Der Faller des Spiels: Schon eine Stunde stand die dänische Mannschaft mit dem Rücken zur Wand, an die England sie seit Ende der ersten Hälfte gespielt hatte. Raheem Sterling ließ sogleich die nächste Angriffswelle der Verlängerung rollen, dribbelte an Joakim Mæhle vorbei in den Strafraum, wollte auch Mathias Jensen passieren – und ging zu Boden. Eine unübersichtliche Szene: Hatte Mæhle Sterling in die Hacken getreten? Nein, der Rechtsverteidiger hatte den Ball gespielt. Was hatte Jensen getan? Sterling, der sich den Ball viel zu weit vorgelegt hatte, minimal berührt. Dem niederländischen Schiedsrichter Danny Makkelie reichte das für einen Strafstoß, den auch der Videoassistent nicht korrigierte.
Der Treffer des Spiels: Harry Kane traf, wenn auch erst im Nachschuss. Und so fühlte sich das dänische EM-Aus zwar folgerichtig, aber doch wie ein unlogischer Twist an, hastig an das Ende einer bis dahin schlüssigen Geschichte getackert.
Das Ergebnis: 2:1(1:1, 1:1) setzte sich England gegen Dänemark durch und steht damit im Finale. Hier lesen Sie die Spielmeldung.
Die etwas andere Respektsbekundung: Knapp 65.000 Zuschauer fanden im Londoner Wembleystadion Platz. Die wenigsten von ihnen hielten es mit dem dänischen Team: Aufgrund der coronabedingten Einschränkungen bei der Einreise ins Vereinigte Königreich durften keinerlei Fans spontan aus Dänemark einreisen, die Ränge waren englisch dominiert. Während der Nationalhymnen war das auch zu hören: Die dänische Hymne wurden mit Buhrufen bedacht. Das war nicht höflich, aber auf seine Weise vielleicht auch ein Zeichen dafür, dass die Engländer den sportlichen Gegner ernst nahmen.
Gordon Banks' Erbe: Die ersten fünf Turnierspiele hatte Jordan Pickford ohne Gegentor überstanden, Englands Nummer eins war Torhüter der letzten unüberwundenen Defensive der EM. Los ging es mit Pickfords weißer Weste aber noch davor – und so fiel in der 26. Minute der 55 Jahre alte Rekord von Gordon Banks, Weltmeister von 1966, der mit 720 Minuten ohne Gegentor zuvor die längste gegentorlose Serie im Trikot der Three Lions hingelegt hatte. Mehr als vier weitere Minuten sollte Pickford allerdings nicht draufpacken.
Jordan Pickford: Ist der Mann vom FC Everton auf dem Weg zur englischen Torwartlegende?
Foto: FRANK AUGSTEIN / AFPSchlau, schlauer, Dänemarks Mauer: Für den Moment der ersten Hälfte sorgte Mikkel Damsgaard. Der 21-Jährige erzielte das erste direkte Freistoßtor der EM, sein Kunstschuss aus 25 Metern schlug unter der Latte ein und ließ Pickford im englischen Tor keine Chance. Doch nicht nur Damsgaards Schusstechnik verhalf den Dänen zum Erfolg, sondern auch eine Idee, die sich wohl Standard-Guru Mads Buttgereit ausgedacht hatte: Kaum war der Ball freigegeben, bewegte sich eine dänische Drei-Mann-Mauer an die der Engländer heran und nahm Pickford die Sicht. Gleichzeitig löste sich Simon Kjær aus dem Gebilde und stürzte aufs Tor zu. Der Kapitän hatte wohl auf einen Abpraller spekuliert, durfte aber direkt die Führung bejubeln.
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Die Zehn mit der Neun: Nach dem Gegentor machten die Three Lions Druck, Kasper Schmeichel hatte Glück, aus kurzer Distanz von Raheem Sterling angeschossen zu werden (38.). Keine Minute später war Schmeichel machtlos – weil Harry Kane, der sich immer öfter aus dem Sturmzentrum ins Mittelfeld zurückzog, einen perfekten Pass in die Tiefe zu Bukayo Saka spielte. Dessen Hereingabe grätschte Kjær, von Sterling unter Druck gesetzt, ins eigene Netz. Kanes Spielmacherqualitäten kommen nicht von ungefähr: Der Mann, der im Nationalteam die Neun und bei den Tottenham Hotspur die Zehn trägt, war vergangene Saison nicht nur Torschützenkönig in der Premier League, er war auch der beste Vorbereiter.
So weit die Beine tragen: Nach 90 Minuten war klar, wer sich an diesem Abend die bessere Mannschaft nennen durfte: England, kein Zweifel. Die zweiten 45 Minuten gehörten den Three Lions, die sich im und am dänischen Strafraum festsetzten, während Dänemark nicht mehr als einen Schuss des abseitsverdächtigen Kasper Dolberg auf Pickfords Tor brachte (52.). Nur: Ein weiterer Treffer gelang keiner Mannschaft. Allmählich machte sich jedoch bemerkbar, wer gemütlich per 4:0 gegen die Ukraine ins Halbfinale gekommen war und wer im aserbaidschanischen Baku bis zum Schluss gegen nimmermüde Tschechen hatte kämpfen müssen: Kasper Hjulmand brachte im Laufe der zweiten Halbzeit fünf neue Spieler, Gareth Southgate einen. Ausgeruhter wirkten trotzdem die Engländer.
Schmeichelhaft: Dass es für das dänische Aus und die erste englische Titelchance seit dem ebenfalls in Wembley errungenen WM-Titel von 1966 überhaupt 120 Minuten brauchte, lag vor allem an der herausragenden Leistung von Dänemarks Torhüter Kasper Schmeichel. Der vereitelte laut Expected-Goal-Modell Chancen, die einem Durchschnittsteam normalerweise zu knapp drei Toren gereicht hätten – mehr als je ein Torwart bei einer EM seit Beginn der Datenerfassung 1980.
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Die letzte Hürde: Im Finale am Sonntag (21 Uhr, TV: ZDF, Liveticker: SPIEGEL.de) wartet nun Italien. Ein Favorit ist nach den Halbfinals schwer auszumachen – zumindest auf Elfmeter dürften die Italiener nach ihrem Sieg gegen Spanien jedoch vorbereitet sein.