Welche bedeutung haben kommunen für die soziale arbeit

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2 803 Kommunale Sozialarbeit Von Peter Marquard Soziale Arbeit in der Kommune Für die Kommunalpolitik ist ein politisch brisantes Spannungsverhältnis zwischen den umfassenden Ansprüchen an lokales Handeln und den vielfältigen Vorgaben für eben diese unmittelbare Erfahrungsebene charakteristisch. Zentral für den sozialpolitischen Alltag sind die Auseinandersetzungen zwischen Bundes- und Landesgesetzgeber sowie den kommunalen Leistungsbringern (Bronke 2004, 133 ff.; Prigge / Schwarzer 2007, 3 ff.): Der bundesdeutsche Föderalismus ist Ausdruck unterschiedlicher Lebenslagen und Traditionen sowie entsprechend differenzierter sozio-ökonomischer Bedingungen in den Regionen. Dem entspricht ein wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Polyzentrismus, weshalb ein bundesstaatlicher Umbau des Sozialstaates konkurriert mit regionalen und lokalen Konzepten und Kompetenzen. Soziale Dienste sind an die Interessen und Bedürfnisse der NutzerInnen gebunden und haben einen am Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes (Artikel 20, 28) auszurichtenden Gestaltungsauftrag. Der Bund setzt dafür Normen und Standards, die Kommunen nehmen ihren Gestaltungsspielraum auch angesichts einer oft unzureichenden Finanzausstattung sehr unterschiedlich wahr: Das Ziel der Gleichwertigkeit bzw. Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet (Artikel 72, Abs. 2, 106, Abs. 3 GG) wird inzwischen mit einer neuen Interpretation des Subsidiaritätsprinzips verbunden und mit dem Primat der Aktivierung, was dann auch bedeutet, dass Eigenverantwortung und Selbstaktivierung nicht nur erwartet, sondern auch gefordert und (falls notwendig: mit Zwang) durchgesetzt wird (DV 2007, 14). Das Prinzip Fördern und Fordern wird auf das Individualverhältnis bezogen und scheint gleichermaßen angewandt zu werden auf das Verhältnis der drei staatlichen Ebenen Bund Länder Kommunen. Kommunalisierung sozialer Aufgaben zielt dann auf eine Verantwortungsverlagerung bisher gesamtstaatlich zu realisierender Strategien auf die kommunale Ebene, womit soziale Diversität nicht nur hingenommen, sondern bewusst als notwendige Differenzierung eingeplant ist (vgl. für die Jugendhilfe z. B. Diskussion zum disorganisierten Wohlfahrtskapitalismus in Pluto et al. 2007, 281 f.). So gewinnt die These an Plausibilität, wonach es eine Neudefinition von (vermehrter) Hilfebedürftigkeit als Folge spektakulärer Fälle von Kindeswohlgefährdung mit den daraus begründeten (neuen) Verfahren zum Kinderschutz gibt infolge eines aktuellen gesellschaftspolitischen Interesses an einer umfassenden Förderung von Kindern und Familien (Investition in Humankapital, Olk 2007): In einem Dreiklang von Fördern Fordern Kontrollieren wird ein vielgestaltiger Ausbau (!) staatlicher Sozialleistungen (für Kinder) betrieben. In dessen Logik liegen auch ein vermehrtes Angebot und die entsprechende Inanspruchnahme von Erziehungshilfen. (Man denke an: Erhöhung des Kindergeldes; eigenständige Regelsätze für Minderjährige in der Grundsicherung; Ausbau der Kinderbetreuung und Beitragsfreiheit; verpflichtende Sprachstandtests; Ganztagsschule; Gesundheitsförderung und verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen; Erziehungsweisungen des Familiengerichts; verpflichtende Hausbesuche der Sozialen Dienste.) Gleichzeitig häufen sich die empirischen Befunde für eine wachsende Kluft zwischen Kindern durch eine Zunahme der Armut und deren Auswirkungen: Bis zu 40 Prozent der deutschen Kinder in Ein-Eltern-Familien wachsen in relativer Armut auf und bleiben oft über lange Phasen ihrer Kindheit arm. Bei rund 15 Prozent der jungen Otto/Thiersch (Hg.), Handbuch Soziale Arbeit, 4. A., DOI /ot4a.art082, 2011 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

3 804 Marquard Menschen unter 18 Jahren sind gesundheitliche Gefährdungen festzustellen. Das Bildungssystem ist stark sozial selektiv und es verlassen rund ein Sechstel der Heranwachsenden mit Migrationshintergrund die Schule ohne Abschluss. Objektive Belege für materielle Armut und Benachteiligung und damit Hilfsbedürftigkeit einer relevanten Gruppe von Kindern und Jugendlichen sind also nicht (mehr) zu übersehen. Eine an den Interessen und Bedürfnissen der NutzerInnen orientierte Aufgabenstellung Sozialer Dienste bleibt trotz und gerade angesichts einer differenzierten Neudefinition des Staatsziels der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse gleichermaßen an der rechtsstaatlichen Idee der Freiheit, der demokratischen Idee der Gleichheit und der sozialstaatlichen Idee der Gerechtigkeit zugunsten der BürgerInnen und ihrer Selbsthilfechancen auszurichten. Perspektivisch ist eine wesentliche kommunalpolitische Strategie darin zu sehen, Aufgaben und Handlungslogiken der Sozialen Dienste nicht auf die ordnungsgemäße Erbringung sozialstaatlicher Leistungen zu verkürzen, sondern stärker den Zusammenhang von bürgerschaftlichem Engagement und Sozialer Sicherung im weiteren, alltagspraktisch-lebensweltlichen Sinne von Kommunikation, Förderung, Erziehung, Bildung, Betreuung, Pflege usw. herzustellen. Eine solche (kommunitaristische) Wende zielt auf einen öffentlichen Diskurs über die (Neu)Verteilung von Rechten und Pflichten zwischen Staat, intermediären Organisationen und BürgerInnen mit der Perspektive einer Demokratisie rung von Sozialpolitik. Dieser Zielsetzung bleiben Prozesse der Neuorganisation Sozialer Dienste verpflichtet. Im Rekurs auf die Debatte Ende der 1970er Jahre (vgl. Müller 1980; Mielenz 1981) ist zunächst zu erinnern an ein gewandeltes Funktionsverständnis von Sozialer Arbeit in der Kommune. Dabei kann heute kommunale Sozialpolitik nicht handlungsorientierend analysiert werden als abgeleitete Politik, die auf zentralstaatliche Aufgaben der Aufrechterhaltung und Sicherung von Produktionsverhältnissen reduziert wäre. Olk / Otto (1981, 100) propagierten bereits früh eine sich neu konstituierende Sozialarbeitspolitik, die unter der Leitidee einer sozialen Kommunalpolitik die unverbunden nebeneinander her bestehenden Teilpolitiken auf örtlicher Ebene auf das umfassende Ziel der qualitativen Verbesserung sozialer Chancen aller Bevölkerungsgruppen verpflichten will. Dieser Bedeutungszuwachs der Kommune als Steuerungsebene geschieht auf der Grundlage, dass immer mehr Funktionen der Sozialpolitik hier realisiert werden sollen, um die Steuerungsdefizite zentralistischer Bürokratien zu kompensieren. Gleichzeitig sieht sich die Soziale Arbeit herausgefordert, ihre Problemperspektive auf den gesamten Steuerungs- und Leistungszusammenhang in der Kommune zu richten. Bevor eine integrierende, politische Strategie einer solchen Sozialarbeitspolitik begründet wird, soll zunächst auf die diversen Konzepte einer kommunalen Sozialarbeit (im Überblick Bronke 2004, 21 ff.) sowie die damit verbundenen Varianten von Dezentralisierung und Gemeinwesenarbeit hingewiesen werden. Über die Phasen einer Neuorganisation Sozialer Dienste und die Einführung neuer Steuerungsinstrumente (NSM) hinaus ist dann auf eine Regionalisierungsstrategie zu verweisen. Dies erfolgt auf der Basis kritischer Anmerkungen zur Funktionalisierung einer Sozialraumdebatte und möglicher Perspektiven für eine Sozialraumorientierung als fachlichem Arbeitsprinzip und Grundlage einer Demokratisierung Sozialer Arbeit (Marquard 2006). Entwicklungstendenzen der (allgemeinen) Sozialen Dienste im Jugendamt und dessen Funktion insgesamt dienen als ein Praxisbeispiel für aktuelle Strategien einer organisierten Sozialen Arbeit in der Kommune. Diese analytischen und konzeptionellen Überlegungen werden abschließend in je einem Abschnitt zu Sozialarbeitspolitik und zu kommunalen Aushandlungsprozessen erörtert. Es wird von der optimistischen These ausgegangen, dass neue Impulse für eine partizipativ-demokratische Reformstrategie zumindest auf der kommunalen Ebene an solidarischen Konzepten der Subsidiarität anknüpfen und mit dem Ausbau der lokalen Selbstverwaltung verbunden werden (können). Demokratie beruht nicht auf Konsens, sondern auf dem zivilen Umgang mit Dissens. Demokratische Rationalität (Dewe / Otto 2005) kann hier genutzt werden sowohl für eine öffentlich-politische als auch für eine fachlich-soziale Praxis. Damit würden emanzipatorische Elemente einer progressiven Sozialarbeit den Weg weisen für eine dialogische Politik (Giddens 1997). Die Ungewissheiten einer reflexiven Moderne verlangen nach einer entsprechenden Offenheit sozialpäda-

4 Kommunale Sozialarbeit 805 gogischer Konzepte. Denn auch deren Leistungsfähigkeit und Legitimität muss für die NutzerInnen immer wieder (neu) begründet, praktisch im Alltag erhalten und in der Wirksamkeit (Wiedererlangung der Selbstständigkeit) verbessert werden: Dies erfordert eine Stärkung der wissenschaftlich-reflexiven Kompetenz der Professionellen. Strategien kommunaler Sozialarbeit Olk / Otto (1985, 12) konstatierten in diesem Zusammenhang reformpolitische Überlegungen zur Effektivierung institutionell verfasster Sozialpolitik und gleichzeitig die Etablierung von Selbstorganisation und Eigenarbeit als Vorläufer einer antiinstitutionalisierten Form der Vergesellschaftung und damit nicht nur als persönliche Verarbeitung ökonomischer oder gesellschaftlicher Benachteiligung. Eine solche politische Analyse verweist auf die Bedeutung einer Kommunalisierung Sozialer Arbeit und auf Grundfragen der Handlungsorientierung, wie sie als gesellschaftliche Perspektiven der Sozialarbeit bereits seit Ende der 1970er Jahre diskutiert wurden. Anschlussfähig wird eine alte und neu aufgenommene Debatte um Gemeinwesenarbeit (zu ihrer Geschichte vgl. Wendt 1989), die als Orientierung für das Alltagshandeln einhergeht mit einer Renaissance des sozialen Raums. Die Alltags- und Lebensweltorientierung (Thiersch 2000; BMJFFG 1990), die Einmischungsstrategie (Mielenz 1981), strategische Überlegungen zu Lokale Sozialpolitik und Selbsthilfe (Olk / Otto 1985), gemeinwesenorientiertes Handeln als Arbeitsprinzip (Oelschlägel 2005) und entsprechende Überlegungen zur Dienstleistungsorientierung (KGSt 1994; 9. Jugendbericht 1994) sowie zu einer adäquaten Steuerung (KGSt 1994) unterstreichen die Perspektive eines solchermaßen ressourcenorientierten Empowermentmodells, das wiederum nur im konkreten Sozialraum in einem demokratischen Aushandlungsprozess realisiert werden kann (umfassende Grundlagendiskussion bei Kessl et al. 2005a). Soziale Arbeit in der Kommune als regionalisiertes Arbeitskonzept kann in der Kombination persönlicher und wirtschaftlicher Hilfen am wirksamsten Unerstützungsarrangements unter Berücksichtigung von Problemen und Ressourcen aller Beteiligten entwickeln. Hierin liegt die Innovation der Neuorganisation Sozialer Dienste für eine weitere Demokratisierung und Revitalisierung des Gemeinwesens und die Aktivierung der Bürgergesellschaft (Bronke 2004, 135 ff.). Eine personenbezogene, soziale Dienstleistungsarbeit ist nur in Verbindung mit nachhaltigen Strategien der Demokratisierung des öffentlichen und persönlichen Lebens zu realisieren. Mit Bezug auf aktuelle Konzepte zu Zivilgesellschaft, bürgerschaftlichem Engagement und die Konzeption der Subjekte als NutzerInnen ist das Paradigma der Demokratisierung als Kompetenzanforderung inhaltlich zu fokussieren als Sicherung zivilgesellschaftlicher Bürgerrechte in der Lebenswelt, politische Mitgestaltung des wohlfahrtsstaatlichen Sozialleistungssystems, gesellschaftliche Teilhabe und persönliche Beteiligung an und in den Institutionen und Sozialen Diensten, reflexives, rationalitätsstiftendes Prinzip der Gestaltung professioneller Standards und damit eben auch als kontrafaktische Prämisse und fachliche Ressource im Handlungsvollzug zwischen NutzerIn und Professionellen. Neuorganisation Sozialer Dienste Staatliche (Sozial)Politik kümmert sich vor allem um die Sicherung der Reproduktion in den Bereichen Sozialisation, Gesundheit, Wohnen, Qualifikation, subsidiäre Daseinssicherung (Überblick zu Strukturen der Sozialen Dienste und Entwicklung der Sozialleistungsquote bei Wienand 2006). Verstaatlichung zielt hier auf den Ausgleich des Funktionsverlustes familiärer Sozialisations- und Versorgungspotenzen (Kindergarten, Pflege); Re- Privatisierungsstrategien überantworten die Problembearbeitung wieder der Eigendynamik gesellschaftlicher Entwicklungen. In Verbindung mit wiederkehrenden ökonomischen Krisen ist auf eine Dezentralisierung sozialpolitischer Kompetenzen als Erhöhung von (individueller, gruppen- und quartiersbezogener) Autonomie bei gleichzeitiger Ausweitung sozialer Kontrolle zu verweisen; bei solchen Reformvorschlägen geht es

5 806 Marquard immer auch um die Abwälzung von Kosten. So wurde die Problemlösungskapazität von Dezentralisierungsstrategien zunächst als organisationspolitische Lösung aus Sicht von Sozialadministrationen auf folgende Dimensionen bezogen: Kostendruck, Stabilisierung von Problemgruppen, Arbeits- und Laienrollen in sozialen Diensten, Legitimationsanforderungen. Neben einer Kontrollfunktion könnte das in solchen Dezentralisierungsstrategien angelegte Expansionspotenzial die intendierten Rationalisierungseffekte allerdings dann zunichte machen, wenn die strukturell stärkere Situationsnähe dezentraler Dienste Anspruchsniveaus, die zu disziplinieren sie konzipiert sind, gleichzeitig antreiben. Müller / Otto (1980) skizzierten auf diesem Hintergrund eine Positionen zur Neuordnung Sozialer Dienste als Professionalisierungsstrategie, die als gesellschaftspolitisch reflektierte neue Fachlichkeit wesentlich auf eine administrative Selbstbegrenzung und Problemlösungskompetenzen der Betroffenen setzt. Grundlegendes Ziel adressatenorientierter Handlungsmuster ist der Abbau jener bürokratischen Organisationsstrukturen, die problemadäquaten Interventionsstrategien entgegenstehen. Es geht sowohl um die Erweiterung von Handlungsspielräumen für personenbezogene und materielle Dienstleistungen als auch um die Eröffnung anderer Zugänge bzw. die Beteiligung der NutzerInnen über andere Mechanismen als die der Defizitzuschreibung; ansonsten setzt sich entgegen einer Strategie der Aktivierung von Selbsthilfe durch Formen der Stigmatisierung der Betroffenen oder gar der Diskriminierung ganzer Wohnbereiche immer wieder ein Mechanismus von Abhängigkeit und Fürsorge durch. Die klassischen Organisationsstrukturen der bürokratischen Herrschaftsausübung mittels ordnungsbehördlicher Eingriffsverwaltung (z. B. Grundsicherung) verlieren weiterhin an Wirksamkeit gegenüber den gestaltenden, zwecksetzenden und sich selbst programmierenden Administrationen (z. B. personenbezogene Soziale Dienste). Eine Neuorganisation Sozialer Dienste, die nicht auf dieser Grundlage mit einer inhaltlichen Neubestimmung verbunden ist, ändert an den Begrenzungen und der mangelhaften Funktionalität ihrer organisatorischen Verfasstheit nichts. Mit der Öffnung der Organisation gegenüber der Umwelt zur Erhöhung der administrativen Steuerungsfähigkeit verändern sich auch die Rationalitätskriterien staatlichen Handelns: sie verlagern sich von der Binnenstruktur bürokratischer Handlungsmuster auf die Frage nach der Systemfunktionalität eben dieser Interventionsstrategien. (Müller / Otto 1980, 20) Im weiteren Ausbau personenbezogener Sozialer Dienste nimmt die Bedeutung einer produktiven Interaktion von Profis und NutzerInnen zu. Lebensweltbezug, situationsnahe Arbeitsformen sind gebunden an die Anpassung und Umformung bürokratischer Handlungs- und Entscheidungsprämissen; Aushandlungsprozesse mit den NutzerInnen sind produktive Bedingungen, weil Interventionen und Angebote nach ihrem Gebrauchswert beurteilt werden. Diese Aushandlungsprozesse führen zu auch widersprüchlichen Anforderungen, die die Sozialverwaltung nicht immer befriedigen kann; andererseits sind nur so handlungsrelevante Informationen zugänglich, um auf komplexe und dynamische Umweltanforderungen noch angemessen reagieren zu können. Verwaltungsmodernisierung Die im Konzept der neuen Steuerung (NSM) wesentliche Forderung nach einer neuen Verhältnisbestimmung der Aufgaben von Verwaltung und Politik konnte in vielen Kommunen nicht umgesetzt werden. Ebenso war das Verhältnis zu den Bürgerinnen und Bürgern auf das Kundenverhältnis reduziert worden, ihre Rolle als kommunale Akteure wurde nicht gesehen. Der deutsche Reformweg zeichnete sich insgesamt durch eine starke Binnenorientierung, durch eine Umsetzung lediglich verwaltungsinterner Maßnahmen aus. (Bronke 2004, 78) Mit Verweis auf die fehlenden Mittel in den öffentlichen Haushalten werden betriebswirtschaftliche Instrumente der Verwaltungsmodernisierung favorisiert, nicht aber grundlegende Innovationen der Leistungsgestaltung angestoßen. Eine strategische Kooperation von Politik, Bürgerschaft und Mitarbeiterschaft, angesichts

6 Kommunale Sozialarbeit 807 der aktuellen Modernisierungsumbrüche die Bedingungen für neue Lebensweisen zu gestalten, findet man hierzulande kaum. Eine bisher halbierte Modernisierung Sozialer Arbeit manifestiert sich mit Bezug auf ein neoliberales Paradigma in einer Übernahme betriebswirtschaftlicher Vokabeln in Verbindung mit Strategien der Reorganisation, in denen alte Entwicklungslinien zum Beispiel der Dezentralisierung und der Gemeinwesenarbeit im Sinne der neuen Effizienzkriterien in einer Art Managementkonzept scheinbar modern und statusfördernd reformuliert werden. Eine angemessene Professionalisierung als zweite Hälfte der Modernisierung der Sozialen Arbeit setzt dem entgegen eine konzeptionelle und organisatorische Innovation zunächst der Ausbildungsformen voraus, in deren Ergebnis ein Beruf mit eigenständiger Kompetenz und eigenen Leitungspositionen als selbstverständliche Bedingung für die gesellschaftliche Achtung einer professionellen Definitionsmacht konstituiert würde. Angesichts der Prozesse reflexiver gesellschaftlicher Modernisierung und ihrer Herausforderungen für das Individuum kann eine völlig neue Durchdringung des Beziehungsverhältnisses Professionelle NutzerInnen im Erbringungsverhältnis sozialer Dienstleistung auf der alltagspraktischen Umsetzungsebene neue produktive Potenziale eröffnen. Die Erweiterung gesellschaftlicher und individueller Handlungsoptionen und Teilhabechancen ist jenseits einer völlig unklaren, unterkomplexen Integrationsstrategie und unter Überwindung technokratischer, therapeutischer, interventionistischer Ansätze nur demokratisch-professionell zu konzipieren. Eine so begründete demokratische Rationalität sieht die NutzerInnen sozialer Dienstleistungen als unverzichtbare Ko-ProduzentInnen im Zu sammenhang einer neuen Konzeption von (personenbezogener, sozialer) Dienstleistungsarbeit. Wenn die Problem- und Bedarfsangemessenheit sowie die subjektive Zufriedenheit der BürgerInnen zum Maßstab der Qualität öffentlicher Dienstleistungen werden, bietet das Kundenparadigma jedenfalls auch eine wesentliche Demokratisierungsperspektive. Soziales Engagement wird nicht in Kategorien von Geld bewertet, sondern verlangt nach Teilhabe an Macht, Information und Arbeitsstrukturen: Lebensweltbezug, situationsnahe Arbeitsformen sind gebunden an die Anpassung bürokratischer Handlungs- und Entwicklungsprämissen. In eine solche Konzeption eingebettet ist Verwaltungsmodernisierung kein radikaler Systemwechsel, sondern gekennzeichnet durch die Überprüfung und Nutzung von Gestaltungs-, Veränderungs- und Einsparpotenzialen innerhalb des traditionellen bürokratisch-kameralistischen Steuerungssystems. So kann die sogenannte Produktdefinition als Leistungsbeschreibung auch bei der Herstellung von Kostentransparenz hilfreich sein. So können Organisations- und Personalentwicklungsprozesse wieder für die Neuorganisation in der Jugend- und Sozialhilfe genutzt werden, die in ihren Kernpunkten (wie z. B. mit dezentralen Dienststrukturen) seit Anfang der 1970er Jahre bekannt sind. Eine richtig angewandte Budgetierung stützt dabei z. B. in Verbindung mit einem fachlich ausgerichteten Kontraktmanagement den Prozess der Integration und Dezentralisierung von Fach- und Ressourcenverantwortung. Solche Strategien der Qualitätssicherung sind innerhalb des traditionellen Systems mit dem Rechtsrahmen des SGB XII und des SGB VIII grundsätzlich vereinbar (Kreft 2001). Schließlich sind inzwischen die fachlichen Standards einer zeitgemäß handelnden Praxis sowohl wissenschaftlich wie auch gesetzlich abgesichert (BMFSFJ 2002). Es ist eine Frage der (politischen) Definitionsmacht, ob Jugendhilfe und Soziale Arbeit insgesamt vor Ort Objekt oder Subjekt der Verwaltungsreform sind. Die Diskussion über neue Steuerungsinstrumente lässt sich nicht von der Diskussion über fachliche Standards trennen (u. a. am Beispiel der Strukturen in der Kinder- und Jugendhilfe Bissinger et al. 2002). Es bleibt vielmehr eine Verständigung über fachliche, strukturelle und finanzielle Bedingungen für die Qualität und Quantität des Angebots vor Ort, im Stadtteil erforderlich. Ein entsprechender Prozess kann zu einem Kontraktmanagement führen, das wiederum die politische Definition von klaren Zielen voraussetzt. Sozialberichterstattung und Sozialplanung haben dabei eine wesentliche Funktion zur zielorientierten Wirkungsanalyse der fachlichen und stadtteilbezogenen Systeme der Sozialen Dienste. Ein differenziertes Berichtswesen mit bereichsspezifischen Statistiken, Darstellung des Ressourceneinsatzes im Verhältnis zu Ergebnissen und Wirkungen unter Einbeziehung der Haushaltsdaten ist eine Voraussetzung gerade für

7 808 Marquard die Steuerung der fachlichen und finanziellen Ressourcen in einem Konzept der Regionalisierung (Sozialraumorientierung). Durch die Integration von Fach- und Ressourcenverantwortung bekommen Controlling in der Sozialen Arbeit, Sozialund Jugendhilfeplanung und Sozialberichterstattung einen Bedeutungszuwachs (Bronke 2004, 51 ff.). Solche Prozesse gehören zur Professionalität in der Sozialen Arbeit und ein Fachcontrolling muss deshalb auch die Evaluation mit der Mitarbeiterschaft und den NutzerInnen einbeziehen. Sozialraumorientierte Arbeitsweisen und Organisationsstrukturen (Regionalisierung) bieten in ihrer integrierten Form mit Aufgaben-, Organisationsund Ressourcenverantwortung vor Ort eine viel bessere Chance für die Gestaltung und Analyse wirksamer Prozesse. Bedingung dafür ist dann allerdings auch die Verlagerung der Verantwortung aller Kompetenzen in haushaltsmäßiger, personeller und organisatorischer Hinsicht in das Quartier, soweit nicht zwingende Gründe für eine zentrale Wahrnehmung gegeben sind. Raumkonzepte und Aneignung NutzerInnen und Soziale Dienste (inter)agieren real auf der örtlichen Ebene. Chancen und Risiken der Verwaltungsreform sind deshalb auch abhängig vom bürokratischen wie vom alltagspraktischen Zugriff auf den sozialen Raum der Subjekte. Raum ist als relationaler Begriff von konkret physischen wie sozialen Lokalisierungen und Positionierungen zu konzipieren. Ein Ort wird als sozial bestimmter Handlungskontext aufgefasst und nicht auf seine Materialität reduziert, er bietet unterschiedlichen Individuen unterschiedliche Optionen und vermittelt differenzierte Regeln zur Aufrechterhaltung sozialer Praktiken. Dann sind die vielfältigen materiellen und sozialen Beziehungen der Individuen, die sich im Rahmen einer umfassenden auch technisch unterstützten Mobilität ihre je eigenen Räume selbst suchen, zu respektieren und handlungsleitend aufzunehmen. Sozialraumorientierung wird auch kritisiert als neue politische Strategie zur Realisierung eines möglichst hohen öffentlichen Sicherheitsstandards und zur Verbesserung der Lebensbedingungen in einzelnen Wohnarealen. Mit einer solchen Engführung als sozialräumliche Präventionsprogramme würden aktuelle sozialräumliche Konzepte tatsächlich Gefahr laufen, Marginalisierungsprozesse nicht überwinden und Teilhabemöglichkeiten der BewohnerInnen nicht ermöglichen zu können, sondern sogar räumliche Segregationsprozesse dezidiert zu fixieren (Löw / Sturm 2005, 31 ff. zu Raumsoziologie ; zu einem raumtheoretisch verankerten Konzept Sozialer Arbeit Kessl / Maurer 2005b, 111 ff.). Kritisch zu beachten bleibt angesichts lebenspraktischer Netzwerke und Mobilitätsstrukturen die Differenz zwischen territorial (geografisch) bestimmten Sozialräumen zu solchen von den Akteuren selbst bestimmten sozialen Grenzen. Damit sich Netzwerke konstituieren können, ist der soziokulturelle Hintergrund ebenso wie die konkrete räumliche Umgebung in professionellen Handlungsstrategien zu berücksichtigen. Nahraumorientierung ist ein wesentlicher Aspekt der fachlich wie konzeptionell-strategischen Neuausrichtung Sozialer Arbeit seit den 1980er Jahren. Dabei darf sozialraumorientierte Soziale Arbeit (vgl. im Überblick DV 2007) nicht auf eine Funktion im Konzept der Stadtentwicklungsprogramme reduziert werden. Die Analyse der Aneignung von Räumen und der Ausbildung von sozialem Kapital muss die territorialen, geografischen Bindungen der AkteurInnen aufnehmen, Handlungskonzepte müssen zugleich die sozialen Interessen der Subjekte als Bezugspunkt haben und dürfen den Sozialraum nicht auf eine Verwaltungs- oder Versorgungseinheit reduzieren. Es ist zu prüfen, wie sich die operativen Ansätze einer Sozialraumorientierung ihrer manageriellen Inanspruchnahme im Sinne einer Minimierung der öffentlichen Opportunitätskosten und effizienten Steuerung von Mitteln zur Befriedung sozial benachteiligter Quartiere entziehen können, damit das Paradigma von Beteiligung und Teilhabe nicht zu einer Selbstverwaltung der Not degeneriert. Zahlreiche Einwände gegen eindimensional definierte Sozialraumtheorien benennen berechtigte Kritikpunkte. Die Gefahren des Missbrauchs neuer Strategien der interdisziplinären und integrativen Kooperation im Feld einer (neuen) Stadt(teil)entwicklungspolitik und einer gemeinwesenbezogenen sozialen Dienstleistungsarbeit begründen jedoch keine generelle Ablehnung von Sozialraumorientierung als einer wesentlichen Handlungsebene Sozialer Kommunalpolitik: Sie bildet kein Zauber-Instrument zum Abbau gesellschaftlich verursachter Ungleich-

8 Kommunale Sozialarbeit 809 heit und Benachteiligung. (Sozial-)Politische Leitziele, Macht- und Mehrheitsfragen ersetzt Sozialraumorientierung natürlich nicht (Krummacher et al. 2003, 12). Der Sozialraum muss somit als komplexes Gebilde betrachtet werden. Menschen haben eine Adresse und zumeist eine Wohnung. Hier ist ein Ausgangs- und hauptsächlicher Bezugspunkt für ihre Lebensweise gegeben, sie realisieren zunächst hier ihren Lebensstil so wie sie gleichzeitig mit ihren je individuellen Mitteln Einfluss auf die Gestaltung des Quartiers nehmen: Sie eignen sich ihre materielle und soziale Umwelt an bzw. entwickeln alltagstaugliche Bewältigungsstrategien sie konstruieren ihr soziales Quartier. Soziale Arbeit muss die Differenz zwischen so zialem, erlebten Raum und physisch anzueignendem Raum sowohl organisatorisch (Demokra ti sierung / Regionalisierung) als auch fachlich-professionell (Sozialraumorientierung / Dienstleistungsorientierung) anerkennen und in ihre Handlungsstrategien integrieren. Dafür sind kleinräumige, quartiersbezogene Sozialstrukturanalysen und einrichtungsbezogene Informationen erforderlich, die lebensweltbezogene Aspekte ebenso einbeziehen wie eine Geografie des Sozialraumes. Eine solche Konzeption ermöglicht eine neue Qualität der Teilhabe und Beteiligung der Individuen und Gruppen. Gleichzeitig bietet sie Grundlagen für die Bündelung kommunaler Ressourcen und eine vernetzte Stabilisierung wie Entwicklung belasteter Quartiere und weist damit strukturell über einen individualisierenden Ansatz der Defizitzuschreibung hinaus. Bearbeitungsstrategien in den Strukturen von Jugendämtern Jugendämter als sozialpädagogisch wirkende Ämter haben die Gesamtverantwortung für die allgemeine Förderung und individuellen Hilfen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII). Die Einheit der Jugendhilfe (gleichnamiger Sammelband der AGJ 1998) wird repräsentiert durch den Gestaltungsauftrag aller Akteure und die Sicherung einer sozialen Infrastruktur, die Ganzheitlichkeit und den allgemeinen Förderauftrag für Angebote und Hilfen, den Lebenswelt- und Sozialraumbezug sowie die Unterstützung von Interessensvertretung und Teilhabe. Diesen Handlungsmaximen entsprechen die organisatorische Verfasstheit des Jugendamtes und die Partnerschaft öffentlicher und freier Träger ebenso wie die Anforderungen an eine Verwaltungsmodernisierung. Jugendämter sind als Kinder der ersten Deutschen Republik, flächendeckend mit dem Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1923, mit ihrer Aufgabenstellung ein Gemischtwarenladen und haben eine Sonderstellung in der kommunalen Selbstverwaltung: Die Geschichte des Jugendamtes ist die Geschichte der Erfindung einer sozialpädagogischen Behörde (Müller 1994, 13). Soziale Arbeit bezieht sich als personenbezogene Sach- und Dienstleistung in diesem Rahmen auf Sozialpolitik, Jugendpolitik und Bildungspolitik: So gesehen ist Sozialpädagogik eine Zusammenfassung von vergesellschafteten Sozialisationsleistungen. So gesehen ist das Jugendamt in der Tat oder wenigstens im Prinzip ein sozialpädagogisch und sozialpolitisch wirkendes Amt (Müller 1994, 18). Die erste große Befragung von Jugendämtern in der Bundesrepublik zeigte 1957 schon eine Vielfalt in der Aufgabenwahrnehmung, in der organisatorischen Struktur, der Personalausstattung und Finanzkraft. Unter Einbeziehung neuer Entwicklungen wie z. B. der Verwaltungsmodernisierung zeigt das Jugendamt auch 50 Jahre später eine erhebliche Heterogenität von Entwicklungsdynamiken (Pluto et al. 2007). Es gibt nicht die (öffentliche) Jugendhilfe weder bezogen auf Dienste und Angebote des öffentlichen Trägers noch im Hinblick auf Strukturen der Organisation, Angebote und Kooperation zwischen öffentlichem und freien Trägern. Es gibt auch nicht das Jugendamt (Müller 1994, 122 ff.; Pluto et al. 2007, 32 ff.). Kommunale Selbstverwaltung und örtliche Praxis suchen nach günstigen Handlungsbedingungen, die hier weder empirisch nachgezeichnet noch allgemeingültig definiert werden können. Das moderne Jugendamt wird auf der Grundlage des SGB VIII / KJHG gedacht als Handlungsgrundlage für soziale Dienstleistung und demokratische Teilhabe! Der gesellschaftliche Auftrag der Jugendhilfe ist nicht auf die Sicherung individueller Rechtsansprüche (z. B. Kindergartenplatz, Hilfen zur Erziehung) und allgemeine Förderung (z. B. Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit, des erzieherischen Jugendschutzes) sowie die Gewährleistungsverpflichtung zum Vorhalten einer jugendhilfegerechten Infrastruktur beschränkt,

9 810 Marquard sondern er basiert auf einem Verständnis der allgemeinen Förderung von Kindern und Jugendlichen: Jugendhilfe ist eine Einheit von allgemeiner Förderung und individueller Hilfe. Mit dem SGB VIII werden Selbsthilfe, Sozialraumorientierung und Beteiligung weiter normiert: Kinderund Jugendhilfe soll eine familienfreundliche Umwelt schaffen; sie soll verschiedene Formen der Selbsthilfe stärken; Kinder und Jugendliche sind an allen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligen; die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen ist zu fördern; Jugendarbeit soll zur Selbstbestimmung befähigen; in Tageseinrichtungen soll die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gefördert werden; für die Hilfen zur Erziehung soll das engere soziale Umfeld einbezogen werden; bei einer finanziellen Förderung soll die Orientierung an den Interessen der Betroffenen und deren Einflussnahme bevorzugt werden; die Planung soll Wünsche, Bedürfnisse und Interessen ermitteln und helfen, Kontakte im sozialen Umfeld zu erhalten. Aus den Strukturmaximen der Prävention, Dezentralisierung, Alltagsorientierung, Integration und Partizipation sind Handlungsprinzipien einer offensiven Kinder- und Jugendhilfe abgeleitet (Kinder- und Jugendberichte der Bundesregierung), die die fachliche Entwicklung prägen sollen: präventives Handeln, Lebensweltorientierung, Beteiligung und Freiwilligkeit, Existenzsicherung und Alltagsbewältigung sowie Einmischung. Diese zentralen Grundsätze sind sowohl Steuerungsinstrumente als auch Beurteilungskriterien für die Praxis Sozialer Dienste. Erst auf einer solchen Grundlage sind Steuerungsverfahren und Steuerungsverantwortung für einzelne Leistungsbereiche nach fachlichen, organisatorischen und fiskalischen Erfordernissen auszugestalten. Das SGB VIII normiert Leistungsansprüche und dafür erforderliche Leistungsangebote sowie entsprechende Verfahren, innerhalb und mittels derer Leistungen und Infrastruktur zustande kommen. Verfahren als Steuerungselemente werden auf drei Ebenen konstituiert: auf der individuellen Ebene der Definition und Ausgestaltung angemessener Förderangebote und Hilfen (z. B. Hilfeplanung) und im Umgang mit Informationen (Datenschutz), auf der Ebene der einrichtungsbezogenen Angebotsgestaltung (z. B. Leistungsvereinbarung), auf der infrastrukturellen Ebene der Definition einer erforderlichen und angemessenen Ausstattung mit Einrichtungen und Diensten (z. B. Jugendhilfeplanung). Für die Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit wie auch für die Steuerung Sozialer Arbeit in der Kommune ist natürlich die Personalausstattung bezogen auf die individuelle Professionalität (Aus-, Fort- und Weiterbildung; Supervision; Coaching) wie auch die von der Organisation zu verantwortende Personalwirtschaft (Auswahl; Anzahl; Entlohnung; Personalentwicklung und -pflege) maßgeblich. Für die Anforderungen an die Personalausstattung gibt es oft nur aus dem praktischen Vollzug abgeleitete Erfahrungswerte. Insbesondere bei der Definition neuer Aufgaben, der Aufgabenausweitung im Rahmen schon bestehender Aufträge und bezogen auf die Einführung neuer Techniken wird immer wieder über Rationalisierungspotenziale einerseits und die Bewertungsmaßstäbe für zusätzliche Stellenanforderungen andererseits kritisch diskutiert. Kaum berücksichtigt werden oft personelle Engpässe aufgrund von Abwesenheit von Stammkräften (aus sehr unterschiedlichen Gründen) sowie als Folge personalwirtschaftlicher Maßnahmen (Einsatz von leistungsgeminderten Personen, Wiederbesetzungssperren und komplexe Besetzungsverfahren). Qualitative und quantitative Verfahren zur Personalbedarfsmessung für Soziale Dienste sind in den letzten Jahren für verschiedene Handlungsfelder mit ganz unterschiedlichen Methoden bearbeitet worden. Anlass war häufig eine aktuelle Diskussion zu den Bedingungen der Kindeswohlsicherung vor Ort. Referenzwerte zur Beurteilung von qualitativen und quantitativen Leistungszielen aus verschiedenen, jeweils vergleichbaren Kommunen liegen nur sehr begrenzt vor. Bisherige Ansätze zur Berechnung von Personalkapazitäten für den ASD bezogen sich zumeist auf Einwohnerzahlen und klientenbezogene Fallzahlen pro Fachkraft; ergänzt wird dies ggf. durch die Berücksichtigung von Sozialindikatoren sowie einzelner Qualitätsstandards für die Bearbeitung (z. B. im Rahmen der Hilfeplanung, Dokumentation etc.). In einer anderen Variante wurden ausgehend von einer differenzierten Prozessanalyse

10 Kommunale Sozialarbeit 811 für die Ambulanten Sozialdienste Vorschläge für Prozessabläufe und damit Standards entwickelt; dabei ließ man sich von gesetzlichen Vorgaben, fachlichen Erkenntnissen sowie organisationsbezogenen Notwendigkeiten leiten (INSO 2007). Die Erfassung und Berechnung von Personalbedarfen und die angemessene Nutzung von (zum Teil selbst entwickelten personalwirtschaftlichen) Referenzsystemen sollte eingebunden werden in diverse Maßnahmen der Personalwirtschaft und Personalentwicklung. Die quantitative Ermittlung von Personalbedarfen setzt natürlich die Auseinandersetzung mit fachlichen Standards voraus, woraus sich wiederum Anforderungen an die Qualifizierung der Mitarbeiterschaft sowie die Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation ergeben (können). Die Bedeutung dezentraler Strukturen und Arbeitsweisen für die Qualität und den erforderlichen Personaleinsatz ist einzuschätzen. Dazu gehört auch die Netzwerkarbeit im Sozialraum. Fragen der Führungskultur mit ihren zahlreichen Aspekten zu Verfahrensweisen (z. B. Zielvereinbarungen, Delegationsprinzipien usw.) und zur Arbeits- und Umgangsweise (Wertschätzung, Vertrauen, Kontrolle usw.) sind wesentlich für die Erfassung des qualitativen Personalbedarfs ebenso wie letztlich auch für die quantitative Bemessung. Perspektiven einer Sozialarbeitspolitik Soziale Arbeit und speziell die Jugendhilfe verfügen mit ihren Strukturmaximen im Kontext der Lebenswertorientierung über adäquate Optionen für eine Aktivierung und Nutzung der Ressourcen des Gemeinwesens (BMJFFG 1990, 86 ff.). Dafür ist Transparenz in der Kooperation, Koordination und Planung aller Dienste, Angebote und Maßnahmen wesentlich und die Teilhabe der NutzerInnen gefordert. Die Entwicklung der Leistungen muss zudem in der Region offen und für alle zugänglich erfolgen. Schließlich muss es zwischen freien Trägern und der Kommune klare Absprachen, eine gemeinsame Planung mit nachvollziehbaren Standards und entsprechender Überprüfung geben. Soll sich Partizipation in Lebensweltorientierung und Transparenz realisieren, müssen sowohl öffentliche als auch freie Träger ihre unterschiedlichen Funktionen in Bezug auf Planung und Entwicklung, Beratung, Controlling und Bewilligung / Prüfung / Verwaltung offen legen. Dafür ist nun eine komplexe Kommunikationskultur erforderlich und sogar Streitkultur verstanden als die Fähigkeit, die jeweils eigenen Standpunkte zu behaupten und sich doch in offen ausgetragenen Unterschiedlichkeiten und Konflikten zu verständigen (BMJFFG 1990, 201). Eine darauf ausgerichtete Politik müsste die Gegebenheiten für eine Regionalisierung bzw. einen Sozialraumbezug politischer und sozialer Strategien fördern: Es werden lokale Umsetzungsbedingungen unterstützt, ohne die angestrebten Ergebnisse vorab zentral-administrativ zu definieren. Sowohl in der Administration als auch bei Kooperationsbeziehungen mit Dritten wird die Entwicklung eines aktiven Vertrauens gefördert. Den NutzerInnen bzw. Betroffenen wird ausdrücklich Autonomie gewährt; für diese Autonomie werden Ressourcen auch materielle Güter bereitgestellt. Der Informationsfluss von unten nach oben und die Anerkennung von Autonomie erfordern dezentrale Entscheidungsstrukturen. Eine Neudefinition der politischen Macht zur Aufrechterhaltung der Autorität der Zentralgewalt (auf der jeweiligen Ebene) im Kontext einer vermehrten Legitimität durch Dezentralisierung erscheint notwendig. Aktives Vertrauen verlangt die vermehrte (Sichtbarkeit) sozialer Beziehungen, trägt aber auch seinerseits aktiv dazu bei, diese Sichtbarkeit zu steigern. (Giddens 1997, 136) Die Zielsetzung lautet, angesichts der hergestellten Unsicherheiten moderner Gesellschaften einen integrierten, demokratischen Prozess Sozialer Arbeit zur Verbesserung und Angleichung von Lebenschancen zu organisieren. Problemlagen / Lebenslagen (Böhnisch / Schefold 1985) sollen als subjektive Lebensäußerung / individuelle Biografie in der objektiven Schnittstelle von individueller und gesellschaftlicher Reproduktion bzw. sozio-ökonomischer und sozial-räumlicher Lebenswelt in den Kontext ihrer strukturell-gesellschaftlichen Verursachungszusammenhänge gestellt und systematisch auf die verschiedenen Ebenen von Bearbeitungsstrategien einer strukturorientierten Sozialarbeit / Sozialpädagogik bezogen werden. Einzubeziehen sind dann: die normative Ebene (Recht, Leistungsgesetze), die materielle Ebene (Geld, Einrichtungen), die methodische Ebene (professionelle Dienste,

11 812 Marquard Empowerment, Selbsthilfe) und die politische Ebene (Selbstorganisation, demokratische Teilhabe). Auf dieser Weise ergänzen sich kommunale Sozialpolitik und Sozialarbeitspolitik im Kontext anderer örtlicher Politiken unter der Zielsetzung der sozialen Ausgestaltung lokaler Lebensbedingungen zur sozialen Kommunalpolitik. (Olk / Otto 1981, 118) Eine substanzielle Verbesserung der Produktivität und Qualität Sozialer Dienste kann schließlich nur durch die Stärkung der Nachfrageseite in der Sozialen Arbeit erreicht werden; dafür ist ein systematischer Wechsel von den institutionellen und organisatorischen Perspektiven hin zur Perspektive der NutzerInnen notwendig. Damit beruht der Erfolg Sozialer Dienste als sozialstaatliche Veranstaltung zentral auf der bürgerrechtlichen Absicherung der Partizipation der nachfragenden Subjekte sowohl hinsichtlich der Bedürfnisadäquatheit als auch für die Effizienz und Effektivität sozialer Dienste (Schaarschuch 1996, 20). Es bleibt fortwährend zu begründen, welchen Beitrag wohnortnahe Dienste und Einrichtungen hier leisten (können), wenn sie sich öffnen und so ein Erproben demokratischer Strukturen und gleichzeitig ein Einwirken auf andere Politikbereiche möglich machen. Gefordert ist dafür sowohl die Vernetzung von Planungsprozessen als auch das Angebot neuer Kooperationsformen für die BürgerInnen. Vor allem eine sozialraumbezogene Organisation Sozialer Dienste wird am ehesten an der Eigenverantwortung und den produktiven Ressourcen der Menschen anknüpfen (Marquard 2004). Dies macht eine immer wieder stattfindende Rückbindung professioneller Praxis an die Rechte und Interessen der NutzerInnen der Sozialen Dienste und an die gesellschaftlichen Prozesse, auf die sich ihre Intervention bezieht, notwendig. Damit ist die Differenz markiert zwischen dem Wissen und dem Kontext seiner Nutzung: Der oder die Professionelle muss die Spannung zwischen Wissen und Nichtwissen handelnd bewältigen ist doch die dem Laien / Betroffenen und dem / der Professionellen zugemutete Handlungskompetenz nicht (immer) identisch mit routinisierten Wissenskomponenten (Dewe / Otto 2005, 1414). Professionelles Handeln soll Umsetzungsstrategien für eine Fachlichkeit integrieren, die Interaktionen gestalten sowie Ressourcen fördern und nutzen will, die methodisch auf die Kontextualität von Problemen und Lösungsmöglichkeiten bzw. Umgangsweisen sowie die Kulturalisierung als Förderung der Identifikation mit der eigenen Alltagskultur setzt. Dies verweist auf eine politische Dimension, demokratische Rationalität als Steuerungselemente moderner personenbezogener Dienstleistungstätigkeit (Dewe / Otto 2005) zu etablieren. Besonders in personenbezogenen sozialen Dienstleistungsberufen ist ein bisher tradiertes Verständnis von Professionalisierung nicht der eindeutige Weg zur Realisierung von Rationalitätsstandards. Professionelles Handeln basiert jedoch immer auf nicht jedermann zugänglichem, wissenschaftlichem Wissen und entsprechend spezifischen Methoden; es zielt in der Regel auf die (Wieder-)Herstellung oder Durchsetzung zentraler gesellschaftlicher Werte. Es gilt, die Differenz zwischen dem prinzipiellen Anspruch professionellen Wissens auf rationale Problemlösungen und dem faktischen, in die situativen Aushandlungsprozesse eingelassenen Arbeitswissen bewusst zu bearbeiten. Gleichermaßen bleibt die Differenz zwischen den generalisierten Problemlösungsangeboten und den lebenspraktischen Perspektiven der Betroffenen. Wesentliches Ziel derartiger AdressatInnenorientierter Handlungsmuster ist der Abbau jener bürokratischen Organisationsstrukturen, die problemadäquaten Handlungsstrategien entgegenstehen. Grundlegend bleibt dafür eine professionelle Ebene, die Reflexivität und demokratische Rationalität, Handlungsprinzipien einer auf die Mobilisierung von Ressourcen zielenden Fachlichkeit und ein auf Teilhabe aller zielendes sozialpolitisches Engagement für eine solidarische Gesellschaft begründet und fördert. Sozialraumbezug und kommunikative Aushandlungsprozesse beschreiben dann wesentliche Instrumente der umsetzungsbezogenen Arbeitsebene. Fachliche Prinzipien beziehen sich auf Lebensweltorientierung und damit auf Gemeinwesenbezug, Aktivierung und Beteiligung der NutzerInnen, Sozialberichterstattung und beteiligungsorientierte Sozialplanung, Ko- Produktion sowie lokale Demokratie. Auf der Ebene der Organisation geht es um eine zielgerichtete, fachlich angeleitete Optimierung der Aufbau- und Ablauforganisation im Kontext einer professionstheoretisch begründeten Organisationsentwicklung; es geht um (neue) Steuerungsinstrumente (Ressourcenverantwortung, Controlling) und damit um die fachliche / örtliche / materielle

12 Kommunale Sozialarbeit 813 Zuständigkeit für die operative Steuerung. Dazu gehört die Personalwirtschaft und Personalentwicklung (als strategische Leitungsaufgabe) ebenso wie die Budgetverantwortung. Eine so angelegte Professionalisierungsdiskussion zielt auf die Rekonstruktion eines reflexiven Handlungstypus. Dabei wird die Potenzialität der professionellen Handlungsqualitäten in der Sozialarbeit / Sozialpädagogik in den Mittelpunkt der Analyse gerückt. So lautet eine erste Definition: Professionalität materialisiert sich in einer spezifischen Qualität sozialpädagogischer Handlungspraxis, die eine Erhöhung von Handlungsoptionen, Chancenvervielfältigung und die Steigerung von Partizipations- und Zugangsmöglichkeiten auf Seiten der Klienten zur Folge hat (Dewe / Otto 2005, 1400). Kommunalpolitische Aushandlungsprozesse In einem permanenten Aushandlungsprozess zur Qualität und Quantität der je örtlichen sozialen Infrastruktur ist die Kommune als politischer Sozialraum ein greifbares, gestaltbares Gebilde. Dabei müssen sich die ProtagonistInnen von Professionalität und sozialpolitischer Fachlichkeit immer auch mit den VertreterInnen anderer Interessen auseinandersetzen: Auch fachlich überzeugende Prinzipien und begründete Handlungsstrategien für die Jugendpolitik und Soziale Dienste insgesamt bedürfen vor Ort sowohl der Akzeptanz bei den potenziellen NutzerInnen wie ebenso der politischen und materiellen Unterstützung durch die der regelmäßigen (Wieder)wahl unterworfenen politischen Gremien. Anders gewendet geht es um das Beziehungsgefüge von Individuen / NutzerInnen zur Politik / Öffentlichkeit und zu den Sozialen Diensten / Verwaltung und damit um demokratische Legitimation, professionelle (personenbezogene soziale) Dienstleistungsarbeit und die Bereitstellung wie Begründung der erforderlichen Ressourcen für die Soziale Arbeit. Eingebunden in die aktuelle fachpolitische Debatte um Ziele, Standards und professionelle Anforderungen einer modernen Sozialen Ar beit wird deutlich, dass das Beziehungsgefüge zwischen Individuen (NutzerInnen) Bürgerschaft (Politik) Sozialen Diensten (Jugendamt) gerade auf der kommunalpolitischen Ebene als eminent politischer Aushandlungsprozess zwischen prinzipiell berechtigten, konkurrierenden Interessen zu begreifen ist und gleichermaßen unter machtpolitischen Gesichtspunkten interpretiert bzw. gestaltet werden muss! Zu einer Umsetzung im Gemeinwesen gehören unter anderem öffentliche Foren der Auseinandersetzung über Ziele, Inhalte und Methoden in Form von Armutskonferenzen, Arbeitsmarktkonferenzen, Sozialgipfel usw.; diese könnten insbesondere von VertreterInnen von Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, Kirchen, Hochschulen und betroffenen Initiativen getragen und gestaltet werden. Insgesamt können mindestens drei Ebenen identifiziert werden, um eine solche Öffnung und Demokratisierung institutionalisierter Prozesse voranzubringen: Auf der kommunalen Ebene gibt es die politischen und sozialpolitischen Aushandlungs- und Entscheidungsstrukturen; dann gibt es die Verfahren in Institutionen und Einrichtungen; schließlich geht es um den Status der NutzerInnen in der Interaktion mit Professionellen (Schaarschuch 1996, 24 ff.). Eine sozialräumliche Regionalisierung bleibt dafür ein wesentliches Arbeitsprinzip, das die Integration verschiedener Bedingungen bzw. Ziele zulässt oder gar fördert: Eigenverantwortlichkeit, Selbsthilfe, Selbstorganisation, Teilhabe; reflexive Kommunikation und dialogische Politik; Professionalität, Ganzheitlichkeit, Normalisierung; Bürgerfreundlichkeit, Verwaltungsmodernisierung und Effizienz. Entscheidend für eine Modernisierung des Sozialstaates im Interesse von Kindern und Jugendlichen, Familien und Menschen in benachteiligten bzw. benachteiligenden Lebenslagen ist ein Perspektivenwechsel, der die bisherige Beschränkung der Debatten und Bemühungen auf die Reform der Sozialversicherungssysteme aufgibt. Dabei bleibt gleichfalls eine auf den Kinderschutz, die real zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht wirklich gestiegene Jugendkriminalität oder andere Phänomene bzw. sogenannte Problemgruppen verkürzte oder beschränkte Debatte grundsätzlich unterkomplex und nährt (so) die Illusion, wesentliche Versäumnisse bei der Gestaltung positiver Bedingungen für das Aufwachsen durch immer umfassendere Kontrollmechanismen und Repression für die Mehrheitsgesellschaft erträglich gestalten zu können. In den Vordergrund rücken muss die stärkere politische Gestaltung und Absicherung der sozialen Infrastruktur für alle (potenziellen) NutzerInnen

13 814 Marquard einschließlich der Nutzung und des Ausbaus verschiedener Formen der Selbstorganisation und Interessensvertretung: Auftrag ist also die Gestaltung gedeihlicher Bedingungen für ein Aufwachsen in öffentlicher Verantwortung (BMFSFJ 2002). Es geht um die selbstverständliche Erreichbarkeit professioneller Dienste im Alltag, damit Prävention durch allgemeine Förderung und Hilfe bei der Bewältigung schwieriger Lebenslagen möglich wird ohne vorherige Diskriminierungsprozeduren und Defizitzuschreibungen als (rechtliche) Voraussetzung für eine Leistungsgewährung. Damit geht es auch um die Gestaltung von Rahmenbedingungen (die Bedingung für die Möglichkeit) zur Befähigung der Nutzung eigener Kompetenzen. Und im konkreten gesellschaftlichen Gefüge eines Gemeinwesens geht es damit schließlich ebenso um die Mobilisierung und eigen-sinnige Nutzung von bürgerschaftlichem Engagement. Die mit dem Begriff der reflexiven Modernisierung zusammengefassten gesellschaftlichen Umbruchprozesse erfordern tatsächlich enorme Umstellungen auch in der Organisation unseres (kommunalen) Gemeinwesens. Soziale Arbeit kann auf eine lange Tradition entsprechender Konzepte zurückgreifen; selbstkritisch und politisch bleibt nach den Ursachen für die bisher mangelhafte Umsetzung zu fragen. Gleichzeitig kann jedoch selbstbewusst und pragmatisch festgestellt werden, dass Soziale Dienste fachlich und organisatorisch über moderne Konzepte verfügen, die für eine solidarische sozialstaatliche Reform anschlussfähig sind. Die Kritik an politischen Mechanismen, Forderungen nach Verwaltungsmodernisierung und Beteiligung der Bürgerschaft lassen sich als Ausdruck einer gesteigerten sozialen Reflexivität verstehen. In diesem Kontext bleibt Demokratie nicht (nur) ein Mittel der Interessenvertretung, sondern wird (auch) zu einem Verfahren zur Schaffung eines öffentlichen Forums, in dem durch dialogische Aushandlung in persönlicher und sozialer Verantwortung statt durch Rückgriff auf Macht die Konflikte (zumindest) geregelt werden (Giddens 1997). In einer kritischen Analyse dieser Entwicklungsoption bleibt allerdings auch die staatliche Instrumentalisierung des Konzepts vom Fördern und Fordern als Ausdruck einer neuen Art von Sozialstaatlichkeit im Sinne einer Neubestimmung von Subsidiarität und Solidarität im Spannungsverhältnis der staatlichen Absicherung von Lebensrisiken, sozialer Fürsorge und öffentlicher Kontrolle privater Lebensführung kritisch zu prüfen. Eine hier geforderte und begründete umfassende, verschiedene Politik- und Gesellschaftsbereiche betreffende Infrastruktur in Form von Diensten, Einrichtungen und öffentlichen Gelegenheiten muss und kann nur vor Ort in den Kommunen gestaltet werden; ihre Konzipierung und Finanzierung bleibt allerdings eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe! Literatur Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe (AGJ) (Hrsg.) (1998): Einheit der Jugendhilfe. 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe. Eigenverlag, Bonn Bissinger, S., Böllert, K., Liebig, R., Lüders, C., Marquard, P., Rauschenbach, T. (2002): Grundlagen der Kinder- und Jugendhilfe. Strukturanalysen zu fachlichen Eckwerten, Organisation, Finanzen und Personal. In: BM für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Band 1, Böhnisch, L., Schefold, W. (1985): Lebensbewältigung. Soziale und pädagogische Verständigungen an den Grenzen der Wohlfahrtsgesellschaft. Juventa, Weinheim Bronke, K. (2004): Die Organisation der kommunalen Sozialen Dienste. Verlag Universität Bremen / Akademie für Arbeit und Politik, Bremen BM für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hrsg.) (2002): Elfter Kinder- und Jugendbericht. Eigenverlag, Berlin (Hrsg.) (1994): Neunter Jugendbericht. Eigenverlag, Bonn (Hrsg.) (1990): Achter Jugendbericht. Eigenverlag, Bonn Deutscher Verein (DV) (Hrsg.) (2007): Sozialraumorientierung ein ganzheitlicher Ansatz. Eigenverlag, Berlin Dewe, B., Otto, H.-U. (2005): Profession. In: Otto, H.-U., Thiersch, H. (Hrsg.) (2005): Handbuch Sozialarbeit / Sozialpädagogik. Ernst Reinhardt, München / Basel, Giddens, A. (1997): Jenseits von Links und Rechts. Frankfurt / M. INSO (Institut für Sozialplanung und Organisationsentwicklung e. V.) (Hrsg.) (2007): Untersuchung zur Erreichung der quantitativen und qualitativen Leistungsziele der Ambulanten Sozialen Dienste in den Sozialzentren der Stadtgemeinde Bremen. Eigenverlag, Essen Kessl, F., Reutlinger, Ch., Maurer, S., Frey, O. (Hrsg.) (2005a): Handbuch Sozialraum. VS, Wiesbaden

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