weltrichterstuhl, weit ins Thal hinab. Innen in der Basilika ist alles auch marmorn, weiß und dunkelfarbig. Spärliches sanftes Licht strömt wirksam durch die schmalen Rundbogenfensterchen des Oberschiffes. An den Wänden der Nebenschiffe ziehen halbverblichene Fresken. Die Säulen, dunkelgrün oder rosigweiß, zum Teil noch mit feinen antiken Kapitälen, tragen frei und leicht die halbrunden Arkadenbögen und die großen Querbögen. Der Dachstuhl ist sichtbar und noch uralt bemalt. Hoch baut sich im Chore die Krypta empor, ein auf vielen Säulen erhöhter Schauplatz mit prächtigen Marmorschranken. Ruhig, heilig schließt den ganzen Raum die große Halbrund-Nische des Chors; unten in der Nische sind die Fenster mit farbigen Marmorplatten zugetäfelt, darüber im Nischengewölbe strahlt ein riesiges Mosaik: Christus mit der Gebärde des Segnens, zur Rechten König San Miniato von Florenz, zur Linken Maria. Wie Morgenrotwölkchen glühen die Marmortafeln in den Fenstern der Chornische, hochfeierlich in glänzenden Farben auf Goldgrund grüßt das Bild des Erlösers. Hier sind noch die Grundlinien des Christentums. Es ist so still im Dome; längst nicht mehr zum Gottesdienst benützt, ist sein Boden bedeckt mit marmornen Grabplatten, frische Blumen und Kränze liegen darauf, den Toten geopfert. Die schlafen fort und schweigen, aber dort in der Nische predigt laut und allen verständlich das großartig einfache Bild Christi das lebendige Wort, das nicht vergehen wird, ob Himmel und Erde vergehen. Wer eine wahre Bergpredigt hören will, der steige hinauf in das Schiff von San Miniato al monte. III.Wieder in den Boboli Gärten. Selig scheint die Maiensonne, Wir sind hier im Paradiese, Denn kein Engel strenger Bildung am Baume der Erkenntnis Niemals im Leben war es mir wohler ums Herz, als in diesen Gärten. Ströme reinster Gesundheit durchschauern mich, sanft wie der Südwind einem Baum die Eisrinde schmilzt, daß des Baumes erdgeborene Kraft in klaren Säften emporsteigt in alle Zweige, dem sonnigen Himmel entgegen. O welche Wohlthat ist eine italienische Reise! Wahre Weisheit wird dir nicht Von dem blauen Himmel fällt Heute fand ich auch wieder den bleichen deutschen Theologen, den ich schon einigemale, selbst bei unfreundlichem Wetter hier getroffen, wie er den kleinen See sinnvoll umwandelte, auf dessen Insel der Marmorbrunnen Giovanni da Bologna's sich erhebt; und rings um das herrliche Marmorwerk, daran aus den Urnen der vier nackten Fußgötter das Wasser leise niederplätschert, reihen sich am Rande der Insel große verzierte Thonkübel, aus denen die fruchtbeladenen Orangenbäume wachsen. Heut sprach ich den Bleichen an und wir setzten uns zusammen am See in den hochüberhängenden duftenden Lorbeergang, spähten lang über das Wasser an den Marmorbrunnen hin und er sagte zu mir, vor Wehmut alle Schüchternheit ablegend, er müsse jetzt wieder examenshalber fort in das deutsche Reich, »Ach,« setzte er seufzend hinzu, »wie ist doch alles schön hier bis auf die Blumentöpfe – wie gemein ist bei uns so ein Stockscherben – und hier sind sie alle mit Kränzen und Masken reizend umhängt,« und er blickte so verständnisinnig hinüber zu den rötlichen Thonkübeln, die durch das ungewohnte Lob noch röter zu werden schienen, und ich sagte ihm mit dem gewiegten Freimut eines angehenden Kunstforschers: »sie stammen ohne Zweifel aus der Werkstatt des großen Giovanni da Bologna, von dem auch der große Marmorbrunnen hier ist.« – Und als der Gottesmann Abschied nahm, sagte er noch einmal: »wenn ich nur wenigstens einen solchen Thonkübel Giovanni da Bologna's zu Haus im Studierzimmer hätte, ich würde schon einen Oleander darin fortbringen.« Die Thonkübel des Giovanni da Bologna |