Ich habe letztens mit meiner Mutter über das bekannte Gedicht und Wiegenlied von Theodor Storm "Gode Nacht" ("Över de stillen Straten...") geredet. Wir haben dabei festgestellt, dass wir die 4. Zeile der 2. Strophe
Din Kind liggt in de Weegen,
un ik bün ok bi di;
din Sorgen und din Leven
is allens um un bi.
unterschiedlich interpretieren. Es geht dabei um den Ausdruck "um un bi". Ich gehe davon aus, das dies mit dem modernen Ausdruck "um un bi" (oder Hochdeutsch gesprochen "um und bei") im Sinne von "in etwa" nichts zu tun hat. Meine Mutter interpretiert "um und bi" als "zugegen sein", also als "alles (deine Sorgen deine Lieben)
ist da". Ich habe es immer als "ist belanglos" interpretiert, d.h. dass die 3. und 4. Zeile bedeuten, dass deine Gefühle, deine Sorgen und diene Lieben, im Schlaf belanglos werden, weit weg sind.
Meine Frage ist nun, wie Ihr dies interpretiert und ob es Belege für diesen Ausdruck in einer hier sinnvoll erscheinenden Bedeutung (z.B. sicher nicht "in etwa") dieses Ausdruckes gibt. Im Übrigen bin ich mir auch nicht sicher, dass "Leven"
wirklich "Lieben" heißt. Es könnte auch "Leben" bedeuten.
- #2
Ich schließe mich der Interpretation Deiner Mutter an (der Zusammenhang des Gedichts findet sich z.B. hier): Alles, worum die Partnerin sich sorgt und was ihr Leben ausmacht, ist direkt bei ihr und in relativer Sicherheit. Liebe wäre meines Erachtens je nach Region Leev oder Lief,
(ich würde es auch tatsächlich länger sprechen), jedenfalls aber wie in der hier vorliegenden Verschriftlichung durch den Doppelvokal regelmäßig klar unterschieden von Leven (=Leben).
(Daß auch Storm oder zumindest sein Herausgeber die Unterscheidung beachtete, siehe im Reimwort "Weegen")
- #3
Last edited: Jan 27, 2009
- #4
Hutschi, Du warst im Verspaar verrutscht. Die von Dir gegebene "systembetreuung"-Quelle übersetzt es nicht mit "und ich bin auch bei dir", sondern mit
Deine Sorgen und dein Leben
ist jetzt alles hier.
Allerdings bin ich (auch wenn ich an dieser Stelle übereinstimme) der
Übersetzung gegenüber ein bißchen skeptisch, da sie etwa in der ersten Strophe "klar" einfach mit "klar" wiedergibt; meines Erachtens schwingt im plattdeutschen Ausdruck noch stärker als im Hochdeutschen die Bedeutungskomponente "hell/rein" mit.
Viel fragwürdiger ist allerdings die andere Übersetzung - daß die Übersetzerin aus Wien kommt, muß nichts bedeuten, aber eine gereimte Übersetzung legt meist nicht denselben Wert auf den Wortlaut wie eine in Prosa, und hier sind hier dem Reim
zuliebe mehrere Eingriffe gegen den Text vorgenommen worden.
Last edited: Jan 27, 2009
- #5
Liebe wäre meines Erachtens je nach Region Leev oder Lief, (ich würde es auch tatsächlich länger sprechen), jedenfalls aber wie in der hier vorliegenden Verschriftlichung durch den Doppelvokal regelmäßig klar unterschieden von Leven (=Leben). "Lief" würde ich in Husum (Storms Heimatort) nicht erwarten; ich denke diese regionale Variante können wir ausschließen. Ich gebe Dir Recht, dass "leef" ein längeres "e" (normalerweise sogar als gleitender langer Vokal "leif" gesprochen) als "Leven" (Leben) hat. Nun schreibt er aber z.B. "Straten" nur mit einem a, obwohl das "a" ähnlich lang ist. Außerdem findest du die Schreibweise mit einem "e" in dem berühmten
Motto "Lever dot as Slav". "Leven" könnte daher auch Lieben (das Lieben, nicht die Liebe) heißen. Aber Du hast schon Recht, Leben ist naheliegender, nur passt "Sorgen und Leben" für mich nicht zusammen.
(Daß auch Storm oder zumindest sein Herausgeber
die Unterscheidung beachtete, siehe im Reimwort "Weegen")
Last edited: Jan 27, 2009
- #6
Vielen Dank für die Info. Die französische Übersetzung entspräche dabei dem Verständnis meiner Mutter. Die englische Übersetzung erscheint überzeugt micht nicht so recht.