Wladimir und Vitali Klitschko |
Nikolai KULAKOV, Journalist
Extra für „Prime Excursion Bureau“
Ohne sie – das einmalige Phänomen des Weltsportes, würde sich Ukraine nach wie vor mit Tschernobyl assoziiert und als ein merkwürdiger Raum, „Terra incognita“ der Weltgeographie bleiben. Die Brüder Klitschko haben im wahrsten Sinne des Wortes für die Ukraine einen Platz im Rating des Weltruhmes „herausgeschlagen“. Jetzt ist Ukraine als die Heimat der Großen Sportler weltweit bekannt.
Sämtliche Champions- Gürtel gesammelt, fast alle Gegner gesiegt, die Boxen-Siege aus USA nach Europa zurückgebracht, haben sie für unser Land viel mehr getan als alle Politiker in der 20-jährigen Geschichte der unabhängigen Ukraine. Ruhm der Brüder Klitschko wuchs schon längst über die Rahmen der Boxkämpfe hinüber. Sie sind in der Ukraine die angesehenen Persönlichkeiten im öffentlichen und politischen Leben. Der ältere Bruder Vitali führt eigene Partei „UDAR“ (Schlag), welche die besten Chancen hat ins Parlament in bevorstehenden Herbstwahlen 2012 zu kommen. Außerdem ist er einer unter zwei realen Prätendenten auf den Posten des Bürgermeisters unserer Stadt. Hätten sie auch mit Politik nichts zu tun haben, bleibt ihre Rolle in der Sport- Geschichte sowieso verewigt. Sie sind tatsächlich Groß im direkten und undirekten Sinne dieses Wortes. Sie werden „untrennbar“ wahrgenommen – beide haben gigantische Staturen und beide sind Weltmeister im Schwergewicht.
Aufgang des
„Doppelsterns“
Brüder in der Kindheit |
Die Brüder stammen aus Militärfamilie. Der ältere Vitali wurde am 19. Juli 1971 in der Siedlung Belowodsk in Kyrgyzstan und der jüngere Wladimir - am 25. März 1976 in der Stadt Semipalatinsk (Kasachstan) geboren. Ihr Vater – Pilot, Oberst der Luftstreitkräfte Vladimir Klitschko, Liquidator der Folge von Tschernobyl-Katastrophe, hat noch zum Ende seines Lebens den vollen Triumph seiner Söhne erlebt. Er verstarb im Spätsommer 2011 in der Zeit, als seine Söhne schon die volle Sammlung von Champions- Gürtel sämtlicher Versionen WBA, WBK, WBO, IBF und IBO besaßen.
Im Jahre 1985 übersiedelte die Familie Klitschkos in die Ukraine. In der Kindheit haben die Brüder verschiedene Zweikämpfe getrieben. Wenn Wladimir sich sofort im Boxen gefunden hatte, ließ sich Vitali zuerst von Kickboxing hinreißen, in dem er bedeutende Erfolge erreichte – er wurde zum sechsfachen Weltmeister. Später hat er sich auch ins Boxen umqualifiziert und begann die Preise zu sammeln: dreifacher Champion der Ukraine, Sieg in den ersten Weltmilitärspielen im Schwergewicht im Jahre 1995.
Wladimir wurde auch fünf Mal zum Champion der Ukraine und siegte auch in denselben ersten Weltmilitärspielen im Schwergewicht. Aber seinen wichtigen Sieg erhielt er 1996 in den Olympischen Spielen in Atlanta. Dort hat er die Goldmedaille gewonnen und wurde zum Sieger in der superschweren Gewichtskategorie. In gleicher Zeit wurde er mit dem ersten Regierungspreis – dem Orden „Für die Tapferkeit“ vom Präsidenten der Ukraine ausgezeichnet.
Nach dem Sieg in Atlanta erhielten die Brüder eine ganze Menge von Angeboten verschiedener Boxen-Klubs. Ihre Wahl fiel auf den deutschen Klub «Universum Box-Promotion», mit dem sie den Vertrag im Herbst 1996 abgeschlossen hatten. Zu deren Trainer wurde Herr Franz Zdunek. Schon ein Jahr später wurde es über die Brüder als die möglichen Anwärter auf den Titel des Europameisters sowie mehr vermutlichen Wettkämpfer gegen den damals unbesiegbaren Mike Tyson. Am 16. November 1996 fand das gemeinsame professionelle „Debüt“ der Brüder in Hamburg statt, wo jeder seinen Gegner k.o. schlug. Nach diesen Ereignissen fingen ihre Sterne an mächtig und hell zu leuchten.
Klitschko wird zur Hoffnung von Europa in der Rückkehr von Siegen in der ersten Liga des Weltboxens in die „Alte Welt“. Die namhaften deutschen Boxer, einschließlich Max Schmelling - Weltmeister von 1930 im Superschwergewicht (Schmelling war in der Zeit über 90 Jahre alt), prophezeien den Brüdern den Ruhm neuer Sterne von Weltniveau. Einige z.B., der bekannte deutsche Boxer Axel Schulz, verzichten sogar auf den Zweikampf mit Klitschko mit der Befürchtung der voraussichtlichen Niederlage. Und letzten Endes lädt sie unter seine Obhut der berühmte und skandalöse Promoter selbst Don King ein. Die Brüder bleiben doch in Deutschland, wo die größte Zahl ihrer Kämpfe erfolgt.
15 Jahre der Aufschwünge und Scheitern
Der Weg jedes Bruders – bei ihrem unzweifelhaften Boxen-Genie - zum Gipfel des Ruhmes war eindeutig nicht siegreich. Auf der Rechnung von Vitali und Wladimir gibt es sowohl die Niederlagen, als auch die Zweikämpfe, deren Ergebnisse als strittig gelten können: Wladimir verlor dem Corrie Sanders im März 2003 und dem Lamon Brewster im April 2004. Nach zwei bedauerlichen Misserfolgen hintereinander, dachte man schon, dass Wladimir für Weltboxen nicht mehr imstande sei… Unser Champion ergab sich hingegen nicht und begann in Kürze die Siege zu erringen, wobei er seinen Ruf vor den Augen des Publikums und der Sportöffentlichkeit wiederhergestellt hatte.
Vitali hat eigene Erprobungen durchzumachen. Die schwerste darunter war der Kampf am 21. Juni 2003 mit dem stärksten Gegner von Superschwergewicht – dem schwarzhäutigen Engländer Lennox Lewis. Nach der sechsten Runde aufgrunde der schwersten Durchtrennung der linken Augenbraue wurde Vitali nach dem Drängen des Arztes gezwungen den Kampf zu beenden, weil das Blut überfloss ihm das Auge. Lennox Lewis wurde als technischer Sieger erklärt und kurz darauf verabschiedete er sich vom „großen Sport“. Dadurch blieb Vitali Klitschko als Hauptanwärter für den Titel des stärksten im Superschwergewicht, was er im April 2004 bewies, indem er den „Beleidiger“ seines Bruders Corrie Sanders im Ring beinahe „verprügelt“ hatte. Gerade dank diesem Kampf wurde er zum Weltmeister nach der Version WBC.
2005 annoncierte Vitali den endgültigen Abschluss seiner professionellen Karriere, kehrte doch im Oktober 2008 in den großen Sport zurück, indem er den Zweikampf mit Samuel Peter durchgeführt hatte. Nach seinem Sieg am 11. Oktober 2008 verwirklichte sich der einstige Wunschtraum der Brüder - gleichzeitig zu Weltmeistern im Schwergewicht in Versionen verschiedener Profi- Boxenorganisationen werden. Durch den Sieg über Samuel Peter hat Vitali Klitschko den WM-Gürtel in Version WBC zurückerobert. Wladimir hatte schon drei Gürtel in den Versionen WBO, IBF/IBO (nach dem Sieg über den Russen Sultan Ibragimov im Februar 2008) in seinem Besitz. Zum 2011 fehlte in ihrer Kollektion nur der WM-Gürtel der Assoziation WBA.
Und
dies geschah am 2. Juli 2011- im Kampf mit David Hay erhielt Wladimir Klitschko auch diesen letzten Gürtel. Der Sieg über David Hay erhob Wladimir in den Rang des absoluten Weltmeisters und stellte Wladimir in eine Reihe mit legendären Lennox Lewis und Mike Tyson.
Man kann sagen, dass zum Sommer 2011 die „Champions Appetite“ der Brüder befriedigt wurden. Sämtliche WM-Gürtel schon gewonnen sind, könnte man eigentlich in den Ruhestand treten? Es sieht doch nicht so aus, als ob sie beabsichtigen den großen Sport zu verlassen und sich vollkommen mit anderen Beschäftigungen zu befassen. Bislang sind keine würdigen Gegner zum Vorschein gekommen. Die Sport- Analytiker und bewanderte Boxer prognostizieren: die Klitschkos Ära im Superschwergewicht könne noch ca. 10 Jahre dauern, dann aber würden sie aus objektiven Gründen den Ring verlassen müssen - wegen des Alters. Zu dieser Zeit kommen möglicherweise die neuen „Champions“. Und nicht ausgeschlossen ist, dass dabei auch um die Ukrainer gehen könne, denn Boxen heute in unserem Land zu einem der populärsten Sporte geworden ist.
„Alle wollen einen großen Champion sehen. Die Situation gestaltete sich doch so, dass zwei zum Vorschein kamen und sie werden miteinander nicht kämpfen. Im Schwergewicht wechselten sich immer die Epochen. Es gab Muhammad Ali, um den sich viele berühmten Namen drehten. Später kam Mike Tyson, hinter ihm Lennox Lewis und jetzt die Brüder Klitschko. Kann sein, dass es neben ihnen keine berühmten Namen gibt, ich sage eigentlich immer, dass das Schwergewicht wie ein Vulkan ist. Es befindet sich immer in der Erwartung einer Explosion – Auftauchen eines großen Sternes. Es war und wird immer so bleiben“. So äußerte sich im September 2011 Lennox Lewis – der unbesiegte Vorgänger von Klitschkos auf dem Boxen-Olymp.
Nicht nur Boxen…
Sich als Sterne des Weltsportes etablierend, begannen die Brüder auch andere Branchen der Anwendung ihrer Talente zu „erschließen“. Außer Politik und Mitgliedschaft in großer Zahl von Gesellschaftsorganisationen, wurde sie im Kino gedreht, nahmen im improvisierten Schach-Turnier mit Gennadi Kasparow und Wladimir Kramnik teil; 2011 las Vitali aus einer Bühne in Hamburg das berühmte Werk „Meister und Margarita“ des Schriftstellers Michail Bulgakow in Deutsch vor. Der größte Teil dieser Aktionen kann freilich als „PR“ eingeschätzt werden (dabei offen gestanden als effektiv und durchgedacht). Doch jede Erscheinung der Brüder in der einen oder anderen Inkarnation auf der Bühne, im Kino bzw. im Publikum erinnert an ihre Heimat - Ukraine.
Die beiden Brüder Klitschko sind die Kandidaten der Wissenschaften. Sie absolvierten die Pädagogische Hochschule in der Stadt Perejaslav-Chmelnizky (Ukraine). Vitali wurde am 29. Februar 2000 zum Kandidaten der philosophischen Wissenschaften indem er die Dissertation zum Thema „ Methodik der Festlegung von Fähigkeiten eines Boxers im System der etappenweisen sportlichen Auswahl“ verteidigte. Seine Dissertation hatte er in Deutschland an der Bundeswehr-Universität und an der Universität der Stadt Freiburg vorgelegt. Wladimir ist Kandidat der Wissenschaften auf dem Gebiet der physikalischen Erziehung und des Sports seit dem 18. Januar 2001 nachdem er Dissertation zum Thema „Pädagogische Kontrolle im Trainingssystem der jungen Sportler“ verteidigte. Sobald Brüder die Titel von Kandidaten der Wissenschaften erhielten, wurden ihre sportlichen Beinamen durch eigenartige Meistertitel ergänzt: sie werden insbesondere in Deutschland als „Doktor Eiserne Faust“ (Vitali) und „Doktor Eiserner Hammer“ (Wladimir) genannt.
Einige Jahre später wurden Vitali und Wladimir gemeinsam mit der Gattin von Vitali Natalia zu Autoren des Buches „Unsere Fitness. Die einfachen Geheimnisse von Champions“, welches 2003 veröffentlicht wurde. Es wurde in Deutsch präsentiert. In Russisch heißt es „12 Fitness-Runden“.
1997 haben Vitali und Wladimir den Internationalen Fonds für Unterstützung der Sportentwicklung „Sport –XXI Jahrhundert“ gegründet, dessen Zweckbestimmung in Unterstützung der jungen Sportler besteht.
Die Präsentation des Fonds fand in Hochlehranstalt für Körperkultur im Vorort Kiews Browary statt, wo einst
Wladimir Klitschko lernte. Die Brüder haben auf eigene Kosten den Boxen-Saal instand gesetzt und diesen mit dem modernen Boxen-Inventar ausgestattet. Im Jahr 2007 haben sie eigene Promoter-Company „K2 Promotions“ gestiftet.
«Kiew – Stadt, in der meine Kinder leben werden…»
Zum Ende 1990-er Jahre, als die Brüder das erste große Geld verdient hatten, wurden sie zu Mäzenen. Als 1988 wurde in Kiew mit der Wiederherstellung der von Sowjets 1937 gesprengten St. Michael-Kathedrale angefangen, haben Wladimir und Vitali die Restaurierung des Hochreliefs von Archistratigus Michael finanziert, welches durch ein Wunder nach der Vernichtung der Kathedrale erhalten belieben war. 2003 wurde Vitali das Ehrenzeichen „Mäzene Kiews“ für die „Verdienste auf dem Gebiet der aktiven gesellschaftlichen und wohltätigen Tätigkeiten sowie den Beitrag zur Wiederherstellung der historischen und architektonischen Denkmäler in Kiew“ überreicht.
2004 wurden die Brüder Klitschko auch zu politischen Persönlichkeiten, indem sie die Orangerevolution unterstützt hatten. Insbesondere Vitali, der im Zweikampf mit Danny Williams am 11. Dezember das orange Band gebunden hatte. Seit jener Zeit gelten sie als Anhänger des europäischen Entwicklungskurses der Ukraine und damit ist im großen und ganzen Beginn der politischen Karriere des älteren Bruders Klitschko verbunden. Schon einige Jahre hindurch wird Vitali wahrgenommen, nicht nur als ein Sportler, der den „Durchbruch“ der Ukraine im Weltsport versinnbildlicht, sondern auch als eine Persönlichkeit, deren Charisma und Ansehen bzw. Ruf einen erheblichen Beitrag in die ukrainische Politik leisten können.
Am 19. Januar 2006 erklärte Vitali Klitschko sein Vorhaben für das Amt des Kiewer Oberbürgermeister zu kämpfen. „Kiew ist die Stadt, wo ich aufgewachsen bin und die ich liebe. Schon als der Halbwüchsige hab ich in mich deren Geschichte und Kultur aufgenommen. Hier lebe ich und werden auch meine Kinder leben. Unserer Zukunft wegen müssen wir die einmalige Schönheit und die Seele der Stadt am Dnepr erhalten“, − proklamierte er. Doch die Wahlen 2006 sowie die Neuwahlen 2008 hat er verloren. Jetzt beabsichtigt Vitali Klitschko zum dritten Mal zu kandidieren. Wenn jemand denn in der Ukraine die Bezeichnung als „starker Politiker“ verdienen würde, so ist es gerade der Fall mit unserem Großen Boxer.
Interessante Fakten über die Brüder Klitschko:
Wladimir Klitschko hatte im professionellen Ring 59 Kämpfe, 56 − gewonnen (49 − Knockout). Vitali Klitschko hatte im professionellen Ring 45 Kämpfe, 43 − gewonnen (40 − Knockout). Im Zeitraum 1996-2000 war Vitali der erste Weltmeister im Superschwergewicht der Höchsteprestigeversion WBC in der Geschichte der Europäer und wurde ins Guinness-Buch der Rekorde als Sportler eingetragen, der minimalste Zahl von Runden für 27 Knockouts hatte.
Viele Promoter sind der Ansicht, dass zum „Megahit“ der evtl. Zweikampf zwischen den Brüdern werden könnte, der ihre Karriere würdig abschließen sollte. In der Tat ist schon solcher Zweikampf stattgefunden. Und schon längst – im Jahr 1992. Damals entschlossen sich Vitali und Wladimir trotz Verbote des Trainers ihre Kräfte zu messen. Der Kampf hatte eigentlich den Besten nicht bestimmt. Er endete vorzeitig – der 16-jährige Wladimir hatte sich das Bein gebrochen. Um die Eltern nicht zu verstimmen, hatten die Brüder ihnen nichts über den Zweikampf und dessen Resultat erzählt. Wie hat es Wladimir fertig gebracht gerade das Bein zu brechen, können beide nicht erklären… Seit jener Zeit aber sind jegliche Kämpfe miteinander zu Tabu geworden.
1996 hat die Promoter-Company «Universum Box-Promotion» den Brüdern vorgeschlagen ihre Namen und Vornamen für bessere Erkennbarkeit in Deutschland zu ändern. Dadurch könnte Vitali – Willy und Wladimir – Walter mit dem Namen Klitschmann werden. Die Brüder haben diesen Vorschlag abgelehnt.
Wladimir träumte in der Kindheit Arzt zu werden. Nach der achten Klasse begab er sich in eine medizinische Lehranstalt als Feldscher zu studieren. Es wurde eigentlich dem zukünftigen Champion abgesagt, weil er lediglich 14 Jahre alt war.
Vitali Klitschko ist seit 1996 mit der ehemaligen Sportlerin und Fotomodell Natalia Egorova verheiratet; sie erziehen drei Kinder – die Söhne Jegor (2000 Jahrgang) und Maxim (2002 Jahrgang) sowie Tochter Elizabeth-Victoria (2005 Jahrgang). Wladimir Klitschko ist noch ledig.
März 2012