Warum bezahle ich keine kirchensteuer wenn ich nicht gläubig bin

Wer keine Kirchensteuer zahlt, fliegt raus. Das ist in der katholischen Kirche gängige Praxis – in Deutschland wohlgemerkt. Wer hier vor dem Standesamt seinen Austritt aus der katholischen Kirche erklärt, wird automatisch exkommuniziert, damit aus der Glaubensgemeinschaft und von allen Sakramenten ausgeschlossen. Was für viele wie eine logische Konsequenz klingen mag, ist kirchenrechtlich höchst umstritten. Bereits seit längerem besteht über diese Praxis Uneinigkeit zwischen der deutschen Bischofskonferenz und dem Vatikan. Von einem „deutschen Sonderweg“ ist vielfach die Rede.

Ein gebürtiger Regensburger, der sich derzeit gegen seine Exkommunizierung wehrt, treibt diese Kontroverse nun einer Entscheidung zu. Von höchster kirchlicher Stelle hat er Anfang August Rückendeckung für seine Position erhalten. Kommt damit die bislang praktizierte Kirchensteuerpraxis ins Wanken?

Der Missbrauchsskandal, der Umgang mit kritischen Laien, ethisch fragwürdige Investitionen – Gründe, weshalb auch gläubige Katholiken mit der Amtskirche unzufrieden sind, gibt es einige. Das Dilemma: Mit ihrer Kirchensteuer finanzieren die Unzufriedenen just das Verhalten mit, das sie kritisieren. Knapp fünf Milliarden Euro hat die katholische Kirche im vergangenen Jahr an Kirchensteuer eingenommen – eingetrieben vom Staat.

Dr. Andreas Janker hat diesen Automatismus für sich im vergangenen Jahr beendet. Vor dem Standesamt hat er seinen Austritt aus der „Körperschaft des öffentlichen Rechts katholische Kirche“ erklärt. Nicht wegen des Missbrauchsskandals, nicht, um sich die Kirchensteuer zu sparen oder gar, weil er vom Glauben abgefallen wäre („Ich bin gläubiger Katholik.“).

„Ich bin gläubiger Katholik.“ Andreas Janker (mit Mutter Leonore und Frau Karin). Foto: privat

Jankers Erfahrungen mit dem kirchlichen Versicherungsmakler „Ecclesia“ waren es, die den Ingenieur zu diesem Schritt bewogen haben. An dem Unternehmen sind sowohl katholische wie evangelische Kirche beteiligt. Dass die Gesellschaft die Bearbeitung von Haftpflichtschäden übernimmt und den Vermögensschutz ihrer Mandanten als „christliche Werte“ bezeichnet, sieht Janker als „pervertierte christliche Wertvorstellungen“. „Ich will es weder ideell noch finanziell unterstützen, dass Geschädigte nicht zu ihrem Recht auf Schadensersatz kommen“, sagt der 48jährige.

Anstatt Kirchensteuer zu zahlen, hat er Geld an verschiedene kirchliche Institutionen gespendet, bei denen er sich sicher ist, „dass hier etwas Gutes damit getan wird“.

Geholfen hat Janker das nichts. Obwohl er bei seiner rechtlich wirksamen Austrittserklärung vor dem Standesamt explizit angegeben hat, dass er aus der „Körperschaft des öffentlichen Rechts römisch-katholische Kirche“ austrete, wurde von der Diözese Regensburg in seinem Taufbuch der Vermerk „Kirchenaustritt am 17.12.2009“ eingetragen. Er gilt damit als exkommuniziert.

Ein in Deutschland üblicher Vorgang, gegen den sich normalerweise auch kein Widerspruch regt. Anders bei Andreas Janker. Er hat sich bei Bischof Gerhard Ludwig Müller beschwert und gebeten, den Vermerk zu entfernen. Erfolglos. Über seinen Offizial ließ der Bischof mitteilen, dass die Exkommunikation bestehen bleibe und nur durch „Wiederaussöhnung“ mit dem zuständigen Ortspfarrer rückgängig zu machen sei.

Als Janker dagegen kirchenrechtliche Klage in Regensburg einreichte, erklärte sich die Diözese plötzlich für nicht zuständig und lehnte die Klage ab. Wird der Fall zu brisant?

„Grundsätzliche Klärung notwendig.“ Bischof Müller diskutiert die deutsche Praxis mit dem Papst.

2006 hat der Päpstliche Rat für Gesetzestexte unmissverständlich klargestellt, dass ein Kirchenaustritt vor staatlichen Stellen nicht ausreicht, um den Abfall vom Glauben festzustellen und damit die Exkommunikation auszusprechen. Dagegen hat die deutsche Bischofskonferenz im selben Jahr bekräftigt: Der Kirchenaustritt vor dem Standesamt reicht aus, um jemand aus der Glaubensgemeinschaft auszuschließen. Zuletzt wurde diese Frage bei einem Symposion im Mai diskutiert. Just der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller hat dort erklärt, dass er deswegen einen Briefwechsel mit dem Papst führe.

Eine kirchenrechtlich verbindliche Entscheidung zu diesen unterschiedlichen Auffassungen gibt es bislang nicht. Allerdings hat diese Frage vor Andreas Janker noch niemand auf die Spitze getrieben.

Mittlerweile muss sich das kirchliche Metropolitangericht in München mit der Regensburger Klageablehnung auseinandersetzen. Und aus dem Vatikan hat Andreas Janker Rückendeckung erhalten.

Der Präsident des Päpstlichen Rats, Erzbischof Francesco Coccopalmerio, hat ihm in einem aktuellen Schreiben bestätigt: Die Erklärungen der deutschen Bischöfe zum Kirchenaustritt sind keine bindenden Gesetze. Die 2006 vom Päpstlichen Rat festgelegten Kriterien für einen Ausschluss aus der katholischen Glaubensgemeinschaft gelten auch für Deutschland. Das Schreiben liegt unserer Redaktion vor.

Der renommierte Kirchenrechtler Dr. Gero Weishaupt schlussfolgert daraus, „dass eine Körperschaftsaustrittserklärung vor staatlichen Behörden in Deutschland nicht den Tatbestand eines formalen Aktes des Abfalls von der Katholischen Kirche erfüllt. Darum tritt eine Exkommunikation nicht ein“. Im Klartext: Wer keine Kirchensteuer zahlt, darf nicht automatisch exkommuniziert werden.

Wie geht es nun weiter? Andreas Janker hofft, dass die Diözese Regensburg einlenkt und den Kirchenaustrittsvermerk umgehend aus seinem Taufbuch löscht. Andernfalls müsste er sich an die Apostolische Signatur in Rom, wenden, um gegen den – möglicherweise kirchenrechtswidrigen – Vermerk zu klagen. Ihn kann das bis zu 6.000 Euro kosten; für die katholische Kirche in Deutschland steht bei dieser Frage weit mehr auf dem Spiel. Sollte Janker erfolgreich sein und sein Beispiel Schule machen, steht die Kirchensteuer in ihrer bisherigen Form zur Disposition.

Das scheint man auch bei der Diözese Regensburg so zu sehen. „Hier geht es um ein komplexes kirchen- und staatsrechtlich relevantes Anliegen“, so Bistumssprecher Clemens Neck. „Eine grundsätzliche Klärung ist sicher notwendig.“ Der Bischof sei mit dem Thema befasst. Derzeit befindet er sich allerdings in Urlaub.

Warum zahle ich Kirchensteuer obwohl ich nicht in der Kirche bin?

Wer keiner Konfession angehört, muss in Deutschland unter Umständen trotzdem Kirchensteuer zahlen - indirekt über den Ehepartner. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat diese Regelung jetzt gebilligt. Konfessionslose können weiterhin über ihren Ehepartner an der Kirchensteuer beteiligt werden.

Wer muss keine Kirchensteuer bezahlen?

Liegt das Einkommen unterhalb des Grundfreibetrags – im Jahr 2021 beträgt dieser bei einer Einzelveranlagung 9.744 Euro –, ist weder Einkommen- noch Kirchensteuer zu zahlen. Verheiratete, die sich zusammen veranlagen lassen, profitieren vom doppelten Grundfreibetrag.

Wann zahlt man keine Kirchensteuer mehr?

Die Kirchensteuerpflicht endet: mit Ablauf des Kalendermonats, wenn der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland aufgegeben wurde. mit dem Ablauf des Sterbemonats, wenn das Kirchenmitglied stirbt. wenn das Kirchenmitglied den Kirchenaustritt erklärt.

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