Alle tage sind gleich lang nur unterschiedlich breit auf englisch

Man spürt bei ihm sofort: Er kennt das Leben, die Kneipen und den Erfolg. Udo Lindenberg spricht über den Rock ’n’ Roll-Lifestyle mit 65 und sein neues Musical „Hinterm Horizont“.

Smoker’s Lounge, „Hotel Atlantic”, Hamburg. Aus der gemütlichen Sofaecke steigen Rauchzeichen auf. Da sitzt er und qualmt eine dicke Zigarre. Hut, Sonnenbrille, langer Mantel – die volle Montur: Udo L. Der Panikrocker. Der Oberindianer. Der Heizer vom Sonderzug. Der Bundesverdienstkreuzträger. Der „Echo für das Lebenswerk”­Inhaber. Der Jakob­Grimm­Preisträger für Verdienste um die deutsche Sprache.

Im Mai wird er 65. Und hat allen Grund, rundum zufrieden mit sich zu sein. Seit Februar läuft in Berlin sein Musical „Hinterm Horizont”. Die legendäre Geschichte vom „Mädchen aus Ost­Berlin”, eine Mischung aus Theater, Rockshow und Tanz, ist ein Riesenerfolg. Das liegt auch daran, dass Lindenberg ein Händchen dafür hat, mit den richtigen Leuten zusammenzuarbeiten: Regie führt Ulli Waller vom Hamburger St. Pauli Theater, geschrieben hat es Starautor Thomas Brussig („Sonnenallee”). Dass es so super läuft, überrascht ihn dann trotzdem: „Dass mir jetzt so ein großer Musicalerfolg an den Hut knallt – damit hab ich nicht gerechnet. Aber es ist ein geiles Feeling.”

Sein Alter interessiert ihn nicht wirklich: Schließlich hat er schon 1992 den „Echo für das Lebenswerk” erhalten. Bisschen früh, was? „Jahaa, deshalb sag ich auch gern: Hinterm Lebenswerk geht’s weiter.” Außerdem: „Rock ’n’ Roller kennen keine Rente.” Ohne ihn wäre hierzulande einiges anders gelaufen. Bis 1972 galt es als total uncool, deutsch zu singen: Popsongs mussten englisch sein, sonst waren es Schlager. Dann kam Lindenberg mit seiner deutschsprachigen Platte „Daumen im Wind” – sehr persönlich, sehr romantisch – und änderte alles. Den ganz großen Durchbruch gab es kurz danach, mit dem wirklich außergewöhnlichen Album „Andrea Doria”. Es folgten wilde Jahre mit dem Panik­Orchester, die legendäre „Dröhnland­Tour”, der „Sonderzug nach Pankow”, immer volle Kanne – und meistens volles Glas. Motto: „Alle Tage sind gleich lang, jedoch verschieden breit”.

Nach einem Formtief in den 90ern ist Lindenberg heute wieder in Hochform: Sein aktuelles, sehr berührendes Album „Stark wie Zwei” holte Platin. Mit wem er noch gern mal ein Duett singen würde? Erstaunliche, aber dann doch sehr passende Antwort: „Mit Lou Reed: ‘A Perfect Day’”. Der Song hört sich an, als könne er auch von Lindenberg sein. Ist anvisiert. Wird hoffentlich klappen. Auf MTV Unplugged Anfang Juni.