Anspruch auf größere wohnung bei regelmäßigem besuch des kindes

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  • Vater übt Umgangsrecht mit seinen Kindern aus: Recht auf höhere Kosten der Unterkunft!

Das Sozialgericht Kiel hat am 09.04.2014 in einem Eilverfahren – S 38 AS 88/14 ER – beschlossen, dass ein Vater, der an 55 Tagen im Jahr sein Umgangsrecht mit seinen beiden Kindern ausübt,  ein Recht auf höhere Kosten der Unterkunft hat.
Im vorliegenden Fall hatte der Vater eine – nach Auffassung des Jobcenters – zu teure Wohnung angemietet. Er hatte dies damit begründet, dass er regelmäßig sein Umgangsrecht mit seinen Kindern ausübe.
Das Jobcenter hatte ihm lediglich Kosten der Unterkunft nach der Angemessenheitsgrenze für eine Person bewilligt (50 qm / 316,00 Euro bruttokalt).
Das Sozialgericht hat nun entschieden, dass er ein Anrecht auf eine Wohnung von einer Größe von 65 qm mit entsprechend höheren Mietkosten hat (408,20 bruttokalt). Es bestehe eine temporäre Bedarfsgemeinschaft mit seinen Kindern.
Das Jobcenter hatte die -etwas lebensfremde- Auffassung vertreten, man habe in einem solchen Fall zwar Anspruch auf eine größere Wohnung, nicht aber auf höhere Mietkosten.
Wenn Sie auch regelmäßig ihr Umgangsrecht mit einem oder mehreren Kindern ausüben und lediglich die Kosten der Unterkunft für eine Person bekommen, lohnt sich daher ein Widerspruch.

Das Sozialgericht hat seinen Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet (bearbeitet und gekürzt):

Berechnung der angemessenen Wohnungsgröße

Als Grundlage für die Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße konnte, nach Maßgabe der zuvor zitierten Urteile des BSG aus Gründen der Rechtssicherheit und Praktikabilität auf § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) und die hierzu ergangenen Richtlinien der Länder abgestellt werden. (…) Danach besteht die förderfähige Wohnfläche von Wohnungen für Alleinstehende bis zu 50 m2, für Haushalte mit zwei Personen bis zu 60 m2 und für Haushalte mit drei Personen bis zu 75 m2.
Die Kammer ist insoweit zu der Überzeugung gelangt, dass dem Antragsteller nicht die für einen Einpersonenhaushalt angemessene Wohnfläche von 50 m2, sondern eine angemessene Wohnfläche im Umfang von bis zu 65 m2 zusteht.

Dieser zusätzliche Wohnraumbedarf folgt daraus, dass sich die Kinder des Antragstellers in einem zeitlichen Umfang bei diesem aufhalten, der es rechtfertigt, entsprechend den vom BSG entwickelten Grundsätzen zur sogenannten „temporären Bedarfsgemeinschaft“ einen erhöhten Wohnraumbedarf anzuerkennen. Nach dieser Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, verlangt die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nach ihrem Wortlaut kein dauerhaftes Leben von unverheirateten Kindern im Haushalt des jeweiligen Hilfebedürftigen im Gegensatz zu anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 2, 3 SGB II. Für diese Gruppe genügt danach ein dauerhafter Zustand in der Form, dass die Kinder mit einer gewissen Regelmäßigkeit länger als einen Tag bei einem Elternteil wohnen und damit nicht nur sporadische Besuche vorliegen. Eine solche Auslegung ist, in Übereinstimmung mit der zitierten Rechtsprechung, aufgrund der besonderen Förderungspflicht des Staates zugunsten der Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geboten.

Zwar ist, soweit ersichtlich, bislang höchstrichterlich nicht geklärt, ob und in welchem Umfang eine temporäre Bedarfsgemeinschaft auch im Bereich der Unterkunftskosten zu berücksichtigen ist. Im Hinblick auf die grundrechtliche Bedeutung des Schutzes der Familie, auch im Hinblick auf nichteheliche Kinder, vgl. Art. 6 Abs. 5 GG, hält die Kammer jedoch sowohl im Hinblick auf das bestehende Sorgerecht des Antragstellers als auch im Hinblick auf das Umgangsrecht eine Erhöhung der Wohnflächengrenzen für geboten. Dies folgt aus der Überlegung, dass bei einer besonderen Schutz- und Förderpflicht des Staates grundsicherungsrechtlich sichergestellt sein muss, dass die grundrechtlich geschützten und zu fördernden regelmäßigen und längeren Aufenthalte von Kindern bei einem sorge- und/oder umgangsberechtigten Elternteil stattfinden können und daher auch ein entsprechender Wohn- und Lebensraum zur Verfügung stehen muss. Dies entspricht letztlich auch dem Willen des Gesetzgebers, was sich im Hinblick auf die Vorschrift des § 22b Abs. 3 S. 2 Nr. 2 SGB II zeigt, wonach kommunale Satzungen zur Bestimmung der Angemessenheit der Höhe der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Maßgabe des § 22a SGB II einen erhöhten Raumbedarf wegen der Ausübung eines Umgangsrechts zu berücksichtigen haben. (…)

Eine entsprechende Regelmäßigkeit liegt vor, da die Kinder wiederkehrend mindestens die hälftigen Ferienzeiten bei dem Antragsteller verbringen, dies ausweislich der Umgangsvereinbarung jedenfalls bereits im Vorjahr der Fall war und keine Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme begründen könnten, dass dies nicht auch nach Ablauf der aktuellen Umgangsvereinbarung der Fall sein wird. Die Anwesenheitszeiten sind auch zeitlich erheblich. Für die Kinder des Antragstellers, insbesondere auch unter Berücksichtigung ihres Alters, weisen die Umgangszeiten erhebliche Auswirkungen für ihre Erholungs- und Freizeit sowie ihren Alltag auf. Sie verbringen regelmäßig und jeweils über einen längeren Zeitraum ihren Alltag außerhalb ihres gewohnten Umfelds in … . Insbesondere die jeweils mindestens siebenmaligen Übernachtungen am Stück pro Umgang lassen auch erkennen, dass ein gemeinsames Verbringen des Alltags des Antragstellers mit seinen Kindern durch die Anwesenheiten der Kinder gewährleistet ist. (…)

Der Umfang der angemessenen Erhöhung des Wohn bedarfs des Antragstellers ergibt sich nach Auffassung der Kammer a,us der Bildung von Mittelwerten nach der förderfähigen Wohnfläche. So ist vorliegend für ein Kind von dem Mittelwert aus der Wohnfläche für einen Einpersonenhaushalt von 50 m2 und dem Wert für einen Zweipersonenhaushalt von 60 m2 als angemessener Wohnfläche auszugehen, woraus sich ein Wert von 55 m2 ergibt. Gleichermaßen ist aus dem als für den Antragsteller mit einem Kind als angemessen anzusehenden Wohnbedarf von 55 m2 ein Mittelwert mit dem Wohnbedarf eines Dreipersonenhaushaltes von‘ 75 m2 zu bilden, womit sich im Ergebnis für den Antragsteller unter Berücksichtigung seines Umgangsrechts mit den beiden Kindern ein angemessener Wohnbedarf von 65 m2 ergibt, welcher durch die 65 m2 große Wohnung des Antragstellers nicht überschritten wird. Eine Erhöhung der angemessenen Wohnfläche für ein Kind um 10m2 statt lediglich eine nochmalige Erhöhung um 5 m2 erscheint der Kammer auch angemessen, da in diesem Rahmen auch das Alter der Kinder und damit etwaige Abgrenzungsproblematiken und die Notwendigkeit von Rückzugsmöglichkeiten gegenüber der restlichen Familie zu berücksichtigen sind. (…)

Berechnung der angemessenen Miete

Hier geht das Sozialgericht von dem neuen, noch unveröffentlichten „schlüssigen “ Konzept der Stadt Kiel aus.

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