Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt erklärung

"Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt."

Immanuel Kant (1724-1804)

"Die Freiheit besteht darin, daß man alles das tun kann, was einem anderen nicht schadet."

Matthias Claudius (1740-1815)

"Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, daß er tun kann, was er will, sondern darin, daß er nicht tun muß, was er nicht will."

Jean-Jacques Rousseau (1712-78)

"Die Freiheit ist nicht die Willkür, beliebig zu handeln, sondern die Fähigkeit, vernünftig zu handeln."

Rudolf Virchow (1821 - 1902)

"Was du nicht willst, das man dir tu', das füg auch keinem andern zu.“

Sprichwort/Goldene Regel

"Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden."

Rosa Luxemburg (1871-1919)

"Wer Freiheiten aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, verdient weder Freiheit noch Sicherheit."

Benjamin Franklin (1706-1790)

"Wer anderen die Freiheit verweigert, verdient sie nicht für sich selbst."

Abraham Lincoln (1809-1865)

"Nur wer die Freiheit anderer achtet, ist selbst der Freiheit wert."

Johann Jacoby (1805-1877)

"Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit, und das Geheimnis der Freiheit ist der Mut."

Perikles (um 490 v. Chr. - 429 v. Chr.)

"Freiheit ist nicht Freiheit zu tun, was man will, sie ist die Verantwortung, das zu tun, was man tun muss."

Yehudi Menuhin (1916 - 1999)

"Freiheit ist kein Privileg, sondern eine Aufgabe."

Georges Bernanos (1888 - 1948)

"Privilegien aller Art sind das Grab von Freiheit und Gerechtigkeit."

Johann Gottfried Seume (1763 - 1810)

"Wer die Segnungen der Freiheit genießen will, muß sich der Mühe unterziehen, dafür einzutreten."

Thomas Paine (1737 - 1809)

"Mit dem ersten Glied ist die Kette geschmiedet. Wenn die erste Rede zensiert, der erste Gedanke verboten, die erste Freiheit verweigert wird, dann sind wir alle unwiderruflich gefesselt.“

Erik Satie (1866-1925)

"Recht hat wenig Sinn, wenn es die Freiheit nicht schützt."

Thomas Dehler (1897-1967)

"Jeder soll nach seiner Facon selig werden."

Friedrich II. (1712-1786)

"Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“

Immanuel Kant (1724-1804)

"Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

Immanuel Kant (1724-1804)

"Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür

geben, daß Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen."

Rene Descartes (1596-1650)

"Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind."

Winston Churchill (1874-1965)

"Das Gegenteil von (politisch) ‚links‘ ist nicht ‚rechts‘ - und das Gegenteil von rechts ist nicht links. Der braune Sozialismus war und ist nur eine Variante des roten Sozialismus. Das Gegenteil von ‚links‘ (und von ‚rechts‘) ist: ‚freiheitlich‘ und ‚offen‘, sowie ‚rechtsstaatlich‘ im ursprünglichen Sinne des Wortes. Und freiheitlich, offen und rechtsstaatlich bedeutet zugleich: So viel persönliche und private Entscheidungsautonomie des Bürgers als möglich. Und das wiederum heißt zugleich: So wenig Staat und Politik als überhaupt möglich, und so wenig Parteien- und Funktionärskompetenzen als gerade noch denkbar."

Roland Baader (1940-2012)

Meine Freiheit, deine Freiheit


Eines der existentiellen Probleme des Menschseins ist, ein Verst�ndnis f�r das zu entwickeln, was Freiheit bedeutet, und diese dann auch richtig zu gebrauchen.

Das griechische Wort f�r Freiheit hei�t eleutheria. In seinem Kern sagt dieser Begriff aus, da� "Leute" zueinander geh�ren, da� man einem Volk, einer Gemeinschaft angeh�rt. Der germanische Begriff leut hat die gleiche Wortwurzel wie eleutheria. Eleutheria bedeutet aber auch autarkeia, d. h. die Menschen sind der Polis, dem Polisvolk zugeh�rig und damit erst freie Leute, welche die M�glichkeit zur Autarkie haben.

Im gotisch-germanischen und schlie�lich deutschen Sprachraum h�ngt das Wort Freiheit mit Freund zusammen. Dies zeigt sich im Verb "freien". Gotisch frijon hei�t lieben und schonen. Und Freund bedeutet, da� freie Menschen einander gut gesonnen sein sollen und sich im Umgang miteinander nicht schaden, sondern sich respektieren und schonen sollen.

Zu den Grundeinsichten des Gebrauchs von Freiheit geh�rt daher die Erkenntnis, da� die Aus�bung der eigenen Freiheit die Freiheitsr�ume anderer Menschen ber�hrt oder sogar massiv beeintr�chtigen kann. "Meine Freiheit" und "Deine Freiheit" stehen also in einem grunds�tzlichen Widerspruch zueinander. Dieser soll in diesem Baustein plastisch herausgearbeitet werden. Die Sch�lerinnen und Sch�ler sollen erkennen, da� sie im allt�glichen Gebrauch ihrer Freiheit darauf achten m�ssen, wie stark sie durch ihr Handeln in Freiheitsr�ume anderer Menschen einbrechen. Sie sollen weiter erkennen, da� in einer menschlichen Gemeinschaft ein H�chstma� an Freiheit f�r alle nur m�glich ist, wenn Spielregeln eingehalten werden und dar�ber hinaus im Geiste gegenseitiger R�cksichtnahme gehandelt wird.


1. Was ist Freiheit? (B 1 bis B 3)

Von Paul Val�ry stammt die resignierende Antwort, da� "Freiheit eines dieser abscheulichen W�rter ist, die nach mehr klingen, als sie in Wirklichkeit aussagen, die mehr Bedeutung als Sinn haben". Gleichwohl ist es erforderlich, zumindest ansatzweise den Freiheitsbegriff zu beleuchten.

Das Lied "Die Gedanken sind frei" (B 1) stammt aus der Zeit der Franz�sischen Revolution. Es entspricht dem Gedankengut der Aufkl�rung, als sich die Bev�lkerung von der geistigen, religi�sen und weltanschaulichen Bevormundung ihrer Herrscher befreite. Unser heutiges Freiheitsverst�ndnis und unsere praktischen Freiheitserfahrungen in einer freiheitlichen Gesellschaft w�ren ohne das Gedankengut der Aufkl�rung und der Auflehnung der Menschen gegen die herrschende Klasse nicht m�glich gewesen.

Eine heute landl�ufige Sichtweise von Freiheit ist: "Tun und lassen k�nnen, was man will, wie man will und wann man will". Dies w�rde bedeuten, da� man ohne alle Einschr�nkungen handeln kann und alle Verbindlichkeiten verweigern darf.

Die Produktbeschreibung B 2 zeigt, wie die Werbestrategie f�r eine Kreditkarte gezielt das individuelle Streben nach m�glichst grenzenloser Freiheit anspricht: Der Inhaber der beworbenen Kreditkarte soll das Gef�hl haben, ohne die Grenzen beschr�nkter Liquidit�t jederzeit Freiheit "einkaufen" zu k�nnen.


Kundeninformation der Landesgirokasse

Der Arbeitsauftrag an die Sch�ler kann lauten, weitere Beispiele aus der Werbung zu nennen, bei denen gezielt der Freiheitswille der B�rger angesprochen wird. Ein Beispiel: der "Duft von Freiheit und Abenteuer" aus der Zigarettenwerbung.

Die n�chste Aufgabe sollen die Sch�lerinnen und Sch�ler in Partnerarbeit l�sen: Nenne auf einem Blatt Papier zehn Handlungen unter dem Motto: "Wenn ich v�llig frei w�re, w�rde ich ...!" Dann tauschen die Sch�lerinnen und Sch�ler ihre Bl�tter aus. Die zweite Aufgabe lautet: Nenne anhand der Aussagen deines Partners entsprechende Gef�hle, Zust�nde oder Handlungen unter dem Motto: "Wenn du v�llig frei w�rest, w�rde ich ...!"

Bei der Auswertung sollte als wichtiges Ergebnis herausgearbeitet werden: Die Freiheit des einen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt: "Die Freiheit besteht darin, da� man alles tun kann, was einem anderen nicht schadet" (Matthias Claudius, 1740-1815).

Angeregt durch das Zitat B 3a kann die Frage er�rtert werden, unter welchen Bedingungen v�llige, absolute Freiheit f�r einen einzelnen Menschen herrschen k�nnte.

Die absolute Freiheit gibt es tats�chlich - f�r Alleinherrscher

Milovan Vitezovic (aus dem Serbokroatischen von Drago Tesevic) Zit. nach Frankfurter Rundschau, 18.9.1982

Im Ergebnis d�rften nur zwei M�glichkeiten in Frage kommen: Der Mensch lebt alleine, z. B. auf einer einsamen Insel, oder der Mensch �bt totale Herrschaft �ber seine Mitmenschen aus, so da� er alle Widerst�nde gegen die Aus�bung seiner Freiheit ausr�umen kann.

Diese Zusammenh�nge k�nnen an folgendem Tafelbild 1 (Menschentypen) verdeutlicht werden:

2. Menschsein ohne Gemeinschaft? (B 4 bis B 6)

Der Mensch, der allein lebt und nicht in der Gemeinschaft verwurzelt ist, ist nicht wirklich frei. Der Cartoon B 4 verdeutlicht dies.

Zeichnung: Martin Berthommier; aus: Denis Huisman:
Philosophie f�r Einsteiger, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1996, S. 65

Die Sch�lerfrage lautet: Was ist "das Schicksal" Robinsons, nachdem er Freitag davongejagt hat? Ist Robinson wirklich frei? Was fehlt ihm? Herauszuarbeiten ist, da� Freiheit und Gemeinschaft zusammengeh�ren, und Formen von Freiheit erst in der Gemeinschaft erlebt werden k�nnen. (Beispiel: Die gehbehinderte Gro�mutter wird von ihrem Enkel mit dem Auto "zu einer Fahrt ins Gr�ne" mitgenommen. Was bedeutet die Ausfahrt f�r die Gro�mutter?)

Das Lied B 5 gibt einen Einblick in das Seelenleben eines Menschen, der den Kontakt zur Gemeinschaft und damit letztlich Freiheit und Gl�ck verloren hat.

Alles was ich habe

1. Alles, was ich habe, ist meine K�chenschabe/
sie liegt auf meinem Ofen, da kann sie ruhig poofen.
/Mein allerbester Freund ist sie, der letzte, der mir
blieb,/drum ist mir das Insektenvieh auch ganz be-
sonders lieb,/auch be�'re Zeiten gab es schon,
gro� war die Freundeszahl,/sie liefen mit dem
Gl�ck davon; ich sah mit einem Mal:

2. Alles, was ich habe, ist meine K�chenschabe,/
sie liegt auf meinem Ofen, da kann sie ruhig poofen.
/Da kann man seh'n, wie so ein Tier ein bess'rer
Mensch sein kann,/sie h�lt in Freud' und Leid zu
mir und schaut mich tr�stend an,/da kann man
seh'n wie so ein Tier ein bess'rer Mensch kann sein.
/Und ihre Augen sagen mir, du bist ja nicht allein:

Alles was ich habe, ist meine K�chenschabe, mag
sie die K�che haben, ich h�r' ihr zu beim Schaben.
Krrrrk, Krrrk.

Reinhard Mey: Alle Lieder, Maik�fer Musik Verlagsgesellschaft mbH, Berlin.
Copyright Chanson Edition R. Mey, Berlin, LP Intercord 160.034

Der Mensch ist also von Natur aus auf Gemeinschaft angelegt. Er ist ein "zoon politikon", ein politisches Wesen. Er beh�lt aber auch als gemeinschaftliches Wesen stets seine Personalit�t und strebt im Rahmen der Gesellschaft und ihrer Gruppierungen nach individueller Freiheit. Anhand des Textes B 6 ist herauszuarbeiten, da� das Leben in der Gemeinschaft die Koordination der Handlungen der Menschen untereinander erforderlich macht. Ohne die Einhaltung von Regeln, ohne einen "Orientierungsplan", ist dies aber nicht m�glich.

Der Mensch in der Gemeinschaft

Wie kommt solche Koordination der einzelnen Handlungen zustande? Nehmen wir das Beispiel eines Konzerts: Die Musikanten stellen ihre Handlungen dadurch aufeinander ein, da� sie alle nach ein und derselben Komposition spielen, die auf einem Notenblatt aufgezeichnet ist. Sie koordinieren ihr Handeln also nach ein und demselben objektiven Orientierungsplan. Oder: Im Stra�enverkehr wird das Handeln dadurch koordiniert, da� die Verkehrsteilnehmer ihr Verhalten nach ein und denselben Verkehrsregeln richten (rechts ausweichen, links �berholen, wer von rechts kommt, hat Vorfahrt usw.) Auf dem Gem�semarkt stellt man das Handeln wiederum nach anderen Regeln aufeinander ein: Wer etwas kauft, hat den vereinbarten Geldbetrag zu zahlen, wer verkauft, hat eine bestimmte Sache zu �bergeben und zu �bereignen. Solche Regeln, etwa �ber den Stra�enverkehr oder �ber den Kauf, sind mitteilbare "objektive" Sinngehalte. Damit ist gemeint: da� verschiedene Menschen ein und dieselben Regeln "zum Bewu�tsein kommen" k�nnen, da� es sich also hierbei nicht um blo� psychische Tatbest�nde handelt (die immer h�chstpers�nlich sind), sondern um tradierbare, f�r mehrere Menschen identische, "intersubjektive" Inhalte menschlicher Vorstellungen.

Die Koordination verschiedener Menschen zu einer Gemeinschaft funktioniert also nicht durch Naturgesetze oder blo� psychische Mechanismen, sondern dadurch, da� die Einzelnen ihr Handeln nach einem bestimmten Orientierungsplan aufeinander abstimmen. Kurz, Gemeinschaft konstituiert sich als ein Gef�ge sinnorientierten Verhaltens.

Reinhold Zippelius: Einf�hrung in das Recht, M�nchen 1974, S. 10 f.


3. Freiheit und Macht (B 7 bis B 9)

Das Ma� an Freiheit in einer Gemeinschaft h�ngt stark davon ab, wie die Kr�fteverh�ltnisse zwischen den Individuen verteilt sind. Soweit hier keine Regeln herrschen, setzt sich derjenige durch, der den gr��ten Freiheitsanspruch erhebt und diesen aufgrund seiner St�rke, ggf. mit Gewalt, gegen die Freiheitsanspr�che anderer durchsetzt. Diese Erscheinung kann anhand der Fabel (B 7) verdeutlicht werden.

Wer hat recht?

Auf einer Weide tummelten sich allerlei Tiere. Da sah der Ochse ein zierliches Bl�mchen mit wei�en Kr�nzchen in der Mitte. Er betrachtete es und fragte seine Weidegenossen:

"Kennt ihr diese Blume?"
"Es ist eine Tulpe!", bl�kte das Schaf.
"Ein Veilchen!", meckerte die Ziege.
"Ein G�nsebl�mchen!", sagte das Pferd.
"Dummes Zeug!", br�llte der Ochse mit gewaltiger Stimme, "es ist eine Rose!".

Da schwiegen die Tiere und fragten den Fuchs, der zuf�llig vor�berschlich, um seine Meinung. "Der Ochse hat recht!", sagte der Fuchs mit schelmischem Grinsen, "er hat am lautesten gebr�llt!"

Fabel von Aesop

Existieren keine Konfliktl�sungsmechanismen, setzt sich der St�rkste durch. B 8 zeigt die geistige Grundhaltung, die hinter dem Streben nach Macht, Herrschaft und dem Maximieren der eigenen Freiheit steht: Die Welt wird als Privateigentum verstanden, die einem selbst und sonst niemand geh�rt.


Zeichnung: Jens Jeddeloh (Ulla Gast: F�r mich geb' ich mein letztes Hemd. Ausreden f�r Egoisten,
copyright Vito von Eichborn GmbH & Co. Verlag KG, Frankfurt/M. 1991)

Die Karikatur B 9 zeigt eine allt�gliche Lebenssituation, in der die Erscheinungsform und die Wirkung regelloser, egoistischer Machtaus�bung verdeutlicht wird.


Zeichnung: Jens Jeddeloh (Ulla Gast: F�r mich geb' ich mein letztes Hemd,
Ausreden f�r Egoisten, Eichborn-Verlag, Frankfurt/M. 1991)

Im Ergebnis soll festgehalten werden, da� sich die Freiheitsr�ume in einer Gemeinschaft, in der es keine festen Regeln gibt, nicht etwa gleichm��ig verteilen, sondern da� sich das Recht des St�rksten durchsetzt. Damit verlieren aber alle �brigen Mitglieder der Gemeinschaft ein erhebliches Ma� ihrer Freiheitsr�ume. Dies ist mit einem Menschenbild, das eine gerechte Verteilung der Lebenschancen und eine Verwirklichung von Freiheit in der Gemeinschaft anstrebt, nicht vereinbar.


4. In Freiheit die Rechte anderer achten (B lO bis B l4)

Ausgehend von der Erkenntnis, da� die Freiheit des einen dort endet, wo die Freiheit des anderen beginnt, stellt sich die Frage, wie die Freiheitsbereiche zwischen Individuen in einer Gemeinschaft voneinander abgegrenzt werden. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland hat sich daf�r entschieden, das Recht auf freie Entfaltung der Pers�nlichkeit zwar zu garantieren, aber zugleich auch wieder einzuschr�nken (vgl. B 10).

Freie Entfaltung der Pers�nlichkeit

Artikel 2, Absatz 1, Grundgesetz

Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Pers�nlichkeit,
soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die
verfassungsm��ige Ordnung oder das Sittengesetz verst��t.

In Aus�bung seiner Freiheit mu� jeder Mensch sorgsam pr�fen, da� er die Freiheitsanspr�che anderer, die insoweit das gleiche Recht zur Inanspruchnahme ihrer Freiheit haben, nicht verletzt.

Das Schaubild B 11 �ffnet den Blick daf�r, da� die im Konflikt liegenden Freiheitsanspr�che einzelner Gruppen in einer Alltagssituation (Stra�enverkehr) sehr komplex sein k�nnen. Anhand der Skizze k�nnen die einzelnen Interessen benannt und versuchsweise in eine Priorit�tenreihenfolge gebracht werden. Die strittige Diskussion hier�ber in der Klasse wird deutlich machen, da� es keine klare Hierarchie der Freiheitsr�ume gibt, sondern die Freiheitsr�ume durch Abw�gen der Interessen verteilt werden m�ssen.

Der Ausgleich kollidierender Freiheitsrechte erfolgt also in einem Abw�gungsproze� zwischen den einzelnen Freiheitsbereichen. Dabei hat nicht einfach eine Freiheit der anderen zu weichen, sondern es ist jeweils zu pr�fen, wie die eine Freiheit m�glichst weitgehend verwirklicht werden kann, ohne da� die andere Freiheit an ihrer m�glichst weitgehenden Verwirklichung gehindert wird. Dieser gerechte abw�gende Ausgleich als Grundlage aller rechtlichen �berlegungen wird im Bild der Justitia widergespiegelt (B 12).


Die Justitia am Gerechtigkeitsbrunnen
auf dem R�merberg in Frankfurt

Bild:dpa

Dieses Grundprinzip der gerechten Abw�gung soll mit den Sch�lerinnen und Sch�lern an zwei Beispielsf�llen (B 13 und
B 14) er�rtert werden. Hierzu bietet sich methodisch ein Rollenspiel an: Jeweils ein Sch�ler oder eine Sch�lergruppe vertritt die Argumente der beiden kollidierenden Interessentr�ger. Ein dritter Sch�ler oder eine dritte Gruppe erh�lt die Funktion eines Schiedsgerichtes, das die erforderliche Abw�gung zwischen den widerstreitenden Parteien vornimmt und entscheidet, wo die Grenze in der jeweiligen Freiheitsaus�bung zu ziehen ist. Zur "L�sung" der F�lle k�nnen folgende Hinweise gegeben werden:

Bei der Er�rterung von Fall B 13 (Wendeplatte f�r Basketballer?) kommt es darauf an zu erkennen, da� jede Gruppe (also die Autofahrer ebenso wie die Basketballspieler) von Freiheitsrechten Gebrauch machen will und hierf�r auch berechtigte Interessen vorbringen kann. Jede Gruppe mu� erkennen, da� sie zwar ihre Freiheit der Interessenverwirklichung umfassend wahrnehmen m�chte, aber sehen mu�, da� es kollidierende Freiheitsanspr�che der anderen Gruppe gibt. In einer Gesamtabw�gung mu� letztlich eine Entscheidung getroffen werden. Ein "Sowohl-Als-auch" (nach dem Prinzip "Mal die einen, mal die anderen") wird es dabei nicht immer geben k�nnen. In vielen F�llen mu� man nach einer umfassenden Abw�gung auch eine Entweder-Oder-Entscheidung treffen und den Rechten einer der beiden widerstreitenden Interessengruppen Vorrang einr�umen.

Bei der Er�rterung des Falles B 14 (Mit Kopftuch im Unterricht?) kommt es darauf an, zu erkennen da� die Freiheit der Religionsaus�bung der einen Seite mit der Freiheit der anderen Seite, keine oder eine andere Religion auszu�ben, kollidiert. Im Regelfall wird man hier eine hohe Toleranzschwelle anzusetzen haben, wenn es ausreichend M�glichkeiten gibt, die eigene Religion in einem geeigneten Rahmen ohne St�rung auszu�ben oder sich auch in religionsfreie R�ume zur�ckziehen zu k�nnen. Umstritten ist diese Frage allerdings dann, wenn Menschen wie in der Schule an bestimmten Orten zusammentreffen m�ssen, wegen der Schulpflicht keine M�glichkeit der freien Ortsbestimmung haben und sich damit nicht gegenseitig ausweichen k�nnen. Hier ist bei allen Beteiligten ein besonderes Ma� an R�cksichtnahme auf die jeweiligen Freiheitsr�ume der anderen einzufordern. Das Recht der Religionsaus�bung mu� ebenso gewahrt werden wie die sog. negative Religionsfreiheit, also das Recht, nicht mit religi�sen Ritualen konfrontiert oder zu deren Aus�bung gezwungen zu werden. Die Entscheidung im konkreten Fall (B 14) ist nicht eindeutig zu treffen, wie die kontroverse gesellschaftliche Diskussion um das Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichts bewiesen hat und wie die unterschiedlichen Standpunkte in B 14 nochmals verdeutlichen.


5. Das Recht als "Schiedsrichter" kollidierender Freiheiten

Anhand von Zitaten (B 3b-e) soll die friedensstiftende Funktion des Rechts in einem Rechtsstaat verdeutlicht werden.

Die Freiheit ist das Recht, alles zu tun, was die Gesetze erlauben
Montesquieu  (1689-1755)
Freiheit bedeutet, von nichts anderem abh�ngig zu sein als von den Gesetzen.
Voltaire (1694-1778)
Die Freiheit ist dein Recht, Leute zu w�hlen, die Verbote f�r dich ausarbeiten.
Unbekannt
Frei ist, wer will, was er mu�.
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

Vom Grundsatz her hat Recht die Aufgabe, die Freiheitsr�ume der Menschen untereinander gerecht zu verteilen. Um nicht in jedem Einzelfall die Abw�gung zwischen kollidierenden Interessen vornehmen zu m�ssen, treffen Rechtsnormen allgemeine Regelungen vor allem �ber die Art und Weise der Rechtsaus�bung. Der Text B 6 zeigte bereits die Bandbreite rechtlicher Regelungsbereiche auf. In Streitf�llen �ber die Anwendung und Auslegung von Rechtsnormen auf einen konkreten Lebenssachverhalt entscheiden die Gerichte.

Neben rechtlichen Normen gibt es noch andere Orientierungsschemata f�r menschliches Handeln: Auch �berkommene Leitbilder der Sitte, etwa dar�ber, wie hierzulande das Weihnachtsfest, eine Kindstaufe, eine Hochzeit, eine Beerdigung ablaufen, dienen als Handlungsmuster, nach denen man sein Verhalten ausrichtet. Normen der Sitte und der Sozialmoral stellen ebenfalls Normen der menschlichen Freiheitsaus�bung dar. Im Alltag sehr enger Lebensbeziehungen, etwa in der Familie oder in den Beziehungen einer Freundschaft oder guter Nachbarschaft, tritt das Rechtliche gegen�ber nichtrechtlichen Verhaltensmustern (Anstandsgebote, Pflichten zu wechselseitiger R�cksichtnahme und gegenseitiger Hilfe) zur�ck. Selbst im Gesch�ftsleben gibt es nichtrechtliche Regelungen, wie z. B. das Gebot kaufm�nnischer Kulanz.

Als Aufgabe f�r die Sch�lerinnen und Sch�ler zum Abschlu� dieses Bausteines kann folgende Frage gestellt werden: Nenne rechtliche oder nichtrechtliche Verhaltensnormen im famili�ren Bereich und erkl�re, welche Freiheitsbereiche einzelner Familienmitglieder dadurch zum Ausgleich gebracht werden. Beispiel: Das moralische Gebot zur Unterst�tzung der haushaltsf�hrenden Person durch alle Familienangeh�rigen im Haushalt; kollidierende Freiheitsrechte sind der Freiheitsanspruch der haushaltsf�hrenden Person, Zeit und Kr�fte auch f�r andere T�tigkeiten au�erhalb des Hauses zu gewinnen sowie die Handlungsfreiheit der �brigen Haushaltsmitglieder, nichts oder nur ihnen Angenehmes zu tun.

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