Um mit Arbeitsstoffen sicher arbeiten zu können, benötigt man Informationen über die Gefahren, die von den Stoffen ausgehen. In einem Krankenhaus wird eine Vielzahl von Arbeitsmitteln eingesetzt, über deren Gefahren zunächst einmal nachgedacht werden muss. Da es grundsätzlich keinen Stoff gibt, von dem keine Gefahr ausgeht, muss diese Gefahr beurteilt werden. Auch im Gefahrstoffrecht, sprich der
Gefahrstoffverordnung, wird gefordert, dass vor Tätigkeitsaufnahme die Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird und Schutzmaßnahmen festgelegt werden. In der Gefährdungsbeurteilung ist zunächst zu ermitteln, ob die Beschäftigten Umgang mit gefährlichen Stoffen haben. In den meisten Fällen muss man kein Chemiker sein, um diese Gefahren erkennen zu können. Sehr oft besteht schon eine Kennzeichnungspflicht auf den Verpackungen. Dass sich die bekannten orangefarbigen
Kennzeichnungen durch das Globally Harmonised System (GHS) im Laufe der nächsten fünf Jahre ändern werden (vgl. Abb. 2 Gefahrstoffe GHS), ist zunächst nicht wichtig. Es wird dann teilweise sogar leichter Gefahren zu erkennen, da zum Beispiel auch sensibilisierende Stoffe eine eigene Kennzeichnung bekommen. Auch an dem Kleingedruckten auf den Verpackungen kann man Gefahren erkennen. Hier sind zum Beispiel die „Risikosätze“ formuliert, wie R10 „Entzündlich“ oder
Sicherheitsratschläge, wie S2 „Darf nicht in die Hände von Kindern gelangen“. Experten im Haus nutzen Grenzen des schnellen Erkennens von Gefahren sind spätestens erreicht, wenn die Stoffe nicht industriell gefertigt werden. Hier ist die Erfahrung im Umgang mit diesen Stoffen gefragt. Es muss und kann nicht immer die eigene Erfahrung sein. Besonders in einem Krankenhaus gib es viele Spezialisten, die bei bestimmten Stoffen ihre Erfahrungen zur Einschätzung von
Gefahren und Hinweise zum sicheren Umgang beitragen können. Es sind zunächst alle ins Boot zu nehmen, die Umgang mit Gefahrstoffen haben können. Es bieten sich verschiedene Personen an: Stationsleitungen, OP-Leitung, Anästhesie-Leitung, evtl. auch der anästhesiebeauftragte Arzt, Hauswirtschaftsleitung, technische Leitung, Hygienefachkraft, Apotheker, Leitung der Pathologie, Laborleitung, Leitung der Zentralen Sterilgutversorgungsabteilung (ZSVA), Leitung des
Einkaufs, Abfallbeauftragte, … Gefahrstoffe erfassen In einem weiteren Schritt sind die Gefahrstoffe im Arbeitsbereich zu erfassen. Den oben genannten Personen muss gezeigt werden, wie sie die Gefahrstoffe erfassen sollen. In den Vorschriften sind nur die Bezeichnung des Gefahrstoffes, Gefahrensymbol oder Angabe der gefährlichen Eigenschaften, Mengenbereiche des Gefahrstoffes und Verwendungszweck gefordert. Diese Daten müssen vor Ort ermittelt werden. Die
weiteren in der Tabelle genannten Anforderungen erleichtern später die Arbeit. Sie können – zum Teil aus dem Sicherheitsdatenblatt – später ermittelt werden. Gefahrstoffe im Krankenhaus In Krankenhäusern bestehen unterschiedliche Bereich für Gefahrstoffe, dazu einige Beispiele: Gefahrstoffe im Stationsbereich Auf einer „normalen“ Station sind in der Regel wenige Gefahrstoffe. Es sind ein oder zwei Flächendesinfektionsmittel, Haut- und Händedesinfektionsmittel, verschiedene andere brennbare Stoffe (Aceton, Isopropanol, alkoholische Einreibemittel, …) und evtl.
Arzneimittel/Medikamente, die gefährliche Eigenschaften aufweisen. Instrumentendesinfektion sollte nur in Ausnahmefällen auf den Stationen erfolgen. Zu desinfizierende Gegenstände sollten trocken in den Steri gegeben werden. Die Flächendesinfektionsmittel sind in der Regel in Kanistern abgefüllt. Hier wäre ein Dosiergerät eine sinnvolle Maßnahme zur Reduzierung der Gefahren. Dabei wird der Kontakt mit dem Konzentrat gemindert und die richtige Dosierung
eingehalten. Aber auch beim Abfüllen der Lösung mit diesem Gerät besteht Umgang mit Gefahrstoffen und das kann gefährlich sein. Zum Beispiel können Spritzer in das Auge gelangen. Bei den anderen Gefahrstoffen auf Stationen ist entweder
- keine besondere Maßnahme möglich (Handschuhtragen beim Umgang mit Händedesinfektionsmitteln laut Sicherheitsdatenblatt gilt nur für den Chemiefacharbeiter) oder
- es ist eine so geringe Exposition (zum Beispiel gelegentliche Hautdesinfektion mit Tupfer), dass Gefährdungen nicht zu erwarten sind (Schutzstufe 1), oder
- der Stoff wird nicht benötigt, oder
- es gibt eine weniger gefährliche Alternative (Bsp. Aceton zum Nagellack entfernen -> Nagellackentferner).
Stationen, die Zytostatikatherapien anbieten sind natürlich besonders zu betrachten. Das gilt auch bei der Verwendung geschlossener Systeme auf der Station. Dabei sollte nicht nur an Ärzte und Pflegekräfte gedacht werden. Auch Reinigungskräfte und Hol- und Bringdienste müssen geschult werden, wenn sie mit diesen Arzneimitteln Umgang (zum Beispiel bei einer Havarie) haben könnten.
Gefahrstoffe im Funktionsbereich und OP
Funktionsbereiche haben oft eine eigene Instrumentenaufbereitung. In der Endoskopie werden die Instrumente häufig mit aldehydhaltigen Desinfektionsmitteln aufbereitet. Hier ist die Gefährdung durch Einatmen zu betrachten. Um regelmäßige Kontrollmessungen zu vermeiden sollten die „BG/BIA-Empfehlungen zur Überwachung von Arbeitsbereichen Desinfektion von Endoskopen und anderen Instrumenten“ eingehalten werden.
Im OP sollten die Gefahrstoffe soweit wie möglich minimiert werden. Das heißt auch, dass Instrumente trocken abgeworfen werden und nur in der ZSVA aufbereitet werden.
Die Gefäße, die mit formalingetränkten Proben verschickt werden, sollten nach Möglichkeit vorgefüllt sein. Insbesondere beim Transport muss das Gefäß dicht schließen. Die Kennzeichnung der Transportbehälter mit dem entsprechenden Gefahrensymbol ist dabei sicherzustellen. Alkoholische Desinfektionsmittel und ähnliches sollten nur in benötigten Mengen im OP-Saal bereitgehalten werden, auch wenn eine moderne RLT-Anlage sehr viel Gefahrstoffe in der Luft minimiert. Die BG/BIA-Empfehlungen „Anästhesiearbeitsplätze – Operationssäle“ und „AP – Aufwachräume“ sollten eingehalten werden, um regelmäßige externe Raumluftmessungen zu vermeiden.
Gefahrstoffe in der Zentralen Sterilgutversorgungsabteilung (ZSVA)
In der ZSVA sind viele Gefahren zu beachten. Es werden viele Instrumente manuell vorgereinigt und aufbereitet. Dabei werden immer Desinfektionsmittel mit ihren spezifischen Gefahren eingesetzt. Beim Einsatz von Desinfektions- und Reinigungsgeräten (DRG) sind keine Gefahren in der Atemluft zu erwarten. Hier gilt das Augenmerk dem Wechsel der Kanister. Dies sollte immer mit entsprechender Schutzausrüstung (min. Schutzbrille und feste Schutzhandschuhe) geschehen. Bei der Gassterilisation sind besonders Maßnahmen bei Havariefällen zu beschreiben. Nicht nur die Sterilisationsassistenten müssen geschult sein und eine entsprechende Weiterbildung haben, auch die Haustechnik muss beim Betreten von möglicherweise gasbelasteten Räumen wissen, welche Schutzmaßnahmen zu treffen sind.
Gefahrstoffe im Laborbereich und in der Apotheke
Im Labor werden häufig verschiedenste Gefahrstoffe eingesetzt, die besondere Gefahren aufweisen. Dazu gehören giftige Stoffe und stark ätzende Stoffe. Aufgrund der zunehmenden Automatisierung der Laboranalytik werden mittlerweile jedoch viele dieser Stoffe nur noch in geschlossenen Systemen verwendet. Mitarbeiter/innen im Labor sind in der Regel im Umgang mit Gefahrstoffen gut geschult. Aber es werden auch noch Gefahrstoffe offen umgefüllt, verrührt und pipettiert. Eine regelmäßige Unterweisung in die sicheren Arbeitstechniken durch die Laborleitung ist daher nach wie vor erforderlich. Darüber hinaus ist auch die Auswahl der richtigen Handschuhe wichtig. Bestimmte Gefahrstoffe durchdringen einen Latexhandschuh schneller als einen Nitrilhandschuh und umgekehrt. Dazu kann der Handschuhhersteller mit Hilfe des Sicherheitsdatenblattes Aussagen machen. Diese Informationsmöglichkeit sollten Sie nutzen. Eine ähnliche Situation besteht in der Apotheke. Das dort beschäftigte Fachpersonal hat häufig Umgang mit Gefahrstoffen und stellt Produkte her, die Gefahrstoffe beinhalten. Daher ist die Apotheke gleichzeitig ein wichtiger Informationslieferant für andere Bereiche bei der Beurteilung der Medikamente und anderer Arzneimittel. Apotheker und PTA arbeiten oft unter einem Abzug, um die Reinheit der Medikamente zu gewährleisten. Beim Umgang mit Gefahrstoffen muss geprüft werden, wo die Abluft hingeht. Kann sie andere gefährden, oder wird die Abluft nur gefiltert und gelangt wieder in den Raum? Dann ist zu prüfen, ob der Filter alle Gefahrstoffe zurückhält.
Spätestens bei der Zubereitung von Zytostatika ist die Hilfe eines Fachmanns notwendig. Die Bedingungen an die Raumluft und die Schutzmaßnahmen bei der Zubereitung sind so vielfältig, dass dies nicht nebenbei erledigt werden kann.
Gefahrstoffe in der Pathologie
In der Pathologie sind besonders Aldehyde, Xylole und Färbemittel im Einsatz. Hier gilt in erster Linie die Minimierung der Mengen. Große Lagermengen sind in der Regel nicht mehr notwendig. An den Arbeitsplätzen ist fast immer eine technische Abluft notwendig, um die Arbeitsplatzgrenzwerte einzuhalten. Im Zweifel sollte eine Raumluftmessung durchgeführt werden. Diese kann auch erst einmal orientierend mit Gasprüfröhrchen selbst erfolgen.
Andere Arbeitsbereiche
Natürlich werden auch in der Haustechnik Gefahrstoffe eingesetzt. Hat die Hauswirtschaft Umgang mit Gefahrstoffen, ist bei der Abfallentsorgung das Thema Gefahrstoffe zu betrachten. Alle Arbeitsplätze im Unternehmen sind hinsichtlich des Umgangs mit Gefahrstoffen zu betrachten. Bei gleichartigen Arbeiten kann eine Gefährdungsbeurteilung ausreichen. Dies ist zu dokumentieren.
Achtung
In der Regel ist aber das gefährlichste Produkt nicht auf den ersten Blick als solches erkennbar. Mit die größte Gefährdung der Mitarbeiter/innen stellt Feuchtarbeit dar, die zu Hautschäden führt, ebenso wie das Handschuhtragen. Dies ist in der Gefährdungsbeurteilung für jeden Arbeitsbereich zu berücksichtigen. Eine Maßnahme kann hier z. B. die Erstellung eines praxisnahen Hautschutz- und Handschuhplans sein. Dieser ist eng mit den Hygienefachkräften zu kommunizieren (Beispiel Abbildung 1).
Allgemeine Schutzmaßnahmen
Im Gegensatz zu der üblichen Reihenfolge der Schutzmaßnahmen (TOF) ist bei den Gefahrstoffen zunächst eine organisatorische Maßnahme zu treffen: Die Substitution. Es ist immer zu prüfen, ob ein weniger gefährliches Mittel für die bestimmte Tätigkeit eingesetzt werden kann.
Weitere Schutzmaßnahmen werden durch die Schutzstufe des Gefahrstoffes bestimmt. Diese ist abhängig von der Gefahreneigenschaft, der möglichen Expositionsmenge und der möglichen Expositionszeit.
Ganz grob kann gesagt werden:
- Schutzstufe 1 sind alle Gefahrstoffe, die nicht giftig, krebserzeugend, fruchtschädigend oder erbgutverändernd sind und lediglich in kleinen Mengen (max. 1 l oder 1 kg) verpackt sind.
- Schutzstufe 2 sind alle Gefahrstoffe, die nicht giftig, krebserzeugend, fruchtschädigend oder erbgutverändernd sind und in größeren Mengen (mehr als 1 Liter oder 1 kg) verpackt sind.
- Schutzstufe 3 sind alle giftigen Stoffe, die nicht krebserzeugend, fruchtschädigend oder erbgutverändernd sind.
- Schutzstufe 4 sind alle Stoffe, die krebserzeugend, fruchtschädigend oder erbgutverändernd sind.
- Die zu treffenden Maßnahmen sind in den §§ 8 – 11 der Gefahrstoffverordnung beschrieben. Beispiele sind:
- Substitution,
- ausreichend Arbeitsplatz,
- ausreichende Ausstattung mit geeigneten Arbeitsmitteln,
- geeignete Arbeitsmethoden anwenden,
- möglichst geringe Exposition (Menge und Dauer begrenzen, Anzahl der Mitarbeiter/-innen einschränken),
- ausreichende Hygienemaßnahmen,
- sichere Aufbewahrung,
- geeignete gekennzeichnete Behälter wählen,
- sachgerechte Entsorgung,
- ausreichende Belüftung,
… .
Die wichtigste Maßnahme für alle Schutzstufen ist die Unterweisung der Mitarbeiter/innen. Diese ist regelmäßig zu wiederholen und für alle verständlich durchzuführen. Es muss nicht immer eine Schulung von zwei Stunden für alle Mitarbeiter/innen sein. Wenn jede Leitungskraft in Routinegesprächen fünf Minuten für die Arbeitssicherheit einfügt und kurz die Gefahren von ein/zwei Stoffen beschreibt, Schutzmaßnahmen nennt und Maßnahmen bei Unfällen erläutert, können im Laufe des Jahres sehr viele Gefahrstoffe beschrieben werden.
Kontrolle der Wirksamkeit
Jede Maßnahme muss auch überprüft werden. Es ist nicht nur zu prüfen, ob die Maßnahmen erledigt wurden. Wichtig ist, ob mit der/den getroffenen Maßnahme/n das gewünschte Ziel erreicht wird.
- Werden durch jährliche Schulungen alle Mitarbeiter/innen erreicht,
- sind die technischen Einrichtungen so stabil, dass kein Stoff ausläuft,
- ist die Bedienung der technischen Mittel ausreichend einfach,
- sind Maßnahmen bei Störungen bekannt und können diese durchgeführt werden,
- sind alle Schutzausstattungen vorhanden und werden regelmäßig gereinigt und ersetzt.
Bei Gefährdung durch Einatmen von Gefahrstoffen ist regelmäßig eine Kontrollmessung erforderlich, um die Einhaltung der Arbeitsplatzgrenzwerte zu überwachen. Die oben genannten BIA-Empfehlungen erleichtern die Arbeit, da bei Einhaltung der Empfehlungen keine Kontroll-Messungen durch akkreditierte Messstellen durchgeführt werden müssen. Die Einhaltung der Empfehlung muss aber auch überprüft werden.
100 Prozent Sicherheit
Das angestrebte Ziel sind 100 Prozent Sicherheit. Wir dürfen bloß nicht darauf warten, sondern müssen anfangen. Auch wenn einige Gefahrstoffe nicht erkannt werden oder in einigen Abteilungen die Schulung nicht durchgeführt wird. Lieber 70 Prozent erreichen, als 100 Prozent nichts tun.
Werner Knoke
Sicherheitsingenieur, AK Krankenhäuser im VDSI
Verband Deutscher Sicherheitsingenieure (VDSI)Unsere Stärke ist unsere Nähe. Durch die 30 Bezirksgruppen ist der VDSI bundesweit tätig. Die Bezirksgruppen organisieren Vorträge, Workshops und Exkursionen für die Mitglieder vor Ort.
Überregional sind 11 Fachgruppen aufgestellt, die verschiedene Themen angehen: Arbeitshygiene, Energie, Erneuerbare Energie, Gefahrgut, Hochschulen und wissenschaftliche Institutionen, Krankenhäuser und Kliniken, Luft- und Raumfahrt, Öffentlicher Dienst, Studenten, Thermische Abfallbehandlung und Zeitarbeit.
Die Fachgruppe Krankenhäuser und Kliniken ist ein Instrument des branchenspezifischen Erfahrungsaustausches.
18 Sicherheitsingenieure/ingenieurinnen, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Brandschutzexperten, Logistiker, Hautschutzexperten, … tauschen sich aus in allen Fragen des Arbeitsschutzes im Krankenhaus.
Sie sind auch für alle Mitglieder des VDSI Ansprechpartner bei Fragen des Arbeitsschutzes in Krankenhäusern, Kliniken und ähnlichen Einrichtungen. In der Fachgruppe werden zurzeit die Themen „Sicherheit bei medizinischen Gasen“, „Bestandsschutz im Brandschutz“ und „Die neue BGV A 2“ in Arbeitsgruppen vertieft.
Sicherheitsbeauftrager 08|2010