Wo ist der unterschied zwischen einem nazi und einem neonazi

Neonazismus (Kurzform von: Neo-Nationalsozialismus) ist eine rechtsextreme Strömung, die sich zur Ideologie des Nationalsozialismus bekennt und die (Wieder-)Errichtung eines autoritären Führerstaats nach dem Vorbild des "Dritten Reiches" anstrebt. Anhänger des Neonazismus werden Neonazis genannt.

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Der Begriff Neonazismus wird etwa seit Ende der 1970er Jahren verwendet, um jüngere Anhänger des Nationalsozialismus von Personen abzugrenzen, die bereits während der Nazi-Zeit dieser Ideologie anhingen (diese werden umgangssprachlich "Alt-Nazis" genannt). Neonazis beziehen sich offen auf die Tradition des historischen Nationalsozialismus, sie verherrlichen Hitler und die NS-Diktatur – und stehen damit in ganz klarem Widerspruch zur Verfassung. Sie nutzen Nazi-Symbole und -Parolen und sehen SA- und SS-Verbände als Vorbilder an. Interner Link: Nationalismus, Interner Link: Rassismus und Interner Link: Antisemitismus bestimmen ihr Weltbild. Neonazis sind immer rechtsextrem − umgekehrt kann aber nicht jeder Rechtsextreme automatisch als Neonazi bezeichnet werden.

Die Gewaltbereitschaft unter Neonazis ist erheblich. Seit den 1990er Jahren gab es in Deutschland zahlreiche gewalttätige Übergriffe durch Neonazis. Mit dem Interner Link: Nationalsozialistischem Untergrund (NSU) flog 2011 eine neonazistische Terrorgruppe auf, die in den Jahren 2000 bis 2007 in Deutschland mindestens zehn Menschen ermordete.

In den 1990er Jahren wurden zahlreiche neonazistische Organisationen verboten, darunter die Interner Link: FAP und die Interner Link: Wiking-Jugend (WJ). Die neonazistische Szene reagierte darauf mit weitreichenden Umstrukturierungen: Lose strukturierte Kleingruppen, die sogenannten Interner Link: Freien Kräfte, bestimmen seither ihr Erscheinungsbild.

2012 schätzte der Verfassungsschutz die Zahl deutscher Neonazis auf 6000 Personen. Ein relativ neues Phänomen in der neonazistischen Szene sind die sogenannten Interner Link: Autonomen Nationalisten, die ein modernes Äußeres und die Übernahme linksautonomer Symbolik mit einer stark rückwärtsgewandten rechtsextremen Ideologie verknüpfen. Mittlerweile gehört der Großteil jugendlicher Neonazis dieser Strömung an.

Fussnoten


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Nicht nur zum „Faschismus“ gibt es allerhand Unklarheiten, was darunter zu verstehen ist, sondern auch zum „Nationalsozialismus“. Nicht jeder Rechtsextremismus ist „nationalsozialistisch“. Und deshalb ist auch nicht jeder Rechtsextremist gleich ein „Nazi“.

Mit „Nationalsozialismus“ bezeichnet man das politische Programm und die Herrschaft der „Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei“ (NSDAP). Und mit dieser Bezeichnung verbindet sich untrennbar die Erinnerung an einen beispiellosen Zivilisationsbruch: die Errichtung einer Diktatur, die Unterwerfung Europas mit dem Ziel, die meisten durch die Wehrmacht besetzten Staaten dauerhaft auszulöschen und ihre Bevölkerung zu unterjochen bzw. auszurotten, schließlich die systematische Ermordung der europäischen Juden. Die Feindschaft des Nationalsozialismus war für seine Gegner tödlich, denn er hielt sie für rassisch minderwertig und sah ihre Ausrottung oder bestenfalls ihre Fortexistenz als Sklavenvölker vor. An Mindestmaßstäbe zivilisatorischer Übereinkünfte wie die Haager Landkriegsordnung oder die Genfer Konvention fühlten sich die Nationalsozialisten nicht gebunden.

Obwohl in vielen Punkten dem übrigen Rechtsextremismus ähnlich (Überschätzung der eigenen Nation, autoritäre Regierungsmodelle, Militarismus, systematische Verletzungen der Menschenrechte und grundsätzliche Feindschaft gegen demokratische und rechtsstaatliche Ordnungen), stellte der Nationalsozialismus damit eine qualitativ mit diesen nicht gleichsetzbare Form des Rechtsextremismus dar.

Der in seinem Namen aufscheinende Bestandteil „Sozialismus“ hat nichts mit dem Sozialismus der marxistisch inspirierten Arbeiterbewegung zu tun. Marx und Engels beschrieben in einem wissenschaftlichen Modell die Beziehungen zwischen Lohnarbeit und Kapital als gesellschaftliches Verhältnis, das sie zugunsten einer Emanzipation der Lohnarbeiter aufzuheben wünschten (siehe auch Was ist Kommunismus?). Diese Ziele - Freiheit und Gleichheit - entnahmen sie dem Ideenfundus der Aufklärung und der französischen Revolution. Der „Sozialismus“ des Nationalsozialismus hingegen bezieht sich auf die angeblich „natürliche“ Ordnung einer völkischen/ethnischen und rassischen/genetischen „Volksgemeinschaft“, der der Einzelne entweder von Geburt an zugehörte, von der er aber auch abgestoßen werden konnte. Das Verhältnis zu anderen ethnischen Gemeinschaften wird so nur vom Prinzip des Überlebenskampfes bestimmt, bei dem das stärkere Kollektiv obsiegt und das schwächere untergeht.

Solcher Rassismus und Sozialdarwinismus ist nicht allen zeitgenössischen Formen des Rechtsextremismus eigen. Es ist daher unangemessen, wenn man jeden Rechtsextremisten pauschal und undifferenziert als „Nazi“ bezeichnet - man verharmlost dabei unter Umständen auch noch die rassistische Qualität des Nationalsozialismus.

Selbstverständlich gibt es aber im zeitgenössischen Rechtsextremismus „Neonationalsozialisten“. Das sind mehr oder weniger offene Anhänger der seit 1945 unwiderruflich verbotenen NSDAP. Wer also das Programm der NSDAP von 1920 oder später schätzt, den Holocaust leugnet oder relativiert und sich einen völkischen Führerstaat anstelle der Demokratie wünscht, der darf durchaus als „Neonazi“ bezeichnet werden.

Das waren bis Mitte der 1980er Jahre nicht mehr als rund 1.400 Personen (1), aber seither hat sich der deutsche Rechtsextremismus gewandelt. Der neonationalsozialistische Sektor hat sich ausgeweitet und die NPD, bei der Gründung 1964 eine eher konventionell deutschnational-chauvinistische Partei, hat sich für den Neonationalsozialismus geöffnet und wird inzwischen von ihm ideologisch bestimmt. Rechnet man also zu den bekennenden Neonazis aus den sogenannten „Kameradschaften“ (rund 5.800) die Masse der heute rund 5.200 NPD-Mitglieder (2), so kommt man, gemeinsam mit einem einschlägigen Teil der „subkulturellen Rechtsextremisten“ (Skinheads) auf eine fünfstellige Anzahl von Anhängern eines „harten“ neonationalsozialistischen Rechtsextremismus.

– Rudolf van Hüllen

Anmerkungen

(1) Nach dem Verfassungsschutzbericht 1985, S. 140, exakt: 1.420 Personen.

(2) Verfassungsschutzbericht 2015, S. 45. Es gibt zahlreiche Doppelmitgliedschaften: in „Kameradschaften“ oder vergleichbaren Strukturen tätige Neonazis, die zugleich Mitglieder/Funktionäre der NPD sind. Der Bericht erwähnt an gleicher Stelle 8.200 „subkulturelle Rechtsextremisten“.