Sie macht musik nur wenn sie kraut isst

Pforzheim. Wo soll man da nur anfangen? Einen Zaubertrick gibt es zu sehen, viel Musik zu hören und zu lachen mehr als genug. Vier Künstler drücken sich am Samstagabend im Innenhof des Kulturhauses Osterfeld bei der ersten Ausgabe von „Komik im Quadrat“ gegenseitig die sprichwörtliche Klinke in die Hand. Jeder von ihnen weiß genau, was er tun muss, damit das mit ausreichend Abstand auf Gartenstühlen sitzende Publikum auf seine Kosten kommt.

Andy Ost. Foto: Roller

Wie wäre es zum Beispiel mit einem Lied, in dem kräftig in B-Dur gestöhnt wird? Ein solches hat Andy Ost im Gepäck. Und nicht nur das: Er hat auch herausgefunden, dass Herbert Grönemeyer schon vor 30 Jahren über eine Veganerin mit gutem Stoffwechsel sang: „Sie macht Musik nur, wenn sie Kraut isst.“ Der Comedian bringt Kinderlieder auf den aktuellen Stand, philosophiert über Pastinaken und über die Head-Down-Gesellschaft, in der alle nur noch mit gesenktem Kopf auf ihr Handy starren.

"Wenn das so weitergeht, dann erledigt sich das Problem von allein, denn dann bin ich keine Künstlerin mehr, sondern Sachbearbeiterin."

Als Künstlerin hatte Katalyn Hühnerfeld in den vergangenen Wochen noch mehr Stress als sonst. Der Grund: Sie musste sich durch den "Corona-Soforthilfe-Unterstützungs-Dschungel" quälen.

Ein Phänomen, das auch Helge Thun wohl bekannt ist. Er hat festgestellt: Der Selfiestick eignet sich hervorragend, um den Sicherheitsabstand einzuhalten und um auf dem Raststätten-Klo zu schauen, welche Kabine noch frei ist. Na, lecker. Dann doch lieber Gedichte. Egal, ob es um das Autokino, um die Hamsterkäufe oder um Sommerreifen geht: Thun kann zu jedem Thema lyrische Zeilen formen. Rappen kann er auch – als MC Burger King mit Pappkrone auf dem Kopf.

Katalyn Hühnerfeld. Foto: Roller

Als Manni Mirakel erklärt er im Jogginganzug Weisheiten aus Fernost und zusammen mit Katalyn Hühnerfeld die Abstandsregeln. Er singt, sie verwandelt seine Worte in Gebärdensprache. Als Künstlerin hatte Hühnerfeld in den vergangenen Wochen noch mehr Stress als sonst. Der Grund: Sie musste sich durch den „Corona-Soforthilfe-Unterstützungs-Dschungel“ quälen: „Wenn das so weitergeht, dann erledigt sich das Problem von allein, denn dann bin ich keine Künstlerin mehr, sondern Sachbearbeiterin.“ Und weil sie ihre Kinder zu Hause unterrichtet, kann sie jetzt auch wieder das kleine Einmaleins. Aber jetzt mal im Ernst: Jammern ist nicht ihr Ding. Sie verbreitet lieber Urlaubsstimmung, indem sie bekannten Hits einen neuen Refrain verpasst.

Anna Matuschka. Foto: Roller

Indessen regt Poetry-Slammerin Anna Matuschka mit ihren Texten zum Nachdenken an. Etwa, indem sie die Eindrücke eines Spaziergangs mit existenziellen Fragen des Menschseins verbindet.

Benefizkonzert am Hadamarer Schlossplatz

Montag, 23. August 2021, Nassauische Neue Presse / Lokales

3 G-Regeln zur Stimmungsaufhellung

HADAMAR - Benefizkonzert mit Andy Ost - Lions spenden hohen vierstelligen Betrag

Kein Tag vergeht, an dem nicht auf die Notwendigkeit der 3 G-Re- gel hingewiesen wird. Jeder kennt die Formel, wendet sie an und wartet auf ein Ende der kräftezehrenden Pandemie. Am Samstag- abend gab es zusätzlich zu diesem 3 G-Pflichtprogramm für die all- gemeine Gesundheit einen 3 G-Stimmungsaufheller - jedenfalls für jene, die den Abend mit Comedian und Musiker Andy Ost auf dem Schlossplatz verbrachten. Der Lions Club Limburg Nassau hatte zu einem Benefizkonzert eingeladen, selbstverständlich mit dem Hinweis auf seine 3 G-Ergänzung: Gutes Wetter, guter Zweck und gute Unterhaltung, kündigte Lions-Präsident Peter Steinhauer auf dem ausverkauften Platz an, warb für das ehrenvolle Ziel der Veranstaltung, das die Not der Hochwasseropfer im Ahrtal lindern soll, und überließ Andy Ost die Bühne.

Der war bester Stimmung: Er habe in den vergangenen Monaten sehr häufig vor Autos gespielt, rief Ost in die Menge. An diesem Abend endlich wieder vor Menschen zu stehen, überwältige ihn. Sprach- oder geräuschlos machte ihn das Ambiente freilich nicht. Im Gegenteil: Bereits nach wenigen Augenblicken war das Publi- kum zu Gast im Ost'schen Familienleben, erfuhr Details zu Pla- nung und Umsetzung des Nachwuchses und wurde auf die span- nende Reise zu Andy Osts Vaterwerdung eingeladen. Das war viel- leicht ein etwas unvermitteltes Entree, das der Comedian für sein Programm gewählt hatte, zumal für den überwiegenden Teil der Zuhörer die eigenen Kreißsaal-Erlebnisse ein Weilchen zurücklie- gen dürften. Originell war dieser Einstieg dennoch, weil Ost sein Publikum sogleich in seine Show mit einbezog: Hadamar atmete sich in gemeinsamen B-Dur-Kadenzen frei.

Pastinaken an der russischen Grenze

Und das Familienkarussel drehte sich weiter: Liebeslieder aus prä- natalen Zeiten, die von Lavendelduft handeln, versachlichten sich zu musikalisch unterlegten Betrachtungen über Babynahrung. Da- bei räumte Andy Ost mit der Fehlannahme auf, bei Pastinaken handele es sich um einen berittenen Fellstamm, der die russische Grenze überwindet. Ob irgendjemand jemals geahnt habe, dass Pastinaken ein Gemüse, somit essbar und gerade für die Kleinsten überaus bekömmlich seien? Für Andy Ost war diese Entdeckung neu, und für seine Gäste auf dem Schlossplatz ebenso amüsant wie die weiteren Erkenntnisse zur Gesundheit. Ganz Corona-aktu- ell etwa lautete die Empfehlung, zu Hause Wein zu trinken, um da- durch außer Haus Leben zu retten. Die einprägsame Formel hier- zu: Inzidenz runter, Promille rauf.

Ein weiteres Themenfeld, durch das Andy Ost seine Gäste zielsi- cher führte, hieß: Selbstfindung oder Selbsterfindung, wie sie etwa die Anwärter aufs Bundeskanzleramt betreiben. Die Grünen-Politi- kerin Annalena Baerbock, die Andy Ost zufolge "1968 in Wood- stock prä-inkarniert als Gitarre von Jimi Hendrix" dabei war. Oder CDU-Mann Armin Laschet, der die Zeugen Jehovas mit einem Ge- sprächsangebot aus der Fassung bringt, weil sie bis zur Begeg- nung mit dem Kandidaten nie mehr als einen Halbsatz losgewor- den seien. Ein wenig deftiger fiel seine Beschreibung eines Schnupperkurses "Blähungen als Botschaft" aus.

Am eindrucksvollsten an diesem Abend aber waren Osts Musik- parodien. Herbert Grönemeyers Verschnitt "Sie macht Musik nur, wenn sie Kraut isst, wenn sich nachts die Decke hebt" oder die krachenden Akkorde von "I Don't Like Mondays" der Boomtown Rats, über die Andy Ost sein distanziertes Verhältnis zu Rolf Zu- ckowskis Kinderschlagern legte. Eine neue Textversion hatte Ost auch für Max Giesinger dabei, bei Eros Ramazzotti wurde die In- haltsleere des Textes mit einer Extraportion Stimmschmalz aufgewogen, und Lady Gaga könnte alles singen, solange es nicht um "Wilfried aus Kolbermoor" geht. Begleitet wurde Andy Ost auf die- sem musikalischen Höhenritt von Achim Gössl (Piano) und Mirko Sander (Gitarre) - und von 300 Gästen, die auf dem Schlossplatz einen vergnügten und unterhaltsamen Abend erlebten.

Die Spendensumme für die Hochwasseropfer in Ahrweiler rangier- te im oberen vierstelligen Bereich, sagte Lions-Präsident Peter Steinhauer.

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