Wann wurde aus der Reichswehr die Wehrmacht?

Inhaltsverzeichnis

I. Mythos „saubere“ Wehrmacht

II. Wohlwollende Neutralitat
1. Selbstverstandnis der „apolitischen“ Reichswehr
1.1 Die Folgen der Niederlage und der Versailler Vertrag
1.2 Die Reichswehr als Staat im Staat?
1.3 Wegbereiter der Machtubernahme
2. Gemeinsame Interessen und die Folgen
2.1 Wehrhaftigkeit des Volkes
2.1.1 Primat des Militars
2.1.2 Die Reichswehr als nationales Volksheer
2.1.3 AuBenpolitik
2.2 Konsequenzen der Kooperation
2.1.1 Eine ungleiche Partnerschaft
2.1.2 Allgemeine Wehrpflicht
2.1.3 Gemeinsame Expansion

III. Die Wehrmacht als Spiegel der Gesellschaft

IV. Literaturverzeichnis

Die Wehrmacht (1933-1939)

Von der Reichswehr zur Wehrmacht -

Die Rolle der Streitkrafte in der Machtergreifung der Nationalsozialisten

I. Mythos der „sauberen“ Wehrmacht

Die Schuldfrage der beiden Weltkriege ist in den vorangegangen Jahrzehnten bereits ausfuhrlich und kontrovers diskutiert worden.[1] Besondere Beachtung bei diesen Uberlegungen fand dabei unter anderem aber auch die Rolle der Wehrmacht wahrend der nationalsozialistischen Herrschaft Bereits kurz nach dem Ende des zweiten Weltkrieges fanden erhitzte und auch emotionale Debatten uber die Verstrickung der Wehrmacht mit dem NS-Regimes und ihr Anteil an den verubten Verbrechen statt. Die teilweise sehr unterschiedlichen Interpretationen der Rolle der Wehrmacht erklaren sich nicht nur aus der jeweiligen ideologischen Position heraus, von der aus die Bewertung der Kollaboration mit dem nationalsozialistischen Parteiapparat erfolgt, sondern auch aus der Wahl der methodologischen Ansatzes. Wahrend einige Historiker die Wehrmacht als eine eigenstandige Institution auBerhalb des Parteiapparates betrachten[2], betonen andere ihre aktive Solidaritat mit dem NS-Regime[3]. Erwahnenswert sind hier insbesondere Helmut Krausnick und Manfred Messerschmidt, die von einer Mitschuld der Wehrmacht ausgingen und sich unter anderem auch auf die Beteiligung der Wehrmacht an den Verbrechen an der Ostfront bezogen. Infolge der Wanderausstellungen des Hamburger Instituts fur Sozialforschung zu den Verbrechen der Wehrmacht in der Zeit des Nationalsozialismus erregte das Thema in den 90ger Jahren auch uber akademische Kreise hinaus groBe offentliche Aufmerksamkeit.[4] Die Wehrmacht als Ort der inneren Emigration, abseits der ideologisch unterfutterten NS- Lebensraumpolitik wurde nicht nur in Frage gestellt, sondern systematisch widerlegt.[5] Nach aktuellem Stand der Forschung gilt der Mythos der sauberen Wehrmacht inzwischen als endgultig uberholt.[6] Weitaus geringeres offentliches Interesse erhielt die Frage nach der Verstrickung des Militars mit der nationalsozialistischen Bewegung noch vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs und dem Uberfall auf Polen. Die Komplizenschaft ergibt sich aus den Resultaten der Jahre 1939-1945. Aber dass die Wehrmacht letztendlich einen integralen Bestandteil, sowie den willig ausfuhrenden Arm der expansiven Lebensraumpolitik der Nationalsozialisten darstellte, bedeutet keineswegs dass sie deswegen auch von Anfang an auf der Linie der Partei positioniert war[7] Dementsprechend soll an dieser Stelle auf die Verwicklung der Wehrmacht bzw. ihres Vorgangers, der Reichswehr, in die Vorgange der so genannten Machtergreifung der Nationalsozialisten und dem darauf folgenden Ausbau ihrer Machtposition und dessen Konsolidierung eingegangen werden.

Die Fragestellung dieser Arbeit lautet deswegen: Zu welchem AusmaB waren die Streitkrafte an der Errichtung der nationalsozialistischen Herrschaft uber Deutschland beteiligt. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit soll skizziert werden, inwieweit die Streitkrafte einen ganz erheblichen Einfluss auf den Verlauf der Etablierung der nationalsozialistischen Diktatur hatten. Dabei sollen zuerst einige Aspekte aus der Vorgeschichte der Wehrmacht naher erlautert werden, um dann beispielhaft ausgewahlte gemeinsame Interessen von Militar und NSDAP herauszustellen. Im letzten Abschnitt werden dann die daraus resultierenden Konsequenzen der Rolle der Streitkrafte gegenubergestellt. Insgesamt soll gezeigt werden, dass die Wehrmacht sowohl zur Errichtung der nationalsozialistischen Herrschaft als auch deren Festigung erheblich beigetragen hat. Die Verantwortung der Wehrmacht erschopft sich eben nicht nur in unterlassener Verteidigung der Weimarer Republik und passivem Abwarten sondern schlieBt auch aktive Anbiederung und bewusste Kooperation mit ein.

II. Wohlwollende Neutralitat

Die Haltung der Reichswehr gegenuber Adolf Hitler und der nationalsozialistischen Partei wird in der einschlagigen Literatur als neutral charakterisiert. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass die Reichswehr nur schwerlich als ein in sich geschlossener Akteur mit einer koharenten Linie betrachtet werden kann. Wahrend einige Krafte jegliche Politisierung der Reichswehr ablehnten, waren andere durchaus geneigt eine aktivere Rolle einzunehmen. Dementsprechend anderte sich mit den veranderten politischen Umstanden auch die Haltung der Reichswehr gegenuber der NS-Partei. Wahrend sowohl linke wie rechte Extremisten als Grundsatzlich war die Reichswehr aber deutlich dem national-konservativen Lager zuzuordnen. Deswegen ist der Begriff der ,wohlwollenden Neutralitat’ eine durchaus geeignete Bezeichnung um zumindest die Haltung der Reichswehrfuhrung gegenuber Nationalsozialisten zu adressieren.

Dieses Verhaltnis zwischen Wehrmacht und dem Nationalsozialismus hat bereits Zeitgenossen wie etwa den franzosischen Botschafter Andre Francois-Poncet beschaftigt, der 1934 feststellte, dass es zwischen Armee und Partei letztlich darum ginge, „wer im neuen deutschen Staat die beherrschende Rolle spielen“ wurde [8]. Allerdings darf eine „historische Bewertung der Rolle der Streitkrafte im sogenannten Dritten Reich [...] nicht auf die Jahre 1933 bis 1945 beschrankt werden, sondern muB [sic!] die Geschichte der Reichswehr in der Weimarer Republik miteinbeziehen.“[9] Aus diesem Grund spielt die gesamte Zeit zwischen den beiden Weltkriegen eine wichtige Rolle fur die von der Reichswehr eingenommene(n) Position(en) im weiteren Verlauf der deutschen Geschichte.

1. Das Selbstverstandnis der Reichswehr

1.1 Die Folgen der Niederlage und der V ersailler Vertrag

Die Erfahrungen des gesamtgesellschaftlichen Krieges, der Niederlage, und der darauf folgenden Umbruche in Staat und Gesellschaft, erschutterte die Position des traditionellen Militars zutiefst. Bis 1918 war die Armee der Garant des deutschen Staates und damit auch des „gultigen und als gottgewollt angesehenen monarchischen Prinzips“[10]. Offiziere genossen hohes Ansehen und die Armee spielte eine wichtige gesellschaftliche Rolle; die Monarchen selbst trugen zu offentlichen Anlassen Uniform. Deutschland war eine aufstrebende Hegemonialmacht, die sich anschickte dem britischen Empire Konkurrenz zu machen. Im wilhelminischen Kaiserreich war die Macht des Militars so ausgepragt gewesen, dass die moglichen Aufmarschplane politische Verhaltnisse ubergehen konnten.[11] Nach der Niederlage 1918 jedoch legte der Versailler Vertrag nicht nur eine Reduktion der Streitkrafte fest, sondern sah auch ein grundsatzlich verandertes Militarsystem vor. Die allgemeine Wehrpflicht wurde durch ein streng limitiertes Freiwilligen-Heer ersetzt, mit einer Gesamtstarke von 100,000 Mann, bei einem zusatzlichen Verbot von schwerem Kriegsgerat. Dies stellte zwar einen enormen Einschnitt in die preuBische militarische Tradition dar, aber dennoch hatte die Militarelite „ihren Anspruch auf Teilhabe an der Fuhrung des Staates keineswegs aufgegeben, sondern erwartete weiterhin, daB ihr besonderer Status von der Politik geschutzt wurde“[12]. Auch in der Weimarer Republik darf der Einfluss der Reichswehr nicht unterschatzt werden. Noch das letzte Kabinett mit parlamentarischer Mehrheit scheiterte zuletzt auch am Druck der Reichswehrfuhrung[13]. Allerdings kam es zu Weimarer Zeiten nicht zu einer Annaherung, oder zumindest zu einer Akzeptierung der realen politischen Verhaltnisse. Am schlimmsten wog dabei die Tatsache, dass die Auflagen des Versailler Vertrages als ungerecht empfunden wurden und keine diplomatische Losung in Sicht war. Die einst stolze Armee war nun nicht mehr in der Lage ihre Grundaufgabe, die Sicherstellung der Landesverteidigung, wahrzunehmen. „Daher entstand in der Reichswehr eine Tendenz zur Expansion, die von samtlichen ihrer Angehorigen nicht nur guten Gewissens gehegt, sondern daruber hinaus als eine Forderung des nationalen Interesses begriffen wurde, der eine alle anderen Gesichtspunkte uberlagernde Wichtigkeit beigemessen werden durfe.“[14] Als Folge der Auflagen rekrutierte] sich die ,neue’ Reichswehr fast vollstandig aus der kaiserlichen Armee, und wurde dementsprechend zu einer Hochburg monarchistischen und nationalistischen Gedankenguts.

Grundsatzlich war die Reichswehr in der Weimarer Republik durch Zwiespalte gepragt. Einerseits reprasentierte sie die Ablehnung von Liberalismus, Parlamentarismus und Demokratie, andererseits war sie ein Teil eines republikanischen Staatswesens, in dem allen gesellschaftlichen Stromungen die Teilhabe an der Regierung moglich war.[15] Wahrend sich die Reichswehr einerseits fur den Erhalt des deutschen Staates verantwortlich fuhlte, definierte sie sich andererseits als Fremdkorper in einem solchenStaatswesen, und „vermochte […] ihren Dienst nur in der beständigen Hoffnung auf baldige Änderung, auf die baldige Wiederherstellung einer gottgefälligen politischen Ordnung zu tun.“[16] Die militärische Niederlage, und ihre Fortschreibung in den Bestimmungen des Versailler Vertrages entfremdete die Reichswehr von der gegebenen politischen Ordnung Deutschlands nach dem ersten Weltkrieg.

[...]

[1] Stichwort ,Historikerstreit’

[2] Klaus-Jurgen Muller: Das Heer und Hitler: Armee und nationalsozialistisches Regime, 1933-1940 Stuttgart, 1969.

[3] Messerschmidt, Manfred: The Wehrmacht and the Volksgemeinschaft. In: Journal of Contemporary History, Vol. 18, No. 4, 1983 S. 740.

[4] Klotz, Johannes: Die Ausstellung „Vernichtungskrieg, Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“. Zwischen Geschichtswissenschaft und Geschichtspolitik. In: Detlef Bald, Johannes Klotz, Wolfram Wette: Mythos Wehrmacht. Nachkriegsdebatten und Traditionspflege, Berlin 2001, S. 116-176.

[5] Zur Debatte siehe Bartov, Omer: The Wehrmacht Exhibition Controversy. The Politics of Evidence. In: Bartov, Omer, Grossmann, Atina and Nolan, Mary: Crimes of War. Guilt and Denial in the Twentieth century, New York, 2002 S. 41 - 60.

[6] Siehe z.B. Omer Bartov: Germany’s War and the Holocaust: Disputed Histories, London 2003, und Wolfram Wette: The Wehrmacht: History, Myth, Reality. Cambridge, 2006.

[7] Siehe Forster, Jurgen: Die Wehrmacht im NS-Staat. Eine strukturgeschichtliche Analyse, Munchen 2007.

[8] Zitiert nach: Muller, Klaus-Jurgen (Hrsg.): Armee und Drittes Reich 1933-1939. Darstellung und Dokumentation unter Mitarbeit von Ernst Willi Hansen, Paderborn 1987, S. 11.

[9] Forster, Jurgen: Das Verhaltnis von Wehrmacht und Nationalsozialismus im Entscheidungsjahr 1933. In: German Studies Review, Vol. 18, No. 3,Okt., 1995, S. 472.

[10] Graml, Hermann: Die Wehrmacht im Dritten Reich. In: Vierteljahreshefte fur Zeitgeschichte, 45 Jahrg., H. 3, Jul., 1997, S. 365.

[11] Ritter, Gerhard: Der Schlieffen-Plan. Kritik eines Mythos, Munchen 1956.

[12] Forster, Jurgen: Das Verhaltnis von Wehrmacht und Nationalsozialismus im Entscheidungsjahr 1933.

S. 472.

[13] Bracher, Karl Dietrich: Die Auflosung der Weimarer Republik. Eine Studie zum Problem des Machtverfalls in der Demokratie, Villingen 41964, S.229ff., 296ff.

[14] Graml, Hermann: Die Wehrmacht im Dritten Reich. S. 366.

[15] Ders.: Deutschland zwischen Demokratie und Diktatur. Beitrage zur neueren Politik und Geschichte, Bern/Munchen/Wien 1964, S. 83ff.

[16] Graml, Hermann: Die Wehrmacht im Dritten Reich. S. 365.

Warum wurde die Reichswehr zur Wehrmacht?

Aufgrund der Bedingungen des Versailler Vertrages von 1919 unterlagen Umfang und Bewaffnung der Reichswehr starken Beschränkungen. Nach der von Adolf Hitler 1935 verkündeten „Wiedererlangung der Wehrhoheit“ (Wiedereinführung der Wehrpflicht u. ä.) ging die Reichswehr in der neuen Wehrmacht auf.

Wer war der beste Soldat im 2 Weltkrieg?

Nach über 2400 Feindflügen (22. Dezember 1944) und 463 Panzervernichtungen wurde Rudel als einziger Soldat am 29. Dezember 1944 mit dem Goldenen Eichenlaub mit Schwertern und Brillanten zum Ritterkreuz ausgezeichnet.

Wie viele Soldaten der Wehrmacht leben noch?

Wehrmacht.

Wie lange gab es die Wehrmacht?

Zwischen 1933 und Ende 1936 verfünffachte sich die Heeresstärke der Wehrmacht auf 550.000 Mann, 1939 erreichte das Heer eine Stärke von knapp 2,75 Millionen Soldaten.

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