Warum muss eine Theorie falsifizierbar sein?

Hypothesen müssen bei der Theoriebildung darauf überprüft werden, ob sie widerlegbar (falsifizierbar) sind. Die Hypothesenformulierung muss die Falsifizierbarkeit grundsätzlich zulassen. Werden Hypothesen in der Empirie widerlegt, sind sie zu verwerfen. Eine Hypothese kann grundsätzlich nicht verifiziert werden, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie sich nicht doch — ggfs. unter anderen Umständen — als falsch erweist.

In der Wirtschaftssoziologie: Eigenschaft einer Hypothese oder Theorie, empirisch widerlegbar (falsifizierbar) zu sein; zentrales Konzept der Forschungslogik des kritischen Rationalismus. Um falsifizierbar zu sein, müssen die Aussagen der Theorie die Form von Allsätzen haben (Alle Schwäne sind weiss.), da aus deren Negativformulierung (Es gibt keine nicht-weissen Schwäne.) durch Hinzufügung einer Raum-Zeit-Bestimmung ein Basissatz ableitbar ist (An der Raum-Zeit-Stelle k gibt es keinen nicht-weissen Schwan.), der durch eine einzige entgegenstehende Beobachtung, ebenfalls als Basissatz formuliert (An der Raum-Zeit-Stelle k gibt es einen schwarzen Schwan.), widerlegt werden kann. Damit ist neben dem entgegenstehenden Basissatz die Ausgangshypothese falsifiziert. Die Eigenschaft der Verifizierbarkeit haben hingegen nur Aussagen in Form von Existenzsätzen (Es gibt weisse Schwäne.). Diese können zwar durch eine einzige zutreffende Beobachtung bestätigt (verifiziert), wegen der fehlenden Möglichkeit der Ableitung von Basissätzen aber nicht falsifiziert werden. Umgekehrt können falsifizierbare Allsätze nicht verifiziert werden (Asymmetrie von Falsifizierbarkeit und Verifizierbarkeit).

Popper-Kriterium

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  • 08. Aug 2014
  • Lesedauer ca. 3 Minuten

Bei Internetdiskussionen zur Wissenschaft fällt immer wieder das Schlagwort Falsifizierbarkeit. Jede wissenschaftliche Theorie müsse falsifizierbar sein. An der Falsifizierbarkeit erkenne man sofort den Unterschied zwischen richtiger Wissenschaft und Pseudowissenschaft oder Esoterik. So einfach ist es aber nicht.

Falsifizierbar ist eine Theorie, wenn sie konkret genug ist, dass sie durch ein Experiment oder eine Beobachtung widerlegt werden kann. Zeigen Sie mir eine trockene Straße im Regen und ich muss die Theorie “Wenn es regnet, ist die Straße nass.” zurückziehen. Dieser Satz ist, wenn ich ihn als Theorie verstanden haben möchte, falsifizierbar.1

In der Wissenschaftstheorie von Karl Popper ist Falsifizierbarkeit ein wichtiges Kriterium für wissenschaftliche Theorien. Dieser kritische Realismus besagt, dass eine Theorie rationalistisch, also auf Logik beruhend, erstellt und dann am Experiment kritisch überprüft wird. Die Überprüfung kann bei einer gemeingültigen Aussage niemals durch einen experimentellen Beweis erfolgen, denn eine Theorie hat eine unbeschränkte Menge an Anwendungsfällen, die selbstverständlich nicht alle überprüft werden können. Es bleibt also nichts anderes als eine Theorie solange als mögliche Wahrheit hinzunehmen, bis sie durch Beobachtung einer Abweichung wiederlegt ist. Diese Beobachtung einer Abweichung ist die Falsifikation.

Nicht in allen Ansätzen zur Wissenschaftstheorie ist Falsifizierbarkeit so zentral. Eine Theorie muss nicht am Experiment scheitern.2 So sind die spezielle Relativitätstheorie und die Lorentzsche Äthertheorie in ihren experimentell zugänglichen Aussagen identisch. Beide wären mit demselben Experiment falsifiziert. Beide haben bisher jeder Überprüfung standgehalten. Dennoch ist die Lorentzsche Äthertheorie gescheitert, weil sich auf ihr als Basis nichts weiter aufbauen ließ. Sowohl die Quantenelektrodynamik als auch die allgemeine Relativitätstheorie bauen auf die spezielle Relativitätstheorie auf und können, zumindest bisher, nicht mit einem Ätherkonzept in Einklang gebracht werden.

Dazu kommt die größere Tiefe der Relativitätstheorie. Während in der Lorentzschen Äthertheorie der relativistische Faktor einfach vom Himmel fällt3, kann er in der Relativitätstheorie aus sehr einfachen Grundannahmen hergeleitet werden. Die relativistischen Effekte wirken in der Äthertheorie künstlich herbeigeführt, in der Relativitätstheorie erschließen sie sich logisch aus grundlegenden Prinzipien.

Es gibt also durchaus Theorien, die aus anderen Gründen Scheitern als an der erfolgten Falsifizierung oder der fehlenden Falsifizierbarkeit. Umgekehrt halten sich Theorien bisweilen recht lange in der Wissenschaft, ohne je ihre Falsifizierbarkeit unter Beweis zu stellen. Weder die Stringtheorien, noch die Ansätze der Loop Quantengravitation haben es bisher geschafft, eindeutige experimentelle Vorhersagen zu machen, an denen sie gemessen werden können.

Natürlich liegt das zum großen Teil daran, dass auch die modernsten Teilchenbeschleuniger nicht den Energiebereich erreichen, in dem Effekte von Stringtheorie oder Quantengravitation zum Tragen kämen. Man könnte also einwenden, beide Theoriegruppen seien im Prinzip falsifizierbar, es fehle nur noch an der technischen Leistungsfähigkeit der Experimente. Das aber ist ein schwaches Argument, das ich genau so auch bei esoterischen Theorien gefunden habe. Auch die bestehen oft darauf, man könne ihre postulierten Effekte gerade noch nicht messen, aber prinzipiell sei alles überprüfbar.

Dass Stringtheorien anerkannter Teil der Wissenschaft sind, Rupert Sheldrakes morphogenetische Felder aber nicht, liegt nicht an ihrer Falsifizierbarkeit, sondern an ihrem Potenzial. Stringtheorien passen in die moderne Physik, es ist nicht sicher, aber sie haben das Potenzial, den Teilchenzoo etwas zu lichten und zu erklären, warum es gerade die Elementarteilchen gibt, die wir beobachten. Für die morphogenetischen Felder fehlt dagegen das Phänomen, das damit zu erklären wäre und sie passen nicht in das Bild, das wir zur Zeit von der Natur haben.

1. Verwende ich ihn als Vorurteil, dann bestätigt die Ausnahme die Regel.

2. Auf den Konstruktivismus möchte ich in diesem Artikel nur in einer Fußnote verweisen.

3. Diese Formulierung stammt aus Hermann Minkowskis Vortrag Raum und Zeit

Warum muss eine Theorie falsifizierbar sein?

Joachim Schulz ist Gruppenleiter für Probenumgebung an der European XFEL GmbH in Schenefeld bei Hamburg. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann in der Quantenoptik, in der er die Wechselwirkung einzelner Atome mit Laserfeldern untersucht hat. Sie führte ihn unter anderem zur Atomphysik mit Synchrotronstrahlung und Clusterphysik mit Freie-Elektronen Lasern. Vier Jahre hat er am Centre for Free-Electron Laser Science (CFEL) in Hamburg Experimente zur kohärenten Röntgenbeugung an Biomolekülen geplant, aufgebaut und durchgeführt. In seiner Freizeit schreibt er zum Beispiel hier im Blog oder an seiner Homepage "Joachims Quantenwelt".

Sind Theorien falsifizierbar?

Theorien können grundsätzlich nicht bestätigt werden, weil nie ausgeschlossen werden kann, dass in Zukunft widersprüchliche Fälle auftreten, die mit ihnen im Konflikt stehen. Dennoch können Theorien durch Forschungshypothesen falsifiziert werden.

Wann ist eine Theorie falsifiziert?

Um eine Theorie zu falsifizieren, müssen Phänomene existieren, die der Theorie zuwiderlaufen, diese müssen korrekt beobachtet worden sein, die entsprechenden Basissätze müssen wahr sein.

Wann ist eine Theorie nicht falsifizierbar?

Eine Theorie kann nach Popper nur dann empirisch sein, wenn es möglich ist, dass ihr Beobachtungssätze widersprechen. Dies aber ist nur möglich, wenn sie ausschließt, dass bestimmte beobachtbare Sachverhalte stattfinden werden.

Warum Falsifikation?

In der Wissenschaft steht die Falsifikation im Rahmen einer Validierung als Ergebnis neben der Verifizierung. In der Wissenschaftstheorie nach Karl Popper nimmt die Falsifizierbarkeit einer Theorie oder Hypothese eine zentrale Rolle ein. Sie ist eine formale Anforderung an eine Aussage oder Vorhersage.