Die alte und die neue Welt. Während der Papier-Prospekt langsam verschwindet, bieten Händler digitale Produkte an
Foto: REWE Markt GmbH/obs
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Von: Franz Schmucker
30.07.2022 - 11:44 UhrJedes Jahr landen knapp 28 Milliarden Papierprospekte in deutschen Briefkästen – für einige nervig, für andere eine geliebte Routine, um DIE Schnäppchen der Woche zu entdecken.
Einzelhandels-Riese Rewe macht damit Schluss! Ab 1. Juli 2023 wird es keinen klassischen Papier-Prospekt mehr geben, teilte das Unternehmen mit – ab August soll die Auflage bereits um mehr als 15 Prozent schrumpfen.
Aktuell lässt Rewe noch rund 25 Mio. Handzettel pro Woche verteilen.
Der Grund für das Supermarkt-Prospekt-Aus: Allein durch den Verzicht entstünden Einsparungen von mehr als 73 000 Tonnen Papier pro Jahr, 70 000 Tonnen CO₂, 1,1 Mio. Tonnen Wasser und 380 Millionen Kilowattstunden Energie pro Jahr. Gleichzeitig sei der Schritt „in Krisenzeiten ein solidarischer Beitrag, die herausfordernde Versorgungssicherheit bei Energieträgern in unserem Land für die Zukunft zu unterstützen“.
Denn zur Wahrheit gehört auch: Die Papierknappheit in Deutschland verschärft sich und die Erzeugerpreise und auch die Papierpreise steigen rasant. Allein von Juni 2021 bis Juni 2022 gab es laut „Statistischem Bundesamt“ einen Preisanstieg von 28,1 Prozent – viel Geld auch für Prospekte, die direkt in der Tonne landen.
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Die Papierindustrie fürchtet zudem angesichts drohender Gasengpässe Produktions-Stopps. „Keiner weiß, ob er im Herbst oder Winter noch produzieren kann“, teilte Verbandspräsident Winfried Schaur letzte Woche mit. Ein Gas-Stopp würde die Papierproduktion demnach praktisch zum Erliegen bringen, hieß es. Betroffen davon wären auch lebenswichtige Produkte für die Lebensmittelversorgung oder die Hygiene.
- Baumarkt-Riese Obi wirbt schon seit Juni 2022 nicht mehr in Papierform über seine Produkte und Angebote.
- Der Einrichtungskonzern Ikea verschickt, trotz großer Beliebtheit, seit 2021 seinen Katalog nicht mehr und setzt auf digitale Produktwerbung.
- Auch Kik und Woolworth verzichten auf Prospekte in Papierform.
Was machen Aldi, Kaufland und Edeka?
BILD hat bei weiteren Einzelhandels-Riesen angefragt: Verzichten auch Sie bald auf die Supermarkt-Prospekte?
► Aldi Süd zu BILD: „Gerade in der aktuellen Zeit erwarten viele Kunden gezielt die Prospekt-Zustellung, um sich zu informieren, wo sie die günstigsten Lebensmittel in bester Qualität kaufen können. Wir verwenden für den Handzettel ausschließlich FSC®-zertifiziertes Papier, das wir zusätzlich mit dem blauen Engel kennzeichnen.“
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Was ist FSC® -zertifiziertes Papier? Der „Forest Stewardship Council“ ist eine NGO, welche bestätigt, dass Rohstoffe aus verantwortungsvoller Waldbewirtschaftung stammen. Der blaue Engel bestätigt, dass zu 100 % Altpapier genutzt wurde.
► Kaufland nutzt neben der digitalen Form auch weiterhin die klassische Printausgabe von Prospekten: „Unser Kundenprospekt ist für uns ein wichtiger Kanal, um unsere Kunden einerseits über Angebote und unser Sortiment sowie andererseits über Unternehmensinhalte wie z. B. Nachhaltigkeitsthemen zu informieren. Zudem finden unsere Kunden im Prospekt z. B. auch Wissenswertes über einzelne Produkte. Wir werden unseren Kunden daher selbstverständlich auch weiterhin gerne ein Kundenprospekt sowohl in Print als auch auf unserer Website anbieten und sie darüber hinaus über die Onlinekanäle und App informieren.“
► Edeka versucht zwar auch ihr digitales Angebot in Produktwerbung auszuweiten, bestätigte allerdings gegenüber BILD: „Wir wissen (…), dass viele unserer Kunden nicht auf den gedruckten Handzettel verzichten möchten, und auch diese Menschen wollen wir erreichen.“ Der Unternehmer Verband nutze auch größtenteils das FSC®-zertifizierte Papier.
► Discounter Lidl zu BILD: Man wollte zunächst an den klassischen Prospekten festhalten, da es „ein zentrales Medium unserer Marketingaktivitäten“ sei.
► Auch Netto plant weiter mit Papier-Prospekten.
OBI, Kik, Woolworth, Ikea und Rewe bleiben damit wohl fürs Erste allein mit ihrer komplett digitalen Produktwerbung und die Briefkästen werden nicht komplett werbefrei.
Denn: Der Erfolg von Papier-Prospekten spricht für sich: Ingo Wienand, CEO bei Media Central gruppe, sagte gegenüber „MEEDIA“: „90 Prozent der Menschen lesen Prospekte und 76 Prozent lesen sogar wöchentlich Prospekte.“