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Wechselwirkungen zwischen Alkohol (Ethanol) und Medikamenten sind auf vielfältige Weise möglich. Sowohl die Wirkung des Arzneistoffs als auch die Freisetzung, Verteilung und Metabolisierung können davon beeinflusst werden. In welchen Fällen muss komplett auf Alkohol verzichtet werden und wann ist ein mäßiger Genuss möglich?
Einfluss auf die Freisetzung und Verteilung von Wirkstoffen
In seiner Funktion als Lösungsmittel kann Alkohol die Freisetzung eines Arzneistoffs aus oralen Arzneiformen beschleunigen. Bei Retardpräparaten kann dies dazu führen, dass der Wirkstoff nicht wie geplant über mehrere Stunden verteilt, sondern auf einmal freigesetzt wird (sog. „dose dumping“). Handelt es sich dabei um ein stark wirksames Arzneimittel wie z. B. ein opioidhaltiges Schmerzmittel, können die durch die hohen Wirkstoffspiegel verursachten Nebenwirkungen schwerwiegend oder schlimmstenfalls tödlich sein. Zudem verursacht Alkohol eine Verzögerung der Magenentleerung. Orale Arzneiformen verweilen länger im Magen und geben bereits dort einen Großteil des Wirkstoffs frei. Der im Magen akkumulierte Wirkstoff wird „bolusartig“ in den Dünndarm entleert und führt so zu deutlich erhöhten Wirkstoffspiegeln.
Einfluss auf die Metabolisierung von Wirkstoffen
Akuter Alkoholkonsum hemmt das Leberenzym CYP2E1. Über diesen Subtyp der Leberenzyme werden z. B. Coffein, Theophyllin und Phenytoin abgebaut. Wird das Enzym gehemmt, steigen in Folge die Blutplasmaspiegel der betroffenen Wirkstoffe an und die Gefahr von Nebenwirkungen steigt. Da Theophyllin und Phenytoin zu den Wirkstoffen mit einer geringen therapeutischen Breite gehören, ist dies bei ihnen besonders gefährlich. Die Problematik dieser Wechselwirkung zeigt sich auch im gleichzeitigen Konsum von coffeinhaltigen Energydrinks und Alkohol. Alkoholbedingt wird Coffein langsamer abgebaut, die aufputschende Wirkung steigt und verdeckt so Anzeichen eines beginnenden Rausches.
Alkohol und Schmerzmittel
Aufgrund seiner leberschädigenden Wirkung sollte Alkohol mit Wirkstoffen, die ebenfalls Nebenwirkungen an der Leber zeigen, nicht kombiniert werden.
In der Selbstmedikation empfiehlt es sich daher, bei vorgeschädigter Leber (z. B. bei Alkoholikern) auf Paracetamol zu verzichten. Aus demselben Grund sollte auch während der Einnahme des Antirheumatikums Methotrexat auf
Alkoholgenuss verzichtet werden.
Wie die NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika) selbst erhöht Alkohol die Gefahr von gastrointestinalen Ulzera (Magen-Darm-Geschwüre) und Blutungen. Während der Einnahme von ASS, Ibuprofen und Diclofenac sollte deshalb ebenfalls kein Alkohol konsumiert werden.
Alkohol und Sedativa
Durch seine zentral dämpfende Wirkung verstärkt Alkohol die sedierenden Eigenschaften verschiedener Arzneistoffe. Dazu zählen neben den
eigentlichen Schlafmitteln auch Antiallergika vom Histamintyp, Antidepressiva und Neuroleptika.
Diese Wirkungspotenzierung kann zu Benommenheit, Schläfrigkeit und Gangunsicherheit führen und erhöht, besonders bei älteren Patienten, die nächtliche Sturzgefahr.
Alkohol und Antibiotika
Eine weit verbreitete Annahme ist, dass man während der Einnahme von Antibiotika keinesfalls Alkohol trinken darf. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Wechselwirkung
zwischen Alkohol und den entsprechenden Wirkstoffen, sondern um die Empfehlung, das Immunsystem durch den Genuss von Alkohol nicht weiter zu schwächen.
Eine Ausnahme bilden Amoxicillinpräparate, die mit dem Betalactamase-Inhibitor Clavulansäure kombiniert sind. Hier darf aufgrund der leberschädigenden Wirkung von Clavulansäure während der Therapie kein Alkohol konsumiert werden (vgl. Paracetamol und Methotrexat weiter oben).
Alkohol und Diabetes
Alkohol
hemmt die Glucose-Neubildung in der Leber und verstärkt die Wirkung verschiedener Antidiabetika. Dadurch steigt die Gefahr einer Hypoglykämie (Unterzuckerung) sowie in Kombination mit Metformin das Auftreten einer Laktatazidose.
Warnzeichen einer Unterzuckerung wie leichtes Frösteln oder Müdigkeit werden zudem durch die Alkoholwirkung überdeckt.
Diabetiker sollten Alkohol deshalb nur in Maßen genießen und auf jeden Fall immer mit einer kohlenhydratreichen Mahlzeit kombinieren, um das
Auftreten einer gefährlichen Hypoglykämie zu vermeiden.
Alkohol und der Antabus-Effekt
Verschiedene Wirkstoffe hemmen den Abbau von Alkohol und führen über die Akkumulation von Zwischenabbauprodukten zu Symptomen wie Gesichtsrötung, Kopfschmerzen, Übelkeit/Erbrechen und Blutdruckabfall.
Zu diesen Wirkstoffen gehört Disulfiram (Antabus®), das diesem Effekt den Namen gegeben hat und früher zur Bekämpfung der Alkoholabhängigkeit eingesetzt wurde. Weitere
Wirkstoffe, die dieselbe Wechselwirkung zeigen, sind Ketoconazol und Metronidazol, die beide aber eher selten systemisch eingesetzt werden.
Alkohol und Antikoagulantien
Alkohol erhöht die Blutungsgefahr besonders in Kombination mit den älteren Antikoagulantien Phenprocoumon und Warfarin. Bei den neueren Wirkstoffen wie Apixaban etc. wird diese Wechselwirkung nur in geringem Ausmaß beobachtet.
Je nach Wirkstoff sollte also entweder komplett auf Alkohol
verzichtet oder höchstens in kleinen Dosen konsumiert werden.
Fazit
Der Kunde muss über mögliche Wechselwirkungen zwischen seiner Medikation und dem Genuss von Alkohol aufgeklärt werden. Um eine möglichst hohe Compliance zu gewährleisten, sollte ihm jedoch nicht nur der Hinweis „bitte keinen Alkohol dazu trinken“ gegeben, sondern auch die jeweiligen Hintergründe verständlich erläutert werden.
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