Mit baby rausgehen wenn starker wind weht

"Ich will aber keine Mütze aufsetzen!" schmettert mir meine 7-Jährige entgegen, nachdem ich es mal wieder nicht sein lassen konnte, die Wettertauglichkeit ihrer Kleidung infrage zu stellen. Mützen sind auch bei uns zu Hause das Kleidungsstück, das Kinder dann tragen müssen, wenn wir Eltern frieren. Mir wird einfach immer wieder unwohl bei dem Gedanken, dass meine Kinder bei diesen Temperaturen das Haus ohne Mütze verlassen. Es ist irgendwo tief in mir verankert, dass eine Mütze im Winter einfach ein Muss ist - schließlich verlieren wir einen Großteil unserer Körperwärme über den Kopf - bis zu 45 % sollen das sein! Schlimme Erkältungen oder gar Mittelohrentzündungen drohen, wenn der Kopf unbedeckt ist. Aber ist das tatsächlich so?

Jeder Mensch empfindet Wärme anders

Ich habe mittlerweile gelernt, dass Menschen ein extrem unterschiedliches Wärmeempfinden haben. Während ich mir bei 10 °C Außentemperatur eine normale Allwetterjacke anziehe, friert meine Tochter selbst mit einer einfachen Fleecejacke nicht. Mein Sohn hingegen hat bei solchem Wetter am liebsten schon ein Unterhemdchen, ein langes Shirt, eine Fleecejacke (manchmal sogar zwei!) und eine dicke Winterjacke mit Schal und Mütze an. Die Fleecejacke(n) zieht er dann auch in beheizten Räumen nicht aus. Geschlafen wird im Winterschlafsack unter (m)einer Daunendecke. Bei der selben Temperatur schläft meine Tochter mit einer dünnen Fleecedecke, die sie oft wegstrampelt, weil es ihr zu warm ist.

Ich bemühe mich daher eigentlich immer, meine Kinder möglichst selbst entscheiden zu lassen, wie sie sich anziehen, schließlich wissen sie selbst am besten, ob sie frieren oder nicht. Nur in Bezug auf Mützen kann ich irgendwie einfach nicht loslassen. Normalerweise setzen meine Kinder einfach eine auf - schließlich sind sie von klein auf  daran gewöhnt, so gut wie immer eine Mütze zu tragen - im Winter gegen die Kälte, im Sommer gegen die Sonne. Die Macht der Gewohnheit ersparte da bisher viele Diskussionen.

Vor ein paar Tagen merkte mein Kind allerdings auf meinen Hinweis, dass sie doch noch eine Mütze aufsetzen solle, etwas genervt an: "Aber Mama, Du trägst auch nie eine Mütze!" Recht hat sie! Ich hasse Mützen und setze sie allenfalls mal bei -15 °C auf. Bei Minusgraden tut es bis dahin notfalls auch die Kapuze der Jacke und das aber auch nur, wenn der Wind besonders eisig ist. Offenbar verliere ich dennoch nicht etwa die Hälfte meiner Körperwärme - so ganz ohne Mütze - warum sollte es Kindern eigentlich anders gehen? Interessiert begann ich zu recherchieren...

Die meiste Wärme verlieren wir über den Kopf!

Die Aussage, dass etwa 40 bis 45 % der Körperwärme über den Kopf "verloren" werden, stammt aus einem Überlebenshandbuch für amerikanische Soldaten aus dem Jahr 1970. Dies hätte man bei einer Untersuchung festgestellt, bei der man Probanden in spezielle Arktisanzüge steckte und sie extremer Kälte aussetzte. Der Kopf wurde dabei nicht geschützt. Die Arktis-Anzüge waren natürlich so konzipiert, dass sie so wenig Körperwärme wie möglich abgeben. Sie waren so gut isoliert, dass sich die Körperwärme stark staute. Um sich vor einer Überhitzung zu schützen, gab der Körper über den Kopf dann außerordentlich viel Wärme ab. Das war aber auch die einzige Stelle, an der das überhaupt möglich war. Hätten die Versuchspersonen mit geschütztem Kopf aber ohne Schuhe in der Kälte gestanden, dann hätten sie die Körperwärme natürlich ausschließlich über die Füße verloren.

Tatsächlich verlieren wir also nicht "die meiste Wärme" über den Kopf, sondern über alle unbedeckten Körperteile (proportional zu ihrer Oberfläche). Hätte das Experiment statt mit Arktisanzügen in Badeanzügen stattgefunden, hätte der Wärmeverlust am Kopf lediglich 10 % betragen. Da wir im Winter üblicherweise fast alle Hautflächen bedecken, verlieren wir also tatsächlich die meiste Körperwärme über den Kopf. Würden wir wirklich etwa die Hälfte (45 %) unserer Körperwärme über den Kopf verlieren, dann müssten wir ohne Mütze ungefähr genauso frieren, als wenn wir komplett nackt wären und nur Mütze, Schal und Handschuhe tragen würden (ich verzichte an dieser Stelle auf einen Selbstversuch ;-).

Viel kälteempfindlicher sind ohnehin die Extremitäten, da sie weit vom Rumpf entfernt und damit schlechter durchblutet sind. Finger und Zehen müssen besser vor Kälte geschützt werden, als der Kopf. Daher sind bei eisigen Temperaturen Handschuhe und gutes warmes Schuhwerk viel wichtiger, als eine Mütze. Aber auch hier gilt - alle Menschen sind unterschiedlich - ich habe so gut wie nie kalte Hände, ganz oft schälen sich meine Kinder aus ihren Handschuhen, um ihre Hände an den meinen - handschuhlosen - zu wärmen.

Man kann getrost davon ausgehen, dass Kinder bei niedrigen Temperaturen, wie sie im Moment herrschen, grundsätzlich ein sehr gutes Gefühl für Temperaturen haben. Ein Kind, das wirklich friert, wird eine angebotene Mütze dankbar annehmen. Es ist also nicht erforderlich, Kinder zum Mützetragen anzuhalten. Es reicht vollkommen aus, einfach eine mitnehmen, wenn man das Gefühl hat, sie könnte gebraucht werden. Das gilt für gesunde Kinder - ist das Kind angeschlagen und schnupft bereits, dann ist Warmhalten sinnvoll.

Wenn es allerdings wirklich richtig knackig kalt ist mit Temperaturen weit im Minusbereich, dann sollte man die Gefahr einer Erfrierung im Auge behalten. Die Ohren sind (neben der Nase) besonders gefährdet. Auch hier sorgt normalerweise ein gesundes Körperempfinden dafür, dass das Kind das Bedürfnis hat, sich selbst zu schützen. Wenn das Kind dennoch vehement eine Mütze verweigert, kann man es vielleicht von Alternativen überzeugen (Ohrschützer, Stirnband, Kopftuch).


Aber das Kind wird doch ohne Mütze krank!

Meine Mutter hätte meine Kinder in den ersten Lebensjahren am liebsten dauerhaft mit einer Fellmütze bestückt. Wenn wir draußen spazieren waren, wurde den Kindern auch bei 20 °C ein Mützchen im Kinderwagen angezogen. "Sie erkälten sich doch so schnell!" Allerdings haben sie sich auch trotz der Mützen regelmäßig erkältet - viele kleine Kinder sind fast dauerkrank, weil das Immunsystem die Infektabwehr erst noch trainieren muss. Das ist auch vollkommen normal. Aber hat das Tragen von Mützen wirklich Einfluss auf die Erkältungsanfälligkeit? Die Wissenschaft ist sich diesbezüglich noch nicht so richtig einig - eindeutige Belege dafür, dass Kälte Erkältungen begünstigt, gibt es bisher nicht.

Einige sagen, dass Kälte durchaus ein Risikofaktor ist - friert der Körper, dann ziehen sich die Blutgefäße zusammen, um eine weitere Auskühlung zu verhindern. Das Blut gelangt somit nur noch eingeschränkt in bestimmte Körperteile, wie z. B. die Nasenschleimhaut. Weniger Blut bedeutet auch: weniger Abwehrzellen. Den Erkältungsviren, die sich vor allem, im Winter oft ohnehin schon in der Nase tummeln und normalerweise vom Immunsystem in Schach gehalten werden, haben es bei eingeschränkter Durchblutung leichter, sich zu vermehren.

Eine Untersuchung der University School of Medicine Yale belegte tatsächlich, dass Kälte die Aktivität der Abwehrkräfte herabsetzt. In Petrischalen wurde Gewebe aus den Atemwegen von Mäusen mit Schnupfenviren infiziert und verschiedenen Temperaturen ausgesetzt. Je kühler das Gewebe aufbewahrt wurde, desto inaktiver waren die Abwehrzellen. Arbeiteten sie bei 37 °C noch außerordentlich effizient, hatten die Viren bei 33 °C leichteres Spiel. Daraus könnte man jedoch allenfalls den Schluss ziehen, dass es im Winter sinnvoll sein könnte, Nasenwärmer zu tragen.

Dass Kälte Erkältungen begünstigt, ließe sich auch aus einem Versuch eines Teams um Ronald Eccles vom Common Cold Center in Cardiff schließen. Dabei ließ man 180 Freiwillige frieren - sie sollten ihre Füße für 20 Minuten in eiskaltes Wasser stellen. Innerhalb von 5 Tagen bekam jeder Dritte von ihnen eine Erkältung. In der Kontrollgruppe war es hingegen nur jeder Zehnte. Die Untersuchung zeigt jedoch auch: trotz extremer Bedingungen (wer friert schon freiwillig zwanzig Minuten?) blieben zwei Drittel der Versuchspersonen gesund.

In einem anderen Versuch setzte H. F. Dowling Menschen unterschiedlichen Kältebedingungen aus - die Infektionsrate unterschied sich bei den Versuchsgruppen hier nicht. Auch Walter Haas vom Robert-Koch-Institut sagt: "Dass eine leichte Unterkühlung durch unzureichende Kleidung die Ansteckungsgefahr erhöht, ist nicht nachgewiesen". Entscheidener sei, ob man mit Erkältungsviren in Berührung kommt oder nicht. Doch selbst als man Probanden absichtlich Schnupfenviren in die Nase gab, konnte man keinen Zusammenhang zwischen den Kältebedingungen und den anschließenden Erkrankungen feststellen (Studie von 1968).

Denn selbst, wenn es tatsächlich zu einer Infektion kommt, kann das Immunsystem diese bereits im Ansatz stoppen. Je fitter es durch gesunde Ernährung, viel frische Luft, Schlaf und Bewegung ist, desto höher ist die Chance, dass es die Krankheitsereger blitzschnell vernichtet. Es gibt viele verschiedene Faktoren, die eine Infektion beeinflussen - das Frieren ist nur ein sehr kleiner Baustein. Wenn keine Erkältungsviren vorhanden sind, kann man im Grunde ewig frieren, ohne dass etwas passiert.

Aber warum erkälten wir uns dann vor allem in den kalten Jahreszeiten? In den Herbst- und Wintermonaten halten wir uns hauptsächlich in gut beheizten Räumen auf. Dort verteilen sich Erkältungsviren besonders gut von Mensch zu Mensch.Die Heizungsluft ist zudem oft sehr trocken, wodurch die Schleimhäute schnell austrocknen und die Erkältungsviren sich schneller vermehren können.

Ich habe mir im letzten Winter ein einfaches Hygrometer gekauft, um mal zu schauen, wie trocken unsere Luft wirklich ist und war ziemlich erstaunt, wie oft die Luftfeuchtigkeit unter dem Idealbereich von 40 bis 60 % lag. Danach zog ein Luftbefeuchter bei uns ein und ich bilde mir ein, dass das Raumklima sehr viel angenehmer geworden ist. Auch Kontaktlinsen sind deutlich angenehmer zu tragen. Eine hohe Luftfeuchtigkeit leistet vor allem bei nächtlichem Reizhusten wertvolle Dienste.

Eltern von Mützenverweigerern fürchten auch häufig Mittelohrentzündungen durch "Zug". Mittelohrentzündungen entstehen jedoch nicht durch in die Ohren gelangte Krankheitserreger oder kalte Luft; sie sind vielmehr Folgeerkrankungen einer Erkältung, einer Grippe oder einer Rachenentzündung. Die Erreger dieser ursprünglichen Krankheit wandern durch den Nasen-Rachen-Raum und führen zu einer Entzündung in der Ohrschleimhaut. Leidet das Kind an einer Mittelohrentzündung, ist das Tragen einer Mütze sinnvoll, weil die Wärme den Ohren gut tut - das Fehlern der selbigen ist jedoch kein Auslöser für die Erkrankung.

Der Mythos, dass Kälte Erkältungen begünstigt, wird auch davon verstärkt, dass viele Menschen ganz zu Beginn einer Infektion frieren. Bricht dann wenige Stunden später die Erkrankung mit allen Symptomen aus, ziehen sie den Schluss: Ich habe gefroren und bin gleich danach krank geworden - dabei war das Frieren vielmehr das erste Anzeichen und nicht die Ursache für die Erkältung.

Unabhängig vom Einfluss der Kälte auf die Infektanfälligkeit - jeder Mensch hat das Bedürfnis, nicht zu frieren. Wenn ein Kind also ohne Mütze warme Wangen und warme Hände hat, dann kann man getrost davon ausgehen, dass ihm nicht zu kalt ist. Und wenn die Hände kalt sind, dann heißt das dennoch nicht, dass das Kind friert. Ein guter Indikator für die Körperwärme ist die Region zwischen den Schulterblättern - ist es dort warm, dann friert das Kind sicher nicht. (Der Test ist natürlich ziemlich gemeint, wenn Mama und Papa selbst kalte Hände haben ;-).

Mützen für Neugeborene in Räumen

In vielen Krankenhäusern wird Neugeborenen sofort nach der Geburt ein dünnes Baumwollmützchen aufgesetzt. Vermutlich ist das ein Überbleibsel aus den Zeiten, in denen die Kinder von ihren Eltern getrennt untergebracht waren. Üblicherweise regelt intensiver Körperkontakt die kindliche Körpertemperatur. Es wurde nachgewiesen, dass die mütterliche Haut wärmer wird und das Baby damit aufwärmt, wenn dessen Temperatur zu niedrig ist. Umgekehrt kann die Mütter das Baby auch herunterkühlen, wenn es zu warm ist. Wenn diese Temperaturregulation ausbleibt, kann ein Kind natürlich in einem kalten Krankenhausbettchen schnell auskühlen. Daher bekamen Babys lange Zeit standardmäßig Mützen verpasst und den Müttern eindringlich empfohlen, den Kopf unbedingt dauerhaft warm zu halten (was die Mützenbesessenheit meiner Mutter und meine entsprechende Prägung erklären könnte).

Wäre eine wärmende Kopfbedeckung zwingend für das Überleben erforderlich, hätte die Evolution dafür gesorgt, dass alle Neugeborenen bereits mit einer prächtigen Haarpracht zur Welt kommen. Spärlich behaarte Babys sind jedoch offenbar evolutionsbiologisch nicht benachteiligt worden. Tatsächlich haben nicht wenige Kinder auch bis über das erste Lebensjahr hinaus einen außerordentlich wenig behaarten Kopf.

Die Neugeborenenmützen behindern sogar das Kennenlernen und Kuscheln. Kleine Babys haben im Vergleich zur übrigen Körperoberfläche sehr große Köpfe, die für Berührungen und Liebkosungen außerordentlich empfänglich sind - und der Rest ist oft sorgfältig verpackt. Der so wichtige Hautkontakt in den ersten Stunden und Tagen ist mit  Mütze deutlich erschwert. Und schließlich riecht nichts auf der Welt schöner, als der Kopf eines kleinen Babys. Da es zudem keine einzige Studie gibt, dass die Mützen zu irgendetwas nutzen, kann man sie getrost weglassen.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Es geht hier um die Neugeborenenhauben direkt nach der Geburt die in geschlossenen Räumen getragen werden, wenn Babys dicht bei Mama auf dem Arm sind oder mit ihr im Bett liegen. Wenn man mit Babys nach draußen geht, dann sind Mützen in den ersten Monaten außerordentlich wichtig - vor allem, wenn die Kinder keinen Körperkontakt zur Mutter haben. Die Wärmeregulation funktioniert zwar auch im Tragetuch - da kein direkter Körperkontakt besteht, jedoch nur sehr eingeschränkt.

© Danielle

Quellen

Renz-Polster, H. "Kinder verstehen"

//www.sueddeutsche.de/leben/mythos-aus-der-kaelte-muetze-oder-nicht-1.368272

//www.normalfed.com/starting/hat/

//www.stillkinder.de/wozu-diese-muetzchen/

//naturheilkunde.immanuel.de/aktuelles/nachrichten/aktuelle-nachrichten/detailseite/article/lese-tipp-erkaeltung-ohne-uns/

//www.focus.de/gesundheit/gesundleben/vorsorge/news/erkaeltung_aid_101400.html

//www.welt.de/gesundheit/article136055768/Darum-erkaeltet-man-sich-bei-Kaelte-leichter.html

Ist Wind schädlich für Baby?

Frische Luft tut Gross und Klein gut. Viel Bewegung im Freien auch bei Kälte, Wind und Regen stärkt das Immunsystem von Kindern.

Bei welchem Wetter mit Baby nicht raus?

Bei Nebel, Regen, Wind oder gar Sturm gehen Eltern ungern mit den Kleinen spazieren, aber in manchen Fällen lässt sich ein kurzer Aufenthalt im Freien trotzdem nicht vermeiden. Dann sollte das Baby windgeschützt angezogen sein, im Kinderwagen ist es auch vor Regen sicher.

Ist frische Luft gut für Babys?

Spaziergänge an frischer Luft sind allerdings sehr wichtig für die Baby-Gesundheit. Die trockene Heizungsluft kann die Atemwege des Säuglings strapazieren. Frische Luft stärkt, wie auch beim Erwachsenen, das Immunsystem.

Warum dürfen Baby keine Zugluft?

„Der Säugling hat nach der Geburt in Relation zu seinem Körpervolumen eine etwa dreimal so große Oberfläche wie ein Erwachsener, die schnell Wärme an die Umgebung verliert. Deshalb brauchen Babys beim Wickeln z.B. auch besonderen Schutz vor Kälte und Zugluft, damit ihr Körper nicht zu schnell auskühlt“, erklärt Dr.

Toplist

Neuester Beitrag

Stichworte