Sind Antidepressiva wirklich wirksam? Diese Frage wird seit geraumer Zeit heftig und kontrovers diskutiert. Jetzt zeigt die bislang größte Netzwerk-Metaanalyse, dass alle gebräuchlichen 21 Antidepressiva in der Akutbehandlung depressiver Störungen wirksamer sind als Placebo. Allerdings unterscheiden sich die Antidepressiva hinsichtlich ihrer Wirkung und auch ihrer Verträglichkeit ganz erheblich. Show
In die Auswertung flossen 522 Studien und viele unpublizierte Daten ein. Untersucht wurden die in Europa, USA und Japan zugelassenen Antidepressiva der zweiten Generation: Agomelatin, Bupropion, Citalopram, Desvenlafaxin, Duloxetin, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Levomilnacipran, Milnacipran, Mirtazapin, Paroxetin, Reboxetin, Sertralin, Venlafaxin, Vilazodon und Vortioxetin. Außerdem waren die beiden Trizyklika Amitriptylin und Clomipramin sowie Tradozon und Nefazodon berücksichtigt worden. Die metaanalytische Auswertung umfasste insgesamt 116 477 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Depression. Sie erhielten acht Wochen lang entweder eines der oben aufgeführten Antidepressiva (n = 87 052) oder aber Placebo (n = 29 425). Die Wirksamkeit („Efficacy“) wurde ermittelt anhand der Rate des Ansprechens (Reduktion der depressiven Symptome ≥ 50%). Eine höhere Wirksamkeit zeigten dabei Agomelatin, Amitriptylin, Escitalopram, Mirtazapin, Paroxetin, Venlafaxin und Vortioxetin, die niedrigste Fluoxetin, Fluvoxamin, Reboxetin und Trazodon. Die ensprechenden Odds Ratios (OR) lagen zwischen 2,13 für Amitriptylin und 1,37 für Reboxetin (siehe Tab. 1).
In der Verträglichkeit („Acceptability“), beurteilt anhand der Rate (wie auch immer bedingter) Abbrüche, unterschied sich die Mehrheit der Antidepressiva von Placebo nicht signifikant (siehe Tab. 2). Am besten vertrugen die Patienten Agomelatin (OR: 0,84%) und Fluoxetin (OR: 0,88), gefolgt von Citalopram, Escitalopram, Sertralin und Vortioxetin. Eine erheblich schlechtere Verträglichkeit als Placebo zeigten dagegen Amitriptylin, Duloxetin, Fluvoxamin, Reboxetin, Trazodon und Venlafaxin sowie Clomipramin. Unter Letzterem wurden 30% mehr Studienabbrüche verzeichnet als unter Placebo.
Nutzen-Risiko-Verhältnis: Drei „Winner“ und drei „Looser“
Unter Berücksichtigung von Effektivität und Verträglichkeit wurden besonders drei Antidepressiva als empfehlenswert beurteilt, und zwar Agomelatin, Escitalopram und Vortioxetin. Am schlechtesten in dieser Nutzen-Risiko- Bestimmung schnitten Fluvoxamin, Reboxetin und Trazodon ab. GS Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.
Quelle: Cipriani A et al.: Comparative efficacy and acceptability of 21 antidepressant ... Lancet 2018 [Epub 21.2.2018; doi: 10.1016/S0140-6736(17)32802-7; Parik SV, Kennedy SH: More data, more answers: picking ... Lancet 2018; [Epub 21.2.2018; doi 10.1016/ S0140-6736(18)30421-5 Antidepressiva werden in erster Linie zur Behandlung von sowie Angst- und eingesetzt. Zu den am häufigsten verwendeten Substanzen gehören die (), die () und . Antidepressiva modulieren (insb. , und/oder ). Das passende Medikament wird hauptsächlich anhand des Nebenwirkungsprofils ausgewählt. werden aufgrund des ungünstigeren Nebenwirkungsprofils (anticholinerge Wirkung, Gewichtszunahme, geringe ) eher als Mittel der zweiten Wahl eingesetzt. Bei der Kombination von Antidepressiva mit anderen serotonerg wirksamen Substanzen muss die Gefahr eines beachtet werden. Wirkstoffe und DosierungshinweiseFür Informationen sei auf die in AMBOSS vorhandene ifap-Arzneimitteldatenbank verwiesen. ÜbersichtEinteilung anhand des Wirkprofils [1]Für eine detaillierte Übersicht siehe auch: . Selektive und [1]Entsprechend der Namensgebung hemmen die Substanzen die Wiederaufnahme von Monoaminen (insb. , und/oder ) im und führen so zu einer Erhöhung der Monoamin-Spiegel. Selektive und [1] SubstanzgruppeSubstanzenÜberwiegende Neurotransmitterwirkung(Primärer) WirkmechanismusSelektive Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren ()
Merkspruch: „Ein Paar zittert sehr flugs“
Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Inhibitoren ()
Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahme-Inhibitoren ()
Selektive Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahme-Inhibitoren ()
Nicht-selektive Monoamin-Wiederaufnahme-Inhibitoren: ()
Weitere Substanzen mit antidepressiver Wirkung [1]Die meisten der hier aufgeführten Substanzen führen (über unterschiedliche Wege) zu einer Erhöhung der Monoamin-Spiegel (insb. , und/oder ). Weitere Substanzen mit antidepressiver Wirkung [1]SubstanzgruppeSubstanzenÜberwiegende Neurotransmitterwirkung(Primärer) Wirkmechanismus MAO-Hemmer (MAOH)
() mit Antagonismus am (α2AR-Antagonist)
Serotonin-Antagonist und -Wiederaufnahme-Inhibitor (SARI)
Allgemeiner Wirkmechanismus [1]
Spezieller Wirkmechanismus [1]Für eine gröbere Übersicht der Wirkung von Antidepressiva siehe: . Wirkmechanismen von Antidepressiva [1]Wiederaufnahmehemmung vonAntagonismus amAntidepressivum mACh-R H1-R 5-HT2-R DA-R α1-R α2-R A–D00000++000++++(+)+++++++(+)+++0(+)++++(+)(+)(+)0+(+)+++(+)00+00(+)0+++++(+)++++(+)++0+++(+)++++++0+++0+++++(+)(+)0+(+)0E–M+++(+)00(+)00(+)0+++(+)(+)(+)(+)+(+)(+)0+++(+)0000(+)(+)0++++(+)+(+)+0+0++++0000000(+)00(+)+++++0+++N–V++++(+)+++0+0+++(+)(+)+00+(+)00+++0000000+++(+)+(+)00+00++000+++0++0(+)(+)(+)++++++++++++0++++(+)000(+)00Legende
PharmakokinetikDie meisten Antidepressiva haben bei oraler Einnahme folgende Eigenschaften (Details und Ausnahmen siehe: ) [4]:
Pharmakokinetik gängiger Antidepressiva [1][4][5]SubstanzZeit bis Erreichen des max. Plasmaspiegels Hauptsächlich beteiligte des A–D1–2 h1–2 h10–28 hCa. 1–5 h, , 9–25 hCa. 5 hCYP2B638–48 h1–5 h20–26 h3–4 h (Retardpräparat: 5–8 h), , 13–26 h2–4 h, 9–19 hCa. 6 hE–MZeit bis Erreichen des max. PlasmaspiegelsHauptsächlich beteiligte des 27–32 hCa. 4 h1–6 Tage 6–8 h, , 21–43 h3–8 h, 11–25 hCa. 2 h, , 5–8 h2 hKeine relevante 20–40 hCa. 2 h, , 2–7 hCa. 1 hN–VZeit bis Erreichen des max. PlasmaspiegelsHauptsächlich beteiligte des ∼30 h4–6 h8–30 h2–8 h, 22–36 hCa. 4–8 hCYP2B6, 2,5–3 h1–2 hKeine relevante1,5–3 h0,5–3 hHepatische ohne Beteiligung des 5–8 hCa. 1 h23–24 hCa. 2–3 h, 3–5 h (Retardpräparat: 14–18 h)2–4 h (Retardpräparat: 8–9 h) , NebenwirkungAllgemeines [1][3]
Typische [2][3]Antidepressiva einer Substanzgruppe beeinflussen auf eine ähnliche Weise und haben daher i.d.R. auch ein ähnliches Nebenwirkungsprofil. Innerhalb einer Substanzgruppe finden sich teilweise einzelne Abweichungen (siehe auch: ). Für eine substanzspezifische Übersicht der Nebenwirkungen siehe: . Typische (aufgeteilt nach Rezeptorwirkung) [1][3][7]Nebenwirkungen (Auswahl) [1] () () Blockade vonSERT
Spezifische Nebenwirkungsprofile von Antidepressiva [1]Nebenwirkungsprofile gängiger Antidepressiva[1]Gastrointestinale NebenwirkungenSchlafstörungen, Agitation Sexuelle Funktions-störungen Orthostatische Hypotonie Gewichts-zunahme-Veränderungen bei ÜberdosierungSelektive Monoamin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (zusammengefasst)0++0+++++00/+0/+0/+ (einzelne Substanzen)0++0+++++0(+)++0++0+++++00+00++0+++++00(+)00++(+)+++00000++0+++++00(+)0(+)++0+++++0+(+)0 (zusammengefasst)0++0++++000/(+)0/+ (einzelne Substanzen)0++0++++00000++0++++00(+)+0++0++++00000+0+++000+Amitriptylin-Typ+++0+++0+++++++++++++++++0+++0+++++++++++++++++0+++0++++++++++++++Imipramin-Typ++0++++++++++++++++++++++++++++++Desipramin-Typ+00++++++++++Weitere Substanzen00+0+000000++0++++(+)+000++00(+)00++0+++0000000++++++00+++0++++0+++0++Legende
Es werden die wichtigsten Nebenwirkungen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit. AbsetzsymptomeMerkmale [1][8]Absetzsymptome bei Antidepressiva sind Entzugssymptome, die jedoch nicht mit einer Abhängigkeit gleichzusetzen sind.
Das Auftreten von Absetzsymptomen ist nicht mit einer Abhängigkeit gleichzusetzen! Klinisches Bild [1][8]
FINISH – Flu Symptoms, Insomnia, Nausea, Imbalance, Sensory Disturbances, Hyperarousal Substanzen [1][8]Das Risiko für Absetzsymptome ist u.a. abhängig von
Substanzspezifisches Risiko für RisikoSubstanzenSehr hoch [1][8]
Behandlungsoptionen [1][8]
Serotonerges SyndromEpidemiologie [10]
Ätiologie [12][13][14][15]Beim serotonergen Syndrom handelt es sich um eine serotonerge Überstimulation, die durch die Einnahme serotonerg wirksamer Substanzen, i.d.R. Antidepressiva, hervorgerufen werden kann. Mögliche UrsachenBei Dosierungen im normalen Bereich tritt ein i.d.R. nur bei folgenden Konstellationen auf.
Auslöser und deren Mechanismen
Pathophysiologie [17]
Symptome [10][18][19]
Symptomtrias des : Psychopathologische Auffälligkeiten, neuromuskuläre Hyperaktivität und autonome Instabilität! Bei dem Auftreten der Symptome , und in Kombination mit der Einnahme serotonerg wirksamer Substanzen muss unbedingt an das mögliche Vorliegen eines gedacht werden! Verlauf
Diagnostik [12][19]Die Diagnose eines erfolgt klinisch. Aufgrund der hohen und haben sich die Toxizitätskriterien nach Hunter etabliert:
Differenzialdiagnosen [10][12][19]
Therapie [10][19]Die Behandlungsstrategie eines richtet sich nach dem Grad der Ausprägung der klinischen Symptomatik.
Schon bei V.a. das Vorliegen eines muss die auslösende Substanz unmittelbar abgesetzt werden! Komplikationen
[11][14]
Bei Verordnung, insb. bei Polypharmazie, müssen Wechselwirkungen von Medikamenten beachtet werden! Die Kombination von und serotonerg wirksamen Antidepressiva ist kontraindiziert! Kardiovaskuläre NebenwirkungenAllgemein [1]Risikofaktoren
Maßnahmen zur Minimierung kardialer Risiken
Bei kardialen Vorerkrankungen sollte nicht mit behandelt werden! [1]
Orthostatische Hypotonie [1][22]
Tachykardie [1][22]
Verlangsamung der kardialen Erregungsleitung [1]
[1][22]
Weitere Nebenwirkungen[1]
[1]Eine durch Antidepressiva ist eigentlich eine Nebenwirkung, die aber auch zur Behandlung von Schlafstörungen oder Unruhe therapeutisch genutzt wird.
Übelkeit, Erbrechen, [1][23]
Gewichtszunahme [1][24]
Blutungsrisiko [1][25]
[1]
[1][26]Einige wenige Substanzen erhöhen das Risiko für , während s und s im therapeutischen Dosisbereich eher antikonvulsiv wirken.
[1]Antidepressiva können das Suizidrisiko zeitweise erhöhen, worüber Betroffene und Angehörige aufgeklärt werden sollten. Insgesamt wirkt eine Therapie mit Antidepressiva jedoch protektiv hinsichtlich .
Leberschädigung [1][27]
[1]
[1]
IndikationTypische IndikationBevorzugte Substanzen bei Indikation für ein Antidepressivum [1]
[1]
[1]
[1]
[1]
KontrolluntersuchungenEmpfohlene Kontrolluntersuchungen [1]Der Umfang der Kontrolluntersuchungen kann je nach Behandlungsfall und Risikokonstellation entsprechend der jeweiligen Fachinformationen angepasst werden. Bei Frauen im gebärfähigen Alter sollte vor Behandlungsbeginn das Vorliegen einer mittels abgeklärt werden. Empfohlene Untersuchungen im Rahmen einer Behandlung mit Antidepressiva [1]UntersuchungZeitpunkteVor BehandlungsbeginnIn BehandlungsmonatAb 7. Behandlungsmonat123456VierteljährlichHalbjährlichAlle Antidepressiva (außer )BlutbildaXX————X—XcXX————X—XcX XdX XdXd——X—Xc,dLeberenzymeeXX————X—XcBlutzucker, X——Xf——Xf—XfXXh————Xd,g,h—Xc,d,g,hPuls, BlutdruckiXX—X——XXj—Körpergewicht (), BauchumfangfXXXfXXfX——X—XBlutbildbXXXXXXXXXX—XX—X——X—XXXXdXd——X—XLeberenzymeXXXX——XX—Blutzucker, X——Xf——Xf—XfXX—X——X—Xd,gPuls, BlutdruckXXXX——XX—Körpergewicht (), BauchumfangfXXXfXXfXXXXX—Legende
Therapeutisches Drug Monitoring [1][4]
Besondere PatientengruppenÄltere Personen [1]
Substanzspezifisches Risiko der Antidepressiva im höheren Lebensalter [1]RisikoSubstanzGering
Kinder und Jugendliche [5]
Gängige Antidepressiva bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen [5]SubstanzenIndikationZulassungsalter und jeweilige DosierungenBesonderheiten
und Stillzeit [1]Die folgenden Informationen sollten auch bei bestehendem Kinderwunsch beachtet und möglichst eine Substanz gewählt werden, die im Falle einer fortgeführten Einnahme in der geeignet ist. Für weitere Angaben zu den einzelnen Wirkstoffen in und Stillzeit sei auf die Seite von Embryotox verwiesen (siehe: Tipps & Links) [29].
MeditricksIn Kooperation mit bieten wir dir durchdachte Merkhilfen zum Einprägen relevanter Fakten, dies sind animierte Videos und Erkundungsbilder. Die Inhalte sind vielfach auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend. Viele gibt es in Lang- und Kurzfassung, oder mit Basis- und , Quiz und Kurzwiederholung. Eine Übersicht über alle Inhalte findest du in dem Kapitel . gibt es in unterschiedlichen Paketen – welche, siehst du im Shop. Was ist besser als Amitriptylin?Clomipramin und Imipramin dämpfen weniger als Amitriptylin und Doxepin. Alle trizyklischen Antidepressiva werden als "geeignet" bewertet, um mittelschwere bis sehr schwere Depressionen zu behandeln.
Welche Alternative gibt es zu Amitriptylin?Depressionstherapie: Johanniskraut erweist sich als verträgliche Alternative zu Amitriptylin. In den meisten bisherigen Vergleichsstudien wurde die Wirksamkeit von Johanniskrautextrakt bei leichter bis mittelschwerer Depression gegenüber Imipramin geprüft.
Kann man mit Amitriptylin besser schlafen?Niedrig dosierte Antidepressiva wie Trimipramin, Doxepin und Amitriptylin verkürzen die Einschlafzeit und die nächtlichen Wachphasen, unterdrücken aber den REM-Schlaf.
Ist Amitriptylin ein gutes Antidepressiva?Amitriptylin gehört zur Klasse der Antidepressiva, die zur Behandlung von Fibromyalgie empfohlen werden. Obwohl Amitriptylin häufig zur Behandlung von Fibromyalgie eingesetzt wird, ergab ein Review aus dem Jahr 2012 keine Evidenz von guter Qualität, die die Anwendung des Arzneimittels unterstützt.
|