Wer ist sophia von dahlwitz

Ich mag die Bilder von Paula Modersohn-Becker und ich liebe Worpswede. Daher hatte ich mich auf dieses Buch von Sophia von Dahlwitz gefreut. Der Klappentext kündigt es an als „faszinierenden Roman über das Spannungsverhältnis von Kunst und Leben“.

Sophia

von Dahlwitz ist das Pseudonym einer, laut Verlagsinfo, erfolgreichen deutschen Autorin. Mir erschließt sich allerdings nicht, warum man einen Roman über eine historische Persönlichkeit unter einem Pseudonym veröffentlicht, warum man als Autorin sich also nicht zu diesem Buch bekennen kann/möchte. Aber sie hatte vermutlich ihre Gründe…

Der Roman greift nur ein kleines Stück aus dem Leben der Malerin heraus, er erzählt von Begebenheiten im Sommer 1900, als sich etliche Kunstschaffende in Worpswede versammeln, darunter eben auch die junge Paula Becker. Zwischen ihr und dem frisch verwitweten Otto Modersohn bahnt sich eine enger werdende Beziehung an, was jedoch mehr von ihm als von ihr ausgeht. Paula selbst wäre auch den Annährungsversuchen des Dichters Rainer Maria Rilke nicht abgeneigt, der sie gleichfalls umwirbt.

Paula Becker kämpft um diese Zeit mit großen finanziellen Schwierigkeiten, ihr Vater kann und will sie nicht mehr unterstützen und drängt sie, einen „vernünftigen“ Beruf zu ergreifen. Gleichzeitig sehnt sich Paula danach, wieder nach Paris zu gehen, um dort zu malen und zu lernen.

Wer sich ein wenig mit der Biographie der Malerin beschäftigt, weiß um diese Belastungen und auch um die Schwierigkeiten in ihrer Beziehung und späteren Ehe mit Otto Modersohn. Und wer den wirklich hervorragenden Roman von Klaus Modick „Konzert ohne Dichter“ gelesen hat, kennt auch die sich um Rilke und sein Verhältnis zu den Worpsweder Künstlern, darunter natürlich besonders Clara Westhoff, rankenden Geschichten.

Sophia von Dahlwitz versucht, die Gefühle und Manierismen der Künstler für die Leserin in Worte zu fassen. Ihre Schilderung von Paula Becker, ihren Sorgen und Träumen, ihrer Freundschaft mit Clara und ihrem problematischen Verhältnis zu Modersohn ist einigermaßen einfühlsam. Die Reibung zwischen den einheimischen Worpsweder Torfbauern und den „zugezogenen“ Künstlern ist greifbar und nachvollziehbar beschrieben. Besonders als Marleen, die kleine Tochter einer dieser Familien und Modell von Paula, verschwindet.

Trotzdem war ich mit diesem Roman nicht zufrieden. Die Autorin schafft es nicht, für eine der handelnden Personen Empathie zu wecken. Sie ist, trotz oder gerade wegen ihrer Art zu schreiben, zu weit weg von den Figuren. Das Problem ist, dass sie quasi „von einem Kopf zum anderen“ hüpft, mal die Gedanken von Paula und im nächsten Satz die von Clara, Rilke oder Modersohn darstellt. Das geht so extrem, dass man innerhalb eines Satzes erst im Kopf von Heinrich Vogeler, eines der Maler, ist und gleich darauf die Gedanken des den Tisch deckenden Dienstmädchens liest. So kann eine Autorin es nicht erreichen, dass die Leser*innen mit der Protagonistin mitfühlen, mitleiden. Und so entsteht auch keine Spannung. Dadurch gelang es dem Buch schließlich leider nicht, mich zu fesseln. Schade.

Sophia von Dahlwitz: Die Kunst und das Glück eines Sommers: Ein Paula-Modersohn-Becker-Roman.
Droemer, November 2019.
224 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.

Frau von Dahlwitz, Ihr kürzlich erschienenes Buch „Die Kunst und das Glück eines Sommers“ dreht sich um ein paar ereignisreiche Wochen im Leben von Paula Modersohn-Becker. Warum gerade sie? Es wurde doch schon so viel über sie geschrieben.

Sophia von Dahlwitz: Bei uns im Süden ist weder die Geschichte von Paula Modersohn-Becker noch Worpswede sehr bekannt. Ich habe ein Bild von ihr im Museum of Modern Art gesehen. Das fand ich wunderschön und habe mich daraufhin ein bisschen über ihr Leben informiert. Zufälligerweise hatte ich eine Lesung in Hannover und bin anschließend mit meinem Mann nach Worpswede gefahren. Ich war sehr begeistert von dieser wunderschönen Künstlerkolonie, und auch von Modersohn-Beckers Bildern. Was für eine interessante junge Frau sie doch war! Zu einer Zeit, in der Mädchen in der Regel allenfalls als Hobby malten, hat sie das Malen als ihre absolute Berufung entdeckt. Und dann hatte sie auch noch diesen ganz besonderen Stil.

Ihr Buch ist aber keine Biografie. Es ist ein Roman mit fiktiven Elementen.

Die biografischen Daten stimmen schon. Ich habe mich auf einen Zeitraum beschränkt, an dem Paula an einem Wendepunkt stand. Sie war ein paar Wochen zuvor aus Paris nach Worpswede zurückgekommen und wusste, dass sie entweder einen Beruf ergreifen oder heiraten musste, sonst hätte sie nicht weiter malen können. Sie hatte kein Geld mehr und ihre Eltern konnten sie nicht weiter unterstützen. In diesen Wochen passierte dann eine Menge. Otto Modersohn hatte ein Auge auf sie geworfen, und sie war ebenfalls verliebt in ihn. Gleichzeitig kam Rilke in Worpswede an und begann, mit ihr zu flirten. Sie war ein bisschen hin- und hergerissen, fand Rilke wohl sehr charmant. Das ist natürlich ein schöner Stoff, der mich veranlasst hat, ein Psychogramm einer außergewöhnlichen Frau zu probieren.

Wie würden Sie ihr Buch selbst einordnen? Ist es ein Liebesroman? Ein fiktiver Blick hinter die Kulissen? Eine Emanzipationsgeschichte?

Eine Emanzipationsgeschichte wäre mir lieb gewesen, das kann sie aber ja leider nicht sein, weil Paula zwar große Kunst geschaffen hat, aber immer finanziell abhängig war. Mein Ziel war es, Paula als Person über die Fiktion näherzukommen. Biografen dürfen nicht spekulieren. Ich schon.

Welche Teile sind erfunden?

Im Wesentlichen die Geschichte von einem verschwundenen Mädchen, das Paula zuvor gemalt hatte. Ansonsten war es mein Ziel, auch das Zusammenleben in Worpswede zu zeigen, die Dynamik zwischen den unterschiedlichen Künstlern, die Probleme, die Paula hatte, als Künstlerin akzeptiert zu werden. Das fiktive verschwundene Mädchen ist die Tochter eines Torfbauern und damit der Link zum harten Leben der ursprünglichen Bewohner – als Kontrastprogramm zum vergleichsweise entspannten Dasein der Künstler, die sich für die pittoreske Landschaft und die Unverfälschtheit der Menschen begeisterten. Aber sich für deren Sorgen eher wenig interessierten.

Ein bisschen belächeln Sie die Künstlergruppe in Ihrem Buch, oder täuscht das Gefühl?

Ja, das tue ich. Ich belächle sie allerdings eher aus der Perspektive von Menschen, die unglaublich viel arbeiten mussten, um genug zu essen zu haben. Als Autorin weiß ich genau, dass die Künstler es nicht so leicht hatten, wie es vielleicht wirkte. Aus der Sicht armer Torfbauern waren sie steinreich. Aber natürlich mussten sie auch kämpfen. Schließlich war es noch nie einfach, von der Kunst zu leben.

Hatten Sie beim Schreiben hin und wieder Angst, dass es etwas Anmaßendes hat, mit den Biografien der Künstler herumzuspielen?

Ich habe mich schon gefragt: Darf ich das? Ich war natürlich nicht dabei, ich weiß nicht, ob Paula und Rilke mal im Wald spazieren gegangen sind und sich geküsst haben. Aber ich dachte mir, wenn ich ernsthaft versuche, mich in diese Figuren einzufühlen, dann sollte ein bisschen Spekulation erlaubt sein.

Haben Nachfahren oder Paula-Experten das Buch bereits gelesen? Gibt es Feedback?

Nein, bisher nicht. Ich habe mich ausschließlich über das informiert, was schriftlich über sie vorliegt, und habe mich davon inspirieren lassen. Ich wollte Paula Modersohn-Becker und ihre Kunst eher emotional erfassen und nicht auf einer Expertenebene.

Trotz fiktiver Elemente hangelt Ihre Geschichte sich die meiste Zeit an Paulas wahrer Biografie entlang. Warum haben Sie nicht eine ganz neue Geschichte erzählt? In der Paula alles hinwirft? Oder Rilke heiratet?

Das hätte ich natürlich tun können, aber das wollte ich nicht. Es sollte schon klar sein, dass die Geschichte so hätte passieren können. Besonders die Beziehung zu Otto Modersohn habe ich sehr ernst genommen. Sie sollte sein. Trotz einiger Probleme.

Wenn Ihr Buch mal verfilmt werden sollte, wie würden Sie die Hauptrollen besetzen?

Hannah Herzsprung würde mir als Paula gefallen. Rilke müsste ein Österreicher sein. Otto Modersohn ist mir als Figur am fremdesten geblieben. Ich stelle mir jemanden vor, der ein bisschen steif ist, unsicher, penibel und sachlich.

Lange Zeit haben Sie Romane unter Ihrem Klarnamen geschrieben. Warum jetzt das Pseudonym Sophia von Dahlwitz?

Ich habe vor „Die Kunst und das Glück eines Sommers“ bereits unter Pseudonym einen Familienroman geschrieben, der in Teilen autobiografisch ist. Ich wollte nicht, dass die Leute in den Buchläden direkt wissen, um welche Familie es geht. Der Verlag fand das Pseudonym auch fürs nächste Buch schön. Und ich war damit einverstanden, denn mein echter Name steht eigentlich für Krimis. Ein Künstler-Liebesroman passt da nicht so rein. Meine Krimis sind vollkommen anders. Die sind eher harter Stoff.

Das Gespräch führte Alexandra Knief.

Sophia von Dahlwitz

ist Autorin und lebt in München. Eigentlich schreibt sie unter ihrem Klarnamen Krimis, von denen vier bereits verfilmt wurden. Mit „Die Kunst und das Glück eines Sommers“ hat sie nun unter Pseudonym eine fiktive Geschichte über Paula Modersohn-Becker veröffentlicht.

Weitere Informationen

Sophia von Dahlwitz: Die Kunst und das Glück eines Sommers. Droemer, München. 256 Seiten, 19,99 €.

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