Was tun wenn man keine blutdrucksenker verträgt

Wenn ein spannendes Fußballspiel den Blutdruck des Zuschauers vorübergehend etwas erhöht, ist das normal. Doch viele haben permanent einen zu hohen Blutdruck – oft ohne dies zu ahnen. Und dann wird es gefährlich. Zu hoher Blutdruck erhöht das Risiko für Herzschwäche, Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen, Schlaganfall, Schrumpfniere und sogar das Einreißen der Hauptschlagader. Auf dem sechsten Medizinforum der Friede-Springer-Herzstiftung berichteten in Berlin namhafte Experten über Ursachen und Folgen von Bluthochdruck und mögliche Therapien. Professor Verena Stangl von der Berliner Charité, Professor Michael Böhm vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg und Professor Steffen Behrens vom Vivantes-Humboldt-Klinikum in Berlin erklären die Zusammenhänge.

Welt Online: Wie häufig kommt Bluthochdruck hierzulande vor?

Verena Stangl: In Deutschland liegen wir mit einem Anteil von 55 Prozent bei Personen zwischen 35 und 64 Jahren vor Finnland, Spanien, England, Schweden und sogar vor den USA. Es ist nicht ganz klar, warum das so ist. Vermutlich gibt es eine erbliche Anlage, die dazu führt. Das Problem nimmt noch zu. Prognosen gehen weltweit von einer Zunahme um 60 Prozent bis 2025 aus.

Welt Online: Ab wann spricht man von einem Bluthochdruck, einer Hypertonie?

Stangl: Der Blutdruck sollte unter 139 zu 89 mmHG liegen. Glücklich sind wir Kardiologen, wenn er unter 120 zu 80 liegt. Der Zielwert hängt auch von den Begleiterkrankungen ab. Wenn etwa Diabetes oder eine koronare Herzerkrankung besteht, sollte der Blutdruck entsprechend niedriger eingestellt werden. Sind sonst keine Erkrankungen vorhanden, ist man mit einem hochnormalen Blutdruck zufrieden. Ab 140 zu 90 ist aber Hypertonie erreicht.

Welt Online: Die Risikofaktoren?

Stangl: Die Risikofaktoren haben mit dem Lebensstil zu tun. Zu viel Kochsalz, ein zu hoher Blutzuckerspiegel ist schädlich, negativer Stress ebenso. Außerdem Bewegungsmangel und ein ungünstiger Fettstoffwechsel, zu viel Alkohol und Rauchen. All das erhöht den Blutdruck, weil es die Gefäße eng stellt und steifer macht. Übergewicht ist ein ganz wichtiger Punkt. Vor allem das Bauchfett setzt Hormone frei, die die Gefäße beeinflussen. Mit jedem Kilo Übergewicht steigt statistisch der Blutdruck. Diese Lebensstil-Eigenheiten sind gemeinsam mit einer genetischen Veranlagung und dem Alterungsprozesses für 90 bis 95 Prozent der Fälle von Bluthochdruck verantwortlich. In fünf bis zehn Prozent der Fälle gibt es Krankheiten, die Bluthochdruck entstehen lassen. Wichtig sind nächtliche Atemaussetzer, die sogenannte Schlafapnoe. Sie geht mit Bluthochdruck einher.

Welt Online: Beeinflusst Kaffee den Blutdruck?

Michael Böhm: Im Prinzip nein. Es gibt zwar Leute mit hohem Blutdruck, die viel Kaffee trinken – etwa chronisch gestresste Manager. Es ist aber nicht der Kaffee, der bei ihnen den Blutdruck hochtreibt. Tee kann über seine Inhaltsstoffe den Blutdruck sogar etwas senken, aber nur, wenn man die Milch weglässt.

Welt Online: Wie ändert sich der Blutdruck im Verlauf eines Tages?

Steffen Behrens: Der Blutdruck steigt morgens nach dem Aufstehen. In der Aktivitätsphase am Tag ist er erhöht, und wenn man abends zur Ruhe kommt, sinkt er wieder um circa 15 Prozent. Wenn das nächtliche Absinken verloren geht, ist das Zeichen einer krankhaften Entwicklung beim Bluthochdruck.

Welt Online: Warum werden 24-Stunden-Messungen des Blutdrucks durchgeführt?

Behrens: Sie geben Informationen über den Blutdruck über den ganzen Tag und nicht nur für einen Augenblick. Und das ist maßgeblich für die Gefäße. Kurzzeitig erhöhter Blutdruck ist normal. Problematisch ist das nur auf Dauer.

Stangl: Wichtig ist die 24-Stunden-Messung anfangs, wenn wir entscheiden, wann die Medikamente zu geben sind. Und sie ist in der Einstellungsphase nach einigen Monaten wichtig, um zu sehen, ob der Patient in einem adäquaten Blutdruckbereich ist. Ist der Zielblutdruck erreicht, würde ich die Langzeitmessung nach einem Jahr wiederholen.

Welt Online: Welche Folgen kann ein zu hoher Blutdruck haben?

Stangl: Bluthochdruck ist eine schleichende Erkrankung. Viele haben keine Beschwerden, aber durch den Druck auf die Gefäße an verschiedenen Organen kann es zu gravierenden Komplikationen kommen. In der Niere können sich Gefäße verändern. Es entsteht eine Schrumpfniere. Die Hauptschlagader kann einreißen. Die Komplikation, die wir am meisten fürchten, ist, wenn in einem Herzblutgefäß eine Ablagerung einreißt, das Gefäß sich verschließt und so einen Herzinfarkt auslöst. Genauso kann es zu einer Hirnblutung oder zu einem Gefäßverschluss im Gehirn kommen, also zu einem Schlaganfall. Eine Herzschwäche entsteht, wenn das Herz lange Zeit gegen einen hohen Druck anpumpen muss. Der Herzmuskel verdickt, irgendwann ist er geschwächt und kann nicht mehr. Als Endstadium haben wir dann eine Herzinsuffizienz.

Welt Online: Kann ein hoher Blutdruck auch Ursache für eine Rhythmusstörung des Herzens sein?

Behrens: Ja, durchaus. Es gibt Herzrhythmusstörungen aus den Vorhöfen und aus den Herzkammern, die durch einen hohen Blutdruck ausgelöst werden. Gefürchtet ist das Vorhofflimmern und daraus nachfolgend ein Schlaganfall.

Welt Online: Sind Netzhautschäden möglich?

Böhm: Ja, jeder Patient mit hohem Blutdruck muss auch zum Augenarzt gehen. Es kann in der Tat Schäden an den Gefäßen der Netzhaut geben.

Welt Online: Welche Möglichkeiten gibt es, einen normalen Blutdruck zu erreichen?

Behrens: Die erste ist, den Lebensstil so zu verändern, dass man den Blutdruck senkt, also Übergewicht, Alkohol- und Salzkonsum senken, Rauchen aufgeben, dreimal in der Woche eine halbe Stunde Ausdauersport betreiben. Außerdem mit Phasen der Entspannung den Stress abbauen. Reduzierte Kochsalzzufuhr kann den Blutdruck um fünf bis acht mmHg senken. Wenn man abnimmt, pro zehn Kilogramm zehn bis 20 mmHG. Das ist so viel, wie ein oder zwei Medikamente ausmachen. Regelmäßiger Sport bringt vier bis neun mmHg, Einschränkungen beim Alkohol zwei bis vier und gesunde Ernährung acht bis 14 mmHg. Bessere Lebensführung senkt den Blutdruck also um bis zu 20 mmHg.

Welt Online: Was tun, wenn das nicht klappt?

Behrens: Dann haben wir blutdrucksenkende Medikamente zur Verfügung. Es gibt fünf Hauptgruppen. Eine Klasse sind die gut verträglichen ACE-Hemmer. Besonders sinnvoll sind sie bei Patienten, die auch noch unter Herz- oder Nierenschwäche leiden oder schon einmal einen Herzinfarkt hatten. Die Sartane wirken ähnlich. Das Problem ist, dass sie teurer sind, aber wer die ACE-Hemmer nicht verträgt, für den sind sie eine Alternative. Ebenfalls wichtig sind die Diuretika, die das Salz aus dem Körper treiben und so den Blutdruck senken. Sie werden oft in Kombination mit den ACE-Hemmern oder Sartanen verabreicht. Die vierte Gruppe sind die Kalziumantagonisten. Auch sie erweitern die Blutgefäße. Die letzte relevante Gruppe sind die Betablocker. Sie schirmen das Herz vor adrenalinartigen Stoffen ab. So schlägt es etwas langsamer, das kann aber müde machen. Besonders geeignet sind sie, wenn der Patient einen Herzinfarkt hatte oder unter Herzschwäche oder Migräne leidet. Oft verschreibt man zwei oder drei Wirkstoffe, weil das eine stärkere Blutdrucksenkung mit weniger Nebenwirkungen bringt. Dafür gibt es auch Kombinationspräparate.

Welt Online: Und wenn alle Therapien versagen?

Böhm: Es gibt für die therapieresistente arterielle Hypertonie die neue sogenannte renale Denervation. Die hat mit dem Stressnervensystem zu tun, dem sogenannten Sympathikus. Der steigert das Blutvolumen und lässt das Herz schneller schlagen. Die Aktivität des Sympathikus zu normalisieren ist also das Therapieziel. Eine entscheidende Rolle spielt die Niere. Auch dort verengen sich unter der Aktivität des Sympathikus die Gefäße, die Nierendurchblutung nimmt deshalb ab. Salopp gesagt, denkt die Niere: Es kommt zu wenig Blut an. Deshalb signalisiert sie dem Gehirn: Ich brauche mehr Druck. Das Gehirn diktiert dann mehr Sympathikusaktivität – so bekommt man einen Teufelskreis zwischen Gehirn und Niere, der den Blutdruck ständig erhöht. Das will man stoppen, indem man den Sympathikus auf dem Weg in die Nieren und zurück ins Gehirn blockiert. Die sympathischen Nervenfasern befinden sich an der Außenseite der Nierenarterie. Man kann einen Katheter in der Nierenarterie platzieren und einen Hochfrequenzstrom abgeben, der das Gewebe erhitzt. Weil die Nierenarterie stark durchblutet ist und daher gut gekühlt wird, nimmt sie keinen Schaden. Aber an der Gefäßaußenseite des Gefäßes bleibt die Hitze bestehen, und die Nervenfaser wird verödet.

Welt Online: Wie wirkungsvoll ist das?

Böhm: In ersten Studien konnte man eine Abnahme des Blutdrucks um 30 mmHg beobachten. 80 bis 90 Prozent der Patienten kommen dadurch in einen kontrollierten Blutdruckbereich.

Welt Online: Ist das Verfahren schon praxisreif?

Böhm: Es ist zurzeit noch experimentell und gehört in die Hand eines erfahrenen Spezialisten. Aber es ist eine große Chance, Patienten mit schwerem Hochdruck zu behandeln. Unsere Vision ist, dass man eines Tages auch Patienten mit weniger schwerer Hypertonie behandeln und dann Medikamente sparen kann.

Was tun wenn Blutdrucktabletten nicht vertragen werden?

Auch Sport kann helfen, den Blutdruck zu senken: Mehrmals wöchentliche Spaziergänge von 30 bis 45 Minuten Dauer gehören ebenso zu den Ratschlägen der Ärzte wie ein Verzicht auf Zigaretten und das Vermeiden von Übergewicht. Rauchen sollten die Patienten insbesondere nicht vor der Blutdruckkontrolle beim Arzt.

Welche blutdrucksenkende Mittel haben die wenigsten Nebenwirkungen?

At-1-Antagonisten werden oft als sehr gut verträglich verzeichnet und haben nur sehr selten einen Husten als Nebenwirkung.

Was sind natürliche Blutdrucksenker?

Gemüse und Olivenöl als "natürliche Blutdrucksenker" Als geradezu "natürliche Blutdrucksenker" gelten Olivenöl, Knoblauch, Feldsalat, Grünkohl, Meerrettich, Spinat, Rote Bete, Spargel, weiße Bohnen, Erbsen, Aprikosen, Rhabarber, außerdem Pistazien, Walnüsse, Kokosmilch und Tomatenmark.

Wie lange dauert es bis man sich an Blutdrucktabletten gewöhnt hat?

Das hängt davon ab, an welcher Stelle im Körper ein Mittel angreift. Einige Blutdrucksenker wirken an den Nieren, andere an den Gefäßen oder an bestimmten Rezeptoren, die den Blutdruck regulieren. Vier Wochen sollte man schon abwarten, um zu schauen, was das Präparat bringt.

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