Masken debakel wer zahlt die teure beschaffung des bundes

Für 6,4 Milliarden Euro beschaffte das Bundesgesundheitsministerium zu Beginn der Coronapandemie Masken. Dann verweigerte der Bund die Zahlung. Jetzt stapeln sich die Klagen der Händler und teure Konsequenzen kündigen sich an. Das Chaos rund um die Maskenbeschaffung ist größer als gedacht.

Ein Beitrag des SWR Marktcheck

KLAGEN GEGEN DAS BUNDESGESUNDHEITSMINISTERIUM

Zu Beginn der Corona-Pandemie ging Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf große Einkaufs-Tour, um Millionen von Atemschutzmasken zu beschaffen – für Ärzte und Bundesbehörden.

Schon im vergangenen Jahr haben wir berichtet, dass rund 100 Masken-Händler, die damals Masken geliefert hatten, nun gegen das Bundesgesundheitsministerium klagen, weil sie nicht bezahlt worden seien. Das Bundesgesundheitsministerium verweigerte die Zahlung meist mit der Begründung, die gelieferten Masken seien von schlechter Qualität.

Doch nun liegen erste Entscheidungen des Landgerichts Bonn vor: In vier Vorverfahren und einem Teilurteil gab das Landgericht Bonn den klagenden Masken-Händlern in erster Instanz recht und verurteilte das Bundesgesundheitsministerium zu einer Zahlung von rund 28 Millionen Euro.

„Nach Auffassung der Kammer reichen die von dem Bundesgesundheitsministerium vorgelegten Prüfberichte nicht aus, um die Mangelhaftigkeit der gelieferten Schutzmasken zu beweisen“, sagt Patricia Meyer, die Pressesprecherin des Gerichts.

Für die Steuerzahler könnte das teuer werden: Insgesamt sind 107 Verfahren beim Landgericht Bonn anhängig. Der gesamte Streitwert beläuft sich Schätzungen zufolge auf über eine Milliarde Euro.

EIN PROMINENTER KLÄGER

Einer der klagenden Masken-Lieferanten ist Walter Kohl, der Sohn des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl. Er bekam im April 2020 einen Zuschlag im sogenannten Open-House-Verfahren. Bei diesem Verfahren garantierte das Bundesgesundheitsministerium, jeden Lieferanten innerhalb von sieben Tagen zu bezahlen, der bis zum 30. April 2020 eine bestimmte Mindestmenge an Masken lieferte.
Walter Kohl lieferte eine Million Masken aus China. Doch bezahlt worden ist er bislang nicht. Er fordert fünfeinhalb Millionen Euro. Kohl erhebt schwere Vorwürfe:

„Ich werfe Herrn Spahn und seinem Ministerium bewussten Vertragsbruch, Inkompetenz, Vetternwirtschaft, die Verschwendung von Steuergeldern und Vertuschung vor.“

Auch der Bundesrechnungshof kritisiert das Bundesgesundheitsministerium:

„Eine Koordinierung, eine Steuerung der Beschaffungsmenge hat es in dem notwendigen Maße nicht gegeben“, sagt Kay Scheller, der Präsident des Bundesrechnungshofs.

Tatsächlich war das Ausmaß der Über-Beschaffung enorm.

Im Vorfeld der Beschaffung errechnete der Krisenstab des Ministeriums einen 6-Monats-Bedarf für Ärzte und Bundesbehörden: 241 Millionen FFP2-Masken und 261 Millionen OP-Masken. Das Ministerium von Jens Spahn beschaffte dann aber die 7-fache Menge an FFP2-Masken und die 16-fache Menge an OP-Masken. Für insgesamt 6,4 Milliarden Euro.

AUFFÄLLIGE AUFTRAGSVERGABE

Besonders Unternehmen, die einen engen Draht ins Ministerium hatten, haben davon profitiert. Etwa das Schweizer Unternehmen Emix. Den Deal fädelte die Tochter des ehemaligen CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler ein und wandte sich dabei direkt an Jens Spahn. Mit Erfolg.

Einen weiteren Vertrag schloss das Ministerium mit dem Logistikdienstleister Fiege International Beteiligungs-GmbH aus dem Westmünsterland. Dort liegt auch der Wahlkreis von Jens Spahn. Brisant: Fiege bekam dabei nach unseren Recherchen bessere Konditionen als andere Unternehmen. Laut Bundesrechnungshof kassierte Fiege rund eine Milliarde Euro.

Die „massive Überbeschaffung“ wäre vielleicht noch zu rechtfertigen, wenn die Masken tatsächlich in der Pandemie zum Einsatz kommen würden. Doch der Bundesrechnungshof schreibt in seinem Bericht, der „überwiegende Teil“ der beschafften Masken sei noch nicht einmal verteilt worden. Es ist zu befürchten, dass die Steuerzahler mehrere Milliarden Euro für Masken ausgegeben haben, die am Ende zum Teil in der Müllverbrennung landen.

Dieses Video ist eine Auskopplung aus der vom SWR verantworteten ARD-Plusminus-Sendung vom 06. Oktober 2021. Die ganze Sendung gibt es in der ARD-Mediathek.

Filmautor: Moritz Hartnagel & Barbara Hirl
Bildquelle: picture alliance / dpa

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SWR / Masken-Debakel: Wer zahlt die teure Beschaffung des Bundes? "Plusminus" im Ersten

Alev Seker, SWR Moderatorin von Plusminus. © SWR/Patricia Neligan, honorarfrei - Verwendung gemäß der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter SWR-Sendung und bei Nennung "Bild: SWR/Patricia Neligan" (S2+). SWR Presse/Bildkommunikation, Baden-Baden, Tel: 07221/929-22202, / Weiterer Text über ots und www.presseportal.de/nr/7169 / Die Verwendung dieses Bildes ist für redaktionelle Zwecke honorarfrei. Veröffentlichung bitte unter Quellenangabe: "obs/SWR - Südwestrundfunk"

Stuttgart (ots) - Wirtschaftsmagazin "Plusminus" am Mittwoch, 16. September 2020, 21:45 bis 22:15 Uhr, Das Erste / Moderation: Alev Seker (Südwestrundfunk) Als im März persönliche Schutzausrüstung auch in Arztpraxen und Kliniken knapp wurde, beschloss das Bundesgesundheitsministerium, selbst Atemschutzmasken und Schutzkittel zu beschaffen. Mehr als 700 Verträge wurden geschlossen, Masken für rund 6,4 Milliarden Euro bestellt. Das Verfahren lief völlig aus dem Ruder. "Plusminus" berichtet über Lieferanten, die bis heute auf ihr Geld warten oder auf Millionen von bestellten Masken sitzen. Vor dem Landgericht Bonn sind inzwischen mehr als 50 Verfahren anhängig. Nach Einschätzung von Rechtsanwält*innen könnten allein daraus auf das Bundesgesundheitsministerium Rechnungen von rund 1,5 Milliarden Euro zukommen. Und das sind längst nicht alle Kosten der Maskenbeschaffung. Die Einkaufstour des Bundegesundheitsministeriums kommt die Steuerzahler teuer zu stehen. Das Wirtschaftsmagazin "Plusminus" am Mittwoch, 16. September 2020, 21:45 bis 22:15 Uhr im Ersten, online auf DasErste.de, in der ARD Mediathek und auf Youtube.

Weitere Themen der Sendung:

Unternehmensinsolvenzen - droht die große Welle? Bislang sind deutsche Unternehmen gut durch die Coronakrise gekommen. Dafür haben vor allem großzügige Staatshilfen und die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gesorgt. Nun plant das Justizministerium die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sogar noch zu verlängern Doch Wirtschaftsexpert*innen warnen: Die Sondergesetze seien zwar gut gemeint, täuschen aber über den wahren Zustand der deutschen Wirtschaft hinweg. Schon jetzt können Insolvenzverwalter*innen und Sanierungsberater*innen sich vor Beratungsterminen kaum retten.

Paypal - der Zahlungsdienstleister profitiert von der Corona Krise Während der Corona Krise boomte der Online-Einkauf. Davon profitieren auch Zahlungsdienstleister wie Paypal. Um den blauen Button kommt man als Onlineshop kaum herum. Für die Kund*innen ist das Zahlen bequem, ohne komplizierte Kontonummer, E-Mail-Adresse und Passwort reichen. Doch ist das Vertrauen in die Sicherheit von Paypal gerechtfertigt? "Plusminus" berichtet über Kund*innen, die plötzlich um hunderte Euro ärmer waren und Händler*innen, die monatelang nicht an ihr Geld kamen.

"Plusminus" Seit mehr als 40 Jahren erklärt "Plusminus", das Wirtschaftsmagazin im Ersten, auf verständliche Weise Zusammenhänge der komplexen Wirtschaftswelt und gibt den Zuschauer*innen Orientierung. Das Magazin liefert Hintergrundberichte zu wirtschaftspolitischen und makroökonomischen Themen, deckt mit investigativen Recherchen Missstände auf, konfrontiert Verantwortliche und stößt öffentliche Debatten an. "Plusminus" wird im wöchentlichen Wechsel von den Wirtschaftsredaktionen von BR, HR, MDR, NDR, SR, SWR und WDR verantwortet.

Die Sendung ist nach Ausstrahlung ein Jahr land in der ARD Mediathek unter www.ARDmediathek.de oder auf DasErste.de unter www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/index.html zu sehen.

Außerdem auf Youtube unter www.youtube.com

Fotos unter ARD-foto.de

Informationen, kostenfreies Bildmaterial und weiterführende Links unter //swr.li/plusminus-masken-debakel

Kontakt Redaktion "Plusminus": 0711 / 929 11359, Pressekontakt: Katja Matschinski, 0711 929 11063,


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