Angesichts der in den kommenden Tagen in Deutschland erwarteten hohen Temperaturen hat die Gewerkschaft Verdi für Arbeitnehmer Hitzefrei oder zumindest längere Pausen gefordert. Auch wenn darauf kein rechtlicher Anspruch bestehe: Die Gesundheit und das Wohl der Mitarbeitenden müsse bei der Hitzewelle im Vordergrund stehen, sagte der Leiter der tarifpolitischen Grundsatzabteilung bei Verdi, Norbert Reuter, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Verdi will "Hitzefrei"-Regelungen mit Unternehmen
Arbeitgeber und Betriebsrat müssten Regelungen vereinbaren, "wann die ausgefallenen Arbeitszeiten gegebenenfalls nachgeholt werden können", so Reuter. Zudem pochte der Gewerkschafter auf flexible Arbeitszeiten: "In jedem Fall fordern wir, dass alle Möglichkeiten zur Nutzung von Gleitzeitregelungen zur Arbeitszeitverlagerung genutzt werden."
Arbeitgeber hat Fürsorgepflicht
Einen Anspruch auf "Hitzefrei" haben Beschäftigte aktuell nicht. Einen frühen Feierabend, weil das Thermometer über 30 Grad anzeigt, kann der Arbeitgeber zwar gewähren, muss er aber nicht. Und einfach nach Hause gehen, weil man sich nicht mehr konzentrieren kann oder zu sehr schwitzt, das kann schwere Folgen haben. Laut DGB Rechtsschutz GmbH könnte es eine Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung nach sich ziehen.
Gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch hat der Arbeitgeber allerdings für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine allgemeine Fürsorgepflicht. Das bedeutet: Bei einer Hitzewelle muss die Geschäftsleitung verhindern, dass der Arbeitsraum zur Sauna wird. Nachzulesen ist das in der Arbeitsstättenverordnung.
Temperatur-Schmerzgrenze bei 35 Grad
Eine Raumtemperatur bis zu 26 Grad gilt als erträglich. Zeigt das Thermometer mehr an, sollte der Arbeitgeber schauen, ob die Gesundheit bei einzelnen Mitarbeitern durch die Hitze gefährdet ist. Ab 30 Grad muss er gegensteuern: Zum Beispiel durch Sonnenschilde an den Fenstern, Getränke oder öfter mal einer Pause. Eine Anzug- und Krawattenpflicht sollte gelockert werden.
Auch die Gleitzeit kann genutzt werden, man kann also die Arbeitszeit in die Morgen- oder Abendstunden verlegen, wenn es kühler ist. Ab einer Innentemperatur von über 35 Grad ist der Raum zum Arbeiten nicht mehr geeignet. Dann darf der Beschäftigte sich weigern, dort tätig zu werden. Er hat ein Recht auf längere Abkühlpausen oder einen anderen Raum.
- Zum Artikel: Hitzeschutz: Bayern will Gesundheitsrisiken vorbeugen
Schwitzen im Homeoffice
Ob 26 Grad oder darüber, wer im Homeroffice schwitzt, der muss das ertragen oder selber für Abkühlung sorgen. Die Vorgaben der Arbeitsstättenregelung gelten laut Fachjuristen nicht, wenn man vom heimischen Wohnzimmer aus per Laptop seine Aufgaben erfüllt.
Der Beschäftigte kann sich einen anderen Arbeitsort suchen – auch am See, wenn das die Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt. Bei fest vereinbarten und eingerichteten Telearbeitsplätzen ist zum Teil ein etwas besserer Schutz vereinbart.
Einsatz im Freien
Bauarbeiter, Müllmänner oder Fensterputzer zum Beispiel können sich schlecht auf die Raumtemperatur berufen. Ab 35 Grad einen anderen Arbeitsplatz zu verlangen, macht hier keinen Sinn. Aber auch für Beschäftigte im Außeneinsatz gibt es Regelungen bei Hitze. Sie müssen am Einsatzort vor allem vor der Sonne und ihren Folgen geschützt werden, durch Schirme zum Beispiel, eine Kappe, eine entsprechende Creme und genügend Trinkwasser.
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Arbeitsschutz
Verdi fordert Hitzefrei bei der Arbeit: Diese Regeln gelten
Videografik: So halten Städte der Hitze stand
Videografik: So halten Städte der Hitze stand
In Städten ist es immer wärmer als auf dem Land - egal zu welcher Tages- oder Jahreszeit. Bei Hitzewellen kann der Temperaturunterschied zehn Grad Celsius in der Nacht betragen. Um dem zunehmend heißen Klima standzuhalten, können Städte einiges unternehmen.
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Im Sommer kann es bei der Arbeit fast unerträglich heiß werden. Verdi fordert deshalb Hitzefrei im Büro. Diese Regeln gelten aktuell.
Berlin.
- Hitzefrei bei der Arbeit: Diese Forderung hat die Gewerkschaft Verdi aufgestellt
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Bei dem Wort Hitzefrei denken die meisten Menschen wohl sehnsüchtig an ihre Schulzeit zurück, als Temperaturen um die 30-Grad-Marke noch für einen vorgezogenen Schulschluss sorgten. Im Berufsleben ist das anders: Selbst die größte Hitze ist kein gängiges Argument dafür, früher Feierabend zu machen. Nach Ansicht der Gewerkschaft Verdi sollte sie es aber sein.
- Lesen Sie auch: Hitze-Rekorde – Das sind die heißesten Orte Deutschland
Morgenpost von Christine Richter
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Klar ist: Einen gesetzlichen Anspruch auf Hitzefrei bei der Arbeit gibt es nicht. Das weiß man auch bei Verdi. Dennoch: "Bei extremer Hitze fordern wir längere Pausen oder ein früheres Ende der Arbeit", zitiert das "Redaktionsnetzwerk Deutschland" Norbert Reuter, den Leiter der tarifpolitischen Abteilung der Gewerkschaft.
Hitzefrei bei der Arbeit: Muss sich der Chef darauf einlassen?
Aktuell sind solche Regelungen nicht die Norm. Entsprechende Ansätze sind zudem nur möglich, wenn sich der Arbeitgeber freiwillig darauf einlässt. Denn obwohl der Arbeitsschutz in Deutschland bestimmte Regeln für das Arbeiten bei Hitze vorsieht, gibt es keinen Rechtsanspruch auf eine Klimaanlage im Büro oder Hitzefrei.
Was also tun, wenn es bei der Arbeit immer heißer wird und der Chef oder die Chefin nichts dagegen tut? Dazu ist es zunächst wichtig zu wissen, welche Temperaturgrenzen es bei der Arbeit überhaupt gibt.
- Arbeitsschutz: Hitzefrei im Büro – Das gilt im Sommer für Angestellte
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Hitze während der Arbeit: Wie heiß darf es im Büro sein?
Inwieweit auch bei der Arbeit geschwitzt werden darf und muss, regelt die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättVO). Das sagt sie aus:
- Grundsätzlich ist festgelegt, dass die Temperatur in Arbeitsräumen 26 Grad nicht überschreiten soll.
- Eine Raumtemperatur von mehr als 26 Grad ist nur zulässig, wenn am Arbeitsplatz Schutzmaßnahmen ergriffen werden.
- Steigt die Temperatur auf über 30Grad, muss der Arbeitgeber die klimatischen Belastungen weiter verringern. Dazu zählen Maßnahmen wie die effektive Steuerung des Sonnenschutzes.
- Wird es am Arbeitsplatz über 35Gradheiß, kann nicht gearbeitet werden.
Eine Ausnahme kann gemacht werden, wenn der Arbeitgeber weitere Hilfsmittel anbietet, beispielsweise Hitzepausen und Luftduschen. Wird dafür nicht gesorgt, bedeutet das aber nicht, dass man einfach nach Hause gehen darf, sondern lediglich der Arbeitsraum gewechselt werden muss. Lesen Sie auch: Keine Lust auf Hitze? So bauen Sie sich eine Klimaanlage
Was muss der Arbeitgeber für den Hitzeschutz tun?
Laut Verordnung müssen Fenster und Glasflächen vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt werden, zum Beispiel mit Jalousien. Auch Klimaanlagen können zum Einsatz kommen. Diese sollten aber nicht zu kühl eingestellt werden – drinnen sollte es stets maximal sechs Grad kälter sein als draußen, raten Experten.
Unterstützung muss es übrigens nicht nur für diejenigen geben, die in stickigen Büroräumen sitzen: Wer an der frischen Luft arbeitet, muss vor direkter Sonne geschützt werden. Dafür können etwa Sonnensegel gespannt werden, auch Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor sowie ausreichend Getränke sollten gestellt werden.
Wird es trotzdem zu heiß im Büro oder an der draußen gelegenen Arbeitsstätte, sollte man den Arbeitgeber darauf hinweisen und im Zweifelsfall den Betriebsrat einschalten.
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Abkühlung bei der Arbeit: Lüften ja, aber Vorsicht bei Ventilatoren
Bei Temperaturen über 30 Grad kann ein Ventilator für die ersehnte Abkühlung bei der Arbeit sorgen. Allerdings sollte man vor dem Aufstellen den Arbeitgeber um Erlaubnis fragen: Der Strom, der aus den Steckdosen am Arbeitsplatz kommt, gehört schließlich zu den Arbeitsmitteln. Ob dieser für die teilweise energieintensiven Geräte genutzt werden darf, hat der Chef zu entscheiden.
Hitzefrei in der Schule – was bedeutet das für Arbeitnehmer?
Im Sommer kann es vorkommen, dass es Hitzefrei gibt und die Schule ausfällt. Ab welcher Temperatur dies eintritt, ist in Deutschland nicht einheitlich geregelt, sondern von Schule zu Schule unterschiedlich. Wer kümmert sich in der Zeit um das Kind?
Meist können die Schüler tatsächlich in der Schule weiter betreut werden. Ist dies nicht möglich, müssen sich Eltern auch schon mal freinehmen, um auf ihr Kind aufzupassen. Gerade bei Kindern im Alter von unter 12 Jahren kann der Arbeitgeber nicht verlangen, dies unbeaufsichtigt zu lassen. Ein Kompromiss könnte die Verlegung der Arbeit ins Homeoffice sein. Auch interessant: Wie der Körper auf Hitze reagiert – und wie man ihn schützt
Dresscode an heißen Tagen: Darf man mit kurzer Hose ins Büro?
Kurze Hosen und sommerliche Kleider sind bei Meetings nicht gerne gesehen. Allerdings hat der Arbeitgeber hier nicht wirklich Möglichkeiten einzugreifen. Wer allerdings Kundenkontakt hat, sollte sich an den üblichen Dresscode im Unternehmen halten. Ernsthafte Konsequenzen haben Verstöße in der Regel allerdings nicht.
Im Homeoffice können Angestellte es natürlich lockerer angehen lassen. Bei Videokonferenzen sollte man trotzdem angemessen gekleidet auftreten – hier sind schon so manche Peinlichkeiten passiert. Übrigens: gerade im Homeoffice ist die Arbeitssicherheit aus versicherungstechnischen Gründen besonders wichtig. Wer die Füße also ins Planschbecken hält, sollte den Laptop vorher sicher abstellen – und auch daheim für angemessene Belüftung und Flüssigkeitszufuhr sorgen. (bml)
Dieser Artikel wurde zuerst bei morgenpost.de veröffentlicht.